Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - A 4 S 1082/20

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05.03.2020 - A 3 K 308/20 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

 
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, den der Kläger auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) und auf Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) stützt, hat keinen Erfolg.
I.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nur dann entsprechend § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt, wenn in Bezug auf die Rechtslage oder Tatsachenfeststellungen eine konkrete Frage aufgeworfen und hierzu erläutert wird, warum sie bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärte Probleme aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam sind und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlich geklärt werden müssen. Es muss deshalb schon in der Antragsbegründung selbst deutlich werden, warum prinzipielle Bedenken gegen einen vom Verwaltungsgericht in einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage eingenommenen Standpunkt bestehen, warum es also erforderlich ist, dass sich auch das Berufungsgericht klärend mit der aufgeworfenen Frage auseinandersetzt und entscheidet, ob die Bedenken durchgreifen. Des Weiteren muss dargelegt werden, warum die aufgeworfene konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage für das Verwaltungsgericht erheblich war und warum sie sich auch im Berufungsverfahren als entscheidungserheblich stellte (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 15.03.2000 - A 6 S 48/00 -, Juris Rn. 12, und vom 13.03.2017 - A 11 S 651/17 -, Juris Rn. 2; Senatsbeschluss vom 22.10.2019 - A 4 S 2476/19 -, Juris Rn. 2). Klärungsbedürftig in einem Berufungsverfahren sind daher grundsätzlich nur Rechts- oder Tatsachenfragen, über die das Verwaltungsgericht bereits entschieden hat (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.10.2019 - A 12 S 2881/18 -, Juris Rn. 20). Davon abweichend lässt sich eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung ausnahmsweise auch auf Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen stützen, die das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte. Eine auf neue Tatsachen gestützte Grundsatzrüge kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn offensichtlich ist, dass sich die aufgeworfene Frage jedenfalls in einem Berufungsverfahren als Tat- oder Rechtsfrage von verallgemeinerungsfähiger Tragweite und damit allgemeiner Bedeutung stellte (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 16.10.2019 - A 12 S 2881/18 -, Juris Rn. 21, vom 29.08.2018 - A 11 S 1911/18 -, Juris Rn. 3, und vom 04.07.2000 - A 9 S 1275/00 -, Juris Rn. 4).
2. Ausgehend hiervon genügt das Zulassungsvorbringen nicht dem Darlegungsgebot des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam die Tatsachenfrage auf, ob „einem in Griechenland anerkannten Schutzberechtigten aufgrund der nunmehrigen Corona-Pandemie, insbesondere auch wenn der anerkannt Schutzberechtigte an Asthma leidet, Verelendung, menschenrechtswidrige Behandlung drohen und keine Befriedigung der elementaren Grundbedürfnisse, Hygiene, Unterkunft, Essen zuteil wird“.
Diese Frage ist für das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 05.03.2020 nicht entscheidungserheblich gewesen; das Urteil verhält sich zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Lebensbedingungen von Dublin-Rückkehrern in Griechenland nicht. Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich die aufgeworfene Frage in einem Berufungsverfahren als Tatsachen- oder Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung stellte.
Gegenwärtig dürfte es sich bei der vom Kläger formulierten Frage bereits nicht um eine die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung eröffnende Tatsachenfrage von verallgemeinerungsfähiger Tragweite handeln. Denn das weltweite Pandemiegeschehen ist gegenwärtig von großer Dynamik gekennzeichnet und erlaubt (noch) keine verlässliche Einschätzung seiner mittelfristigen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Menschen im Allgemeinen oder auf Dublin-Rückkehrer in Griechenland im Besonderen. Möglich wäre allenfalls eine Momentaufnahme, der sich indes keine belastbaren Rückschlüsse für zukünftige Entwicklungen entnehmen ließen, die deshalb nur von sehr begrenzter Aussagekraft wäre und eine verallgemeinerungsfähige grundsätzliche Klärung von Tatsachen gerade nicht ermöglichte. Anderes hat auch der Kläger nicht aufgezeigt.
Unabhängig davon ist es auch nicht offensichtlich, dass sich die vom Kläger formulierte Frage überhaupt in einem Berufungsverfahren stellte. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat mit Schreiben vom 18.03.2020 mitgeteilt, mit Blick auf die Corona-Krise und die damit verbundenen Grenzschließungen und Reiseverbote bis auf weiteres alle Dublin-Überstellungen nach § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO auszusetzen. Demgemäß ist nicht nur völlig unklar, wann Dublin-Überstellungen nach Griechenland wieder vorgenommen werden, sondern in der Konsequenz auch, ob in einem Berufungsverfahren über die Frage der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Lebenssituation von Dublin-Rückkehrern in Griechenland zu entscheiden wäre.
II.
Die Berufung kann auch nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG zugelassen werden. Denn das Antragsvorbringen zeigt nicht hinreichend auf, dass die geltend gemachte Divergenz vorliegt. Dafür müsste der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz im angefochtenen Urteil benennen, mit dem das Verwaltungsgericht einem entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat, der in der Rechtsprechung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte aufgestellt wurde. Daran fehlt es hier.
Der Kläger beruft sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.07.2019 (- 1 C 45.18 -), dem er den Rechtssatz entnimmt, „dass die Regelvermutung einer gemeinsamen Rückkehr als Grundlage der Verfolgungsprognose nur bei einer in familiärer Gemeinschaft lebenden Kernfamilie, die zwischen den Eltern und ihren minderjährigen Kindern besteht, gerechtfertigt ist“. Diesen Rechtssatz stellt indessen das Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Urteil unter Berufung auf die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls auf (UA Seite 8). Wenn der Kläger ausführt, dass und warum das Verwaltungsgericht auch in seinem Falle trotz Trennung von der Kindsmutter aufgrund seines regelmäßigen Umgangs mit seinen vier minderjährigen Kindern von einer gelebten, von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten familiären Gemeinschaft im Sinne der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung - und in der Folge von einer gemeinsamen Rückkehrprognose - hätte ausgehen müssen, wendet er sich der Sache nach gegen die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Verwaltungsgericht und damit gegen die inhaltliche Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung. Damit wird jedoch keiner der in § 78 Abs. 3 AsylG abschließend aufgeführten gesetzlichen Zulassungsgründe dargelegt; auf eine fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes im Einzelfall kann eine Divergenzrüge nicht gestützt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.3.2019 - 1 B 2.19 -, Juris Rn. 16).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.
10 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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