Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 4 S 2597/11

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Das vorläufige Rechtsschutzbegehren hat keinen Erfolg.
Der „in erster Linie“ gestellte, auf §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO analog gestützte Antrag, „die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 02.10.2007 gegen die Auswahlentscheidung in dem streitgegenständlichen Stellenbesetzunverfahren, dem Antragsteller mitgeteilt am 15.01.2007, festzustellen“, ist unzulässig. Grundlage des vorläufigen Rechtsschutzsystems nach § 80 VwGO ist - im korrespondierenden Hauptsacheverfahren - allein die Anfechtungsklage. Als entsprechendes Hauptsachebegehren im anhängigen Berufungsverfahren 4 S 1831/10 - weshalb der Senat als Gericht der Hauptsache (§ 80 Abs. 5 VwGO) zuständig ist - bezeichnet der Antragsteller selbst den Antrag, „das beklagte Land zu verpflichten, den Kläger (Antragsteller) unter Aufhebung der Entscheidung der Albert-Ludwig-Universität vom 15.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2007 zum Akademischen Rat der Universität Freiburg in der Funktion des Kurators der archäologischen Sammlung des Archäologischen Instituts der Universität Freiburg zu ernennen, hilfsweise den Kläger (Antragsteller) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.“ Es handelt sich also um eine Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage, in deren Rahmen die Aufhebung der Auswahlentscheidung - so der Antragsteller selbst - „keine eigenständige Bedeutung“ hat bzw. als - hinsichtlich der Bewerbung - „abschlägige Entscheidung“ mit enthalten ist. Auch wenn die Auswahlentscheidung - wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Rechte aller Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 - 2 C 16.09 -, NVwZ 2011, 695) - einen den unterlegenen Bewerber belastenden Verwaltungsakt darstellt, geht dessen wahres Rechtsschutzziel und -begehren dahin, seinen eigenen - vermeintlich verletzten - Bewerberanspruch auf Auswahl und damit Ernennung bzw. auf Neubescheidung durchzusetzen. Hierfür steht allein die Verpflichtungs - bzw. Bescheidungsklage zur Verfügung, wie sie auch der Antragsteller erhoben hat (s.o.). Der damit klarstellend verbundene Antrag auf Aufhebung der Auswahlentscheidung (einschließlich des Widerspruchsbescheids) hat ebenso wie der vorausgegangene Widerspruch - wie auch sonst bei Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklagen - keine aufschiebende Wirkung im Sinne des § 80 Abs. 1 VwGO. Vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung des Bewerberanspruchs des unterlegenen Bewerbers ist daher (weiterhin) nach § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren und nachzusuchen, und zwar mit den vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 04.11.2010 (a.a.O.) als vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG „allgemein praktiziert“ beschriebenen Verfahrensmodalitäten (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.06.2011 - 5 ME 91/11 -, NVwZ 2011, 891).
Hilfsweise beantragt der Antragsteller, dem Antragsgegner „zu untersagen, die Stelle einer/s Akademischen Rätin/Rates in der Funktion einer/s Kuratorin/s am Archäologischen Institut der Universität Freiburg (BesGr A 13) mit einem Bewerber aus dem aktuellen Stellenausschreibungsverfahren (Stellenausschreibung zum 15. Oktober 2011) zu besetzen, bevor nicht über die Bewerbung des Antragstellers im streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahren (Stellenausschreibung aus Juni 2006) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden ist.“ Dieses Begehren macht der Antragsteller primär als Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO analog - unter Abänderung des Senatsbeschlusses vom 09.05.2007 (4 S 714/07) und des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 01.03.2007 (3 K 1770/06) - und hilfsweise für den Fall von dessen Unstatthaftigkeit (weil mit den zu ändernden Beschlüssen eine einstweilige Anordnung gar nicht ergangen ist) als erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO geltend.
Es kann offen bleiben, ob insoweit der primäre Abänderungsantrag (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.12.2001 - 13 S 1848/01 -, NVwZ-RR 2002, 908 m.w.N.) oder der Hilfsantrag der statthafte prozessuale Weg für das vorläufige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist. Denn für beide Anträge ist der Senat als Gericht der Hauptsache zuständig (§ 80 Abs. 7 VwGO analog bzw. § 123 Abs. 2 VwGO). Die im „streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahren (Stellenausschreibung aus Juni 2006)“ vom Antragsteller als unterlegenem Bewerber in der Hauptsache geltend gemachten Ansprüche waren Gegenstand des Urteils des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20.05.2009 - 3 K 2004/07 - und Gegenstand des von den Beteiligten hiergegen eingeleiteten Berufungszulassungsverfahrens 4 S 1843/09, über das der Senat mit Beschluss vom 29.07.2010 entschieden hat. Soweit der Senat darin die Berufung auf die Anträge der Beteiligten zugelassen hat, sind die Ansprüche des Klägers aus dem „streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahren“ Gegenstand des beim Senat noch anhängigen Berufungsverfahrens 4 S 1831/10. Hierzu zählt insbesondere auch der bereits erwähnte Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsantrag, dessen Sicherung der Antragsteller erstrebt.
Dieses Begehren hat auf beiden prozessualen Wegen aus demselben Grund keinen Erfolg.
Der Antragsteller macht geltend, dass sich die Sachlage nach dem Senatsbeschluss vom 09.05.2007 - 4 S 714/07 -, dessen Abänderung begehrt werde, insoweit geändert habe, als die Planstelle, auf die sich sein Begehren richte, nun wieder frei geworden sei (nachdem die ausgewählte Bewerberin den Ruf an eine andere Universität angenommen hat). Sein Rechtsschutzantrag sei seinerzeit allein deshalb abgelehnt worden, weil die Mitbewerberin während des (vorläufigen) Rechtsschutzverfahrens ernannt worden sei und nach damaliger Rechtsprechung seinem Begehren damit der Grundsatz der Ämterstabilität entgegengestanden habe. Nach Wegfall dieses Hindernisses sei dem Antrag nunmehr stattzugeben. Damit kann der Antragsteller nicht durchdringen.
Der aus Art. 33 Abs. 2 GG (i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG) resultierende Bewerberanspruch ist aufgrund seiner Zielrichtung - wie dies auch der Antragsteller erkennt - an ein laufendes Auswahlverfahren zur Vergabe eines bestimmten Amts geknüpft. Die nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes bestehenden Ansprüche der Bewerber sind aufeinander bezogen und werden in Ansehung des konkreten Bewerberfeldes inhaltlich konkretisiert. Die Auswahlentscheidung betrifft (daher) nach ihrem Inhalt alle Bewerber gleichermaßen. Hat der Dienstherr die Auswahl in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG vorgenommen, so sind die Bewerberansprüche der unterlegenen Bewerber erfüllt. Der Regelungsgehalt der Ernennung stimmt inhaltlich mit der Auswahlentscheidung überein. Die Ernennung folgt der Auswahlentscheidung, setzt diese rechtsverbindlich um und beendet das Auswahlverfahren. Ein unter Beachtung von Art. 33 Abs. 2 GG ausgewählter Bewerber hat einen Anspruch auf Verleihung des Amts durch Ernennung. Die Bewerberansprüche der unterlegenen Bewerber gehen durch die Ernennung unter, wenn diese das Auswahlverfahren endgültig abschließt. Dies ist regelmäßig der Fall, weil die Ernennung nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, so dass das Amt unwiderruflich vergeben ist. Ein unterlegener Bewerber kann seinen Bewerberanspruch nur dann durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung weiter verfolgen, wenn er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG daran gehindert worden ist, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszuschöpfen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 04.11.2010, a.a.O.).
Dies dürfte hier zwar der Fall gewesen sein, weil der Antragsgegner die ausgewählte Bewerberin während des noch laufenden erstinstanzlichen Eilverfahrens ernannt hat, weshalb das Verwaltungsgericht Freiburg dann mit Beschluss vom 01.03.2007 - 3 K 1770/06 - das vorläufige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers abgelehnt und der Senat die hiergegen eingelegte Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 09.05.2007 - 4 S 714/07 - zurückgewiesen hat. Verstößt der Dienstherr vor der Ernennung des ausgewählten Bewerbers gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG, so muss der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz nach dessen Ernennung nachgeholt werden. Insoweit kann einem unterlegenen Bewerber gerichtlicher Rechtsschutz nur im Wege der Anfechtungsklage gegen die Ernennung gewährt werden; eine andere Möglichkeit zur Durchsetzung seines Bewerberanspruchs besteht nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.11.2010, a.a.O., unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zum Fortbestehen des Bewerberanspruchs mit verändertem Inhalt im Urteil vom 21.08.2003 - 2 C 14.02 -, BVerwGE 118, 370). Vorliegend hat jedoch das Verwaltungsgericht Freiburg im Hauptsacheverfahren den (ersten Haupt-)Antrag des Klägers, die Auswahlentscheidung zu Gunsten der ausgewählten Bewerberin und deren Ernennung zur Akademischen Rätin der Universität Freiburg in der Funktion einer Kuratorin am Archäologischen Institut der Universität Freiburg aufzuheben, mit Urteil vom 29.05.2009 - 3 K 2004/07 - abgewiesen. Den hiergegen gerichteten Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 29.07.2010 - 4 S 1834/09 - abgelehnt. Der Bewerberanspruch des unterlegenen Bewerbers geht jedoch - wie erwähnt - durch die Ernennung des ausgewählten Konkurrenten unter, wenn die Ernennung das Auswahlverfahren endgültig abschließt. Das ist der Fall, wenn eine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage - wie vorliegend - rechtskräftig abgewiesen worden ist, was auch der Antragsteller so sieht. Das „streitgegenständliche Stellenbesetzungsverfahren (Stellenausschreibung aus Juni 2006)“ ist damit aber endgültig abgeschlossen. Daran ändert nichts, dass die Stelle nach Weggang der ausgewählten und bestandskräftig ernannten Mitbewerberin „nun wieder frei“ und erneut ausgeschrieben geworden ist. Der Bewerberanspruch des Antragstellers „im streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahren (Stellenausschreibung aus Juni 2006)“ bleibt erledigt. Der Antragsteller kann keinen Anspruch mehr auf erneute Entscheidung über seine diesbezügliche Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts geltend machen, der in einem wiederholten Auswahlverfahren (mit welchen Modalitäten auch immer) zu erfüllen und damit sicherungsfähig wäre und zu dessen Sicherung er gegenüber dem Antragsgegner die vorläufige Nichtbesetzung der Stelle „mit einem Bewerber aus dem aktuellen Stellenausschreibungsverfahren (Stellenausschreibung zum 15. Oktober 2010)“ verlangen könnte. Dieses stellt sich daher auch nicht als rechtswidriger, weil nicht aus sachlichen Gründen erfolgter Abbruch des „streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahrens“ dar (zum Abbruch vgl. BVerwG, Urteil vom 25.04.1996 - 2 C 21.95 -, BVerwGE 101, 112).
In Bezug auf die aktuelle Stellenausschreibung hat der Antragsteller erneut einen aus Art. 33 Abs. 2 GG resultierenden, gegenüber dem „streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahren (Stellenausschreibung aus Juni 2006)“ eigenständigen Bewerberanspruch, dessen Verletzung er in einem ebenfalls eigenständigen, nur hierauf bezogenen (vorläufigen) Rechtsschutzverfahren geltend machen müsste. Eine Vermengung des Bewerberanspruchs des Antragstellers aus dem „streitgegenständlichen Stellenbesetzungsverfahren“, das abgeschlossen ist, mit dem aus dem „aktuellen Stellenausschreibungsverfahren“ ist wegen der Abhängigkeit des Bewerberanspruchs von dem konkreten Auswahlverfahren weder in materieller noch in prozessualer Hinsicht zulässig.
10 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
11 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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