Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - A 12 K 10767/05

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des - gerichtskostenfreien - Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe

 
Der Hauptantrag des Antragstellers, der mehrfach wechselnd unterschiedliche schwarzafrikanische Staatsangehörigkeiten behauptet hat, nach einem nun vorliegenden Pass aber Staatsangehöriger Guineas ist, die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage (A 12 K 10766/05) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.03.2005 anzuordnen, ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Sein Hilfsantrag ist dagegen bereits unstatthaft.
I.
Der Bescheid vom 10.03.2005 konkretisiert den vorangegangenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 24.06.1999. In diesem Bescheid waren dem Antragsteller die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des damals geltenden AuslG  als offensichtlich unbegründet versagt sowie die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 53 AuslG  abgelehnt worden. Letztgenannte Feststellung ist in der Begründung ausdrücklich auf alle afrikanischen Staaten erstreckt worden, da der Antragsteller in seiner damaligen Anhörung angegeben hatte, er sei Staatsangehöriger Sierra Leones und deswegen geflohen, da dort Bürgerkrieg herrsche; sonstige Befürchtungen bei einer Rückkehr habe er nicht. Zu Angaben über Geographie und Parteienlandschaft Sierra Leones war er aber nicht in der Lage und Personalpapiere fehlten. Daher wurde ihm in Ziffer 4 des Bescheid vom 24.06.1999 die Abschiebung „in den Herkunftsstaat“ angedroht.
Mit Schreiben vom 01.12.2004 legte die für die Organisation der Abschiebung des Antragstellers zuständige Behörde, das Regierungspräsidium Stuttgart, der Antragsgegnerin einen am 29.10.2004 ausgestellten Pass der Republik Guinea für den Antragsteller vor und forderte sie auf, die bisherige Zielstaatsbezeichnung zu konkretisieren.
II.
1. Mithin ist der Hauptantrag des Antragstellers darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Bezeichnung Guineas als Zielstaat der Abschiebung anzuordnen.
Mit dieser Fassung ist er nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Denn es entspricht gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, beim Streit um die (Teil)Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung von der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auszugehen (vgl. nur VG Saarl., Beschl. v. 20.10.2002 - 10 F 10/02.A - [Juris];  Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, § 36 Rdnr. 12 u. 19). Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist er schon deswegen nicht verfristet, da die Antragsgegnerin in ihrer Rechtsbehelfsbelehrung nicht über eine Frist belehrt hat.
Der Hauptantrag bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.03.2005 begegnen jedenfalls keine ernstlichen Zweifel (Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG u. § 36 Abs. 4 Satz 1  AsylVfG). Dieser Maßstab gilt auch bei der Prüfung einer Abschiebungsandrohung nach einem als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrag (so Roth in: Hailbronner, AuslR, § 36 AsylVfG Rdnr. 86). Selbst wenn dem nicht gefolgt würde und mithin die sonst bei § 80 Abs. 5 VwGO geltenden Maßstäbe anzuwenden wären (so Funke-Kaiser, a.a.O., § 36 Rdnr. 67), ist eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht tunlich. Denn der Bescheid des Bundesamt vom 10.03.2005 entspricht voraussichtlich dem Gesetz.
a) Das Bundesamt war zunächst für den Erlass des Konkretisierungsbescheids zuständig. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung (Urt. v. 25.07.2000, BVerwGE 111, 343) zur nachträglichen Konkretisierung eines Zielstaats die Frage der Zuständigkeit offen gelassen. Es entspricht aber mittlerweile nahezu einhelliger Auffassung, für die Konkretisierung der Bezeichnung des Zielstaates in einer vom Bundesamt erlassenen Androhung bleibe dieses zuständig (so VG Stuttgart, Urt. v. 07.07.2000 - A 10 K 12098/99 -; VG Freiburg, Beschl. v. 02.01.2004, NVwZ-RR 2004, 693; Roth in: Hailbronner, AuslR, § 34 AsylVfG Rdnr. 67f.; Funke-Kaiser, a.a.O., § 34 Rdnr. 64.1).
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b) Das Unterlassen einer Anhörung des Antragstellers vor der Konkretisierung führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids.  Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG ist eine Anhörung vor dem Erlass einer Androhung nicht erforderlich. Mag es auch in Fällen der nachträglichen Konkretisierung des Zielstaates gleichwohl sinnvoll sein, den Betroffenen anzuhören, darf nicht außer acht gelassen werden, dass es sich beim Erlass der Abschiebungsandrohung um eine gebundene Entscheidung handelt. Selbst bei einem Verstoß gegen eine etwaige Anhörungspflicht wäre daher die Unbeachtlichkeit eines solchen Verstoßes nach § 46 VwVfG anzunehmen (so auch VG Stuttgart, Urt. v. 07.07.2000, a.a.O.).
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c) Durchgreifende Zweifel begegnen dem Bescheid des Bundesamts auch nicht im Blick auf  § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG. Nach dieser Bestimmung ist in nahezu allen Asylverfahren - außer den in Satz 2 genannten hier erkennbar nicht einschlägigen Fällen - über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu entscheiden. Zwar ist dies im Bescheid des Bundesamts vom 10.03.2005 nicht geschehen; es war aber auch nicht erforderlich.
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Wie ausgeführt, ergänzt der Bescheid des Bundesamts vom 10.03.2005 jenen vom 24.06.1999. Im zweitgenannten Bescheid ist unter Ziffer 3 das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG (heute: von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) bestandskräftig abgelehnt worden. In der Begründung ist darauf abgestellt, diese Feststellung gelte für alle afrikanischen Staaten. Zwar dürfte diese Vorgehensweise in vielen anderen Fällen überaus fragwürdig sein, da nur im Blick auf konkrete Zielstaaten eine korrekte Prüfung des Vorliegens von Abschiebungsverboten erfolgen kann (so auch Funke-Kaiser, a.a.O., § 34 Rdnr. 60). Wenn aber - wie hier -  in der Anhörung im Jahr 1999 nur der Bürgerkrieg in Sierra Leone als Grund der Ausreise genannt wird, allgemeine Kenntnisse von den Verhältnissen in diesem Land und Personalpapiere aber nicht vorhanden sind, korrespondiert mit dem Recht des Bundesamts, die Abschiebung „in den Herkunftsstaat“ anzudrohen (so BVerwG, Urt. v. 25.07.2000, a.a.O.) denknotwendig auch das Recht, allgemeine, d.h. nicht aus dem individuellen Vortrag herzuleitende Abschiebungsverbote im Blick auf „den Herkunftsstaat“ zu verneinen (für die Zulässigkeit einer vorsorglichen Prüfung auch Funke-Kaiser, a.a.O., § 34, Rdnr. 60). Anderenfalls würde schon im Erstbescheid gegen § 31 Abs. 3 AsylVfG verstoßen. Von diesem Recht hat das Bundesamt im Bescheid vom 24.06.1999, wenn auch sprachlich anders („alle sonstigen afrikanischen Staaten“) Gebrauch gemacht.
 
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Mit dieser Verfahrenserleichterung korrespondiert allerdings die Pflicht des Bundesamts, bei Konkretisierung des Zielstaates auch die Feststellung des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten im Blick auf den nun bezeichneten Staat zumindest in der Begründung des Konkretisierungsbescheids nochmals zu „aktualisieren“. Dies ist vorliegend unterblieben. Da der Antragsteller bis heute aber keinerlei Begründung erbracht hat und aus allgemein zugänglichen Quellen keine landesweiten allgemeinen Gefahren in der Republik Guinea erkennbar sind, ist davon auszugehen, dass es sich nur um ein Begründungsdefizit bei einer gebundenen Entscheidung handelt, das nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist und daher keine erheblichen Zweifel zu begründen vermag.
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2. Der Hilfsantrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzusehen, ist wegen des Vorrangs des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits unstatthaft (§ 123 Abs. 5 VwGO).
15 
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden (§ 83b AsylVfG), sind dem unterliegenden Teil aufzuerlegen (§§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO).
16 
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 80 AsylVfG).

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