Urteil vom Amtsgericht Dortmund - 412 C 4909/15
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 06.10.2015 wird aufrechterhalten.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt es nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Beklagte schloss mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der X GmbH, am 08.03.1996 einen Mietvertrag über die Wohnung im Hause I-Straße in 44359 Dortmund im ersten Obergeschoss (Wohnungsmietvertrag Anlage 1, Bl. 5 bis 9 d. A.). Das Mietverhältnis besteht seit dem 01.05.1996.
3Mit einem mit „Beschwerde wegen ruhestörendem Lärm, Einhaltung der Hausordnung (Reinigungspflichten), Beschimpfungen, Sperrmüll“ betitelten Schreiben vom 23.09.2014 mahnte die Klägerin den Beklagten ab. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf Anlage k3, Bl. 29, 30 d. A. Bezug genommen.
4Mit einem mit „Erneute Abmahnung wegen Verstoß gegen die Hausordnung“ betitelten Schreiben vom 22.01.2015 mahnte die Klägerin den Beklagten erneut ab. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf Anlage K4, Bl. 31 Bezug genommen.
5Mit Schriftsatz vom 28.05.2015 kündigte die Klägerin das bestehende Mietverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Zur Begründung nimmt die Klägerin Bezug auf das Anlagenkonvolut K2, Bl. 10 bis 28 d. A.). Wegen der weiteren Begründung wird auf Bl. 2 d. A. Bezug genommen.
6Mit Schriftsatz vom 17.07.2015 kündigte die Klägerin das bestehende Mietverhältnis erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Zur Begründung nimmt die Klägerin Bezug auf Anlagen (Bl. 40 bis 58 d. A.).
7Mit Schriftsatz vom 14.10.2015 kündigte die Klägerin das bestehende Mietverhältnis erneut fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Zur Begründung nimmt die Klägerin Bezug auf weitere Vertragsverletzungen (Bl. 93 d. A.).
8Am 06.10.2015 ist gegen die Klägerin ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen, gegen das sie mit Schriftsatz vom 14.10.2015, eingegangen bei Gericht am 19.10.2015 Einspruch eingelegt hat.
9Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihre Bezugnahme auf Anlagen substantiiertem Vortrag genügt.
10Die Klägerin beantragt,
11das Versäumnisurteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung im Hause I-Straße in 44359 Dortmund im ersten Obergeschoss, erste Wohnung von links, bestehend aus 2,5 Zimmern, Küche, Bad, Diele, Flur (49,59 m²) nebst Kellerräume geräumt an die Klägerin herauszugeben.
12Der Beklagte beantragt,
13wie erkannt.
14Der Beklagte ist der Ansicht, dass Abmahnungen und Kündigungen nicht hinreichend substantiiert das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten beschreiben.
15Entscheidungsgründe
16Die zulässige Klage ist nicht begründet.
17Die Klägerin hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Herausgabe der vom Beklagten bewohnten Wohnung in Dortmund gegen diesen.
18Das Mietverhältnis wurde nicht durch fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung beendet.
19Voraussetzungen für eine wirksame fristlose Kündigung nach §§ 543, 569 Abs. 2 BGB wie auch eine ordentliche Kündigung § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist neben einer nicht unerheblichen schuldhaften Verletzung der vertraglichen Pflichten des Mieters, eine ordnungsgemäße Abmahnung, die Fortsetzung des pflichtwidrigen Verhaltens und eine ordnungsgemäße Kündigung.
20Der Kündigungstatbestand der Hausfriedensstörung, auf den sich die Klägerin hier stützt, setzt neben einer Störung des Hausfriedens voraus, dass die Störung nachhaltig ist und dass die Störung wegen ihrer Nachhaltigkeit zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung führt (Schmidt-Futterer/Blank BGB § 569 Rn. 18).
21Aus der Abmahnung muss sich ergeben, welche konkreten Vertragsverletzungen der Vermieter beanstandet und künftig abgestellt wissen will. Der Vermieter muss den Mieter auffordern, ein genau bezeichnetes (LG Hamburg ZMR 1977, 157) Fehlverhalten zu ändern bzw. aufzugeben. Deshalb genügt es nicht, wenn der Vermieter den Mieter lediglich in mehr oder weniger allgemein gehaltenen Worten auf die Erfüllung seiner Pflichten hinweist (Blank/Börstinghaus Miete/Blank BGB § 541 Rn. 5).
22Vorliegend sind in der Abmahnung vom 23.09.2014 zunächst Ausführungen über eine nicht näher bezeichnete Beschwerde über ein Nichtnachkommen der Pflichten des Beklagten gemäß Hausordnung. Verstöße gegen die Hausordnung sind nicht konkret bezeichnet.
23Weiter weist die Klägerin in der Abmahnung auf die Einhaltung der Ruhezeiten hin und führt einige Situationen in der Zeit vom 19.06.2014 bis 11.07.2014 stichwortartig auf und erklärt, dass es sich nur um einen Ausschnitt aus der ihr vorliegenden Beschwerdeliste handle. Diese stichwortartige Aufstellung mag zwar teilweise wenigstens zeitlich bestimmt sein. Jedoch ist sie in den wesentlichen Punkten allgemein gehalten und beschränkt sich auf die Bezeichnung „Bedrohungen und Beschimpfungen“ oder die Bemerkung, dass es zu einem Polizeieinsatz kam. Dabei ist das Rufen der Polizei nicht einmal indiziell für einen Pflichtverstoß, sondern kann gegebenenfalls als eigener Pflichtverstoß gewertet werden (vgl. LG Hamburg a. a. O.).
24Dies ist nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend, eine nachhaltige Störung in der Form substantiiert darzulegen, die zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung führt. Weiter ist nicht ersichtlich, ob das gerügte Verhalten letztmalig am 11.07.2014 auftrat, also immerhin 2,5 Monate vor Verfassen der Abmahnung.
25Gleiches gilt für die weitere Abmahnung vom 22.01.2015. Diese führt lediglich zwei Vorfälle auf. Dies ist ebenfalls nicht geeignet, eine Nachhaltigkeit zu belegen.
26Daraus folgend fehlt es der Kündigung vom 28.05.215 an einer wirksamen Abmahnung, so dass diese schon aus diesem Grund unwirksam ist.
27Weiter genügt die Kündigungsbegründung nicht der zu fordernden Substantiierung. Wird die Kündigung auf eine Vielzahl einzelner Vertragsverletzungen gestützt, so müssen die einzelnen Vertragsverletzungen substantiiert im Kündigungsschreiben dargelegt werden. Aus dem Kündigungsschreiben muss sich auch in diesem Fall ergeben, wann und wo der Gekündigte die behaupteten Vertragsverstöße begangen hat (Staudinger/Emmerich § 569 BGB Rn. 63). Hat der Vermieter beispielsweise wegen einer häufigen Lärmbelästigung gekündigt, so genügt es nicht, wenn er lediglich darlegt, dass der Mieter „ständig ruhestörenden Lärm“ verursacht habe. Vielmehr ist in einem solchen Fall zu verlangen, dass Art, Zeitpunkt und jeweilige Dauer der einzelnen Lärmstörungen hinreichend genau beschrieben wird (Blank/Börstinghaus Miete/Blank BGB § 569 Rn. 95). Wird die Kündigung im Prozess erklärt, so kann auf prozessuale Schriftsätze Bezug genommen werden. Die Bezugnahme muss dergestalt erfolgen, dass der Mieter erkennen kann, auf welche konkreten Gründe die Kündigung gestützt wird. Es ist nicht Sache des Mieters, sich die Gründe der Kündigung aus einem umfangreichem Schriftwechsel oder ähnlichem „zusammenzusuchen“ (Schmidt-Futterer/Blank BGB § 569 Rn. 83)
28Vorliegend nimmt die Kündigung Bezug auf ein unübersichtliches Anlagenkonvolut bestehend aus Schreiben, EMails und Tabellen. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen aus diesem Konvolut herauszupicken. Soweit hier eine beleidigende Äußerung zur Begründung aufgeführt wird, ist diese mit der Beschreibung „stets“ nicht ansatzweise substantiiert. Auch die Umdeutung der Kündigung in eine Abmahnung scheidet aus diesen Gründen aus.
29Die Kündigung vom 17.07.2015 beschränkt sich auf den Verweis auf Anlagen.
30Soweit die Kündigung vom 14.10.2015 Verstöße aufführt, handelt es sich zum größten Teil um behauptete Vorkommnisse in der Zeit vor den unwirksamen vorprozessualen Abmahnungen, was diese jedoch nicht wirksam werden lässt. Lediglich zwei Lärmbeeinträchtigungen werden substantiiert, die nach der zweiten Abmahnung stattgefunden haben sollen. Mangels wirksamer Abmahnung kann dahin stehen, ob diese zwei Vorfälle geeignet sind, einen nachhaltigen Verstoß des Beklagten zu belegen.
31Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
32Rechtsbehelfsbelehrung:
33Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
341. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
352. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
36Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, L-Straße, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
37Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
38Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
39Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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