Beschluss vom Amtsgericht Duisburg-Hamborn - 20 M 2676/15
Tenor
Die Erinnerung der Gläubigerin vom 09.07.2015 wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.
1
I.
2Die Gläubigerin erhebt Erinnerung gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers.
3Die Gläubigerin erteilte dem Gerichtsvollzieher am 26.05.2015 den Auftrag, einen Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft zu bestimmen und dem Schuldner die Vermögensauskunft abzunehmen. Im Rahmen dieses Auftrags hat die Gläubigerin den Gerichtsvollzieher angewiesen, alle erforderlichen Zustellungen durch die Post zu erledigen.
4Der Gerichtsvollzieher hat den Schuldner daraufhin zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen und die Ladung dem Schuldner persönlich zugestellt.
5Nach Abgabe der Vermögensauskunft durch den Schuldner hat der Gerichtsvollzieher mit seiner Kostenrechnung vom 29.06.2015 u.a. eine Gebühr nach KV-Nr. 100 zum GvKostG für die persönliche Zustellung in Höhe von 10,00 EUR und die darauf entfallende Auslagenpauschale nach KV-Nr. 716 angesetzt und der Gläubigerin in Rechnung gestellt.
6Gegen diese Kostenrechnung erhebt die Gläubigerin Erinnerung soweit darin die Gebühr für die persönliche Zustellung nebst Auslagenpauschale angesetzt ist.
7Die Gläubigerin trägt vor, der Ansatz einer Gebühr für die persönliche Zustellung sei unzulässig, da dem Gerichtsvollzieher mit dem Antrag die ausdrückliche Weisung erteilt worden sei, per Post zuzustellen. An diese Weisung des Gläubigers sei der Gerichtsvollzieher gebunden, da die Weisung nicht mit dem Gesetz oder der GVGA im Widerspruch stehe. Aufgrund der erteilten Weisung habe dem Gerichtsvollzieher kein Ermessen bei der Wahl der Art der Zustellung zugestanden, welches er im Übrigen vorliegend auch nicht pflichtgemäß ausgeübt habe.
8Der Gerichtsvollzieher hat der Kostenerinnerung nicht abgeholfen und in seinem Schreiben vom 27.07.2015, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 15 d.A. verwiesen wird, begründet, weshalb er vorliegend die persönliche Zustellung gewählt hat.
9Die Landeskasse, vertreten durch die zentrale Prüfungsgruppe für Gerichtsvollzieherprüfungen bei dem Landgericht Duisburg, hat zur Kostenerinnerung eine Stellungnahme vom 27.07.2015 abgegeben, wegen deren Inhalt auf Bl. 12-14 d.A. Bezug genommen wird.
10II.
11Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet.
12Eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichtsvollziehers nach § 7 Abs. 1 GvKostG, die dazu führen würde, dass die für die persönliche Zustellung angefallenen Kosten nicht zu erheben sind, liegt nicht vor.
13Nach § 802 f Abs. 1 ZPO und 4 ZPO hat der Gerichtsvollzieher die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft zuzustellen. Die Zustellung erfolgt dabei im Parteibetrieb gemäß §§ 191 ff. ZPO. Gemäß § 193 ZPO kann der Gerichtsvollzieher eine Zustellung im Parteibetrieb persönlich ausführen, kann aber auch nach § 194 ZPO die Post mit der Zustellung beauftragen. Die Wahl zwischen diesen beiden Zustellungsarten trifft der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 30. Auflage, § 192 Rn. 3). Dem Verlangen der Partei nach einer bestimmten Zustellungsart braucht er (ohne rechtfertigenden Grund) nicht stattzugeben (vgl. Zöller-Stöber, a.a.O.). Weisungen eines Gläubigers führen nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null, da dies mit der Regelungssystematik in der ZPO und der GVGA NRW und dem Wesen und der Ausgestaltung des Gerichtsvollzieheramtes in Widerspruch stehen würde.
14Die Wahl der Zustellungsart wird weder in den §§ 191 ff. ZPO noch in der GVGA NRW von einer entsprechenden Weisung des Gläubigers abhängig gemacht. Der § 31 Abs. 2 GVGA NRW enthält nur eine allgemeine Regelung zu den Weisungen im Rahmen einer Zwangsvollstreckung. Der § 15 GVGA NRW als die speziellere Reglung für Zustellungen verdeutlich jedoch, dass die Weisung des Gläubigers nur ein Aspekt unter mehreren ist (vgl. LG Bochum, Beschluss vom 23.10.2014, Az. I-7 T 121/14 Rn. 15, zitiert nach juris).
15Weisungen des Gläubigers zur Zustellungsart sind entgegen der Auffassung der Gläubigerin insbesondere kein Anwendungsfall der Dispositionsmaxime des Zivilprozessrechts. Diese betrifft den Beginn und das Ende sowie Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs. Nur insoweit kann die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers der Disposition des Gläubigers unterliegen. Die Wahl der Zustellungsart ist ein Zwischenschritt bei der Durchführung der laufenden Zwangsvollstreckung und fällt nicht hierunter (vgl. LG Bochum, a.a.O.). Eine entsprechende Weisungsgebundenheit des Gerichtsvollziehers stünde auch nicht im Einklang mit dem Wesen und der Ausgestaltung des Amtes. Der Gerichtsvollzieher ist kein weisungsunterworfener Auftragnehmer des Gläubigers, sondern hat – innerhalb von Gesetz und Verwaltungsvorschriften gezogenen Grenzen – selbstständig und eigenverantwortlich zu entscheiden, welche Maßnahmen zur Erledigung eines Vollstreckungsauftrags geboten sind. Im Interesse einer zweckmäßigen und effektiven Erledigung des Vollstreckungsablaufs ist ihm durch die Einräumung des pflichtgemäßen Ermessens die notwendige Flexibilität gegeben.
16Die Ausführungen des betroffenen Gerichtsvollziehers in seiner Stellungnahme vom 27.07. 2015 lassen erkennen, dass er sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat.
17Er hat die Gründe angeführt, die im Rahmen seiner Ermessensentscheidung für eine persönliche Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft gesprochen haben. Er hat ausgeführt, dass es ihm insbesondere auch unter Berücksichtigung der zu der hier vorliegenden Problematik ergangenen Rechtsprechung nicht verwehrt werden könne, die Terminsladung zur Abgabe der Vermögensauskunft selbst vorzunehmen, auch unter Berücksichtigung der hier entstehenden höheren Kosten. Zwar treffen die von dem betroffenen Obergerichtsvollzieher angegebenen Gründe auf eine Vielzahl von Ladungen zu. Allerdings rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Ermessensausübung nicht erfolgt sei. Es sind bei nahezu sämtlichen Ladungen zum Termin zur Vermögensauskunft aufgrund der fast immer gleich gelagerten Sachverhalte jeweils die gleichen Gründe, die für oder gegen eine persönliche Zustellung sprechen, gegeneinander abzuwägen. Liegt ein solcher Normalfall vor, reicht es, so auch das LG Offenburg (vgl. LG Offenburg, Beschluss vom 17.09.2014, Az. 4 T 187/14, DGVZ 2014, 259), aus, wenn der Gerichtsvollzieher im Rahmen der Ermessensausübung die für einen solchen Fall maßgeblichen Erwägungen anstellt. Etwas anderes würde zwar dann gelten, wenn der Gläubiger in seinem Auftrag die von ihm gewünschte Zustellungsart näher begründet. Eine solche Begründung enthielt der Auftrag der Gläubigerin hier jedoch nicht.
18Nach Ansicht des Gerichts ist der betroffene Gerichtsvollzieher im vorliegenden Fall auch seiner gemäß § 58 Abs. 1 Satz 3 GVGA bestehenden Pflicht, nur unbedingt notwendige Kosten zu verursachen, nachgekommen. Auf etwaige Wünsche der Gläubigerin hinsichtlich der Ausführung der Zwangsvollstreckung ist, wie sich aus § 58 Abs. 2 GVGA ergibt, nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als dies ohne überflüssige Kosten und Schwierigkeiten und ohne Beeinträchtigung des Zwecks der Zwangsvollstreckung geschehen kann.
19Die persönliche Zustellung der Ladung gibt dem Gerichtsvollzieher, der auch das Gebot der Effektivität der Zwangsvollstreckung zu beachten hat, beim Antreffen des Schuldners anlässlich der persönlichen Ladung die Möglichkeit, diesem bereits zweckdienliche Hinweise für den Termin zu geben oder auch auf eine gütliche Erledigung hinzuwirken, was der Gerichtsvollzieher gemäß § 802b Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens tun soll.
20Die Ermessensausübung des betroffenen Gerichtsvollziehers ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden. Er hat die persönliche Zustellung der Ladung zum Termin zur Vermögensauskunft gemäß § 802f ZPO zu Recht gewählt und die Kosten dafür sachlich und rechnerisch richtig angesetzt.
21Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 5 Abs. 2 GvKostG i.V. mit § 66 Abs. 8 GKG.
22Gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG i.V. mit § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG ist die Beschwerde gegen diesen Beschluss zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die hier zur Entscheidung stehende Frage nach den Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens bei der Wahl der Zustellungsart im Rahmen der §§ 192 ff. ZPO wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt und ergibt sich in einer Vielzahl von Zwangsvollstreckungsverfahren.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.