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| Die Berufung des Klägers, die zulässigerweise auf eine Teilanfechtung des erstinstanzlichen Urteils beschränkt ist, ist unbegründet. Der das Grundstück Flst. Nr. 1160/3 (neu) betreffende Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage somit zu Recht abgewiesen. |
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| 1. Wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, sind nach dem erschließungsbeitragsrechtlichen „Stichtagsprinzip“ für die Beitragsbemessung die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 8.5.2002 - 9 C 5.01 - NVwZ-RR 2002, 671; vgl. auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 19 Rn. 22). Unstreitig waren hier alle Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung bei der Beklagten am 15.1.2007 gegeben. Damit ist auf die Sach- und Rechtslage in diesem Zeitpunkt abzustellen. Dies hat zur Folge, dass die erst am 30.1.2007 erfolgte Aufteilung des Grundstücks Flst. Nr. 1160 (alt) in erschließungsbeitragsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hat. |
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| 2. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht sind zu Recht davon ausgegangen, dass die Erschließungswirkung der abgerechneten Erschließungsanlage - des von der Kapellenstraße abzweigenden Stichwegs auf dem Grundstück Flst. Nr. 1158/14 - auf eine Teilfläche des ehemaligen Grundstücks Flst. Nr. 1160 (alt) beschränkt ist, die sich aus den heutigen Grundstücken Flst. Nr. 1160/2 (neu) und Flst. Nr. 1160/3 (neu) sowie dem von der Hohlwegstraße aus gesehen rückwärtigen Grundstücksteil des Grundstücks Flst. Nr. 1160 (neu) zusammensetzt. Der zur Hohlwegstraße hin orientierte Grundstücksteil wird hingegen allein von dieser Erschließungsanlage i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 1 KAG erschlossen. |
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| a) Auszugehen ist davon, dass bei einem beplanten Grundstück, das an eine Anbaustraße angrenzt und durch diese erschlossen wird, grundsätzlich die gesamte vom Bebauungsplan erfasste Fläche für durch die Anlage erschlossen zu halten ist, und zwar selbst dann, wenn das Grundstück zusätzlich noch an eine andere Anbaustraße angrenzt. Von diesem Grundsatz kann indes eine Ausnahme zu machen sein, wenn sich die von einer Anbaustraße ausgehende Erschließungswirkung eindeutig auf eine Teilfläche des Grundstücks beschränkt. Ist beispielsweise ein zwischen zwei (Parallel-) Straßen „durchlaufendes" Grundstück nach den Festsetzungen im Bebauungsplan an jeder Straße selbständig und ungefähr gleichgewichtig - sozusagen „spiegelbildlich" - bebaubar, und drängt sich angesichts dessen auf, dass es sich planerisch um zwei voneinander vollauf unabhängige Grundstücke handelt, bei denen sich die von jeder der Parallelstraßen ausgehende Erschließungswirkung eindeutig nur auf eine Teilfläche des Grundstücks erstreckt, ist dem bei der Handhabung des Tatbestandsmerkmals „erschlossen" Rechnung zu tragen. Entsprechendes gilt, wenn ein übergroßes Grundstück zwei ihrem Charakter nach völlig unterschiedlichen Baugebieten angehört und der Bebauungsplan die Teilflächen an verschiedene Anbaustraßen anbindet (BVerwG, Urteil vom 4.10.1990 - 8 C 1.89 - KStZ 1991, 31). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um abschließende Fallgruppen. Entscheidend für die Annahme einer begrenzten Erschließungswirkung einer Erschließungsanlage in beplanten Gebieten ist allein, ob sich aus den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans erkennbar eindeutig ergibt, dass die von der Erschließungsanlage (Anbaustraße) ausgehende Erschließungswirkung auf eine Teilfläche des Grundstücks beschränkt ist (BVerwG, Beschluss vom 21.7.2009 - 9 B 71.08 - NVwZ 2009, 1374). |
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| b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Zwar liegt keine der beiden vom Bundesverwaltungsgericht als beispielhaft bezeichneten Fallgruppen vor, in denen eine begrenzte Erschließungswirkung anzunehmen ist. Den Festsetzungen des Bebauungsplans „Hohlwegstraße“ lässt sich jedoch mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die abgerechnete Erschließungsanlage - der Stichweg auf dem Grundstück Flst. Nr. 1158/14 - einerseits und die Hohlwegstraße andererseits jeweils nur eine Teilfläche des ehemaligen Grundstücks Flst.-Nr. 1160 (alt) erschließen. Wie sich aus der räumlichen Anordnung der auf dem Grundstück vorgesehenen Baufenster ergibt, ordnet der Bebauungsplan das Grundstück unterschiedlichen Erschließungsanlagen zu. Zwei dieser Baufenster sind erkennbar dem jetzt abgerechneten Stichweg räumlich zugeordnet, während das an der Hohlwegstraße gelegene Baufenster erkennbar nur von dieser Erschließungsanlage erschlossen werden soll. Deutlich wird dies auch daran, dass der Bebauungsplan in dem Bereich zwischen den beiden rückwärtigen Baufenstern in Richtung des Stichwegs und dem an der Hohlwegstraße gelegenen Baufenster eine „geplante Grundstücksgrenze“ vorsieht. Dies unterstreicht, dass der Plangeber beabsichtigt hat, die vorgesehenen Baufenster ausschließlich durch die jeweils nächstgelegene Erschließungsanlage anzubinden. Die zwischen beiden Teilflächen liegende „geplante Grundstücksgrenze“ zeigt, dass der Plangeber von einer Zuordnung des einen Grundstücksteils des ehemaligen Grundstücks Flst.-Nr. 1160 (alt) zur Hohlwegstraße und des anderen Grundstücksteils zum Stichweg ausgegangen ist und demgemäß die Erschließungswirkung dieser beiden Erschließungsanlagen entsprechend begrenzen wollte. |
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| Die Auffassung des Klägers, der Stichweg diene nicht der Erschließung einer Teilfläche des ehemaligen Grundstücks Flst.-Nr. 1160 (alt), sondern solle ausschließlich die Bebaubarkeit der Grundstücke Flst.-Nr. 1158/13 und 1159/2 herstellen, trifft ersichtlich nicht zu. Denn wenn der Plangeber lediglich eine Erschließung der Grundstücke Flst.-Nr. 1158/13 und 1159/2 beabsichtigt hätte, wäre ein Stichweg mit einer geringeren Länge - also lediglich bis zum vorderen oder mittleren Bereich dieser Grundstücke - ohne weiteres ausreichend gewesen. Dass er dennoch bis zum Grundstück des Klägers „durchgezogen“ und damit auch entsprechend länger geplant und errichtet wurde, ergibt nur dann einen Sinn, wenn gerade auch eine Erschließung einer Teilfläche dieses Grundstücks durch den Stichweg beabsichtigt war. |
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| c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht nach dem BBauG bzw. dem BauGB (vgl. Urteil vom 3.2.1989 - 8 C 78.88 - NVwZ 1989, 1072) kann allerdings die durch derartige planerische Festsetzungen begründete Vermutung einer ihnen entsprechenden Begrenzung der Erschließungswirkung durch die tatsächlichen Umstände widerlegt werden. Nach dieser Rechtsprechung ist das jedenfalls dann der Fall, wenn bei einer solchen Sachlage die Voraussetzungen erfüllt sind, bei deren Vorliegen das Erschlossensein des rückwärtigen Grundstücksteils selbst dann zu bejahen wäre, wenn es sich um ein selbständiges Hinterlieger(buch)grund- stück desselben Eigentümers handelte. Denn die Anforderungen an das Erschlossensein des rückwärtigen Teils eines an eine Anbaustraße angrenzenden Buchgrundstücks könnten nicht höher sein als die Anforderungen an das Erschlossensein eines Hinterliegergrundstücks, wenn dieses und das trennende Anliegergrundstück im Eigentum derselben Person stünden. |
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| aa) Stehen ein Hinterliegergrundstück und das von der Anbaustraße trennende, selbständig bebaubare Anliegergrundstück im Eigentum derselben Person, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch das Hinterliegergrundstück als erschlossen anzusehen, wenn es entweder tatsächlich über eine rechtlich unbedenkliche Zufahrt über das Anliegergrundstück zur abzurechnenden Anlage verfügt oder wenn es zulässigerweise zusammen mit dem Anliegergrundstück einheitlich genutzt wird (vgl. Urteil vom 15.1.1988 - 8 C 111.86 - BVerwGE 79, 1). Die bloße Eigentümeridentität reicht nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen der Auffassung des Klägers hingegen nicht aus, um ein Erschlossensein des Hinterliegergrundstücks zu begründen. |
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| bb) Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Weder verfügte der an der Hohlwegstraße gelegene und von dieser erschlossene Teil des Grundstücks Flst. Nr. 1160 (alt) über eine rechtlich unbedenkliche Zufahrt über den hinteren Grundstücksteil zu dem Stichweg noch wurden beide Teile des Grundstücks einheitlich genutzt. |
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| Zwar bestand (und besteht) auf dem vorderen Grundstücksteil in Richtung Hohlwegstraße ein privater Zufahrtsweg, der an den Bereich eines der beiden Baufenster im rückwärtigen Grundstücksteil heranreicht. Die sich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens stellende Frage ist jedoch nicht, ob der von dem Stichweg erschlossene Teil des Grundstücks Flst.-Nr. 1160 (alt) wegen des Bestehens einer Zufahrt zur Hohlwegstraße als von dieser Straße erschlossen zu betrachten ist. Auf der Grundlage der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze ist vielmehr umgekehrt zu fragen, ob der von der Hohlwegstraße erschlossene Teil des Grundstücks über eine Zufahrt zu der Stichstraße verfügt. Das ist unstreitig nicht der Fall. Der genannte private Zufahrtsweg diente davon abgesehen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht allein der Zufahrt zu den Garagen und den Stellplätzen des bereits bestehenden Doppelhauses im vorderen Baufenster. Eine Erschließungsfunktion für den rückwärtigen Grundstücksteil kam dieser Zufahrt ersichtlich zu keiner Zeit zu, zumal es sich hierbei um unbebautes und auch sonst nicht genutztes Brachland gehandelt hat. Auch aus der Sicht der anderen Grundstückseigentümer gilt nichts anderes. Die Zufahrt dient erkennbar nicht der Erschließung des ungenutzten - von der Hohlwegstraße aus gesehen - hinteren Grundstücksteils, sondern allein der dem vorderen Grundstücksteil zugeordneten Garage und den dort befindlichen Parkflächen, die ebenfalls von den Bewohnern des im vorderen Baufenster befindlichen Doppelhauses genutzt werden. |
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| Auch eine einheitliche Nutzung des gesamten ehemaligen Grundstücks Flst.-Nr. 1160 (alt) war offenkundig nicht gegeben. Während der vordere Grundstücksteil mit einem Doppelhaus und den dazugehörigen Garagen und Stellplätzen bebaut war, handelt es sich bei der restlichen Grundstücksfläche - wie bereits dargelegt - um ungenutztes Brachland, das auch nicht gärtnerisch so gestaltet war, dass es dem Gebäude - etwa als Hausgarten - hätte zugeordnet werden können. |
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| cc) Der Senat hat allerdings Zweifel, ob es in Fällen, in denen ein selbständig bebaubares Hinterliegergrundstück und das es von der Anbaustraße trennende Anliegergrundstück im Eigentum derselben Person stehen, tatsächlich entscheidend darauf ankommt, ob das Hinterliegergrundstück entweder eine Zufahrt zu der Anlage besitzt oder zusammen mit dem Anliegergrundstück einheitlich genutzt wird. Er neigt vielmehr zu der Annahme, dass unter den genannten Voraussetzungen ein Erschlossensein des Hinterliegergrundstücks schon allein wegen der Eigentümeridentität als solcher jedenfalls für den Fall zu bejahen ist, dass das Grundstück über keine anderweitige Zufahrt verfügt (Fall des echten oder „gefangenen“ Hinterliegergrundstücks). Denn in diesem Fall dürfte eine schutzwürdige Erwartung der Eigentümer der übrigen durch die Straße erschlossenen Grundstücke bestehen, dass auch das Hinterliegergrundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands einbezogen wird. |
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| Diese Frage bedarf jedoch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keiner abschließenden Beantwortung, da in dem hier gegebenen Zusammenhang nicht die Situation eines echten, sondern die eines unechten Hinterliegergrundstücks zu betrachten ist. Abzustellen ist auch in diesen Fällen darauf, ob eine schutzwürdige Erwartung der Eigentümer der übrigen durch die Straße erschlossenen Grundstücke besteht, dass auch das Hinterliegergrundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands einbezogen wird. Ob bereits die Eigentümeridentität für sich allein im Allgemeinen geeignet ist, eine solche schutzwürdige Erwartung auch im Fall eines unechten Hinterliegergrundstücks zu begründen, kann offen bleiben. Zu verneinen ist diese Frage jedenfalls dann, wenn sich die Erschließungswirkung einer Straße - wie hier - auf einen bestimmten Bereich erstreckt, der das Hinterliegergrundstück nicht erfasst. |
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| Beschluss vom 11. Oktober 2012 |
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| Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.108,22 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG). |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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