Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 6 S 506/21

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 2020 – 4 K 5128/20 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig, aber nicht begründet. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat keinen Anlass, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09.10.2020 in der Fassung des Bescheids vom 22.10.2020 wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Mit vorgenannten Bescheiden hat die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziff. 3) die dem Antragsteller unter dem 18.09.1990 erteilte Aufstellerlaubnis nach § 33c Abs. 1 GewO für die Zukunft widerrufen (Ziff. 1) und diesem aufgegeben, ihr die Aufstellerlaubnis bis spätestens 05.11.2020 zur Rückgabe oder Kennzeichnung der Ungültigkeit zu übergeben (Ziff. 2). Für den Fall, dass der Antragsteller der Aufforderung zur Rückgabe der Aufstellerlaubnis nicht fristgemäß nachkommt, hat die Antragsgegnerin diesem ein Zwangsgeld in Höhe von 500,-- EUR angedroht (Ziff. 4).
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag unter anderem mit der Begründung abgelehnt, der Widerruf der Aufstellerlaubnis sei rechtmäßig. Der Antragsteller sei voraussichtlich unzuverlässig. Dabei könne offenbleiben, ob Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die im Gewerbezentralregister eingetragen seien, im Rahmen des § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 GewO länger als drei Jahre verwertet werden dürften. Denn maßgeblich für die Unzuverlässigkeit des Antragstellers seien die Entscheidung des Amtsgerichts ... vom 17.10.2018 und das Urteils des Amtsgerichts ... vom 02.06.2020. Der erstgenannten Entscheidung liege ein Verstoß gegen Meldepflichten nach dem Kommunalabgabengesetz in Tateinheit mit dem Aufstellen eines Spielgerätes ohne die erforderliche Bestätigung zugrunde. Dieser weise einen Gewerbebezug auf, betreffe den Kernbereich der Pflichten eines Automatenaufstellers und sei mit einer erheblichen Geldbuße geahndet worden. Bei der Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe durch das Amtsgericht ... handle es sich um ein gravierendes Delikt. Hieran ändere die der Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung zugrundeliegende strafrechtliche Prognose nichts. Im Übrigen ergebe sich aus § 33c Abs. 1 Satz 3 GewO, dass der Schutz der Gäste und der Jugendschutz Ziele des Erlaubnisvorbehalts seien. Als Aufsteller treffe den Antragsteller eine Schutzfunktion, selbst wenn er keinen persönlichen Kontakt mit Jugendlichen und Spielern habe.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG in Verbindung mit § 33c Abs. 2 Nr. 1 GewO gestützte Widerruf der Aufstellerlaubnis (Ziff. 1) dürfte gemessen an der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtmäßig sein.
Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LVwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Nach § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 GewO ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die Aufstellung von Spielgeräten erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt; die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt nach § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO in der Regel nicht, wer in den letzten drei Jahren vor Stellung des Antrages wegen eines Verbrechens, wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung, Hehlerei, Geldwäsche, Betruges, Untreue, unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels, Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel oder wegen eines Vergehens nach § 27 JuSchG rechtskräftig verurteilt worden ist.
Die Verurteilung des Antragstellers wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition und des tateinheitlich unerlaubten Besitzes von acht Stück Patronenmunition gehört nicht zu diesem Katalog von Straftaten. Die Unzuverlässigkeit kann sich außer aus den in § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO genannten Gesichtspunkten aber auch aus anderen Gründen ergeben, namentlich wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die Aufstellung von Spielgeräten erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 GewO. Diese entsprechen denjenigen, die die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO zu rechtfertigen vermögen. Denn wie § 35 GewO dient auch § 33c Abs. 2 GewO unter anderem dem Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden. Der Erlaubnisversagungsgrund der (allgemeinen) Unzuverlässigkeit liegt vor, wenn der Gewerbetreibende nach dem Gesamtbild seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.12.2013 - 6 S 2112/13 -, GewArch 2014, 83 ).
Die Tatsachen, auf die die Unzuverlässigkeit gestützt werden soll, brauchen zwar nicht im Rahmen des Gewerbebetriebes eingetreten zu sein, sie müssen andererseits jedoch gewerbebezogen sein, das heißt, die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden im Hinblick auf das konkret ausgeübte Gewerbe in Frage stellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.11.1988 - 14 S 2894/88 -, NVwZ-RR 1989, 540; s. auch Beschluss des Senats vom 10.12.2013 - 6 S 2112/13 -, GewArch 2014, 83 ). Bei der hiernach gebotenen Prognose kommt es – worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat – primär auf bisherige Verstöße gegen das geltende Recht an, wenn sie einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblichem Gewicht sind. Auch eine Vielzahl kleinerer Verstöße rechtfertigt eine Versagung, wenn aus ihnen der Hang zur Missachtung der Berufspflichten ersichtlich wird. Der Antragsteller muss willens und in der Lage zur einwandfreien Führung seines Gewerbes sein (vgl. Meßerschmidt, in: Pielow, BeckOK GewO, Stand: 06/2020, § 33c Rn. 23).
Bei alledem ist in den Blick zu nehmen, dass es sich bei der Frage der gewerberechtlichen (Un-)Zuverlässigkeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt und trotz der erforderlichen prognostischen Beurteilung, ob der Gewerbetreibende die Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß zu betreiben, der Behörde weder eine Ermessensbetätigung noch einen eigenständigen Beurteilungsspielraum zugesteht (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 11.03.2019 - 1 M 23/19 -, NVwZ-RR 2019, 812 ; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.08.2009 - 6 S 1285/09 -, n.v.; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand: 09/2020, § 35 Rn. 29b; Brüning, in: Pielow, BeckOK GewO, Stand 03/2021, § 35 Rn. 24).
Ausgehend hiervon rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Antragsteller die für die Aufstellung von Geldspielgeräten erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 GewO nicht besitzt. Denn die auf den 13.05.2020 datierende Auskunft aus dem Gewerbezentralregister weist seit dem Jahr 2010 insgesamt 14 Eintragungen auf, zuletzt die bereits vom Verwaltungsgericht seiner rechtlichen Würdigung zugrunde gelegte Entscheidung des Amtsgerichts ... vom 17.10.2018, mit der gegenüber dem Antragsteller eine Geldbuße in Höhe von 4.500,-- EUR wegen der Begehung einer fahrlässigen bzw. leichtfertigen Ordnungswidrigkeit in Gestalt des Nichtnachkommens der Meldepflichten nach dem Kommunalabgabengesetz in Tateinheit mit dem Aufstellen eines Spielgerätes ohne die erforderliche Bestätigung verhängt worden ist. Diese Ordnungswidrigkeit weist ebenso wie die zahlreichen weiteren Eintragungen einen unmittelbaren gewerberechtlichen Bezug auf.
10 
Auch in dem der Verurteilung durch das Amtsgericht ... zugrundeliegenden Lebenssachverhalt manifestiert sich die fortdauernde fehlende Bereitschaft des Antragstellers, gesetzliche Vorgaben zu beachten, wenngleich dieser Verstoß keinen unmittelbaren gewerberechtlichen Bezug aufweisen dürfte. Soweit der Antragsteller vorträgt, das Verwaltungsgericht habe die Umstände des Auffindens der Waffe ergebnisorientiert und deshalb unzutreffend gewertet, setzt er lediglich seine Rechtsauffassung an die Stelle der rechtlichen Würdigung des Verwaltungsgerichts. Hiermit legt der Antragsteller die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung und die Notwendigkeit ihrer Aufhebung indes nicht dar (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).
11 
Aufgrund der Häufigkeit der Verstöße, die in der Gesamtschau weit überwiegend den Kernbereich seiner Pflichten als Aufsteller von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit betreffen, kommt der Senat bei Würdigung der den Antragsteller betreffenden Umstände im hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt in Übereinstimmung mit der Antragsgegnerin und dem Verwaltungsgericht zu der Prognose, dass der Antragsteller nach dem Gesamtbild seines Verhaltens derzeit keine Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß zu betreiben. Dass nach dem vom Antragsteller vorgelegten Schreiben des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 17.12.2020 zwischenzeitlich eine Löschung der im polizeilichen Auskunftssystem gespeicherten Daten erfolgt ist, führt eingedenk der sich über einen langen Zeitraum erstreckenden Vielzahl an gewerberechtlichen Verstößen zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Umgekehrt sind die aktuell lediglich rudimentären Angaben des Finanzamts ... ... in der E-Mail vom 05.03.2021 jedenfalls derzeit noch nicht geeignet, die Prognose der Unzuverlässigkeit des Antragstellers weiter zu erhärten.
12 
Nach alledem muss auch nicht der vom Antragsteller aufgeworfenen Frage nachgegangen werden, ob ihn eine „über das Normalmaß der Schutzpflicht aus § 33c GewO hinausgehende besondere Schutzpflicht“ bzw. Schutzfunktion trifft, wie dies die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid vom 09.10.2020 in der Fassung des Bescheids vom 22.10.2020 formuliert hat. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist auch nicht offengeblieben, ob die Ordnungswidrigkeit des Nichtnachkommens von Meldepflichten nach dem Kommunalabgabengesetz vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Denn dem Eintrag im Gewerbezentralregister lässt sich eindeutig die „(f)ahrlässige bzw. leichtfertige“ Begehung der Ordnungswidrigkeit entnehmen.
13 
Dass sowohl die Antragsgegnerin als auch das Verwaltungsgericht die Unzuverlässigkeit des Antragstellers lediglich auf Teilaspekte gestützt haben, ist in Anbetracht des bereits aufgezeigten Prüfungsmaßstabs ohne Belang. Lediglich der Vollständigkeit halber ist daher auf den Einwand des Antragstellers zu erwidern, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Prognose nicht „das Strafurteil“ als solches, sondern das zu dieser Verurteilung führende Verhalten zugrunde gelegt hat.
14 
Die in der Auskunft aus dem Gewerbezentralregister im Einzelnen aufgeführten Ordnungswidrigkeiten und Bußgeldentscheidungen dürfen bei summarischer Prüfung auch zum Nachteil des Antragstellers verwertet werden. Sie sind weder getilgt noch zu tilgen (vgl. §§ 153 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, Abs. 6 Satz 1 GewO). Gegenteiliges wird auch vom Antragsteller nicht behauptet.
15 
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist der Senat bei der prognostischen Würdigung von dessen Zuverlässigkeit auch nicht aufgrund der Drei-Jahres-Frist des § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO an der Berücksichtigung der Eintragungen im Gewerbezentralregister gehindert.
16 
Dem Antragsteller ist zwar zuzugeben, dass in der Literatur vertreten wird, nicht in § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GeWO aufgeführte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten müssten ebenfalls der Drei-Jahres-Frist unterliegen, da andernfalls Antragsteller, denen weit geringere Verfehlungen zur Last gelegt würden, gegenüber solchen, die „einschlägige“ Taten im Sinne des § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO begangen haben, diskriminiert würden (vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer GewO, Stand: 09/2020, § 33c Rn. 29; Meßerschmidt, in: Pielow, BeckOK GewO, Stand: 06/2020, § 33c Rn. 24.1). Diese Auffassung überzeugt indes nicht.
17 
Denn § 153 Abs. 6 Satz 1 GewO lässt sich eindeutig entnehmen, dass Ordnungswidrigkeit und Bußgeldentscheidung (nur dann) nicht mehr zum Nachteil der betroffenen Person verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung im Register getilgt worden oder sie zu tilgen ist. Die Berücksichtigung der Eintragungen, wie sie sich der Auskunft aus dem Gewerbezentralregister entnehmen lassen, ist danach ohne weiteres möglich.
18 
Dies beansprucht gemessen an den Erkenntnismöglichkeiten des gerichtlichen Eilverfahrens auch in Anbetracht der in § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO statuierten Drei-Jahres-Frist Geltung. Denn diese Frist entfaltet bei summarischer Prüfung keine Ausstrahlungswirkung hinsichtlich der Frage, welche Tatsachen im Anwendungsbereich des § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 GewO zum Gegenstand der prognostischen Beurteilung der (Un-)Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden herangezogen werden können.
19 
Denn die Hervorhebung des Strafrechts im Rahmen des § 33c GewO – auch im Vergleich zu anderen erlaubnispflichtigen Gewerben (vgl. etwa § 33a GewO) – reflektiert das erhöhte Kriminalitätsrisiko, das sich sowohl aus dem Geschäft selbst als auch aus dessen Umfeld ergibt (vgl. Meßerschmidt, in: Pielow, BeckOK GewO, Stand: 06/2019, § 33c Rn. 17). Dieses Risiko betrachtet der Gesetzgeber bei Vermögensdelikten sowie bei den berufsspezifischen Delikten der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels und der Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel als besonders naheliegend. Lediglich bei Verbrechen wird wegen der Schwere der Tat nicht auf ein berufsspezifisches Verbrechen abgestellt (vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand: 09/2020, § 33c Rn. 24). Die Typik der in § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO genannten Straftatbestände indiziert im Sinne einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung demzufolge nach dem klaren Willen des Gesetzgebers regelmäßig („in der Regel“) die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit (vgl. zu § 34d Abs. 2 Nr. 1 GewO BayVGH, Beschluss vom 25.09.2012 - 22 ZB 12.731 -, GewArch 2013, 35 ; s. auch Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand: 09/2020, § 33c Rn. 22).
20 
In diesen Fällen muss die Behörde grundsätzlich nur prüfen, ob ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, der so bedeutsam ist, dass er das Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt; mithin ist zuvörderst in den Blick zu nehmen, ob im Einzelfall besondere Umstände gegen die Annahme der Unzuverlässigkeit sprechen (vgl. Hahn, in: Friauf, GewO, Stand: 10/2013, § 33c Rn. 24; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand: 09/2020, § 33c Rn. 22). Diese „Erleichterung“ kommt ihr indes nicht zugute, wenn „lediglich“ ein Fall des § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 GewO vorliegt und die Zuverlässigkeitsprognose „originär“ zu treffen ist. Dann aber besteht mangels vergleichbarer Sachverhalte keine rechtlich fassbare Verpflichtung einer Übertragung der Drei-Jahres-Frist auf die Generalklausel des § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 GewO mit der Folge, länger als drei Jahre zurückliegende, nicht in § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO aufgeführte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten nicht zu berücksichtigen, soweit diese nicht ihrerseits einem sonstigen gesetzlichen Verwertungsverbot unterliegen.
21 
Denn andernfalls würde die Regelvermutung des § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO faktisch nicht nur in eine Zuverlässigkeitsvermutung umgekehrt (ähnlich NdsOVG, Beschluss vom 13.10.2014 - 7 PA 33/14 -, NVwZ-RR 2015, 25 ). Vielmehr würden hierdurch auch solche Gewerbetreibende, bei denen der Gesetzgeber das erhöhte Kriminalitätsrisiko zum Anlass genommen hat, eine § 33c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO entsprechende Regelung zu schaffen (vgl. etwa §§ 34a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4, 34c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO), ohne sachlichen Grund gegenüber denjenigen privilegiert, die nicht von einer Fristbestimmung „profitieren“. Insofern wird folgerichtig anerkannt, dass nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist unter Umständen eine Berücksichtigung der Straftat im Rahmen der Generalklausel zur Unzuverlässigkeit nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 1 GewO in Betracht kommt (vgl. Ennuschat, in: ders./Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 33c Rn. 45).
22 
Die vom Antragsteller zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26.03.1996 - 1 C 12.95 -, BVerwGE 101, 24 ) führt zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung gerade betont (aaO Rn. 20), dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 153 GewO die Ungerechtigkeit habe beseitigen wollen, die nach seiner Auffassung darin lag, dass getilgte oder tilgungsreife Straftaten nicht, wohl aber Bußgeldentscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten unter anderem bei Erlass von Gewerbeverboten verwertet werden durften, obwohl in diesen Fällen weit geringere Rechtsverstöße vorlagen. Ein darüberhinausgehendes Korrekturbedürfnis zeigt der Antragsteller mit seinem Vortrag nicht auf.
23 
Der Widerruf der Aufstellerlaubnis begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken. Der Antragsteller hat solche auch nicht geltend gemacht. Insbesondere kann aus dem Fehlen erforderlicher Eignungsvoraussetzungen die Gefährdung des öffentlichen Interesses im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gefolgert werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.08.1993 - 1 B 112.93 -, GewArch 1995, 113 ).
24 
Soweit der Antragsteller im Hinblick auf die mit dem Widerruf der Aufstellerlaubnis verbundenen finanziellen Folgen deren Unverhältnismäßigkeit geltend macht, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des beschließenden Senats anerkannt, dass eine Gewerbeuntersagung gegenüber einem unzuverlässigen Gewerbetreibenden auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.02.1996 - 1 B 19.96 -, juris Rn. 3 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.11.2011 - 6 S 1855/11 -, n.v.; Beschluss vom 15.08.2019 - 6 S 870/19 -, n.v); nur in ganz extremen Ausnahmefällen mag trotz Unzuverlässigkeit der Einwand der Verletzung des Übermaßverbotes mit Erfolg erhoben werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.1982 - 1 C 124.80 -, GewArch 1982, 303 ; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.08.2019 - 6 S 870/19 -, n.v.). Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls reicht der Verweis auf die Angaben des Antragstellers im Strafverfahren vor dem Amtsgericht ..., das bereits vor etwas mehr als einem Jahr seinen Abschluss gefunden hat, indes nicht aus, zumal die dort gemachten Angaben nicht hinreichend eindeutig sein dürften.
25 
Ebenso wenig erweist sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziff. 3) als unverhältnismäßig. Dies kann nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats zwar dann anzunehmen sein, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung zum Wegfall einer konkreten Fortführungschance führt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.12.2013 - 6 S 2112/13 -, GewArch 2014, 83 ). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn es fehlt an belastbaren Anhaltspunkten dafür, dass der Antragsteller die Übertragung seiner geschäftlichen Aktivitäten auf einen Dritten betreibt.
26 
Rechtliche Bedenken gegen Ziff. 2 und Ziff. 4 des angegriffenen Bescheids vom 09.10.2020 in der Fassung des Bescheids vom 22.10.2020 sind dem Senat nach eigener Prüfung nicht ersichtlich. Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich nichts Gegenteiliges.
27 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 54.2.1, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen