GeB vom Verwaltungsgericht Würzburg - W 8 K 20.31115

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Die Klägerin ist algerische Staatsangehörige, die zu ihrem Asylbegehren im Wesentlichen familiäre sowie gesundheitliche Gründe vorgebracht hat. Sie wolle zu ihrem syrischen Ehemann in Deutschland ziehen, mit dem sie religiös verheiratet sei. Bei ihr liege eine Risikoschwangerschaft vor.

Mit Bescheid vom 16. September 2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) und den Antrag auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Weiter stellte sie fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Ihr wurde die Abschiebung nach Algerien bzw. in einen anderen Staat angedroht. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).

Die Klägerin erhob am 2. Oktober 2020 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid und beantragte:

1. Der Bescheid des Bundesamtes für ... (Gesch.-Z.: …) vom 16. September 2020, zugestellt am 25. September 2020, wird aufgehoben.

2. Die Bundesrepublik Deutschland wird verpflichtet, mich als Asylberechtigte anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylVfG zu gewähren, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung gab die Klägerin am 7. Oktober 2020 zu Protokoll der Urkundsbeamtin im Wesentlichen an: Sie sei im vierten Monat schwanger. Hierbei handele es sich um eine Risikoschwangerschaft. Das Gesundheitssystem in Algerien sei anders als in Deutschland. Es gebe keine Krankenversicherung. Sie sei auf die medizinische Versorgung in Deutschland angewiesen. Sie möchte mit ihrem Ehemann, mit dem sie religiös verheiratet sei, die gemeinsame Sorgepflicht für das gemeinsame Kind ausüben. Sie wolle in Deutschland offiziell heiraten. Der Ehemann besitze einen Aufenthaltstitel in Deutschland.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 beauftragte die Klägerin ihren Ehemann, sie zu vertreten.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2020,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 5. Oktober 2020 übertrug die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 6. Oktober 2020 (W 8 S 20.31116) lehnte das Gericht im Sofortverfahren den Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.

Mit Schreiben vom 6. Oktober 2020 hörte das Gericht die Klägerin zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid an.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte in der Sofortsache W 8 S 20.31116) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden konnte, ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet.

Die Klage ist als offensichtlich unbegründet abzuweisen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Denn der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO), weil der Klägerin offensichtlich kein Aufenthalts- bzw. Bleiberecht zusteht (vgl. § 30 AsylG).

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Klage offensichtlich unbegründet, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage dem Gericht geradezu aufdrängt (BVerwG, B.v. 1.3.1979 - 1 B 24/79 - Buchholz 402.24, § 34 AuslG Nr. 1 sowie BVerfG, B.v. 12.7.1983 - 1 BvR 1470/82 - BVerfGE 65, 76; U.v. 11.12.1985 - 2 BvR 361/83, 2 BvR 449/83 - BVerfGE 71, 276; B.v. 20.12.2006 - 2 BvR 2063/06 - NVwZ 2007, 1046).

Diese Voraussetzungen für die Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet liegen vor. Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Des Weiteren nimmt das Gericht auf seinen Beschluss im Sofortverfahren (VG Würzburg, B.v. 6.10.102020 - W 8 S 20.31116) Bezug, in dem es das klägerische Vorbringen schon ausführlich gewürdigt hat.

Die Klägerin hat im gerichtlichen Verfahren, insbesondere auch nach Ergehen des sie betreffenden Beschlusses im Sofortverfahren bzw. nach der gerichtlichen Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheids, keine weiteren Gesichtspunkte vorgebracht, die eine andere Beurteilung rechtfertigen. Solche Gründe sind auch nicht sonst ersichtlich. Daher erübrigen sich weitergehende Ausführungen zu den Entscheidungsgründen.

Ergänzend ist lediglich anzumerken, dass - wie auch schon im Sofortverfahren ausgeführt - die Voraussetzungen für den Familienflüchtlingsschutz offensichtlich nicht vorliegen und die vorgebrachten weiteren familiären Aspekte (Eheschließungsabsicht, Anerkennung der Vaterschaft durch den Vater, Sorgerecht) nicht im vorliegenden Verfahren, sondern gesondert gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde als inlandsbezogene Abschiebungshindernisse geltend zu machen sind (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG).

Soweit die Klägerin nun noch ihre Risikoschwangerschaft geltend macht, ist anzumerken, dass diese nicht die Annahme einer Gefahrenlage i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigt. Denn nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - BVerwGE 127, 33). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des gesundheitlichen Zustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlichen und schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen. Mit der Präzisierung des Gesetzgebers, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern, wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erheblich konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 - 19 CS 19.2136). Weiter ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Des Weiteren ist nach § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung zur Glaubhaftmachung der Krankheit erforderlich. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, aber nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung i.S.d. § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, wonach der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 - 19 CS 19.2136).

Eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung hat die Klägerin nicht vorgelegt, sondern nur ihren Mutterpass, dem lediglich zu entnehmen ist, dass die Klägerin im Jahre 2019 schon mal einen Früh-Abort erlitten haben soll.

Konkrete Ausführungen zur Risikoschwangerschaft, insbesondere zu den relevanten Folgen bei einer eventuellen Abschiebung sind im Mutterpass überhaupt nicht enthalten. Grundsätzlich ist das Bestehen einer Risikoschwangerschaft aber nicht mit einer akuten Gesundheitsgefahr für die Schwangere und das Ungeborene gleichzusetzen. Selbst wenn das Vorbringen so zu verstehen wäre, dass eine Fehlgeburt in Algerien drohen sollte, erschließt sich daraus noch nicht, dass sich dies zu einem lebensgefährdenden Zustand für die Klägerin entwickeln könnte (VG Würzburg, B.v. 28.11.2017 - W 6 E 17.33779 - juris; U.v. 8.11.2017 - W 6 K 17.30307 - juris).

Im Übrigen müsste sich die Klägerin mit den Möglichkeiten der medizinischen Versorgung in Algerien behelfen. Denn grundsätzlich ist die medizinische Versorgung in Algerien mit einem für den Bürger weitgehend kostenlosen Gesundheitssystems auf niedrigem Niveau sichergestellt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der demokratischen Volksrepublik Algerien vom 11.7.2020, Stand Juni 2020 S. 22; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Algerien vom 26.6.2020, S. 29 ff.). Sollten dennoch im Einzelfall Zuzahlungen zu leisten sein, muss sich die Klägerin letztlich - wie auch schon in der Vergangenheit - in Algerien auf die eigene Arbeitskraft sowie gegebenenfalls familiäre Unterstützung oder auch finanzielle Unterstützung durch den Ehemann verweisen lassen. Abgesehen davon könnten der Klägerin bei Bedarf für eine Übergangszeit auch Medikamente mitgegeben werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 - 19 CS 19.2136).

Soweit die Klägerin eine reelle Gefahr für die Leibesfrucht durch den Stress infolge einer drohenden bzw. während der Abschiebung befürchtet, handelt es sich um ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis (VG Hannover, B.v. 17.9.2019 - 5 B 3968/19 - juris), das ebenso wie die familiären Gründe nicht im vorliegenden Verfahren, sondern gegenüber der Ausländerbehörde in einem gesonderten Verfahren geltend zu machen wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

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