Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 6 S 389/22

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26. Januar 2022 - 4 K 3672/22 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung fristgemäß (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben dem Senat keinen Anlass, den angefochtenen Beschluss zu ändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Weiterbetrieb der Spielhalle „...“ bis zum Ablauf von einer Woche nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids zu dem Widerspruch der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 22.02.2021 zu dulden.
1. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin hinsichtlich der im Beschwerdeverfahren allein streitgegenständlichen Spielhalle „...“ keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Denn ein sicherungsfähiger Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung einer sogenannten Härtefallerlaubnis nach Maßgabe des § 41 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG besteht nicht. § 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG setzt zur Befreiung von dem hier einer Erlaubniserteilung jedenfalls entgegenstehenden Verbundverbot nach § 42 Abs. 2 LGlüG das Vorliegen einer „unbilligen Härte“ voraus. Hierbei handelt es sich um eine vollumfänglich der gerichtlichen Kontrolle unterliegende Tatbestandsvoraussetzung. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin mit der am 12.06.2017 erteilten und bis zum 31.12.2021 befristeten Härtefallerlaubnis das Vorliegen einer unbilligen Härte für den Zeitraum nach dem 01.01.2022 auch nicht (bestandskräftig) festgestellt. Im Gegenteil hatte die Antragsgegnerin in ihrer Entscheidung vom 12.06.2017 unter Ziffer III. ausdrücklich festgehalten, dass für die weitere Zeit, für die eine spielhallenrechtliche Erlaubnis beantragt worden sei, der Antrag zunächst nicht beschieden aber auch nicht abgelehnt werde. Die Antragsgegnerin hat dementsprechend zu Recht das Vorliegen einer unbilligen Härte nach § 51 Abs. 5 Satz 1 LGlüG im Rahmen ihrer Entscheidung vom 22.02.2021 über die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Zeitraum ab dem 01.01.2022 geprüft. Sie hat das Vorliegen einer unbilligen Härte auch zu Recht verneint. Denn die Antragstellerin, welche insoweit die Darlegungs- und (materielle) Beweislast trifft, hat Anhaltspunkte für eine unbillige Härte für den Zeitraum ab dem 01.01.2022 weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren dargelegt. Hierfür gibt es auch sonst keine Anhaltspunkte. Zum einen hat die Antragstellerin bereits eine Härtefallerlaubnis für einen Zeitraum von über vier Jahren erhalten, ihr ist mithin bereits eine großzügige Übergangsfrist eingeräumt worden. Zum anderen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der unbilligen Härte nicht bereits dann erfüllt, wenn mit der Schließung von Spielhallen wirtschaftliche Einbußen und sonstige Belastungen verbunden sind. Insbesondere können die Spielhallenbetreiber nicht die verlustfreie Abwicklung ihrer zu schließenden Spielhallen verlangen (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 01.10.2021 - 1 K 2308/21 -, juris Rn. 31 m.w.N.).
Soweit die Antragstellerin meint, zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes einer aktiven Duldung bis zur Entscheidung über ihren Erlaubnisanspruch durch die Widerspruchsbehörde zu bedürfen, dringt sie damit bereits aufgrund der nach vorstehenden Ausführungen (offensichtlich) fehlenden Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Senats hat die bei zeitweise fehlender Erlaubnis bzw. Duldung des Betriebs der Spielhalle entstehende Zäsur zwar grundsätzlich den Wegfall des gemäß § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG im Hinblick auf die Abstandsvorgaben des § 42 Abs. 3 LGlüG gewährten Bestandsschutzes zur Folge (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.10.2021 - 6 S 2763/21 -, ZfWG 2022, 70 ). Dem Betroffenen steht – wie hier – jedoch effektiver Rechtsschutz über die Möglichkeit zur Verfügung, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Verpflichtung der zuständigen Behörde zur vorläufigen aktiven Duldung seines Betriebs zu erwirken. Der Senat verkennt dabei nicht, dass bei einer Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz aufgrund der damit gegebenenfalls verbundenen Zäsurwirkung in Bezug auf den Bestandsschutz nach § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG eine weitgehende Verlagerung des Rechtsschutzes in das einstweilige Rechtsschutzverfahren erfolgen kann. Dies ist jedoch Folge der tatbestandlichen Voraussetzungen der Übergangsregelung des § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG und geht mit einer entsprechend gesteigerten Prüfungsintensität des Gerichts im einstweiligen Rechtsschutzverfahren einher (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2016 - 1 BvL 6/14 -, BVerfGE 143, 216, ; BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13 -, NVwZ 2017, 149 ; BVerfG, Beschluss vom 23.05.2019 - 1 BvR 1724/18 -, NVwZ 2019, 1506 jeweils m.w.N.). Bei – wie hier – bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach umfassender rechtlicher Prüfung feststellbaren fehlenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache ist es auch im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gerechtfertigt, die gerichtliche Überprüfung des geltend gemachten Erlaubnisanspruchs de facto in das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu verlagern. Denn die grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Betreiber an einem Fortbetrieb ihrer Spielhallen im Abstandsbereich zu einer Einrichtung zum Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen werden bereits durch die Ausgestaltung des § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG als bloße Übergangsregelung relativiert. Zudem verfolgt der Landesgesetzgeber mit dem Erlaubnisvorbehalt und den zusätzlichen Erlaubnisanforderungen nach §§ 41 ff. LGlüG, welche der Vermeidung und Abwehr der vom Glücksspiel in Spielhallen ausgehenden Suchtgefahren und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienen, besonders wichtige Gemeinwohlziele (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.02.2022 - 6 S 1922/20 -, ZfWG 2022, 274 ), deren Erreichung durch die (fortwährende) Duldung eines auch im Rahmen eines Auswahlverfahrens nicht erlaubnisfähigen Betriebs während der Dauer des Widerspruchsverfahrens und des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens nachhaltig gefährdet wäre. Das aufgrund des Verlusts des Bestandsschutzes nach § 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG eintretende Rechtsschutzdefizit im Hauptsacheverfahren wird in diesem Fall durch eine umfassende rechtliche Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kompensiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2016 - 1 BvL 6/14 -, a.a.O. ).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 52 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 1.5 Satz 1 Hs. 1, Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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