| Das Gericht kann trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden, da sie bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO). |
|
| Die zulässige Klage ist nicht begründet. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers vom 16.12.2021 zu Recht als unzulässig abgelehnt (1.). Nationale Abschiebungsverbot liegen nicht vor (2.). Die Abschiebungsanordnung ist rechtlich nicht zu beanstanden (3.). Das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot begegnet ebenfalls keinen Bedenken (4.). |
|
| 1. Die Beklagte hat den Asylantrag zutreffend nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG als unzulässig abgelehnt. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies ist hier der Fall. |
|
| Die Italienische Republik ist für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig und deshalb nach Art. 18 Abs. 1 lit. a Dublin III-VO verpflichtet, den Kläger nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 Dublin III-VO aufzunehmen. |
|
| Die Zuständigkeit der Italienischen Republik für die Entscheidung über den Asylantrag des Klägers ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO. Danach wird der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III (Art. 7 bis 15) Dublin III-VO als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständige, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Dies ist nach dem eigenen Vortrag des Klägers Italien. Dies wird belegt durch den für den Kläger erzielten Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung IT2, wonach diese Kennzeichnung bedeutet, dass die betreffende Person in Verbindung mit dem illegalen Überschreiten einer Außengrenze aufgegriffen wurde (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Eurodac-VO). Die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO ist noch nicht abgelaufen (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). |
|
| Die so entstandene Zuständigkeit der Italienischen Republik ist nicht auf die Beklagte übergegangen. Aus Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO folgt kein Zuständigkeitsübergang. Die Entscheidung der Beklagten, das ihr zustehende Selbsteintrittsrecht nicht zu Gunsten des Klägers auszuüben, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. |
|
| Auch nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO ist ein Übergang der Zuständigkeit nicht eingetreten. Systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien liegen nicht vor. |
|
| a) Nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO ist der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat selbst für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, wenn es sich als unmöglich erweist, den Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen. Dafür muss es wesentliche Gründe für die Annahme geben, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (im Folgenden: GRC) mit sich bringen. |
|
| Die Regelung beruht auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens, dass die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der in der EU-Grundrechtecharta anerkannten Grundrechte zu bieten (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 80; BVerwG, Beschl. v. 17.01.2022 - 1 B 66.21 - juris Rn. 18). Es gilt daher die Vermutung, dass die Behandlung der Asylantragsteller in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 82 ff.). |
|
| Die Vermutung ist allerdings widerlegbar. Das ist dann der Fall, wenn der Asylantragsteller in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen dem ernsthaften Risiko („real risk“) einer mit Art. 4 GRC unvereinbaren Behandlung ausgesetzt ist (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 85, 87). Systemisch sind Mängel, wenn sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.06.2014 - 10 B 35.14 - juris Rn. 5). Solche Mängel treffen den Einzelnen nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.06.2014 - 10 B 35.14 - juris Rn. 5). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass die Vermutung nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen des zuständigen Mitgliedstaats widerlegt ist (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011 - C-411/10 - juris Rn. 85; BVerwG, Beschl. v. 06.06.2014 - 10 B 35.14 - juris Rn. 6). |
|
| Systemische Mängel der Aufnahmebedingungen setzen voraus, dass die Lebensbedingungen derart schlecht sind, dass dem Antragsteller das ernsthafte Risiko einer Behandlung i. S. v. Art. 4 GRC droht. Nach dieser Vorschrift darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Damit entspricht die Vorschrift dem Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK), so dass sie nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRC die gleiche Bedeutung und Tragweite wie Art. 3 EMRK besitzt (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 91). Daher ist bei der Auslegung des Art. 4 GRC auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen. |
|
| Das Risiko einer Verletzung des Art. 4 GRC kann in schlechten humanitären Verhältnissen begründet liegen (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 92 ff.; bezogen auf Art. 3 EMRK: EGMR, Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - HUDOC Rn. 254; BVerwG, Beschl. v. 23.08.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 8 ff.). Allerdings muss dafür eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht sein (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 91). Die Gleichgültigkeit der Behörden des Mitgliedstaats muss zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse, d. h. insbesondere sich zu ernähren, zu waschen und eine Unterkunft zu finden, zu befriedigen (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 92). Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 93). |
|
| Die Schwelle der Erheblichkeit kann in Bezug auf vulnerable, also besonders verletzliche Personen früher erreicht sein. Gegenüber dieser Personengruppe obliegt den Mitgliedstaaten eine besondere Schutzverpflichtung (bezogen auf Art. 3 EMRK: EGMR, Urt. v. 04.11.2014 - 29217/12 - HUDOC Rn. 118 f.). Daher ist die besondere Verletzlichkeit bei der Bewertung des Risikos, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden, zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-297/17 - juris Rn. 93). Aus der besonderen Verletzlichkeit können sowohl zusätzliche zwingende Bedarfe als auch überdurchschnittliche Beeinträchtigungen resultieren. Insbesondere den Bedürfnissen von Kindern ist Rechnung zu tragen. Wegen ihres Alters und ihrer Abhängigkeit haben diese besondere Bedürfnisse, die die staatlichen Stellen nach dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 26. Januar 1990 (UN-Kinderrechtskonvention) zu angemessenen Maßnahmen verpflichtet. Zur Vermeidung einer erniedrigenden Behandlung ist es deshalb geboten, die Aufnahmebedingungen von minderjährigen Antragstellern so auszugestalten, dass keine Traumatisierung eintritt (vgl. EGMR, Urt. v. 04.11.2014 - 29217/12 - HUDOC Rn. 119). |
|
| In zeitlicher Hinsicht ist nicht nur ein ernsthaftes Risiko einer erniedrigenden Behandlung zum Zeitpunkt der Überstellung und während des Asylverfahrens auszuschließen. Gleiches muss auch für den Zeitraum nach einer (unterstellten) Zuerkennung des internationalen Schutzstatus im zuständigen Mitgliedstaat gewährleistet sein (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 88 f.; BVerfG, Beschl. v. 07.10.2019 - 2 BvR 721/19 - juris Rn. 22). Diese Prüfung ist nur dann entbehrlich, wenn die Zuerkennung internationalen Schutzes offenkundig ausgeschlossen ist (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 29.07.2019 - A 4 S 749/19 - juris Rn. 37). |
|
| Bestehen ernsthafte Zweifel, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen des zuständigen Mitgliedstaates diesen Anforderungen genügen, bedarf es einer eingehenden Prüfung anhand aussagekräftiger und aktueller Erkenntnismittel (vgl. EuGH, Urt. v. 19.03.2019 - C-163/17 - juris Rn. 90; BVerfG, Beschl. v. 10.10.2019 - 2 BvR 1380/19 - juris Rn. 15 f.). |
|
| Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung, ob systemische Schwachstellen vorliegen, ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ein von § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG abweichender Prüfungszeitpunkt ist weder in der Dublin III-VO vorgegeben noch zur Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes erforderlich. |
|
| b) Nach diesen Maßstäben sind alleinstehende Personen durch das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien grundsätzlich nicht dem ernsthaften Risiko einer erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 GRC ausgesetzt. Dies gilt auch für Familien mit minderjährigen Kindern; insbesondere existiert eine hinreichende Zusicherung für eine familiengerechte Unterbringung im Anschluss an die Rückführung nach Italien. |
|
| Die Italienische Republik hatte aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urt. v. 04.11.2014 - 29217/12 -) in Rundschreiben vom 2. Februar, 15. April und 8. Juni 2015 an die Dublin-Staaten und die EU-Kommission zugesichert, Familien mit Kindern zukünftig ausschließlich in den für Familien geeigneten sogenannten SPRAR-Unterkünften unterzubringen. Dies erachtete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte grundsätzlich für ausreichend, um das Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK auszuschließen (vgl. EGMR, Urt. v. 04.10.2016 - 30474/14 - HUDOC Rn. 15, 34; Urt. v. 04.10.2016 - 32275/15 - HUDOC Rn. 12, 27 f.), auch wenn Zusicherungen in Einzelfällen nicht eingehalten wurden (vgl. EGMR, Urt. v. 15.05.2018 - 67981/16 - HUDOC Rn. 20 ff.). |
|
| Ende des Jahres 2018 verschlechterten sich mit dem Erlass des sogenannten Salvini-Dekrets (Dekret No. 113/2018 über Sicherheit und Migration) die Aufnahmebedingungen in Italien. Die von „SPRAR“ in „SIPROIMI“ umbenannten Unterkünfte standen Asylantragstellern und Dublin-Rückkehrern mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung. Bei den verbliebenen Unterkünften für Asylantragsteller und Dublin-Rückkehrer (CAS und CARA) wurde das Leistungsangebot eingeschränkt (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Italien vom 09.10.2019, S. 13; AIDA, Forms and levels of material reception conditions, 30.11.2020). Es konnte daher ohne eingehende Prüfung nicht mehr von einer kind- und familiengerechten Unterbringung sowie einem sofortigen Zugang für Familien mit Kindern nach der Ankunft in Italien ausgegangen werden, auch nicht in Anbetracht des neuen Rundschreibens der Italienischen Republik vom 8. Januar 2019, in dem dies zugesichert worden war (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.10.2019 - 2 BvR 1380/19 - juris Rn. 23). |
|
| Inzwischen wurden allerdings durch das am 22. Oktober 2020 in Kraft getretene Dekret No. 130/2020 die Aufnahmebedingungen in Italien wieder verbessert. Danach sollen zukünftig alle Asylantragsteller so schnell wie möglich in die von „SIPROIMI“ in „SAI“ umbenannten Unterkünfte wechseln. Diese bieten neben Leistungen zur Erfüllung von Grundbedürfnissen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache) an (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Italien, Stand: 11.11.2020, S. 14; AIDA, Country Report: Italy, 2020, S. 119). Im Vergleich zu den CAS-Unterkünften gelten sie als besser ausgestattet. Über die geänderte Lage informierte die Italienische Republik die anderen Dublin-Staaten mit Rundschreiben vom 8. Februar 2021. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung verneinte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK in einem Fall, in dem eine Überstellung einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern im Grundschulalter nach Italien beabsichtigt war (vgl. EGMR, Urt. v. 23.03.2021 - 46595/19 -). |
|
| Das Gericht folgt dieser Einschätzung und geht davon aus, dass die Aufnahmebedingungen in Italien unter Berücksichtigung des Rundschreibens vom 8. Februar 2021 auch bezogen auf Familien mit minderjährigen und damit vulnerablen Kindern grundsätzlich nicht im Widerspruch zu Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK stehen (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 22.03.2022 - 4 A 389/20.A - juris Rn. 37 ff). Dies gilt erst recht für den Kläger, bei dem es sich um eine alleinstehende Person handelt. |
|
| (aa) Der Kläger hat nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Obdachlosigkeit zu befürchten. |
|
| Nach Art. 17 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 lit. g der Aufnahmerichtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass Antragsteller ab Stellung des Antrags auf internationalen Schutz im Rahmen der Aufnahme materielle Leistungen (Unterkunft, Verpflegung und Kleidung in Form von Sach- oder Geldleistungen oder Gutscheinen oder einer Kombination davon sowie Geldleistungen zur Deckung des täglichen Bedarfs) in Anspruch nehmen können. Das italienische Unterbringungssystem ist dabei in drei Phasen eingeteilt: die Phase der unmittelbaren Notversorgung in sogenannten CPSA/Hotspots in den Hauptankunftsorten von Bootsflüchtlingen; die Erstaufnahmephase in großen Zentren (CARA bzw. CDA) bzw. in temporären Strukturen (CAS), wenn keine Plätze verfügbar sind; und schließlich die Zweitaufnahmephase in den sogenannten SAI (ehem. SIPRIOMI bzw. SPRAR) - Unterkünften. Aufgrund des nunmehr geltenden Gesetzesdekrets Nr. 130/2020 vom 21.10.2020 haben Asylsuchende (insbesondere Vulnerable) auch wieder die Möglichkeit, neben den Erstaufnahmeeinrichtungen der ersten Ebene in SAI-Einrichtungen der zweiten Ebene untergebracht zu werden (vgl. Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 08.02.2021 - "Circular Letter"; Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH), Aufnahmebedingungen in Italien - Aktuelle Entwicklungen, Juni 2021, S. 5 f.). Insbesondere Antragsteller, die in der Aufnahmerichtlinie als „vulnerable Personen" eingestuft werden, werden vorrangig in SAI-Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen, die sich illegal im Land aufhalten und keinen internationalen Schutz beantragen sowie Personen, die eine Ausweisung erhalten haben, kommen unter bestimmten Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem Schubhaftzentrum (CPR) infrage. Dublin-Rückkehrer werden meist in Erstaufnahmezentren und temporären Einrichtungen untergebracht, wobei auch die Unterbringung im Zweitaufnahmesystem SAI oder in sonstigen Gemeindeunterkünften möglich ist. Insbesondere im Fall von Platzmangel wird auch auf die temporären Strukturen (CAS) zurückgegriffen. Die Unterbringung in einem CAS soll so kurz als möglich dauern, bis zur Unterbringung des Betreffenden in einem Erstaufnahmezentrum. In den CAS ist der Unterbringungsstandard von der betreibenden Präfektur abhängig (vgl. AIDA Country Report Italy vom 27.05.2020). Die Versorgung in den Erstaufnahmeeinrichtungen sieht unter anderem folgende Leistungen vor: Unterbringung, Verpflegung, Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation, notwendige Transporte, medizinische Betreuung, Hygieneprodukte, Wäschedienst oder Waschprodukte, Startpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte), Taschengeld, Schulbedarf (vgl. BFA, a.a.O. v. 11.11.2020, S. 13 f.). Das aktuelle Gesetzesdekret Nr. 130/2020 sieht eine Anpassung der Dienstleistungen der CAS an die regulären Zentren der ersten Stufe vor, insbesondere sind nunmehr psychologische Betreuungsdienste und Italienischkurse vorgesehen (vgl. SFH, a.a.O., Juni 2021, S. 5 und 6). Neben diesen Unterbringungseinrichtungen stehen weitere kommunale Einrichtungen, karitative Einrichtungen (z. B. CARITAS, Migrantes in Rom, die Schwestern des Ordens der Mutter Teresa „Suoro Missionarie della Carita") sowie Einrichtungen von Hilfsorganisationen (z. B. Comunita di Sant'Egidio, Opere Antoniane, Stranieri in Italia, Centro Astalli) zur Verfügung, in denen nicht anderweitig unterkommende Schutzsuchende aufgenommen und versorgt werden können (vgl. Auswärtiges Amt an das OVG Münster vom 23.02.2016, S. 4; BFA, a.a.O. v. 11.11.2020, S. 17 f.). Die Unterbringung in den staatlichen Einrichtungen wird grundsätzlich für die Zeit des Asylverfahrens und eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens gewährleistet. Diese Maßstäbe gelten insbesondere auch für Dublin-Rückkehrer. In den Einrichtungen sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen, ggf. mit Kindern, vorgesehen (vgl. BFA, a.a.O. v. 11.11.2020, S. 14). Nach den vorliegenden Erkenntnismitteln ist davon auszugehen, dass Asylsuchende auch ohne individuelle Garantieerklärung unmittelbar nach ihrer Rückkehr eine Unterkunft erhalten, die ihren besonderen Bedürfnissen entspricht. Die Überstellung von Dublin-Rückkehrenden wird in der Regel vorher angekündigt, sodass die italienischen Behörden rechtzeitig eine geeignete Unterkunft finden können. Diese Einschätzung der systemischen Lage in Italien entspricht auch der aktuellen Beurteilung des EGMR, als dem für die Einhaltung und Auslegung europäischer Grundrechte maßgebenden Gericht (vgl. EGMR, Urt. v. 23.03.2021 - 46595/19 -). Unter Bezugnahme auf die jüngsten Gesetzesänderungen in Italien sowie die allgemeine Zusicherung Italiens vom 08.02.2021 führte der EGMR aus, dass die gegenwärtigen Asylbedingungen Italiens bezüglich Ankunft und Einrichtungen auch dem geforderten „besonderen Schutz" Asylsuchender mit spezifischen Bedürfnissen und extremer Verletzlichkeit gerecht werden. |
|
| bb) Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist in Italien sichergestellt. |
|
| Es ist davon auszugehen, dass Krankheiten in Italien behandelbar sind und ausreichende Behandlungskapazitäten existieren. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) bearbeitet aufgrund dessen nur in sehr spezifischen Einzelfällen Anfragen zu Behandlungsmöglichkeiten in Italien (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Italien vom 11.11.2020, S. 21). Der tatsächliche Zugang von Asylantragstellern zu medizinischer Versorgung ist ebenfalls gegeben. Asylantragsteller haben in gleicher Weise wie italienische Bürger einen Anspruch auf medizinische Versorgung, der mit der Registrierung eines Asylantrags entsteht. Bis zum Zeitpunkt der Registrierung werden medizinische Basisleistungen, insbesondere eine kostenfreie Notfallversorgung, gewährleistet. Bürokratische Hindernisse lassen sich mit Hilfe der Betreiber der Aufnahmeeinrichtungen überwinden. Zusätzlich sind in den Erstaufnahmeeinrichtungen Ärztinnen und Ärzte beschäftigt, die medizinische Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen vornehmen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Italien vom 11.11.2020, S. 19 ff.; BAMF, Bericht zur Aufnahmesituation von Familien mit minderjährigen Kindern nach einer Dublin-Überstellung in Italien, 2. April 2020, S. 10 f., 15 f., 21 f., 37 f., 45 f.; AIDA, Country Report: Italy, 2020, S. 127). |
|
| cc) Der Zugang zu weiteren erforderlichen staatlichen Leistungen ist gegeben. |
|
| Voraussetzung, um Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, ist teilweise eine Registrierung am Wohnort („residenza“) (vgl. AIDA, Country Report: Italy, 2020, S. 171). Diese können Asylantragsteller jedenfalls inzwischen wieder in zumutbarer Weise vornehmen, weil der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) die durch das sogenannte Salvini-Dekret geschaffenen Erschwernisse bei der Registrierung für verfassungswidrig erklärt hat (vgl. AIDA, a.a.O., S. 171; Human Rights Watch, Finally, Good News for Asylum Seekers in Italy, www.hrw.org/news/2020/10/07/finally-good-news-asylum-seekers-italy). |
|
| dd) Im Anschluss an die Zuerkennung internationalen Schutzes besteht ebenfalls grundsätzlich kein ernsthaftes Risiko, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden. |
|
| Die wirtschaftliche Situation hatte sich in Italien infolge der COVID-19- Pandemie zwar zunächst verschlechtert, nach dem ersten Einbruch aber teilweise wieder verbessert (vgl. ausführlich zur wirtschaftlichen Situation VG Karlsruhe, Urt. v. 14.9.2020, A 9 K 3639/18, juris Rn. 42 ff. m.w.N.). Es mag zwar sowohl für Dublin-Rückkehrer als auch für anerkannte Schutzberechtigte bei bestehender Erwerbsfähigkeit unter Umständen schwierig sein, ihre Existenz durch eine Arbeitsaufnahme zu sichern, jedoch ist eine Arbeitsaufnahme nicht unmöglich. |
|
| Arbeitsfähige international Schutzberechtigte haben eine realistische Chance, innerhalb des ersten Jahres nach der Zuerkennung internationalen Schutzes eine ausreichend bezahlte Arbeit zu finden. Diese Einschätzung beruht auf den staatlichen Maßnahmen zur beruflichen Integration in den Arbeitsmarkt, der aktuellen Situation von international Schutzberechtigten im Arbeitsmarkt und der Arbeitskräftenachfrage aus dem Bereich der Schattenwirtschaft. Migranten können sich frühzeitig um eine Integration in den Arbeitsmarkt bemühen. Bereits zwei Monate nach der Stellung des Asylantrags in Italien ist es erlaubt, eine bezahlte Arbeit aufzunehmen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt Italien, Stand: 11.11.2020, S. 15; Respond, Italy country report, 2020, S. 24). Nach Ablauf des Unterbringungsanspruchs in den staatlichen Einrichtungen wird von international Schutzberechtigten - wie auch von italienischen Staatsangehörigen - grundsätzlich erwartet, sich selbst zu versorgen (vgl. Romer, Asylmagazin 2021, 207, 212). Dazu bieten insbesondere die SAI-Einrichtungen Fördermaßnahmen an, um die Chancen von Asylantragstellern und international Schutzberechtigten auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen (vgl. Dotsey/Lumley-Sapanski, Temporality, refugees and housing: The effects of temporary assistance on refugee housing outcomes in Italy, Cities 2021, S. 7; Respond, Italy country report, 2020 S. 28). Zwar wurde durch diese Fördermaßnahmen nicht erreicht, dass sich die Arbeitsmarktsituation von international Schutzberechtigten auf der einen Seite und italienischen Staatsangehörigen oder Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf der anderen Seite vollständig angeglichen hat. Allerdings ist eine Annäherung der Situation, insbesondere zu den in Italien lebenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, festzustellen. Beim Durchschnittgehalt bestehen keine übermäßigen Unterschiede. Die Gruppe der international Schutzberechtigten erhält knapp 80 Prozent des Durchschnittsgehalts von Beschäftigten mit italienischer Staatsangehörigkeit (vgl. de Sario, Migration at the crossroads - the inclusion of asylum seekers and refugees in the labour market in Italy, 2020, S. 214). Fast keine Unterschiede beim Durchschnittsgehalt bestehen im Vergleich zu den in Italien arbeitenden Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union (vgl. de Sario, a. a. O., S. 214). Eine ähnliche Situation besteht bei der Arbeitslosenquote. Bezogen auf international Schutzberechtigte lag diese im Jahr 2018 bei 17,8 Prozent. Sie war damit in einem nicht unerheblichen Maße höher als die von italienischen Staatsangehörigen (10,2 Prozent). Der Unterschied zur Arbeitslosenquote von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (13,5 Prozent) ist dagegen deutlich geringer (vgl. de Sario, Migration at the crossroads - the inclusion of asylum seekers and refugees in the labour market in Italy, 2020, S. 212). Die aktuelle Arbeitslosenquote von international Schutzberechtigten dürfte im Vergleich zu der von 2018 geringer sein. Denn zum einen ist die Arbeitslosigkeit in Italien seit 2018 - trotz der Auswirkungen der Corona-Pandemie - gesunken. Nach den Daten von Eurostat betrug die Arbeitslosenquote in Italien (jeweils drittes Quartal) 2018 10,2 Prozent, 2019 9,8 Prozent, 2020 10,8 Prozent und 2021 9,4 Prozent (https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/lfs/data/database). Zum anderen arbeiten Migranten ohne EU-Staatsangehörigkeit überwiegend in Bereichen, in denen die Corona-Pandemie nicht zu einer Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs geführt hat. Die größten Beschäftigungssektoren sind der Pflegedienstleistungssektor (47,2 Prozent), die Landwirtschaft (18,6 Prozent), das Baugewerbe (16,6 Prozent) sowie der Sektor Handel, Verkehr, Wohnungswesen und Gastronomie (16,2 Prozent) (vgl. Dotsey/Lumley-Sapanski, Temporality, refugees and housing: The effects of temporary assistance on refugee housing outcomes in Italy, Cities 2021, S. 4; ähnliche Zahlen werden in anderen Veröffentlichungen benannt, vgl. de Sario, Migration at the crossroads - the inclusion of asylum seekers and refugees in the labour market in Italy, 2020, S. 206). Bezogen auf diese Sektoren wurden substantielle Nachfragereduzierungen durch die Corona-Pandemie nur in den Bereichen Handel, Verkehr und Gastronomie ausgelöst. Neben einer Tätigkeit im regulären Arbeitsmarkt können sich international Schutzberechtigte auch um eine Arbeit in der Schattenwirtschaft bemühen. Schwarzarbeit ist in Italien weit verbreitet; etwa zehn Prozent der Bevölkerung arbeitet in diesem Bereich (vgl. OVG Münster, Urt. v. 20.07.2021 - 11 A 1674/20.A - juris Rn. 130 f.). Insbesondere in der Landwirtschaft sollen viele Migranten bei der saisonalen Ernte irregulär arbeiten (vgl. borderline-europe, Die Situation der Geflüchteten auf Sizilien, 2019, S. 42 ff.). Die Aufnahme von Tätigkeiten in der Schattenwirtschaft ist aber grundsätzlich zumutbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.01.2022 - 1 B 66.21 - juris Rn. 29). |
|
| International Schutzberechtigten wird es voraussichtlich auch gelingen, eine bedarfsgerechte Unterkunft zu erhalten. |
|
| International Schutzberechtigte können in Italien für einen Zeitraum von sechs Monaten in einem sog. SAI-Zentrum (vorher SIPROIMI-Zentren) untergebracht werden, sofern es dort freie Plätze gibt und die Person nicht bereits zuvor in einem System der Zweitaufnahme untergebracht war. Dieses Unterbringungssystem besteht derzeit aus 760 kleineren, dezentralisierten Projekten und ist primär für die Unterbringung für bereits anerkannte Schutzberechtigte und unbegleitete Minderjährige vorgesehen (vgl. Aida, Country Report: Italy, 31.12.2020, S. 180 f.) Im Januar 2021 gab es in SAI-Zentren 30.049 Unterkunftsplätze, von denen zum 31. Dezember 2020 25.574 belegt waren (vgl. Aida, Country Report: Italy, 31.12.2020, S. 182 u. 180). Jeder Fall eines international Schutzberechtigten, der sich in einen anderen EU-Staat begeben hatte und dort nochmal Asyl beantragt hat und in der Folge nach Italien rücküberstellt wird, wird vom sog. „Servizio Centrale“ geprüft. Rückkehrer können bereits im Vorfeld vor ihrer Rückkehr nach Italien einen Antrag beim Servizio Centrale stellen (vgl. ACCORD, Anfragenbeantwortung zu Italien, 18.09.2020, S. 7 f). Die gesetzlich vorgesehene Aufenthaltsdauer von sechs Monaten in einem SAI-Zentrum kann dabei um sechs weitere Monate verlängert werden, beispielsweise um Integrationsmaßnahmen abzuschließen oder wenn besondere Umstände, wie z.B. gesundheitliche Probleme, vorliegen. Gleiches gilt für vulnerable Personen, zu denen unter anderem unbegleitete Minderjährige, Behinderte, ältere Menschen, schwangere Frauen, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel sowie Menschen mit ernsthaften Krankheiten oder psychischen Störungen zählen. Bei schwerwiegenden gesundheitlichen Einschränkungen kann der Aufenthalt im SAI-Zentrum sogar ein zweites Mal um sechs Monate verlängert werden (vgl. Aida, Country Report: Italy, 31.12.2020, S. 182). In den SAI-Zentren stehen international Schutzberechtigten spezielle Integrationsmaßnahmen zur Verfügung, bestehend aus Sprachtraining, Vermittlung von Grundkenntnissen zu Rechten und Pflichten, die in der Verfassung der Italienischen Republik verankert sind, Orientierung bezüglich wesentlicher öffentlicher Dienstleistungen sowie Orientierung bezüglich der Arbeitsvermittlung (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, 10.06.2021, S. 12, Aida, Country Report: Italy, 31.12.2020, S. 183). Die Möglichkeit, über ein SAI-Zentrum Unterstützung zu erhalten, hängt dabei vor allem davon ab, ob und in welchem Umfang ein Schutzberechtigter bereits Leistungen der Sekundärunterbringung in Anspruch genommen hat. Das Recht auf Unterbringung in einem SAI-Zentrum besteht insbesondere dann nicht mehr, wenn eine Person bereits dort untergebracht war oder aber wenn eine Person die ihr vom Servizio-Centrale zugewiesene Unterkunft trotz entsprechender Zuteilung nicht genutzt hat und ihr daher der entsprechende Anspruch entzogen wurde (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, Januar 2020, S. 56). Neben den staatlich finanzierten SAI-Projekten gibt es für international Schutzberechtigte auch die Möglichkeit, eine Sozialwohnung zu beantragen. Ein solcher Antrag ist direkt in der jeweiligen Stadt bzw. Gemeinde zu stellen, wobei die Zugangsvoraussetzungen unterschiedlich geregelt sind. Dabei hat jede Provinz in Italien ein Netzwerk von Sozialdiensten (vgl. ACCORD, Anfragenbeantwortung zu Italien, 18.09.2020, S. 9). International Schutzberechtigte haben dabei dasselbe Recht auf Zugang zu sozialem Wohnraum wie italienische Staatsbürger (vgl. Aida, Country Report: Italy, 31.12.2020, S. 183 f; ACCORD, Anfragenbeantwortung zu Italien, 18.09.2020, S. 9 f.). In einigen Regionen Italiens erfordert der Zugang zu Sozialwohnungen jedoch einen Mindestaufenthalt im Land, wie z.B. in der Region Friaul - Venezien, wo der Zugang zu Sozialwohnungen auf Personen beschränkt ist, die nachweislich und ununterbrochen fünf Jahre in der Region gewohnt haben. Darüber hinaus ist die Warteliste für derartige Sozialwohnungen vielerorts lang, in Rom beispielsweise beträgt die entsprechende Wartezeit rund sieben Jahre. Zudem muss regelmäßig nachgewiesen werden, dass bereits ein Wohnsitz in der Gemeinde besteht, in der eine Sozialwohnung beantragt wird. Das bedeutet in der Praxis, dass es Personen mit internationalem Schutzstatus regelmäßig sehr schwer fällt, Zugang zu öffentlichem Wohnraum bzw. Sozialwohnungen zu erhalten (vgl. ACCORD, Anfragenbeantwortung zu Italien, 18.09.2020, S. 9 f.). Des Weiteren können sich international Schutzberechtigte an die italienischen Kirchen und Hilfsorganisationen wenden. Diese bieten sowohl Unterkünfte für international Schutzberechtigte als auch Unterstützung bei der Wohnungssuche an (vgl. AIDA, Country Report: Italy, 2020, S. 120; SFH/Pro Asyl, Anfragebeantwortung vom 29.10.2020, S. 7). Nicht selten leben Menschen mit internationalem Schutzstatus jedenfalls vorübergehend auch in Notunterkünften, die lediglich einen Platz zum Schlafen anbieten und die nicht speziell für Flüchtlinge gewidmet sind, sondern auch italienischen Staatsbürgern in Notsituationen offenstehen (vgl. BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Italien, 11.11.2020, S. 23). Schließlich gibt es in ganz Italien informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylbewerber und Schutzberechtigte. Die Personen, die dort unter prekären Umständen leben, werden von Nichtregierungsorganisationen wie Sant‘Egidio und MEDU unterstützt. Für die Erfüllung der Grundbedürfnisse gelten nur an dem Erfordernis der Wahrung der Menschenwürde orientierte Mindestanforderungen. So kann der Umstand, dass der betreffenden Person bezogen auf die Unterkunft ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen, sofern die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweise Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.01.2022 - 1 B 66.21 - juris Rn. 20). Unter Berücksichtigung der vorstehenden Angaben besteht für international Schutzberechtigte in Italien zwar eine gewisse Gefahr der (vorübergehenden) Obdachlosigkeit (vgl. SFH, Aufnahmebedingungen in Italien, 10.06.2021, S. 12 f.). Es liegen jedoch keine Erkenntnismittel vor, wonach tatsächlich ein größerer Teil der international Schutzberechtigten obdachlos ist. Vielmehr ist im Verhältnis zu ihrer Gesamtzahl ein eher kleiner Teil der Migranten tatsächlich obdachlos bzw. lebt in besetzten Häusern. Nach Schätzungen der MÈDECINS SANS FRONTIÈRES (Ärzte ohne Grenzen) gibt es in Italien ungefähr 10.000 obdachlose Menschen (MSF, „OUT of sight“ - Second edition, Stand: 08.02.2018), unter denen sich auch international Schutzberechtigte befinden. Dass international Schutzberechtigte damit regelhaft bzw. systematisch der Obdachlosigkeit anheimfallen würden, lässt sich den aktuellen Erkenntnismitteln nicht entnehmen, selbst wenn es auch unter diesen immer wieder zu Obdachlosigkeit kommen kann (vgl. BFA, Länderinformationsblatt - Italien, Stand: 26.02.2019, S. 25). |
|
| Das Gericht ist daher der Auffassung, dass arbeitsfähige Personen wie der Kläger in Italien legale Arbeit finden und sich selbst dahingehend versorgen können, dass die vom EuGH allein in den Blick genommenen elementarsten Bedürfnisse („Bett, Brot und Seife") befriedigt werden. Der Kläger leidet zwar unter Krampfadern; außerdem besteht bei ihm ein Zustand nach Thoraxschuss. Dass er deshalb nicht erwerbsfähig sein könnte, ist den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen indes nicht zu entnehmen. Das Gericht vermag derzeit auch nicht zu erkennen, dass Italien einer etwaigen Verschlechterung der Existenzsicherungsmöglichkeiten anerkannter Schutzberechtigter gleichgültig gegenübersteht, Unterstützungsprogramme der EU nicht greifen und anerkannt Schutzberechtigte auch mit zumutbar hohem Maß an Eigeninitiative, Ausschöpfung rechtlicher Möglichkeiten und tatsächlicher Unterstützung dem Risiko extremer materieller Not ausgesetzt sein werden. Vor diesem Hintergrund kann das Gericht nicht feststellen, dass es dem Kläger als junge und arbeitsfähige Person nicht möglich wäre, eine geeignete Arbeitsstelle zu finden. Nach alldem liegen zur Überzeugung des Gerichts in Italien für die Vergleichsgruppe des Klägers keine systemischen Mängel vor (so auch VGH Mannheim, Beschl. v. 08.11.2021 - A 4 S 2850/21 - juris -; OVG Koblenz, Urt. v. 15.12.2020 - 7 A 11038/18 - juris -; VG Augsburg, Urt. v. 23.07.2021 - Au 4 K 20.31273 - juris -; VG Berlin, Urt. v. 19.05.2021 - 28 K 84.18 A - juris -; VG Stuttgart, Urt. v. 25.02.2021 - A 4 K 1044/20 - juris; VG Gießen, Urt. v. 28.01.2021 - 8 K 6487/17.GI.A - juris -; VG Karlsruhe, Urt. v. 14.09.2020 - A 9 K 3639/18 - juris; VG Cottbus, Urt. v. 26.08.2020 - 5 K 1123/19.A - juris -; VG Freiburg, Urt. v. 19.08.2020 - A 10 K 3159/18 - juris -; VG Arnsberg, Urt. v. 09.07.2020 - 5 K 2904/18.A - juris -; VG Kassel, Urt. v. 08.04.2020 - 4 K 1375/17.KS.A - juris -). Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 23.03.2021 - 46595/19 -) und der in Italien erfolgten gesetzlichen Änderungen Ende 2020 kann insbesondere auf das Vorliegen einer individuellen Zusicherung Italiens hinsichtlich der Behandlung und Unterbringung des Klägers verzichtet werden. |
|
| 2. Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Deshalb bleibt auch der gestellte Hilfsantrag, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt, ohne Erfolg. |
|
| a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Fall einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 162). Dies ist nach den dargestellten Umständen vorliegend nicht der Fall. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. |
|
| |
| Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Bestimmung fragt nicht danach, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird; die Regelung stellt vielmehr lediglich auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ab ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zumindest zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 - juris Rn. 16). Auch die drohende Verschlimmerung einer Krankheit wegen ihrer nur unzureichenden medizinischen Behandlung im Zielstaat der Abschiebung kann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1997 - 9 C 58.96 - juris Rn. 12; Urt. v. 27.04.1998 - 9 C 13.97 - juris Rn. 6 und Urt. v. 21.09.1999 - 9 C 8.99 - juris Rn. 13). |
|
| Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person des Klägers nicht vor. |
|
| Sind die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht erfüllt, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante extreme Gefahrenlage aus (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 26.06.2019 - A 11 S 2108/18 - juris Rn. 131). Individuelle Umstände in der Person der Kläger, insbesondere gesundheitlicher Art, rechtfertigen nicht die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar leidet der Kläger nach den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen an Krampfadern. Dass dieses Krampfaderleiden in Italien nicht behandelbar ist, ist jedoch weder dargelegt noch sonst ersichtlich. |
|
| 3. Die Abschiebungsanordnung (Ziffer 3 des Bescheids) verletzt den Kläger ebenfalls nicht in eigenen Rechten. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Nach dieser Bestimmung ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind diese Voraussetzungen erfüllt. Die Italienische Republik ist für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Es steht auch im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Der Abschiebung des Klägers stehen weder Abschiebungsverbote noch Vollzugshindernisse entgegen. Auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie machen die tatsächliche Durchführung der Abschiebung nicht unmöglich. |
|
| 4. Der Erlass und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 4 des Bescheids) sind nach Maßgabe von § 11, § 75 Nr. 12 AufenthG erfolgt. Rechtliche Mängel bestehen insoweit nicht. Entgegen dem Vortrag des Klägers liegt kein Ermessensfehler vor. Allein der Umstand, dass im Bundesgebiet eine Schwester und zwei Brüder des Klägers leben, rechtfertigt nicht die Festsetzung einer kürzeren Frist. Denn der Kläger hat schon nicht geltend gemacht, dass er auf Lebenshilfe dieser drei Geschwister angewiesen ist. Damit bleibt auch das hilfsweise gestellte Begehren, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf null Monate zu befristen, ohne Erfolg. |
|
| |