Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - 11 K 936/05

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

 
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Die angefochtenen Bescheide sind im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Maßgebender Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der nachträglichen Befristung der Aufenthaltserlaubnis ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, Urt. vom 28.05.1991, NVwZ 1992, 177 = Bay.VBl 1991, 631; VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 15.10.2002, NVwZ-RR 2003, 385; VGH München, Beschl. vom 13.03.2002, AuAS 2002, 134). Abzustellen ist es somit auf die Rechtslage des seit dem 01.01.2005 geltenden Aufenthaltsgesetzes.
Dass die Voraussetzungen für eine nachträgliche Verkürzung der Frist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorliegen, ist im Widerspruchsbescheid zutreffend dargelegt und wird von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. Entgegen ihrem Vorbringen steht der Klägerin jedoch ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG erkennbar nicht zu. Die in § 31 Abs. 1 AufenthG geforderte zweijährige Ehebestandszeit erfüllt die Klägerin - unstreitig - nicht. Allerdings ist nach § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG von der Voraussetzung des zweijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist jedoch nicht ersichtlich, dass ihr zur Vermeidung einer besonderen Härte der weitere Aufenthalt zu ermöglichen ist.
Eine besondere Härte liegt nach der Legaldefinition des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist.
Eine besondere Härte im Sinne der 2. Alternative des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG scheidet nach dem Vorbringen der Klägerin aus. Sie macht geltend, sie sei von dem Rauswurf aus der ehelichen Wohnung völlig überrascht worden und zunächst davon ausgegangen, dass dies ein Streit gewesen sei und sich die Sache wieder normalisieren würde. Mit diesem Vorbringen hat sie jedoch die Zumutbarkeit des Festhaltens an ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft trotz des Verhaltens ihres Ehemannes klar zum Ausdruck gemacht. Ein zeitlich danach liegendes gravierendes Verhalten ihres Ehemannes, das als psychische Misshandlung angesehen werden und ihr das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft - nunmehr - unzumutbar gemacht haben könnte, hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Jedenfalls zum Zeitpunkt ihres Rauswurfs aus der ehelichen Wohnung und damit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft hat die Klägerin trotz des Verhaltens ihres Ehemannes eine Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht als unzumutbar angesehen.
Im Übrigen hat die Klägerin aber auch keine ihrer Art und Schwere nach auf eine Unzumutbarkeit i.S.d. § 31 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG hindeutende Beeinträchtigung glaubhaft gemacht. Soweit sie berichtet, ihr Ehemann habe sie betrogen und ausgenutzt, mag es sich um ehewidriges Verhalten handeln. Derartiges geht jedoch nicht über dasjenige hinaus, das vielfach einer Trennung von Eheleuten zugrunde liegt. Dass dieses Verhalten das von ihr behauptete Ausmaß einer „psychischen Terrorisierung“ gehabt habe, wird von ihr nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht.
Die Klägerin hat aber auch nicht schlüssig und glaubhaft dargetan, weshalb ihre nunmehrige Rückkehr zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange i.S.d. § 31 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG führen sollte. Der Gesetzgeber knüpft nach dem Wortlaut der 1. Alternative des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur an die Rückkehrverpflichtung selbst an und verlangt nicht, dass die drohenden erheblichen Beeinträchtigungen auf den Umstand der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft zurückzuführen sind (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 04.12.2002, InfAuslR 2003, 190; OVG Münster, Beschl. vom 04.05.2001, NVwZ-Beil. I 2001, 83 und Beschl. vom 01.08.2002, NWVBl. 2003, 33). Von Bedeutung können somit alle aus der Ausreise aus Deutschland infolge der Beendigung des ehebedingten Aufenthaltsrechts resultierenden Beeinträchtigungen sein. Hierzu können beispielsweise auch im Inland geschaffene materielle und ideelle Werte (vgl. VGH Kassel, Beschl. vom 24.10.2003, NVwZ-Beilage I 2004, 17) oder die Pflege des Umgangs mit dem in Deutschland lebenden minderjährigen Kind (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. vom 04.06.2003, InfAuslR 2003, 415) gehören. Die Formulierung „wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung“ bedeutet lediglich, dass die Rückkehrverpflichtung im Zusammenhang mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft stehen muss (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 04.12.2002 a.a.O.; OVG Münster, Beschl. vom 04.05.2001 a.a.O.). Eine gewisse Beschränkung der berücksichtigungsfähigen Beeinträchtigungen ergibt sich aber aus der geforderten Erheblichkeit der drohenden Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange. Dies bedeutet, dass gesellschaftliche und sonstige Nachteile insbesondere für Frauen aus anderen Rechts- und Kulturkreisen über bloße Belästigungen hinausgehen müssen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 04.12.2002 a.a.O.).
Gemessen an diesen Vorgaben vermag das Gericht in der Rückkehrverpflichtung für die Klägerin eine besondere Härte nicht zu erkennen. Sie macht zwar geltend, als allein stehende Frau fände sie in der Türkei keinerlei Rückhalt, ihr drohe die soziale Ausgrenzung und ein normales Leben sei ihr aufgrund der kulturellen Verhältnisse nicht möglich. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um unsubstantiierte Behauptungen. Die Klägerin stammt aus der Gegend um Istanbul. Im Gegensatz zur Lage der Frauen aus den ländlichen Gebieten der Türkei (vgl. hierzu VG Berlin, Urt. vom 26.06.1995, NVwZ-RR 1996, 295) hat sich aber die Lage türkischer Frauen, die aus den größeren Städten kommen, in den letzten Jahren einer völligen Emanzipation genähert, so dass eine allein lebende Frau sich dort in keiner Ausnahmesituation mehr befindet und eine Rückkehr ohne weiteres zumutbar ist (ebenso VG Wiesbaden, Beschl. vom 16.03.2000, AuAS 2000, 160).
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Das Regierungspräsidium Stuttgart hat das nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG eröffnete Ermessen nach derzeitigem Erkenntnisstand fehlerfrei ausgeübt. Die nachträgliche zeitliche Verkürzung der der Klägerin erteilten Aufenthaltserlaubnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Ihre Lebensverhältnisse haben sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung im Bundesgebiet nicht so verfestigt, dass die Rückkehr in die Heimat als unverhältnismäßig anzusehen ist (vgl. auch VGH Kassel, Urt. vom 04.03.2002, EZAR 019 Nr. 15).

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