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| Die am 24.02.2022 bei dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg rechtzeitig eingelegte (§ 147 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO) und am 14.03.2022 fristgemäß begründete (§ 146 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO) Beschwerde der Antragsteller, einer 1992 geborenen Mutter mit bosnisch-herzegowinischer Staatsangehörigkeit und ihres am ....2021 in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Sohnes, gegen den am 14.02.2022 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg, soweit mit diesem die Anträge der Antragsteller auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt worden sind, bleibt ohne Erfolg. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO anzustellende Prüfung der innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ergibt nichts, was eine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts veranlasst. |
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| I. Mit dem Beschluss hat das Verwaltungsgericht unter I. ausgeführt, die anwaltlich vertretenen Antragsteller begehrten ausdrücklich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 22.12.2021 - 8 K 3675/21 - gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.12.2021, soweit ihnen bei Nichteinhaltung der 30-tägigen Ausreisefrist die Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina oder einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht wird (Nr. 2 des Bescheids) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf ein Jahr ab dem Tag der Abschiebung befristet wurde (Nr. 3 des Bescheids). Zudem beantragten sie, die unter Nummer 1 verfügte Ausreisefrist im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum 31.03.2022 zu verlängern. |
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| Unter I. 1. hat das Verwaltungsgericht sodann entschieden, der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen Nr. 2 und 3 des Bescheids sei zulässig und insbesondere statthaft. Dahinstehen könne, ob hinsichtlich der Ausreisefrist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft sei oder ob doch vielmehr ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen wäre. Die nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zulässigen Eilanträge seien unbegründet. |
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| Unter I. 2. lit. a) hat es dargelegt, die Aufforderung zur Ausreise binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Verfügung (Nr. 1 des Bescheids) sei voraussichtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsteller seien zur Ausreise verpflichtet, da sie keinen Aufenthaltstitel besäßen. Der Antragsteller zu 2 bedürfe zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ebenfalls eines Aufenthaltstitels, da das Aufenthaltsgesetz auf ihn als Ausländer Anwendung finde. Dabei bedürfe es keiner näheren Überprüfung, ob - wie zuletzt behauptet - die vage Möglichkeit bestehe, dass er rückwirkend die deutsche Staatsangehörigkeit erwerbe. Denn jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt sei er (noch) kein deutscher Staatsangehöriger. Soweit eingewendet werde, beide Antragsteller hätten einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, vermöchten sie damit nicht durchzudringen. Denn unabhängig davon, ob ein solcher - vom Antragsgegner bestrittener - Anspruch der Sache nach überhaupt bestehe, könne das bloße Vorliegen eines Anspruchs die tatsächliche Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht ersetzen. Dies gelte umso mehr, als die Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis bisher nicht beantragt hätten. |
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| Unter I. 2. lit. b) hat das Verwaltungsgericht weiter ausgeführt, die Androhung der Abschiebung (Nr. 2 des Bescheids) begegne voraussichtlich keinen rechtlichen Bedenken. Sie sei für den Fall der Nichteinhaltung der angemessenen Ausreisefrist und schriftlich erfolgt und gebe mit Bosnien und Herzegowina den Staat an, in den die Antragsteller abgeschoben werden sollten. Ob die familiäre Verbundenheit zum in Deutschland lebenden Ehemann der Antragstellerin zu 1 bzw. Vater des Antragstellers zu 2 einen Duldungsgrund darstellen könne, sei hier nicht entscheidungserheblich. Denn gemäß § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG stünden Duldungsgründe im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegen. |
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| Unter I. 2. lit. c) hat das Verwaltungsgericht schließlich erklärt, die Erfolgsaussichten der gegen das unter Nr. 3 des Bescheids verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot erhobenen Klage seien nach summarischer Prüfung ebenfalls als gering einzuschätzen. Die Antragsteller hätten im Rahmen ihrer Anhörung mit Schreiben vom 22.09.2021 gegenüber dem Antragsgegner unter anderem ausgeführt, dass sie Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen hätten und es nicht zumutbar sei, die familiäre Gemeinschaft nicht in Deutschland zu leben. Mit diesen Argumenten setze sich das Regierungspräsidium Karlsruhe in seiner Befristungsentscheidung hinreichend auseinander, indem es zum Nichtbestehen der behaupteten Ansprüche auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen knapp, aber nachvollziehbar Stellung nehme und insbesondere das Vorliegen humanitärer Gründe im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 25 AufenthG verneine. Im Übrigen liege die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots im unteren Bereich des nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zulässigen Zeitrahmens, sodass sie angesichts der vom Antragsgegner aufgeführten generalpräventiven und ressourcenbezogenen Aspekte voraussichtlich keinen durchgreifenden Bedenken begegne. |
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| II. Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im vorläufigen Rechtsschutz beschränkt. Danach prüft der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nur die in der Beschwerdebegründung innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfordert, dass die Begründung unter konkreter Auseinandersetzung mit der Entscheidung im Einzelnen darstellen muss, weshalb die Entscheidung unrichtig sein soll. Der Begriff des Darlegens erfordert eine substanzielle Erörterung des relevanten Streitstoffs, wobei Maßstab und Bezugspunkt immer die angefochtene Entscheidung ist. Zu leisten ist eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und somit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer darf sich nicht darauf beschränken, die Punkte zu benennen, in denen der Beschluss angegriffen werden soll. Er muss vielmehr zusätzlich darlegen, aus welchen Gründen er die Entscheidung in diesen Punkten für unrichtig hält (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 13.12.2021 - 12 S 3227/21 -, juris Rn. 5, vom 02.07.2019 - 12 S 953/19 -, juris Rn. 7, und vom 09.03.2017 - 5 S 2546/16 -, juris Rn. 6; Rudisile, NVwZ 2019, S. 1, 8 ff.; Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22b; Guckelberger in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 71 ff.). Dies zugrunde gelegt, bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. |
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| 1. a) Die Antragsteller rügen, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die aufschiebende Wirkung der Klage vom 22.12.2021 anzuordnen, da sie zumindest ein Recht auf Ermessensaufenthalt in Deutschland hätten und den Aufenthalt zwischenzeitlich auch beantragt hätten. Anders als das Verwaltungsgericht meine, stehe ihnen ein Recht auf Ermessensentscheidung zum Aufenthalt nach § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu. Humanitäre Gründe für die Ermessenentscheidung der Ausländerbehörde lägen vor: Die Antragstellerin zu 1 sei seit dem ....2020 mit ihrem Ehemann verheiratet. Der Ehemann sei serbischer Staatsangehöriger und am ....1999 mit seiner Familie nach Deutschland eingereist. Er lebe also seit 23 Jahren in Deutschland. Die Antragstellerin zu 1, die die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit besitze, sei am 25.11.2020, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt geduldet mit ihrem Ehemann zusammengelebt habe und im achten Monat schwanger gewesen sei, durch den Antragsgegner nach Bosnien-Herzegowina abgeschoben worden. Dort habe sie in Obdachlosigkeit ohne jegliche medizinische Betreuung gelebt. Aufgrund der bevorstehenden Geburt des Kindes, fehlender medizinischer Versorgung und der bestehenden Obdachlosigkeit sei sie wieder zu ihrem Ehemann in dessen Wohnung in H. zurückgekehrt, in der der Ehemann gemeinsam mit seinen Eltern lebe. Am ....2021 sei der Antragsteller zu 2 in Deutschland geboren. Am 06.05.2021 habe das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald zur Erteilung einer Duldung um die Meldeanschrift der Antragstellerin zu 1 und ihres Kindes gebeten. Die Meldeanschrift sei der Ausländerbehörde mit Schreiben vom 02.06.2021 übermittelt worden. Aufgrund von gesundheitsgefährdender Schimmelbildung habe die Familie die Wohnung in H. nicht mehr bewohnen können und sei am 26.07.2021 nach F. umgezogen. Da diese Wohnung nur bis Ende März 2022 vorübergehend bewohnt werden könne, habe die Schwägerin der Antragstellerin zu 1 eine Drei-Zimmer-Wohnung ab dem 01.04.2022 angemietet, in der die Antragsteller mit dem Ehemann mietfrei zur Untermiete einziehen könnten. Der Vermieter sei hiermit einverstanden. Ausreichender Wohnraum sei damit vorhanden, ein Untermietvertrag könne nachgereicht werden. Außerdem habe die Familie, nachdem nun feststehe, dass sie künftig eine Wohnung in F. bewohnen könne, auf dessen Aufforderung einen nachträglichen Antrag auf Umverteilung zum Amt für Migration und Integration der Stadt F. gestellt. Zusätzlich seien mit Schreiben vom 11.03.2022 Anträge auf Aufenthaltserlaubnisse, hilfsweise auf Erteilung einer Fiktionsbescheinigung oder Duldung für die Antragsteller gestellt worden, nachdem nun feststehe, dass in F. ausreichender Wohnraum für die Familie zur Verfügung stehen werde. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stünden Ansprüche auf Aufenthalt dem Erlass einer Abschiebungsandrohung entgegen. |
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| b) Dieses gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung gerichtete Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. |
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| Dabei sind angesichts dessen, dass die Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise (Nr. 1 des angefochtenen Bescheids) mit der Abschiebungsandrohung (Nr. 2 des Bescheids) einen einheitlichen Verwaltungsakt bildet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 08.01.2021 - 12 S 3969/20 -, juris Rn. 6, und vom 22.10.2020 - 11 S 1112/20 -, juris Rn. 37), die Ausführungen des Verwaltungsgerichts unter I. 2. lit. a) und b) im angefochtenen Beschluss dahingehend zu verstehen, dass sie die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise von 30 Tagen insgesamt betreffen. Entsprechend ist auch davon auszugehen, dass die Ausführungen in der Beschwerdebegründung hierauf bezogen sind. |
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| Anders als die Antragsteller meinen, begegnet die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Abschiebungsandrohung unter Setzung einer Frist von 30 Tagen zur freiwilligen Ausreise sei voraussichtlich rechtmäßig, jedoch keinen rechtlichen Bedenken. Dies wird mit den umfangreichen Ausführungen, mit denen die Antragsteller geltend machen, sie hätten einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen, was der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung unter Setzung einer Frist von 30 Tagen zur freiwilligen Ausreise entgegenstehe, nicht erschüttert. Insbesondere wird mit dem Vorbringen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragsteller seien ausreisepflichtig, nicht ernstlich in Zweifel gezogen. |
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| Nach § 50 Abs. 1 AufenthG ist ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. Dass diese Voraussetzungen hier entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht vorliegen, legen die Antragsteller nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Die Ausreisepflicht setzt voraus, dass der Aufenthalt des Ausländers unrechtmäßig ist (vgl. Protz in: Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2021, § 50 AufenthG Rn. 1; Dollinger in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 50 AufenthG Rn. 3). Dem Besitz eines Aufenthaltstitels steht der Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung desselben nicht gleich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2021 - 2 M 124/21 -, juris Rn. 12; Bayerischer VGH, Beschluss vom 10.04.2012 - 10 CS 12.62 -, juris Rn. 13; Fleuß in: BeckOK, Ausländerrecht, 32. Ed. 01.01.2022, § 50 AufenthG Rn. 2a; Dollinger in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 50 AufenthG Rn. 3, 10). Darauf lässt schon der eindeutige Wortlaut des § 50 Abs. 1 AufenthG schließen, wonach es insbesondere heißt, dass ein Ausländer zur Ausreise verpflichtet ist, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt. Dass die Antragsteller im Besitz eines Aufenthaltstitels sind oder eines solchen - etwa hinsichtlich des Antragstellers zu 2 wegen gegebener deutscher Staatsangehörigkeit - nicht bedürften, behaupten selbst die Antragsteller nicht (mehr). |
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| Am voraussichtlichen Vorliegen einer Ausreisepflicht der Antragsteller dürften die nach Ergehen des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses wohl mit Schreiben vom 11. bzw. 14.03.2022 gestellten Anträge der Antragsteller auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aller Voraussicht nach nichts ändern. Zwar ist eine Ausreisepflicht im Sinne des § 50 Abs. 1 AufenthG auch dann nicht gegeben, wenn zu Gunsten des antragstellenden Ausländers die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 oder Abs. 4 Satz 3 AufenthG greift (vgl. Fleuß in: BeckOK, Ausländerrecht, 32. Ed. 01.01.2022, § 50 AufenthG Rn. 2a; Dollinger in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 50 AufenthG Rn. 3). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen legt die Beschwerde jedoch nicht ansatzweise dar. Dies ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere dürfte die hier allein in Betracht kommende Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht eingetreten sein. Diese Vorschrift bestimmt, dass der Aufenthalt eines Ausländers, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt gilt, wenn der Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Der Antrag kann nur während des rechtmäßigen Aufenthalts gestellt werden (vgl. Samel in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 81 Rn. 35; Kluth in: BeckOK Ausländerrecht, 32. Ed., Stand 01.10.2020, § 81 AufenthG Rn. 21). Beantragt ein nach Anhang II EU-VisaVO von der Visumpflicht befreiter Ausländer, der bereits bei der Einreise einen Daueraufenthalt anstrebt, einen Aufenthaltstitel, so entsteht keine Fiktionswirkung, weil der Aufenthalt mangels Einreise mit dem erforderlichen Visum nicht rechtmäßig ist (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 01.10.2020 - 10 Cs 20.1954 -, juris Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.09.2018 - 11 S 1973/18 -, juris Rn. 14; Samel in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 81 AufenthG Rn. 36). |
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| Dies zugrunde gelegt, dürfte der Aufenthalt der Antragsteller im Zeitpunkt der Beantragung von Aufenthaltstiteln mit Schreiben vom 11. bzw. 14.03.2022 nicht rechtmäßig gewesen sein. Das gilt zunächst mit Blick auf die Antragstellerin zu 1. Zwar kommt bei ihr aufgrund ihrer bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 15 AufenthV und Art. 4 EU Visa-VO i.V.m. deren Anhang II eine Befreiung von der Visumspflicht bei einer Inhaberschaft eines biometrischen Reisepasses grundsätzlich in Betracht. Allerdings dürften die äußeren Umstände klar dafür sprechen, dass die Antragstellerin zu 1 bereits bei ihrer erneuten Wiedereinreise ins Bundesgebiet einen Daueraufenthalt beabsichtigte. Dies zeigt sich daran, dass die Antragstellerin zu 1 schon kurze Zeit nach ihrer am 25.11.2020 erfolgten Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina erneut in das Bundesgebiet eingereist ist (der genaue Einreisetag ist aus der vorliegenden Akte nicht ersichtlich). Grund hierfür war offenbar, wie sich ihrem Vorbringen der Sache nach entnehmen lässt, ein - weiterhin - beabsichtigtes dauerhaftes Zusammenleben mit ihrem wohl bereits seit 23 Jahren in Deutschland lebenden Ehemann, mit dem sie seit dem ....2020 verheiratet ist und von dem sie bei ihrer Einreise ein Kind erwartete - den Antragsteller zu 2, der sodann, keine zwei Monate nach der Abschiebung der Antragstellerin zu 1, am ....2021 im Bundesgebiet geboren worden ist. Abgesehen davon sind Staatsangehörige der in der Liste in Anhang II aufgeführten Drittländer von der Visumpflicht nach Art. 3 Abs. 1 Visa-VO nur für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Dieser Zeitraum dürfte bei der Antragstellerin zu 1 im Zeitpunkt der Antragstellung längst abgelaufen gewesen sein. Da der Aufenthalt der Antragstellerin zu 1 im Zeitpunkt der Antragstellung bereits aus diesen Gründen nicht rechtmäßig gewesen sein dürfte, kommt es auf die Frage etwaiger Auswirkungen der zuvor bereits mit Bescheiden des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.06.2020 bzw. vom 24.11.2020 gegenüber der Antragstellerin zu 1 erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbote, hinsichtlich derer bei dem Verwaltungsgericht Freiburg zumindest teilweise auch aktuell noch Klagen anhängig sind (ursprüngliche Aktenzeichen 8 K 4009/20 und 8 K 2475/20, nach Verbindung nur noch 8 K 2475/20), insoweit nicht mehr an. |
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| Hinsichtlich des Antragstellers zu 2 dürfte eine Fiktionswirkung gleichfalls nicht eingetreten sein. Es wurde nicht dargelegt, dass innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt des Antragstellers zu 2 bei der Ausländerbehörde ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt worden ist oder dem Antragsteller zu 2 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen wäre (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 2, § 33 AufenthG). |
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| 2. a) Die Antragsteller beanstanden weiter, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe sich der Antragsgegner in keiner Weise ausreichend mit den Gründen für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse auseinandergesetzt. Eine eingehende Abwägung der Ermessengründe für die Verneinung der Aufenthaltserlaubnisse sei nicht erfolgt, es läge bei Prüfung der Aufenthaltserlaubnisse im Einzelfall ein vollständiger Ermessenausfall vor. Insbesondere seien ihre schutzwürdigen Belange und Verhältnismäßigkeitsgründe nicht beachtet worden. Der Ehemann der Antragstellerin zu 1 lebe seit 23 Jahren in Deutschland und sei hier mit seinen Familienangehörigen, seinen Eltern, integriert. Er sei serbischer Staatsangehöriger, könne also mit den Antragstellern die Ehe nicht in Bosnien-Herzegowina leben, da er nicht Staatsangehöriger dieses Landes sei. Einer Ausreise der Antragsteller stehe Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK entgegen. Es sei davon auszugehen, dass Art. 6 GG die Lebensgemeinschaft zwischen der Antragstellerin zu 1, ihrem Kind und dem Kindsvater schütze, da diese in einem gemeinsamen Haushalt lebten, weswegen angesichts fehlender gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen sei, dass eine persönliche Verbundenheit zwischen dem nun über ein Jahr alten Kind und seinen Eltern bestehe, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen sei. Damit seien sowohl die Aufforderung zur freiwilligen Ausreise als auch die Abschiebungsandrohung rechtswidrig. |
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| b) Auch mit diesen Ausführungen vermögen die Antragsteller nicht durchzudringen. Die Beschwerde legt schon nicht substantiiert dar, weshalb es den Antragstellern und ihrem Ehemann bzw. Vater nicht möglich und zumutbar sein sollte, ihre familiäre Lebensgemeinschaft etwa in Bosnien und Herzegowina fortzusetzen. Der pauschale Verweis darauf, dass der Ehemann bzw. Vater bereits seit 23 Jahren in Deutschland lebe, er hier mit seiner Familie, seinen Eltern, integriert sei und als serbischer Staatsangehöriger nicht in Bosnien-Herzegowina leben könne, genügt insoweit nicht. |
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| 3. a) Die Antragsteller monieren weiter, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hätte der Antragsgegner auch kein erneutes „Ein- und Ausreiseverbot“ gegen die Antragstellerin zu 1 und den Antragsteller zu 2 erlassen dürfen. Zum einen habe der Antragsgegner bereits mit der Abschiebung ein „Ausreiseverbot“ erlassen, das vorliegend nach wie vor nicht rechtskräftig sei, da das Hauptsacheverfahren auf den 10.05.2022 terminiert sei. Es sei dem Antragsgegner nicht gestattet, während der fehlenden Rechtskraft eines von ihm festgesetzten „Ein- und Ausreiseverbots“ ein solches erneut zu erlassen, um die rechtliche Überprüfung der Festsetzungen zu umgehen. Zum anderen hätte der Antragsgegner bei Beachtung der aufgezeigten humanitären Gründe für einen Aufenthalt der Antragsteller das vorliegende „Ein- und Ausreiseverbot“ auf Null herabsetzen müssen, da die Familie die eheliche Lebensgemeinschaft nur in Deutschland leben könne. |
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| b) aa) Soweit die Antragsteller zunächst meinen, der Antragsgegner habe kein erneutes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen dürfen, ist ihr Vortrag schon deshalb ungenau, weil sich dieses Vorbringen wohl allein auf die Antragstellerin zu 1 beziehen kann. Zumindest ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass auch gegenüber dem Antragsteller zu 2 zuvor bereits ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen worden wäre. Insoweit geht dieser Einwand mit Blick auf den Antragsteller zu 2 von vornherein ins Leere. |
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| Unabhängig davon legt die Beschwerde entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht substantiiert dar, warum es dem Antragsgegner nicht gestattet sein sollte, vor Eintritt der Bestandskraft eines zunächst erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbots ein weiteres zu erlassen. Die bloße Behauptung der Rechtswidrigkeit, wie hier seitens der Beschwerde geschehen, genügt den Darlegungsanforderungen nicht, zumal sich die Beschwerde in keiner Weise damit auseinandersetzt, dass das zunächst erlassene Einreise- und Aufenthaltsverbot an einen anderen Sachverhalt anknüpft als das hier in Rede stehende Einreise- und Aufenthaltsverbot, das nach Wiedereinreise der Antragstellerin zu 1 nach deren vorheriger Abschiebung ergangen ist und für den Fall einer erneuten Abschiebung ergeht. |
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| bb) Auch hinsichtlich des Vorbringens der Antragsteller, der Antragsgegner habe bei Beachtung der aufgezeigten humanitären Gründe für einen Aufenthalt das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf Null herabsetzen müssen, da die Familie die eheliche Lebensgemeinschaft nur in Deutschland leben könne, beschränken sich die Ausführungen letztlich auf die pauschale Forderung, es habe wegen der familiären Verhältnisse eine Herabsetzung der Frist auf Null zu erfolgen. Weder erfolgt eine Auseinandersetzung mit § 11 AufenthG sowie mit Art. 11 RL 2008/15/EG (Rückführungsrichtlinie), die den Erlass eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ausdrücklich vorsehen, noch mit der - auch höchstrichterlichen - Rechtsprechung, dass sich familiäre Belange selbst dann, wenn es um Kinder geht, nicht immer gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchzusetzen vermögen (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 18.10.2006 - 46410/99 <Üner> -, juris Rn. 57 ff.; EuGH, Urteil vom 27.06.2006 - C-540/03 -, juris Rn. 58 f.; BVerfG, Beschlüsse vom 09.12.2021 - 2 BvR 1333/21 -, juris Rn. 45 ff., vom 05.06.2013 - 2 BvR 586/13 -, juris Rn. 12 ff., und vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 -, juris Rn. 23; BVerwG, Beschlüsse vom 21.01.2020 - 1 B 65.19 -, juris Rn. 5 ff., vom 21.07.2015 - 1 B 26.15 -, juris Rn. 5, und vom 10.02.2011 - 1 B 22.10 -, juris Rn. 4). Gerade zu letztgenanntem Punkt wären Darlegungen aber notwendig gewesen, weil das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss mit Blick auf die voraussichtliche Rechtmäßigkeit der festgesetzten Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots auch auf generalpräventive und ressourcenbezogene Aspekte abgestellt hat. Darauf geht die Beschwerde indes mit keinem Wort ein. Gleichfalls legen die Antragsteller nicht hinreichend dar, warum es nicht möglich und zumutbar sein sollte, die familiäre Gemeinschaft in einem der Heimatländer der Eltern fortsetzen zu können. Die schlichte Berufung auf die unterschiedliche Staatsangehörigkeit der Eltern genügt hierfür ersichtlich nicht. |
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| 4. Die Beschwerde hat schließlich nicht deshalb Erfolg, weil die wohl mit Schreiben der Antragsteller vom 11.03.2022 (bei dem Amt für Migration und Integration der Stadt F.) bzw. vom 14.03.2022 (bei der Ausländerbehörde des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald) erfolgte Beantragung der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zu einer (nachträglichen) Unzuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe für den Erlass des angefochtenen Bescheides geführt hätte. |
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| Dabei kann dahinstehen, ob die Antragsteller eine etwaige sich aus der Antragstellung ergebende Unzuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe in beachtlicher Weise geltend gemacht haben (vgl. § 146 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 6 VwGO) und ob eine etwaige Unzuständigkeit andernfalls von Amts wegen berücksichtigt werden könnte, etwa wegen Offensichtlichkeit oder weil die zu einer möglichen Unzuständigkeit führenden Umstände erst nach Erlass des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses (allerdings möglicherweise auch erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist) eingetreten sind. Dies alles bedarf keiner Entscheidung, weil eine Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheides aller Voraussicht nach - weiterhin - gegeben ist. |
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| a) Dies gilt zunächst mit Blick auf die Abschiebungsandrohung unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise (Nr. 1 und Nr. 2 des angefochtenen Bescheids). |
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| Für die gerichtliche Überprüfung einer noch nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung - wie hier - ist in der Hauptsache die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz maßgeblich. Das gilt auch für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit für den Erlass eines entsprechenden Bescheides (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.09.2021 - 11 S 1880/19 -, juris Rn. 6). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gelten diese Grundsätze entsprechend. |
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| Im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats kann das Regierungspräsidium Karlsruhe trotz der zwischenzeitlich wohl erfolgten Beantragung eines Aufenthaltstitels durch die Antragsteller eine Zuständigkeit für den Erlass der streitgegenständlichen Abschiebungsandrohung aller Voraussicht nach - weiterhin - nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung der Landesregierung und des Justizministeriums über Zuständigkeiten nach dem Aufenthaltsgesetz, dem Asylgesetz und dem Flüchtlingsaufnahmegesetz sowie über die Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer - Aufenthalts- und Asylzuständigkeitsverordnung vom 02.12.2008, GBl. 2008, S. 465, diese zuletzt geändert durch Art. 62 der Verordnung vom 21.12.2021, GBl. 2022, S. 1, 9, (AAZuVO) für sich in Anspruch nehmen. § 4 Abs. 2 AAZuVO dürfte dem vorliegend nicht entgegenstehen. |
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| § 8 Abs. 1 Nr. 2 AAZuVO bestimmt, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe landesweit zuständig ist für Maßnahmen und Entscheidungen zur Beendigung des Aufenthalts bei vollziehbar ausreisepflichtigen sonstigen Ausländern sowie deren Familienangehörigen, die über kein Aufenthaltsrecht verfügen, auch wenn die Familienangehörigen nicht vollziehbar ausreisepflichtig sind. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 AAZuVO umfasst die Zuständigkeit nach § 8 Abs. 1 AAZuVO insbesondere den Erlass von Abschiebungsandrohungen oder -anordnungen, soweit nicht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die oberste Ausländerbehörde, das Bundesministerium des Innern, die unteren Ausländerbehörden nach § 4 Abs. 2 AAZuVO oder die Regierungspräsidien nach § 6 Abs. 2 AAZuVO zuständig sind. |
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| Nach der - hier allein in Betracht kommenden - abweichenden Zuständigkeitsbestimmung des § 4 Abs. 2 AAZuVO sind die unteren Ausländerbehörden zuständig für den Erlass der Abschiebungsandrohung oder -anordnung im Zusammenhang mit ihren Ausweisungsentscheidungen sowie im Zusammenhang mit der Ablehnung von Anträgen auf Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln, dem Widerruf oder der Rücknahme von Aufenthaltstiteln oder der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer von Aufenthaltserlaubnissen. |
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| § 8 Abs. 1 Nr. 2 AAZuVO kommt damit vorliegend als maßgebliche Zuständigkeitsnorm in Betracht, weil es sich bei den Antragstellern aller Voraussicht nach um vollziehbar ausreisepflichtige sonstige Ausländer handelt. Wie ausgeführt, dürften die Antragsteller gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet sein. Die Ausreisepflicht dürfte zudem gemäß § 58 Abs. 2 AufenthG vollziehbar sein. Diese Norm bestimmt, dass die Ausreisepflicht vollziehbar ist, wenn der Ausländer (1.) unerlaubt eingereist ist, (2.) noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 AufenthG als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht als fortbestehend gilt oder (3.) auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird. Diese Voraussetzungen dürften hier vorliegen. Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, dürfte sich die Vollziehbarkeit der Antragstellerin zu 1 sowohl aus § 58 Abs. 2 Nr. 1 als auch aus § 58 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG und die des Antragstellers zu 2 aus § 58 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ergeben. |
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| Maßgeblich für die Auslegung einer auf § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG beruhenden landesrechtlichen Zuständigkeitsregelung - wie hier - ist neben ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung im Regelungssystem - dem Zweck der Regelung entsprechend - insbesondere der Gedanke der Praktikabilität (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 23.09.2021 - 11 S 1880/19 -, juris Rn. 11, und vom 23.01.2001 - 11 S 97/00 -, juris Rn. 5 m.w.N.). |
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| Von diesem Maßstab ausgehend, dürfte die Auslegung von § 4 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 AAZuVO ergeben, dass in Fällen, in denen - wie wohl hier - gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen sonstigen Ausländer von dem Regierungspräsidium Karlsruhe bereits eine Abschiebungsandrohung erlassen worden ist und der Ausländer erst danach die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt, die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe für den Erlass der Abschiebungsandrohung dadurch nicht entfällt. |
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| Hierauf deutet zunächst der Wortlaut von § 4 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 AAZuVO hin. In Abweichung von der grundsätzlich gegebenen Zuständigkeit der unteren Ausländerbehörden (vgl. § 4 Abs. 1 AAZuVO: „Die unteren Ausländerbehörden sind sachlich zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist.“) weist § 8 Abs. 1 AufenthG die Zuständigkeit für Maßnahmen und Entscheidungen zur Beendigung des Aufenthalts grundsätzlich dem Regierungspräsidium Karlsruhe als landesweit zuständigem Kompetenzzentrum (vgl. zu dieser Begrifflichkeit lit. A. der Begründung zur AAZuVO vom 02.12.2008, GBl. 2008, S. 465) zu. Dies gilt nach § 8 Abs. 1 AAZuVO nicht nur für abgelehnte Asylbewerber sowie deren Familienangehörigen (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 AAZuVO), sondern auch für vollziehbar ausreisepflichtige sonstige Ausländer sowie deren Familienangehörigen, die über kein Aufenthaltsrecht verfügen (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2, § 1 Abs. 2 AAZuVO). Die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe umfasst dabei nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 AAZuVO grundsätzlich auch den Erlass von Abschiebungsandrohungen. Allerdings enthält § 8 Abs. 2 Nr. 1 AAZuVO eine Rückausnahme: Die Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe umfasst den Erlass von Abschiebungsandrohungen (nur), „soweit nicht [...] die unteren Ausländerbehörden nach § 4 Abs. 2 [...] zuständig sind.“ Nach § 4 Abs. 2 AAZuVO sind die unteren Ausländerbehörden indes - soweit hier nur in Betracht kommend - nur für den Erlass einer Abschiebungsandrohung „im Zusammenhang mit der Ablehnung von Anträgen auf Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln“ zuständig. Diese von § 4 Abs. 2 AAZuVO ausdrücklich geforderte Tatbestandsvoraussetzung dürfte hier jedoch nicht einschlägig sein. |
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| Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob eine Zuständigkeit der unteren Ausländerbehörde nach dieser Vorschrift erst mit einer - hier nach Aktenlage jedenfalls bislang nicht erfolgten - Antragsablehnung oder - wohl eher - bereits mit der Antragstellung bzw. dem Beginn des Verwaltungsverfahrens (§ 9 LVwVfG) eintritt. Denn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 AAzuVO dürften unabhängig davon nicht vorliegen. Die in Rede stehende Abschiebungsandrohung des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist nämlich nicht, wie es der Wortlaut des § 4 Abs. 2 AAZuVO verlangt, „im Zusammenhang mit der Ablehnung von Anträgen auf Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln“ erlassen worden. Dies war schon deshalb nicht möglich, weil im Zeitpunkt ihres Erlasses kein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gestellt worden war, der hätte abgelehnt und in dessen Zusammenhang eine Abschiebungsandrohung hätte erlassen werden können. |
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| Ein erst nach Ergehen einer vom Regierungspräsidium Karlsruhe nach § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 AAZuVO erlassenen Abschiebungsandrohung gestellter Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels kann den von § 4 Abs. 2 AAZuVO vorausgesetzten Zusammenhang zwischen der Antragsablehnung und der Abschiebungsandrohung voraussichtlich ebenfalls nicht begründen. Dagegen dürfte bereits die Chronologie der tatsächlichen Geschehnisse - erst Abschiebungsandrohung, dann Antragstellung, dann mögliche, nach § 4 Abs. 2 AufenthG aber ausdrücklich vorausgesetzte Antragsablehnung - sprechen. Der in § 4 Abs. 2 AAZuVO vorausgesetzte Zusammenhang impliziert eine andere, hier nicht vorliegende Reihenfolge der Abläufe, nämlich die, dass zuerst ein Antrag gestellt wird, der dann abgelehnt wird und auf den sodann eine Abschiebungsandrohung folgt. |
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| Ob § 4 Abs. 2 AAZuVO eine Annex-Zuständigkeit der unteren Ausländerbehörde dergestalt begründet, dass diese für den Erlass einer Abschiebungsandrohung oder -anordnung zuständig ist, wenn sie gegenüber dem Ausländer zu einem früheren Zeitpunkt eine aufenthaltsbeendende Verfügung erlassen hat (vgl. dazu Gutmann in: GK-AufenthG, § 71 Rn. 21 ), bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da ein solcher Fall hier weder dargelegt noch ersichtlich ist. |
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| Der Senat übersieht auch nicht die Entscheidung des 11. Senats des erkennenden Gerichtshofs vom 23.09.2021 - 11 S 1880/19 - in der insbesondere Folgendes ausgeführt wurde (vgl. juris Rn. 18): |
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| „Die Zuständigkeit der unteren Ausländerbehörde für die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels begründet eine Sachnähe für die in § 4 Abs. 2 AAZuVO genannten und im Falle der Ablehnung des Antrags ebenfalls zu treffenden Entscheidungen. Diese Sachnähe besteht im Falle einer Entscheidung über den Antrag bis zu deren Bestandskraft fort. Eine andere Einschätzung würde dazu führen, dass zwei unterschiedliche Behörden für den Erlass von im Zusammenhang stehenden Entscheidungen zuständig wären. In diesem Fall wären während eines noch nicht bestandskräftig abgeschlossenen aufenthaltsrechtlichen Verfahrens zwei Verwaltungsverfahren durch unterschiedliche Behörden zu führen. Das Titelerteilungs- oder -verlängerungsverfahren wäre zudem vorgreiflich, da die Zulässigkeit des Erlasses einer Abschiebungsandrohung vom Ausgang des Titelerteilungs- bzw. -verlängerungsverfahrens abhängt. Ein solches Auseinanderfallen der Zuständigkeiten für aufeinander bezogene und aufeinander aufbauende Entscheidungen soll nach der Konzeption von § 8 Abs. 1 Nr. 2 und § 4 Abs. 2 AAZuVO aber gerade unterbleiben.“ |
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| Diese Entscheidung steht dem hier dargelegten Verständnis von § 4 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 und 2 AAZuVO voraussichtlich nicht entgegen. Zum einen lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen, dass ihr ein dem vorliegenden Fall vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, dass dort also wie hier eine Abschiebungsandrohung gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen sonstigen Ausländer erlassen worden ist, bevor dieser einen Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gestellt hat. Zum anderen dürfte auch das Argument nicht verfangen, das Regelungsgefüge der § 8 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 AAZuVO wolle es vermeiden, zwei parallele Verfahren führen zu müssen. Denn diese Gefahr lässt sich in Fällen, in denen die Abschiebungsandrohung - wie hier - vor einer Antragstellung bereits erlassen worden ist, nicht mehr abwenden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass es der unteren Ausländerbehörde mangels entsprechender Kompetenz nicht möglich wäre, die vom Regierungspräsidium Karlsruhe erlassene Abschiebungsandrohung aus eigenem Recht aufzuheben. Damit dürfte in Konstellationen wie der vorliegenden auch die angeführte Sachnähe der unteren Ausländerbehörde ins Leere gehen. Soweit darauf abgehoben wird, dass das Titelerteilungs- oder -verlängerungsverfahren vorgreiflich sei, gilt dies in Fällen wie dem vorliegenden nur bedingt. Einfluss auf die Rechtmäßigkeit einer gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen sonstigen Ausländer erlassenen Abschiebungsandrohung hätte nur eine positive Bescheidung des (nachträglich gestellten) Antrags. Eine positive Bescheidung sieht § 4 Abs. 2 AAZuVO jedoch nicht vor. |
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| All diese Erwägungen zeigen, dass der Verordnungsgeber bei Abfassung der Rückausnahme in § 8 Abs. 2 AAZuVO und des § 4 Abs. 2 AAZuVO offenbar keine Fälle meinte, in denen vom Regierungspräsidium Karlsruhe gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen sonstigen Ausländer bereits eine Abschiebungsandrohung erlassen worden ist, bevor dieser einen Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gestellt hat. |
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| Diese Auslegung dürfte von der Begründung zu § 4 Abs. 2 AAZuVO gestützt werden. Darin heißt es: |
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| „Die unteren Ausländerbehörden sind auch für den Erlass einer Abschiebungsandrohung oder -anordnung in den Fällen zuständig, in denen sie für die Ausweisung zuständig sind. Insoweit ist wegen des Sachzusammenhangs zwischen Ausweisung und Abschiebungsandrohung eine Durchbrechung der grundsätzlichen Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Karlsruhe für abgelehnte Asylbewerber und vollziehbar ausreisepflichtige sonstige Ausländer nach § 8 erforderlich. Entsprechendes gilt auch für die weitere Regelung nach Absatz 2, wonach die unteren Ausländerbehörden im Zusammenhang mit der Ablehnung von Anträgen auf Erteilung oder Verlängerung von Aufenthaltstiteln auch für die Abschiebungsandrohung oder -anordnung zuständig sind. Ansonsten wäre für diesen Personenkreis, der regelmäßig mit der Ablehnung des Antrags vollziehbar ausreisepflichtig wird, hinsichtlich der Abschiebungsandrohung oder -anordnung das Regierungspräsidium Karlsruhe zuständig.“ |
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| Gerade die Formulierung im letztgenannten Satz „vollziehbar ausreisepflichtig wird“ zeigt, dass der Verordnungsgeber mit § 4 Abs. 2 AAZuVO nur die Fälle im Blick gehabt haben dürfte, in denen sich der Ausländer entweder rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und einen - die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4 Satz 1 AufenthG auslösenden - Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels stellt, oder er sich zwar nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, jedoch unmittelbar nach seiner Einreise ins Bundesgebiet oder nach Entfallen der Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellt und damit dem Erlass einer Abschiebungsandrohung durch das Regierungspräsidium Karlsruhe zuvor kommt. |
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| Zutreffend dürfte der Antragsgegner zudem darauf hinweisen, dass durch die grundsätzliche Konzentration der Zuständigkeit für den Erlass einer Rückkehrentscheidung bei dem Regierungspräsidium Karlsruhe eine einheitliche Bearbeitung und somit auch eine Beschleunigung und Effizienz des Aufenthaltsbeendigungsverfahrens bei illegalen Aufenthalten erreicht werden sollte. Diesem Sinn und Zweck dürfte ein Zuständigkeitsübergang für den Erlass einer Abschiebungsandrohung, die eine Rückkehrentscheidung im Sinne des Art. 3 Nr. 4 der RL 2008/115/EG darstellt (vgl. BVerwG, Urteile vom 16.02.2022 - 1 C 6.21 -, juris Rn. 39, und vom 21.08.2018 - 1 C 21.17 -, juris Rn. 18), durch die Stellung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels in Fällen wie dem vorliegenden widersprechen. Dies auch deshalb, weil einem solchen Antrag damit faktisch die gleiche (Fiktions-)Wirkung zukäme wie den von § 81 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 oder Abs. 4 Satz 3 AufenthG erfassten Fällen. Denn dann wäre vor einer Aufenthaltsbeendigung zunächst eine Entscheidung der unteren Ausländerbehörde abzuwarten. Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber derlei mit der Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 AAzuVO beabsichtigt hätte oder auch nur hätte hinnehmen wollen, dürften nicht gegeben sein. Zudem liegt es fern, dass es dem Willen des Verordnungsgebers entspräche, die sachliche Zuständigkeit und vor allem den Wechsel der sachlichen Zuständigkeit nach Erlass einer Rückkehrentscheidung und zugleich deren Bestand, also die Grundlage für die Vollziehung der Aufenthaltsbeendigung, in das Belieben des Ausländers zu stellen. Denn dann könnte er durch das bloße Stellen eines (womöglich von vornherein aussichtslosen) Antrags (sowie durch taktische Antragsrücknahmen und erneute Antragstellungen) eine Aufenthaltsbeendigung zumindest verzögern, wenn nicht sogar dauerhaft vereiteln. |
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| b) Ist das Regierungspräsidium Karlsruhe nach den vorstehenden Ausführungen voraussichtlich für den Erlass der Abschiebungsandrohung (weiterhin) zuständig, dürfte es dies aller Voraussicht nach auch für den Erlass des ebenfalls verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 3 des angefochtenen Bescheids) sein. Dies folgt aus § 9 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO, wonach über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG (und damit auch über dessen Erlass, der regelmäßig in der Befristungsentscheidung gesehen werden kann, vgl. BVerwG, Urteil vom 13.07.2017 - 1 VR 3.17 u.a. -, juris Rn. 72) die Behörde entscheidet, die die Abschiebungsandrohung erlässt. Die Notwendigkeit einer anderen Sichtweise haben die Antragsteller nicht dargelegt. |
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| IV. Die Streitwertfestsetzung sowie die Abänderung der Festsetzung des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG. In Fällen einer isolierten Abschiebungsandrohung - wie hier - ist in Abweichung von der Empfehlung in Ziffer 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen) vom Auffangwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG (5.000,– Euro) auszugehen; im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist dieser Wert zu halbieren. Die Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise (Nr. 1 des angefochtenen Bescheids) ist mit der Abschiebungsandrohung (Nr. 2 des Bescheids) - wie ausgeführt - als einheitlicher Verwaltungsakt zu verstehen und wirkt sich daher nicht streitwerterhöhend aus. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot (Nr. 3 des Bescheids) führt in Abweichung von § 39 Abs. 1 GKG - gleich einer untergeordneten Nebenforderung, vgl. § 43 Abs. 1 GKG - ebenfalls nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts (vgl. zu alledem: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.01.2021 - 12 S 3969/20 -, juris Rn. 6). Der sich danach für eine Person ergebende Wert von 2.500,– Euro ist aufgrund der subjektiven Antragshäufung vorliegend zu verdoppeln (§ 39 Abs. 1 GKG). |
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