Teil-Verzichts- und Schlussurteil vom Amtsgericht Düsseldorf - 119 Ds 30 Js 4719/18 - 779/18
Tenor
hat das Amtsgericht Düsseldorf
aufgrund der Hauptverhandlung vom 03.05.2019 und vom 24.05.2019,
an der teilgenommen haben:
Richter am Amtsgericht A
als Richter
Oberamtsanwältin T
als Vertreterin der Staatsanwaltschaft Düsseldorf
Rechtsanwalt D
als Verteidiger der Angeklagten C
Justizbeschäftigte (mD) B
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Die Angeklagte C wird wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von EUR 176.332,59 wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens sowie ihre notwendigen Auslagen trägt die Angeklagte.
Angewandte Vorschriften: §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 73, 73c StGB
1
Gründe
2I.
3Die Angeklagte wurde am ##/##/## in X geboren. Sie ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist deutsche Staatsangehörige. Die Angeklagte ist Beamtin des Landes Nordrhein-Westfalen und seit 1973 in der Finanzverwaltung tätig gewesen. Seit dem 31. März 2017 befindet sich die Angeklagte im Ruhestand.
4Die Angeklagte ist strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten.
5II.
61.
7Die Angeklagte wurde aufgrund eines Wirbelsäule- und Bandscheibenleidens wegen Dienstunfähigkeit zum 1. November 1994 in den Ruhestand versetzt. Eine amtsärztliche Untersuchung im Frühjahr 2004 ergab eine erneute Teildienstfähigkeit von 50%. Mit Verfügung der Oberfinanzdirektion Münster (im Folgenden OFD) vom 17. Dezember 2004 wurde die Angeklagte deshalb zum Dienstantritt am 3. Januar 2005 bei dem Finanzamt Y-Ost geladen. Bis zu ihrem Ruhestand am 31. März 2017 arbeitete die Angeklagte in der Folge mit einem Arbeitskraftanteil von 50%, wobei sie zwischen dem 15. März 2013 und dem 28. März 2013 für die Pflege einer angehörigen Person beurlaubt wurde.
82.
9Die OFD teilte dem Landesamt für Besoldung und Versorgung (im Folgenden LBV) die Reaktivierung der Angeklagten aus dem Ruhestand zum Januar 2005 mit, wies allerdings nicht darauf hin, dass die Angeklagte lediglich in Teilzeit mit halber Arbeitskraft tätig sein wird. Das LBV wies daraufhin die Besoldung an die Angeklagte für eine Vollzeitstelle an. Die entsprechenden Beträge für eine volle Stelle wurden der Angeklagten daraufhin ab Januar 2005 bis August 2016 gezahlt, obwohl ihr lediglich die Bezüge für eine Teilzeittätigkeit mit 50% zustanden.
10Obwohl die Angeklagte die überhöhte Zahlung bemerkte, teilte sie diese dem LBV nicht mit.
11Bezüglich der zweiwöchigen Pflegezeit im März 2013 teilte die OFD dem LBV lediglich Beginn und Ende der Pflegezeit mit. Eine Mitteilung über den Arbeitsumfang nach der Pflegezeit erfolgte – wie üblich – nicht.
12Auf den Bezügemitteilungen, die der Angeklagten übersandt wurden, befindet sich für die Mitteilungen von 2005 bis Ende 2009 in der Kopfzeile unterhalb des Adressfeldes das Feld „Teilzeitbeschäftigung“ mit den Unterfeldern „ermäßigte Stundenzahl“ und „regelmäßige Stundenzahl“. In keinem der Felder befanden sich in den Bezügemitteilungen der Jahre 2005 bis 2009 Eintragungen. Ab dem Jahr 2010 befand sich, nach einer Änderung des Layouts der Bezügemitteilungen, rechts neben dem Adressfeld ein Kasten mit mehreren Unterpunkten, die die persönlichen Verhältnisse wie beispielsweise die Steuerklasse, die Kinderfreibeträge und den Familienstand betreffen. Dort befindet sich ebenfalls der Unterpunkt „anteilige Bezüge“. In diesem Feld „anteilige Bezüge“ befinden sich vom Jahr 2010 bis zum September 2016 keine Eintragungen.
13Im März 2016 fiel der OFD bei der Überprüfung der Anpassung der Teilzeitbeschäftigung anlässlich der bevorstehenden Beendigung des 60. Lebensjahres der Angeklagten auf, dass diese seit 2005 die vollen Bezüge erhalten hat und wies das LBV im Juli 2016 darauf hin. Ab September 2016 wurde durch das LBV die Besoldung an die Arbeitszeit der Angeklagten angepasst.
143.
15Der Angeklagten hätte, wenn sie entsprechend ihrer Teilzeittätigkeit eine Vergütung erhalten und nicht volle Bezüge bezogen hätte, eine Zulage zugestanden, um sie nicht gegenüber demjenigen schlechter zu stellen, der aufgrund einer Dienstunfähigkeit Versorgungsbezüge erhalten würde. Dieser Zuschlag hätte entsprechend dem jeweiligen Differenzbetrag der ihr zustehenden Vergütung und der Höhe der Versorgungsbezüge variiert. Er ist für die Ermittlung der zu viel gezahlten Besoldung zu den hälftigen Versorgungsbezügen zu addieren. Hieraus ergeben sich die folgenden Brutto-Differenzbeträge zwischen den erhalten Bezügen und denen, die der Angeklagten inklusive Zuschlag zugestanden hätten:
16von |
bis |
Betrag in EUR |
Anzahl Monate |
Gesamtbetrag in EUR |
01.01.05 |
31.01.06 |
1.095,63 |
13 |
14.243,19 |
01.02.06 |
30.09.06 |
1.095,95 |
8 |
8.791,60 |
01.10.06 |
30.11.06 |
1.151,36 |
2 |
2.302,72 |
01.12.06 |
31.12.06 |
1.226,36 |
1 |
1.226,36 |
01.01.07 |
30.06.07 |
1.151,36 |
6 |
6.908,16 |
01.07.07 |
31.07.07 |
1.326,36 |
1 |
1.326,36 |
01.08.07 |
31.10.07 |
1.241,41 |
3 |
3.724,23 |
01.11.07 |
31.12.07 |
1.021,41 |
2 |
2.042,82 |
01.01.08 |
30.06.08 |
931,36 |
6 |
5.588,16 |
01.07.08 |
30.09.08 |
965,56 |
3 |
2.896,68 |
01.10.08 |
28.02.09 |
965,56 |
5 |
4.827,80 |
01.03.09 |
28.02.10 |
1.009,16 |
12 |
12.109,92 |
01.03.10 |
30.06.10 |
1.024,24 |
4 |
4.096,96 |
01.07.10 |
30.09.10 |
1.024,24 |
3 |
3.072,72 |
01.10.10 |
31.03.11 |
1.080,43 |
6 |
6.482,58 |
01.04.11 |
30.04.11 |
1.280,35 |
1 |
1.280,35 |
01.05.11 |
30.06.11 |
1.100,35 |
2 |
2.200,70 |
01.07.11 |
31.12.11 |
1.330,89 |
6 |
7.985,34 |
01.01.12 |
31.12.12 |
1.366,83 |
12 |
16.401,96 |
01.01.13 |
28.02.13 |
1.409,60 |
2 |
2.819,20 |
01.03.13 |
28.03.13 |
638,42 |
1 |
638,42 |
29.03.13 |
31.03.13 |
136,10 |
1 |
136,10 |
01.04.13 |
31.12.13 |
1.409,60 |
9 |
12.686,40 |
01.01.14 |
31.05.15 |
1.458,47 |
17 |
24.793,99 |
01.06.15 |
30.06.16 |
1.490,89 |
13 |
19.381,57 |
01.07.16 |
31.07.16 |
1.311,65 |
1 |
1.311,65 |
01.08.16 |
31.08.16 |
1.340,90 |
1 |
1.340,90 |
GESAMT: |
170.616,84 |
Darüber hinaus beläuft sich die Bruttodifferenz zwischen den der Angeklagten gezahlten Sonderzahlungen und denen ihr aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung zustehenden Sonderzahlungen wie folgt:
18von |
bis |
Betrag in EUR |
Anzahl Monate |
Gesamtbetrag in EUR |
01.12.05 |
31.12.05 |
766,95 |
1 |
766,95 |
01.12.06 |
31.12.06 |
516,62 |
1 |
516,62 |
01.12.07 |
31.12.07 |
457,14 |
1 |
457,14 |
01.12.08 |
31.12.08 |
532,01 |
1 |
532,01 |
01.12.09 |
31.12.09 |
551,63 |
1 |
551,63 |
01.12.10 |
31.12.10 |
583,70 |
1 |
583,70 |
01.12.11 |
31.12.11 |
446,60 |
1 |
446,60 |
01.12.12 |
31.12.12 |
455,62 |
1 |
455,62 |
01.12.13 |
31.12.13 |
467,69 |
1 |
467,69 |
01.12.14 |
31.12.14 |
481,48 |
1 |
481,48 |
01.12.15 |
31.12.15 |
490,63 |
1 |
490,63 |
01.12.16 |
31.12.16 |
-34,32 |
1 |
-34,32 |
GESAMT: |
5.715,75 |
Beide Beträge ergeben in der Summe eine Brutto-Differenz in Höhe von EUR 176.332,59.
20III.
211.
22Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den glaubhaften Angaben der Angeklagten und dem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 3. April 2019.
232.
24Die Angeklagte hat sich zu den Vorwürfen nicht geäußert. Sie wird der Tat jedoch durch die Aussagen der Zeugen N und I sowie die verlesenen Urkunden überführt.
25a.
26Die Zeugin N, Innenrevisorin beim LBV, sagte aus, die Angeklagte habe bei einer Teilzeittätigkeit über fast zwölf Jahre volle Bezüge erhalten. Bei der Reaktivierung der Angeklagten aus dem krankheitsbedingten Ruhestand zum 3. Januar 2005 habe die OFD dem LBV lediglich die Reaktivierung und nicht die Teilzeittätigkeit angezeigt. Im Jahr 2016 sei dem LBV durch die OFD mitgeteilt worden, dass dort ein Fehler unterlaufen sei. Die Angeklagte habe entsprechend ihrer Teilzeittätigkeit grundsätzlich Anspruch auf 50 % der Bezüge zuzüglich eines Zuschlags zur Angleichung an die Höhe der Versorgungsbezüge von Ruheständlern gehabt. Gezahlt worden seien ihr jedoch 100% der Bezüge für eine Vollzeitstelle. Die Angeklagte habe die überhöhten Zahlungen nicht angezeigt.
27Die Aussage der Zeugin N ist glaubhaft. Diese hat als Innenrevisorin den gesamten Sachverhalt für das LBV aufbereitet und konnte in ihren Ausführungen immer wieder Bezug nehmen auf entsprechende Aktenbestandteile und seitens des LBV angefertigten Unterlagen und Tabellen. Sie hat den Gesamtkomplex zusammenhängend und widerspruchsfrei geschildert und konnte Rückfragen umfassend und widerspruchsfrei beantworten.
28b.
29Die Angaben der Zeugin N zum Umfang der Beschäftigung der Angeklagten werden durch die gleichgerichteten Bekundungen des Zeugen I bestätigt, der als Mitarbeiter der OFD den beruflichen Werdegang der Angeklagten sowie die Unterbrechungen ihrer Tätigkeit ausführlich, wie festgestellt, schilderte. Der Zeuge führte dabei auch aus, dass die Teilzeittätigkeit dem LBV durch die OFD nicht mitgeteilt worden sei.
30Die Aussage des Zeugen I ist glaubhaft. Diese steht im Einklang mit der Aussage der Zeugin N und ist durch die Bezugnahme auf viele konkrete Daten anschaulich gewesen. Der Zeuge konnte sich hierbei auf die Personalakte der Angeklagten, die bei der OFD geführt wird, stützen. Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben haben sich zu keinem Zeitpunkt ergeben.
31c.
32Die Feststellungen zur Höhe der zu Unrecht bezogenen Bezüge beruhen auf den im Selbstleseverfahren eingeführten Bezügemitteilungen für die Monate Oktober 2005, Februar 2006, November 2006, Juli 2007, Dezember 2007, Oktober 2008, Dezember 2009, August 2010, Mai, 2011, August 2011, April 2012, August 2013, September 2015, August 2016, September 2016 und März 2017 (Bl. 33 bis 57 Sonderband „Anlagen“) sowie den schriftlichen Berechnungen der der Angeklagten zustehenden Zuschläge (Bl. 7 bis 35 Sonderband „Nachtrag LBV“) und der tabellarischen Berechnung der insgesamt zu viel erhalten Bezüge, unterteilt in die monatlichen Bezüge und die Sonderzahlungen (Bl. 36 bis 39 Sonderband „Nachtrag LBV“).
33Aus den Bezügemitteilungen für die einzelnen Monate ergeben sich die monatlichen Bruttobezüge sowie die steuerlichen Abzüge. Ferner ist den Mitteilungen zwischen 2005 und 2009 das Feld „Teilzeitbeschäftigung“ mit den Unterpunkten „ermäßigte Stundenzahl“ und „regelmäßige Stundenzahl“ sowie den Mitteilungen zwischen 2010 und August 2016 das Feld „anteilige Bezüge“ mit zwei unterteilten Feldern zu entnehmen. In keinem der vorgenannten Felder zur Teilzeitbeschäftigung bzw. anteiligen Bezügen finden sich zwischen 2005 und August 2016 Eintragungen.
34Diese Bezügemitteilungen sind Doppel derjenigen Mitteilungen, die der Angeklagten laufend übersandt wurden und sind dem Verwaltungsvorgang des LBV entnommen. An der Authentizität der Mitteilungen bestehen keine Zweifel.
35Die Berechnungen der monatlichen Zuschläge legen den Stundenumfang der Teildiensttätigkeit, das Grundgehalt, die Bezüge entsprechend der Teildiensttätigkeit und die fiktiven Versorgungsbezüge dar, so dass eine Differenzsumme gebildet werden kann. Der Differenzbetrag wird in den Berechnungen separat ausgewiesen und die zustehenden Bezüge entsprechend der Teildienstfähigkeit samt Zuschlag berechnet.
36Die Berechnung der zu viel erhaltenen Bezüge greift die vorgenannten zustehenden Bezüge auf und stellt diese tabellarisch den tatsächlich erfolgten Bezügen gegenüber, sodass entsprechende Differenzbeträge gebildet wurden, die die Zuvielzahlung darlegen. Diese Beträge entsprechen den tabellarisch in den Feststellungen dargelegten Werten.
37Die Berechnung der zustehenden monatlichen Zuschläge und der Differenz zwischen den zustehenden und tatsächlich gezahlten Bezügen wurden durch die Mitarbeiter des LBV, insbesondere die Zeugin N, gefertigt. Die Zeugin N hat diese Berechnungen in der Sitzung ausführlich und verständlich erklärt. Zweifel an der Richtigkeit der niedergelegten Werte haben sich nicht ergeben.
38IV.
39Die Angeklagte ist aufgrund des feststehenden Sachverhalts des Betrugs durch Unterlassen gemäß §§ 263 Abs. 1, 13 StGB schuldig
401.
41Die Strafbarkeit durch Unterlassen setzt das Bestehen einer Garantenstellung voraus. Diese folgt bei der Angeklagten aus ihrem Beamtenverhältnis und der damit verbundenen Treuepflicht.
42Die Stellung als Garant wird durch die Pflicht begründet, gegen Rechtsgutsgefährdungen einzuschreiten. Maßgebend ist die rechtliche Stellung des Unterlassenden zum gefährdeten Rechtsgut oder dem schädigenden Ereignis (vgl. Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 13 Rn. 8).
43Ein Beamter ist aufgrund seiner beamtenrechtlichen Treuepflicht verpflichtet, die Besoldungsmitteilungen bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Der Beamte darf sich insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, nicht ohne Weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen (BVerwG, Urt. v. 26.04.2012, 2 C 15/10, NVwZ-RR 2012, 930, Rn. 17, zitiert nach beck-online, mwN). So ist es mit der beamtenrechtlichen Treuepflicht unvereinbar, wenn der Empfänger von Dienst- oder Versorgungsbezügen einen von ihm erkannten, sich zulasten der öffentlichen Kassen auswirkenden Berechnungsfehler dem Dienstherren vorenthält und sich später auf den Wegfall der Bereicherung berufen will (BVerwG, Urteil v. 25.06.69, VI C 103.67; OLG Köln, Urteil v. 12.10.82, 1 Ss 553/82).
44Aus dieser Treuepflicht entsteht in formeller Hinsicht eine Garantenstellung des Beamten, die öffentliche Kasse vor Schaden zu schützen, welche in materieller Hinsicht dergestalt ausgestaltet wird, dass der Beamte seine Besoldungsmitteilungen zu überprüfen und überhöhte Zahlungen unverzüglich anzuzeigen hat.
452.
46Die Angeklagte hat die zu viel erhaltenen Bezüge bemerkt und eine Anzeige gegenüber dem LBV vorsätzlich unterlassen.
47Die Angeklagte hat sich zu den Vorwürfen zwar nicht eingelassen. Jedoch bestehen bei einer Gesamtbetrachtung der nachfolgend aufgeführten Indizien keine berechtigten Zweifel an der Überzeugung, dass die Angeklagte die überhöhte Besoldung bemerkt hat:
48Zunächst ergibt sich unmittelbar aus den Bezügemitteilungen, dass das LBV von einer Vollzeit- und nicht einer Teilzeitbeschäftigung ausgegangen ist und diese zum Gegenstand der Besoldung gemacht hat. Die entsprechenden Felder, die eine Teilzeittätigkeit zum Ausdruck bringen, finden sich in exponierter Stellung auf den Bezügemitteilungen und sind insbesondere bis in das Jahr 2009 hinein ausdrücklich als solche deklariert, währen ab 2010, insoweit immer noch eindeutig zuzuordnen, von „anteiligen Bezügen“ gesprochen wird.
49Weiterhin erhielt die Angeklagte nicht lediglich geringe monatliche Mehrzahlungen, deren Auffallen nur bei exakter Überprüfung zu erwarten wäre, sondern die überhöhte Besoldung belief sich stets auf mehrere hundert Euro, welches bereits bei einer groben Durchsicht der Bezügemitteilungen auffällt. Es ist fernliegend, dass eine Beamtin, insbesondere eine Finanzbeamtin, nicht die grobe Größenordnung ihrer aktuellen Besoldungsstufe kennt, so dass davon auszugehen ist, dass sie den Unterschied zwischen einer vollen oder hälftigen Besoldung bereits bei einer kursorischen Prüfung der Bezügemitteilungen bemerkt.
50Hinzu kommt, dass die Angeklagte über einen Zeitraum von über zehn Jahren vor der Reaktivierung Versorgungsbezüge erhalten hat, welche in etwa der hälftigen Besoldung bei voller Erwerbstätigkeit in dieser Besoldungsgruppe entsprechen. Die ihr nach der Reaktivierung zustehenden Besoldungsbezüge entsprachen somit in etwa den vorherigen Versorgungsbezügen, sodass die monatlichen Beträge sich nicht wesentlich hätten ändern dürfen. Dies war tatsächlich jedoch der Fall.
51Weiterhin hat die Angeklagte die erhöhten Bezüge über einen Zeitraum von über elf Jahren bezogen, in dessen Zeitraum sie eine größere zweistellige Zahl von Bezügemitteilungen erhalten hat. Es liegt außerhalb der Lebenserfahrung, dass die Angeklagte keine dieser Mitteilungen kontrolliert hat und auch bei einer Kontrolle der Kontoauszüge in über zehn Jahren nie erhebliche Zweifel an den erhaltenen Bezügen aufgekommen sind.
52Soweit die Verteidigung eine Überraschung bei der Konfrontation mit den Überzahlungen durch die Zeugen I2 und L unter Beweis zu stellen versuchte, um Zweifel zu wecken, dass die Angeklagte die Überzahlung nicht bemerkt habe, vermochte das Gericht eine entsprechende Überraschung nicht festzustellen. Vielmehr haben die Zeugen die Reaktion der Angeklagten unterschiedlich geschildert, sodass eine sichere Überzeugung nicht gewonnen werden konnte.
533.
54Das Unterlassen der Anzeige gegenüber dem LBV entspricht wertmäßig dem Tun, da im Falle einer Anzeige der Angeklagten gegenüber dem LBV die Besoldung angepasst worden und ein weiterer Schaden nicht entstanden wäre.
554.
56Durch die unterlassene Anzeige hat die Angeklagte den Irrtum bei dem zuständigen Sachbearbeiter des LBV, der die Besoldung angewiesen hat und für Anpassungen zuständig war, aufrechterhalten. Der Irrtum ist darin zu erkennen, dass der Sachbearbeiter des LBV von einer Vollzeit- und nicht einer Teilzeittätigkeit der Angeklagten ausgegangen ist.
575.
58Der Schaden beläuft sich auf die Brutto-Zuvielzahlungen in Höhe von EUR 176.332,59.
59Dieser Betrag war gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB als Wert des durch die rechtswidrige Tat Erlangten einzuziehen. Ein etwaiges verwaltungsgerichtliches Verfahren über die Höhe der Rückforderungsansprüche infolge etwaig eingetretener Verjährung oder Entreicherung steht der Einziehung nicht entgegen, da es auf der einen Seite um einen verwaltungsrechtlich durchzusetzenden Rückzahlungsanspruch und auf der anderen Seite um die strafrechtliche Abschöpfung rechtswidrig erlangten Vermögens geht.
60V.
61Ausgangspunkt der Strafzumessung ist der Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB, welcher Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht.
62Aufgrund des hohen Vermögensschadens von EUR 176.332,59 hat die Angeklagte das Regelbeispiel des besonders schweren Falls des Betruges gemäß § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB verwirklicht. Zwar ist in der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, dass die Tatbegehung der Angeklagten durch die unterlassene Mitteilung seitens der OFD leicht gemacht wurde. Die lange Dauer der Aufrechterhaltung dieses Irrtums über mehr als zehn Jahre überwiegt indes erheblich.
63Von der fakultativen Strafrahmenmilderung nach §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB hat das Gericht Gebrauch gemacht. Das Unterlassen wiegt im vorliegenden Fall geringer als das aktive Tun, da die Tatbegehung der Angeklagten durch den Fehler seitens der OFD besonders leicht gemacht wurde. Der Strafrahmen beläuft sich mithin auf Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten.
64Im Rahmen der konkreten Strafzumessung war zugunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass ihr die Tatbegehung durch die fehlerhafte Mitteilung der OFD an das LBV leicht gemacht wurde.
65Zulasten der Angeklagten war die Schadenshöhe zu berücksichtigen. Insoweit ist zu beachten, dass die Überschreitung der Grenze des Vermögensschadens großen Ausmaßes nicht nur geringfügig überschritten hat, welches bereits den besonders schweren Fall begründet, sondern dass diese Grenze von EUR 50.000,00 um mehr als das Dreifache überschritten wurde.
66Unter Berücksichtigung dieser für und gegen die Angeklagte sprechenden Erwägungen hält das Gericht eine
67Freiheitsstrafe von acht Monaten
68für tat- und schuldangemessen, die erforderlich aber auch ausreichend ist, um auf die Angeklagte einzuwirken.
69Die Vollstreckung der vorgenannten Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da zu erwarten ist, dass die Angeklagte sich die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und zukünftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird. Die Angeklagte ist bisher strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten, sodass die erste Verurteilung, erst recht eine solche zu einer Freiheitsstrafe, erheblichen Eindruck auf die Angeklagte entfalten wird. Weiterhin ist die Angeklagte in ein festes soziales Umfeld eingebettet. Letztlich ist zu berücksichtigen, dass die Angeklagte bei der Tat einen Fehler anderer zu ihren Gunsten rechtswidrig ausgenutzt hat. Es ist nicht zu erwarten, dass sich der Angeklagten so eine Möglichkeit zukünftig noch einmal bieten wird.
70Auch gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht. Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet die Vollstreckung der Freiheitsstrafe dann, wenn eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung im Hinblick auf die schwerwiegenden Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich erscheinen müsste und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen dadurch erschüttert werden könnte (vgl. BGH, Urteil v. 13.01.2015, 1 StR 454/14). Ein solcher Fall ist bereits deshalb nicht anzunehmen, da der ursprüngliche Fehler in einer fehlerhaften Mitteilung der OFD begründet liegt und die Angeklagte diesen Fehler rechtswidrig ausgenutzt hat. Dass sich dieser Fehler so lange Zeit niederschlagen kann beruht auch auf nicht ausreichenden Kontrollmechanismen innerhalb des LBV.
71VI.
72Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464 Abs. 1, Abs. 2, 465 Abs. 1 StPO.
73A
74Richter am Amtsgericht
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Referenzen
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- 2 C 15/10 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Ss 553/82 1x (nicht zugeordnet)
- 1 StR 454/14 1x (nicht zugeordnet)