Urteil vom Amtsgericht Bonn - 27 C 144/14
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung der WEG I-Straße ##-## in C-S zu Tagesordnungspunkt 10 vom 22.05.2014 nichtig ist.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft I-Straße ##-## in C-S. Mit Einladung vom 06.05.2014 lud der Verwalter die Eigentümer zur Eigentümerversammlung am 22.05.2014 ein. Unter Tagesordnungspunkt 10 wurde das Thema "Rauchmelderinstallation bis 31.12.2016" behandelt. Es wurde sodann einstimmig der folgende Beschluss gefasst (Bl. 16 d.A.):
3Die Eigentümer installieren in ihren Wohnungen die Rauchmelder selbst. Diese müssen nach den gesetzlichen Bestimmungen - an der Decke in den Schlaf- und Wohnräumen, Kinderzimmern und im Flur - nicht in der Küche -, installiert werden.
4Für die Funktionstüchtigkeit und Wartung sind die Eigentümer verantwortlich.
5Der Nachweis der Installation ist spätestens bis Ende 2016 dem Verwalter vorzulegen.
6Der Kläger ist der Auffassung, der Beschluss widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Es sei nicht zulässig, ihm und anderen Eigentümern persönliche Handlungspflichten aufzuerlegen. Hierzu habe die Gemeinschaft keine Beschlusskompetenz. Die Gemeinschaft müsse vielmehr einen gemeinschaftlichen Einbau und auch eine gemeinschaftliche Wartung der Rauchmelder beschließen.
7Der Kläger beantragt,
8den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 22.05.2014 zu Tagesordnungspunkt 10 für ungültig zu erklären.
9Die Beklagten beantragen,
10die Klage abzuweisen.
11Sie sind der Ansicht, die Beschlussfassung sei nicht zu beanstanden. Dem einzelnen Eigentümer werde lediglich die Verantwortung für die Installation der Rauchmelder sowie die Wartung auferlegt. Wie der jeweilige Eigentümer dieser Verantwortung nachkomme, etwa durch Selbstinstallation oder durch Beauftragung eines Fachunternehmens, bleibe ihm überlassen. Es werde also weniger in die Rechte der Sondereigentümer eingegriffen als durch einen Beschluss, in dem die Gemeinschaft das Vorgehen festlege. Hinzu komme, dass den Eigentümern gerade keine Leistungspflicht durch die Eigentümergemeinschaft auferlegt werde, da eine solche Pflicht bereits nach § 49 Abs. 7 Landesbauordnung bestehe.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16.01.2015 (Bl. 74 d.A.), die Hinweise vom 25.08.2014 (Bl. 31 d.A.) und vom 09.09.2014, (Bl. 40 d.A.) sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die zulässige Klage ist im Ergebnis begründet.
15Die gerichtliche Feststellung der Nichtigkeit war trotz der beantragten Ungültigerklärung nach §§ 23 Abs. 4, 43 Nr. 4 WEG möglich (vgl. dazu Bärmann/Merle, WEG-Kommentar, 12. Aufl., § 23 Rn. 165) und hier auszusprechen, weil es den Beklagten an der erforderlichen Beschlusskompetenz für die angefochtene Regelung fehlt.
16Die Beschlussfassung innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft bedarf der Legitimation durch eine Kompetenzzuweisung, die sich entweder aus dem Gesetz oder aus einer Vereinbarung ergeben kann. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass auch soweit eine Angelegenheit gemäß § 15, § 21 oder § 22 WEG der Regelung durch Mehrheitsbeschluss zugänglich ist, dies nicht die Befugnis der Gemeinschaft umfasst, dem einzelnen Wohnungseigentümer außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten Leistungspflichten aufzuerlegen (BGH NJW 2012, 1727 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
17Danach können die Wohnungseigentümer zu einer eigenständigen Anbringung und Wartung von Raumeldern nicht durch Mehrheitsbeschluss verpflichtet werden. Der Sachverhalt ist insoweit vergleichbar mit dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem die Eigentümer zur wechselseitigen Erfüllung der Räum- und Streupflicht verpflichtet wurden (BGH, a.a.O.) Zwar neigt das Gericht der Auffassung der Beklagten zu, dass es zumindest in Fällen, in denen bereits eine gesetzliche Pflicht normiert wurde, an der Voraussetzung der "konstitutiven Begründung" einer Leistungspflicht durch die Eigentümergemeinschaft fehlen könnte, die der Bundesgerichtshof noch in seiner Entscheidung vom 18.06.2010 gefordert hat (BGH NJW 2010, 2801). Insofern legt die Eigentümergemeinschaft dem einzelnen Eigentümer Pflichten nicht konstitutiv auf, sondern überwacht lediglich die Durchführung einer den einzelnen Eigentümer schon von Gesetzes wegen treffenden Handlungspflicht (so etwa OLG Stuttgart, NJW-RR 1987, 976, 977; Heinemann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 21 Rn. 57; Elzer, ZMR 2006, 733, 737). Damit käme es im vorliegenden Fall auf die Klärung der Frage an, ob § 49 Abs. 7 LBauO an den jeweiligen Sondereigentümer adressiert ist oder die Eigentümergesamtheit bezüglich des Gemeinschaftseigentums in der Pflicht ist.
18Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof jedoch mit seiner Entscheidung vom 09.03.2012 entgegengetreten. Demnach kann die Beschlusskompetenz einer Gemeinschaft bezüglich dem einzelnen Eigentümer auferlegter Handlungspflichten nicht auf die Überlegung gestützt werden, dass die Wohnungseigentümer ohnehin verkehrssicherungspflichtig seien und deshalb keine neuen Pflichten begründet würden (BGH NJW 2012, 1724). Die Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten habe jedenfalls in dem für die Beschlusskompetenz maßgeblichen Innenverhältnis der Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG nicht der einzelne Eigentümer, sondern der Verband sicherzustellen (vgl. nur Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 10 Rn. 234, 259, 271 mwN). Auch wenn diese Begründung im Ergebnis wenig überzeugend ist, weil der Verband die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht eben gerade auch dadurch sicherstellen kann, dass er deren Erfüllung durch den jeweils verpflichteten Sondereigentümer überwacht, sieht das Gericht keine Möglichkeit, von der klaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen.
19Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
20Streitwert: 2.500,00 €
21Rechtsbehelfsbelehrung:
22Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
23a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
24b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
25Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
26Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Köln zu begründen.
27Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
28Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
- §§ 23 Abs. 4, 43 Nr. 4 WEG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 22 WEG 1x (nicht zugeordnet)
- § 49 Abs. 7 LBauO 1x (nicht zugeordnet)
- § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG 1x (nicht zugeordnet)