Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der der Antragstellerin erteilten Baugenehmigung vom 09.07.2008 wird abgelehnt.
Die Antragsgegner tragen die Kosten des Abänderungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
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| Der Antrag ist zulässig und begründet. |
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| § 80b VwGO steht der Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nicht entgegen (a.A. OVG Lüneburg, Beschluss vom 05.12.2008 - 1 ME 93/08 - juris und OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.05.2003 - 1 B 411/03 - juris). Die Vorschrift enthält Regelungen über das Ende der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage bei Abweisung der Klage (Abs. 1) und über die Befugnis des Oberverwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung auf Antrag fortdauern zu lassen (Abs. 2). |
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| Die Frage des Verhältnisses von § 80 Abs. 7 zu § 80b VwGO wird sich nur in wenigen Fällen stellen. Denn in den Fällen, in denen das Verwaltungsgericht nicht mehr Gericht der Hauptsache ist, scheidet die Anwendung des § 80 Abs. 7 VwGO ohnehin aus. Das Zeitfenster für die Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO und für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist relativ schmal. Dies dürfte im Regelfall die Beteiligten davon abhalten, einen solchen Antrag zu stellen. Gelingt es aber, über einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO zu entscheiden, bevor das Verwaltungsgericht seine Eigenschaft als Gericht der Hauptsache verliert, was eher der Ausnahmefall sein dürfte, läuft § 80b VwGO leer. |
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| § 80b VwGO enthält keine Regelung, die die Anwendbarkeit des § 80 Abs. 7 VwGO durch das Verwaltungsgericht ausdrücklich ausschließt. Sie folgt auch nicht aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung (vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte: Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattsammlung Stand Februar 1998, § 80b Rdnrn. 1 bis 7). Nach Schoch (a.a.O. Rdnr. 8) liegt der Zweck des § 80b VwGO „zuvörderst darin, den in der aufschiebenden Wirkung enthaltenen ‚Anreiz’ einer Verfahrensverzögerung zu vermeiden“. Die gesetzliche Regelung basiere ersichtlich auf dem Gedanken der Missbrauchsabwehr. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum 6. VwGOÄndG (BT-Drs. 13/3993, Seite 11 „Zu Nummer 7“, 1. Absatz). Eine Vorschrift, die die Auswirkungen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs zurückdrängen will, kann man aber nicht in dem Sinne auslegen, dass sie die Anwendbarkeit anderer Vorschriften, die ebenfalls zu einer (meist sogar schnelleren) Beendigung der aufschiebenden Wirkung führen können, ausschließt. |
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| Das Gegenteil folgt auch nicht aus der weiteren Gesetzgebungsgeschichte, auf die das OVG Lüneburg (a.a.O.) maßgeblich seine Auffassung stützt, das Verwaltungsgericht sei nach Abweisung der Nachbarklage als unbegründet nicht mehr befugt, seinen Beschluss über die Aussetzung der Baugenehmigung zu ändern. Das OVG Lüneburg schließt dies aus der Änderung des Regierungsentwurf des § 80b Abs. 2 VwGO durch den Vermittlungsausschuss. § 80b Abs. 2 VwGO sollte nach dem Regierungsentwurf (BT-Drs. 13/3993, Seite 4) den folgenden Wortlaut haben: |
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| „Das Gericht des ersten Rechtszuges kann in der klageabweisenden Entscheidung anordnen, daß die aufschiebende Wirkung fortdauert. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache diese Anordnung aufheben“. |
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| In der endgültigen Fassung des § 80b Abs. 2 VwGO wurde die Befugnis, die aufschiebende Wirkung über den Zeitpunkt des Abs. 1 hinaus anzuordnen, nur dem Oberverwaltungsgericht zugesprochen. Dem Verwaltungsgericht wurde aber damit nur die Kompetenz nicht eingeräumt, eine Entscheidung über die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung über den Zeitpunkt des § 80b Abs. 1 VwGO hinaus zu treffen. Daraus zu folgern, der Gesetzgeber habe dem Verwaltungsgericht die schon zuvor bestehende Kompetenz genommen, seine die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnende Entscheidung, solange es noch Gericht der Hauptsache ist, nach § 80 Abs. 7 Satz 1 oder 2 VwGO wieder zu ändern, ist nicht möglich. Wäre das gewollt gewesen, hätte dies im Gesetz seinen Niederschlag finden müssen. |
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| Die Kommentarliteratur, auf die sich das OVG Lüneburg (a.a.O.) zur Begründung seiner Meinung stützt, gibt überwiegend für seine Auffassung nichts her. Sie führt zumeist nur mehr oder weniger die Selbstverständlichkeit aus, dass das Verwaltungsgericht für die Entscheidung über die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung nach § 80b Abs. 2 VwGO nicht zuständig ist, auch nicht durch Anwendung des § 80 Abs. 7 VwGO (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblattsammlung Stand Januar Februar 1998, § 80b Rdnr. 42, Putler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflage, § 80b Rdnr. 26, Poser/Wolff, Verwaltungsgerichtsordnung, Beck’scher Online-Kommentar, § 80b Rdnr. 24). Die Auffassung des OVG Lüneburg ließe sich mit den zuletzt zitierten Kommentarstellen nur begründen, wenn unter dem Begriff „Fortdauer“ auch die „Nicht-Fortdauer“ der aufschiebenden Wirkung zu verstehen wäre. Dafür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Nur der Kommentar von Bader u.a. zur Verwaltungsgerichtsordnung (3. Auflage, 2005, Kommentierung von Funke-Kaiser Rdnr. 135 zu § 80 und Rdnr. 2 zu § 80b) befasst sich ausdrücklich mit der Frage, ob § 80b VwGO das Verwaltungsgericht auch an der Aufhebung seiner Entscheidung im Eilverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO hindert. Während aber nach der Kommentierung zu § 80 VwGO der § 80b VwGO einem Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO nur dann entgegenstehen soll, wenn keine „echte“ Änderung der Sach- oder Rechtslage vorliegt (eine solche liegt hier aber vor, siehe unten), soll nach der Kommentierung zu § 80b VwGO diese Vorschrift einer Aufhebung bzw. Änderung der Entscheidung über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht immer entgegenstehen. Das ist widersprüchlich und nicht überzeugend. |
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| Veränderte Umstände liegen hier vor. Diese ergeben sich daraus, dass die Kammer im Hauptsacheverfahren einen Augenschein eingenommen hat (vgl. Schmidt in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Auflage 2006, § 80 Rdnr. 103, Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage 1998, Rdnr. 1028, Spiegelstrich 4). Sie hat dabei die Erkenntnisse gewonnen, die ihr im Verfahren 1 K 869/09 zur Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache noch gefehlt haben. Auf die Notwendigkeit der Einnahme eines Augenscheins war im Beschluss vom 08.05.2009 in jenem Verfahren ausdrücklich hingewiesen worden. Aufgrund der gewonnen Erkenntnisse geht die Kammer nun davon aus, dass der Rechtsbehelf der Antragsgegner im Hauptsacheverfahren ohne Erfolg bleiben wird. Auf das klageabweisende Urteil vom 29.07.2009 im Verfahren 1 K 727/09 wird verwiesen. Es besteht daher kein Grund mehr, die Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung aufrecht zu erhalten. |
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