Urteil vom Amtsgericht Köln - 647 Ls 182/16
Tenor
Der Angeklagte U. wird wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zu einer sexuellen Nötigung kostenpflichtig zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr mit Bewährung verurteilt.
Gegen den Angeklagten B. wird wegen sexueller Nötigung eine Jugendstrafe von 1 Jahr mit Bewährung verhängt.
Von der Auferlegung von Kosten und Auslagen wird bei dem Angeklagten B. abgesehen. Seine eigenen Auslagen trägt er selbst.
§§ 177 I, 22, 23, 27, 52 StGB (U.)
§§ 177 I StGB, 1, 105 JGG (B.)
1
Gründe:
2I.
3Der Angeklagte U. ist 26 Jahre alt und lebt in einer Unterkunft für Asylbewerber in L. Sein Lebensunterhalt wird durch Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz finanziert.
4Der Angeklagte hält sich nach eigenen Angaben seit September/Oktober 2014 in Deutschland auf. Er hat in E. einen Asylantrag gestellt und sich zunächst in E. aufgehalten. Von dort aus ist er in einer Unterkunft für Asylbewerber nach T. gewechselt und schließlich in die Unterkunft nach L. gekommen.
5Der Angeklagte ist 1989 in der Stadt D. in C. geboren und dort auch aufgewachsen Die Eltern des Angeklagten sind nach seinen Angaben beide 1992 gestorben. Danach hat er das Land verlassen. Er ist über Ceuta, einer spanischen Exklave an der Mittelmeerküste Afrikas im Nordwesten von Marokko, auf das spanische Festland gelangt und hat dort mehrere Jahre mit anderen Männern zusammengelebt und auch spanisch gelernt. In Spanien hat er nach eigenen Angaben keinen Asylantrag gestellt, weil er von Anfang an vorhatte, nach Deutschland weiter zu reisen. Seine Ehefrau oder Verlobte, die sich inzwischen ebenfalls in L. aufhält, hat er damals auf seiner Flucht nach Deutschland nicht mitgenommen, weil er ihr die Reise gesundheitlich nicht zugetraut hat.
6Der Angeklagte ist strafrechtlich bisher erst einmal in Erscheinung getreten. Am 19.5.2015 verurteilte ihn das Amtsgericht F. wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je zehn Euro. Es gab allerdings ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten wegen Beleidigung auf sexueller Grundlage. Die Staatsanwaltschaft G. hat dieses Ermittlungsverfahren am 7.6.2015 eingestellt und die Geschädigte auf den Privatklageweg verwiesen. Dem Angeklagten war damals von der vermeintlichen Geschädigten vorgeworfen worden, sie im Hausflur eines Hauses in G. gegen ihren Willen auf den Mund geküsst (Zungenkuss) zu haben.
7II.
8Der Angeklagte B. ist inzwischen 21 Jahre alt und lebt gemeinsam mit seinen Eltern und einem jüngeren Bruder in einer von der Stadt X. angemieteten Wohnung für Asylbewerber.
9Er ist im K. geboren und dort auch aufgewachsen. Der Vater arbeitete als selbstständiger Tischler, die Mutter war Hausfrau. Im Jahr 2014 explodierte vor der Wohnung seiner Familie eine Autobombe, wodurch das gesamte Haus abbrannte. Aus diesem Grund flüchtete die Familie in die Türkei. Dort hielt sich die Familie ca. ein Jahr auf. Im Herbst 2015 ist der Angeklagte dann mit seinen Eltern und einem Bruder über die Balkanroute nach Deutschland geflüchtet. Ein weiterer Bruder blieb in der Türkei zurück, da er Angst vor der gefährlichen Überfahrt von der Türkei nach Griechenland gehabt haben soll.
10Der Angeklagte ist im K. altersgemäß eingeschult worden. Nach sechs Jahren hat er die maximal 12 Jahre dauernde Schulform abgebrochen. Als Grund gab er damals an, dass es sich den Arm gebrochen hatte und aufgrund dieses Unfalls wochenlang zuhause geblieben war. Nach der Genesung habe er sich nicht mehr dazu motivieren können, die Schule wieder regelmäßig zu besuchen. Er hatte die Möglichkeit, bei seinem Vater als Tischler zu arbeiten. Nach ca. zwei Jahren nahm er eine Tätigkeit bei einer Reifenfirma auf, die er bis zu seiner Flucht aus dem K. ca. 18 Monate lang ausübte. In der Türkei war der Angeklagte über etwa ein Jahr als Pflasterer tätig.
11In Deutschland bekam er zunächst die Möglichkeit, unregelmäßig einen Deutschkurs bei der Volkshochschule in X. zu besuchen. Über den Integrations-Point der Arbeitsagentur besucht er seit Mitte Mai eine Fördermaßnahme bei der Stiftung „Bildung und Handwerk“ in T. In der 39 Stunden-Woche geht es nicht nur darum, die Sprache zu erlernen. Es werden verschiedene Berufsbereiche vorgestellt und ausprobiert und Maßnahmen zur sozialen Integration angeboten. So ging es hierbei unter anderem in den letzten Wochen auch um den Umgang zwischen Männern und Frauen in Deutschland. Der Angeklagte besucht den Integrationskurs gerne.
12Strafrechtlich ist der Angeklagte bisher in Deutschland nicht in Erscheinung getreten.
13III.
14Die Hauptverhandlung führte zu folgenden weiteren Feststellungen zur Sache:
15Der Zeuge V. (34 Jahre), seine Verlobte, die Zeugin Y. (27 Jahre) und die Freundin der beiden, die Zeugin Z. (20 Jahre) hatten schon im Sommer 2015 vereinbart, Silvester in Köln zu verbringen und zu feiern. Am 30.12.2015 kamen sie dazu nach Köln und übernachteten in einem Hotel in der Nähe von Neumarkt. Am Silvester verließen sie abends das Hotel und gingen gemeinsam vom Neumarkt über die Schildergasse und die Hohe Straße in Richtung Dom. Sie suchten dort zunächst die Kunstbar am Rande des Bahnhofs-vorplatzes auf. Kurz nach 23:00 Uhr verließen sie die Kunstbar, kauften im Bahnhofsgebäude bei REWE To Go noch etwas ein und gingen über die Marzellenstraße Richtung Tourismus-Information am Kardinal-Höffner-Platz und von dort aus südlich des Doms entlang zum Heinrich-Böll-Platz. Von dort aus verfolgten sie gemeinsam das Feuerwerk zum Jahreswechsel. Auf dem Weg dorthin wurde die Zeugin Y. bereits mehrfach am Gesäß angegrapscht, jedoch nach ihrer eigenen Einschätzung nicht mehr als bei solchen Veranstaltungen häufig üblich. Nach Abschluss des Feuerwerks gingen die Zeuginnen Y. und Z. und der Zeuge V. gemeinsam über den Roncalliplatz zurück.
16Als sie am Westportal des Doms angelangt waren wollte der Zeuge V. von den beiden Zeuginnen Y. und Z. mit dem Handy einige Fotos mit dem Dom im Hintergrund machen. Während er diese Fotos machte kam zunächst der Angeklagte U. hinzu und fragte den Zeugen V., ob er Fotos von ihm und den beiden Mädchen machen könne. Der Zeuge V. machte dann zumindest mit seinem Handy ein Foto der beiden Zeuginnen und des Angeklagten U., dass er später der Polizei übersandte. Das Foto befindet sich auf Bl. 8 der Akten.
17Danach erschien der weitere Angeklagte B. und wollte ebenfalls auf ein Foto mit den beiden Zeuginnen. Der Zeuge V. fertigte dann auch zwei Fotos von dem Angeklagten B. und den beiden Zeuginnen Y. und Z. Auch diese Fotos überließ er später der Polizei. Sie befinden sich auf Bl. 9 und 10 der Akten.
18Unmittelbar nach dem Fertigen der beiden Fotos traten etwa 15-20 weitere männliche Personen hinzu. Ob diese Personen bereits vorher mit einem oder beiden Angeklagten gemeinsam unterwegs waren, konnten die Zeugen nicht sagen. Sie haben jedoch übereinstimmend davon berichtet, dass sich diese südländisch aussehenden Personen in einer fremden Sprache unterhalten haben.
19Die Zeuginnen Y. und Z. wurden von den männlichen Personen getrennt und jeweils von mehreren Personen umringt. Auch der Zeuge V. wurde von seinen weiblichen Begleiterinnen abgedrängt. Einer der männlichen Personen trat von hinten an die Zeugin Y. heran und griff ihr über der Kleidung an das Gesäß. Eine andere Person drängte sich von vorne an die Zeugin Y. heran und fasste ihr über der Kleidung in den Schrittbereich. Dabei fielen die Worte „fucking“ und „sex“. Die Zeugin Y. äußerte laut und deutlich: No, no! Sie zeigte darüber hinaus auf ihren Verlobungsring.
20Die Zeugin Z., die ebenfalls eingekesselt war, wurde auch von mehreren Personen bedrängt. Eine männliche Person versuchte, ihre Handtasche zu öffnen und Wertgegenstände zu entwenden. Es gelang ihm jedoch nicht, den Taschen-verschluss zu öffnen. Der Angeklagte B. legte währenddessen einem Arm über die Schulter der Zeugin Z., zog ihren Kopf in seine Richtung und wollte die Zeugin küssen. Sie versuchte, den Kopf vom Angeklagten wegzudrehen, konnte sich jedoch nicht erfolgreich wehren. Der Angeklagte zog den Kopf der Zeugin Z. mit Gewalt zu sich, nahm die andere Hand und hielt den Kopf der Geschädigten am Kinn fest. Dabei gelang es ihm, die Zeugin Z. gegen ihren Willen auf den Mund zu küssen. Danach leckte er über ihr Gesicht. Die Zeugin, die Ekel empfand, versuchte sich aus der Situation zu befreien. Dies gelang ihr jedoch nicht, da der Angeklagte B. sie weiterhin festhielt. Erst durch massives Eingreifen der Zeugin Y. konnte die Zeugin Z. aus der Situation befreit werden.
21Der Zeuge V. wollte während des Vorfalls seinen beiden Begleiterinnen zur Hilfe eilen. Er wurde jedoch durch mehrere unbekannte Personen abgedrängt. Ihm war der Weg zu den beiden Mädchen versperrt. Während er vergeblich versuchte, zu den beiden Zeuginnen zu kommen, redete der Angeklagte U. auf den Zeugen V. ein und forderte ihn auf, ihnen die Mädchen zu überlassen und bot ihm 5000 € für die Zeuginnen an, wobei er äußerte: „Money, 3 Stunden Sex, Give the girls, give the girls oder tot!“ Dabei hatte er mitbekommen, dass sich mehrere südländisch aussehende Personen „wie Tiere“ auf die Zeuginnen gestürzt hatten. Der Zeuge V. hatte den Eindruck, dass der Angeklagte U. ihn durch die Bedrohung und das Anbieten von Geld ablenken wollte, um zu verhindern, dass er den beiden Zeuginnen hilft.
22In der Nacht vom 31.12.2015 auf den 1.1.2016 kam es über den geschiilderten Vorfall zum Nachteil der Geschädigten Y. und Z. sowie des Geschädigten V. hinaus im gesamten Bereich vor dem Kölner Hauptbahnhof zu einer Vielzahl von Übergriffen auf Geschädigte, die sich im Gedränge innerhalb der Menschenmenge befanden und denen - zum Teil unter sexueller übergriffigen Berührungen - Wertgegenstände, insbesondere Mobiltelefone und Geldbörsen entwendet wurden. Diese Straftaten wurden im Wesentlichen durch Gruppen junger Männer begangen, die sich entsprechend einer zumindest adhoc und konkludent gemeinsam getroffenen Abrede zu mehreren zusammen den jeweiligen Opfern näherten, um im Gedränge den jeweiligen Diebstahl bzw. sexuellen Übergriff zu begehen. Die Täter haben zur Ermöglichung der Straftaten eine Situation bisher nicht gekannten Ausmaßes geschaffen, die zur Begehung von zahlreichen Straftaten ausgenutzt wurden. Im Januar wurden nach und nach über 1000 Strafanzeigen wegen des Diebstahls von Handys und Geldbörsen sowie sexuellen Übergriffen im Zusammenhang mit den Vorfällen um die Jahreswende auf dem Bahnhofsvorplatz und am Kölner Dom erstattet.
23IV.
24Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung der beiden Angeklagten zur Person, den glaubhaften Bekundungen der Zeuginnen Y. und Z. sowie des Zeugen V., und den sonst, ausweislich des Protokolls, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismitteln.
25Die Zeuginnen Y. und Z. sowie der Zeuge V. haben übereinstimmend, detailliert und widerspruchsfrei den oben angegebenen Vorfall in nachvollziehbarer Weise geschildert. Sie haben in der Hauptverhandlung auch den Angeklagten U. als denjenigen wiedererkannt, der als erstes um ein Foto mit den beiden Zeuginnen Y. und Z. gebeten hat und sich später mit dem Zeugen V. beschäftigt hat. Den Angeklagten B. konnten die Zeugen in der Hauptverhandlung nicht mehr mit Sicherheit wieder erkennen. Sie haben jedoch übereinstimmend ausgesagt, dass die Person auf dem Lichtbild Bl. 9 der Akte sicher die Person war, die sich an die Geschädigte Z. „herangemacht“ und diese gegen ihren Willen zunächst geküsst und danach über ihr Gesicht geleckt hat. Der Angeklagte B. hat schon gegenüber der Polizei angegeben, dass er die Person auf dem Lichtbildblatt 9 der Akte ist. Bei dieser Einlassung ist er geblieben.
26V.
27Der Angeklagte B. hat sich durch sein Verhalten wegen einer sexuellen Nötigung gem. § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht. Er hat die Zeugin Z. mit Gewalt genötigt, es gegen ihren Willen zu dulden, dass der Angeklagte sie auf den Mund küsst und ihr über das Gesicht leckt. Der vom Angeklagten ausgeführte Kuss und das Lecken im Gesicht sind als sexuelle Handlung im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB anzusehen, insbesondere wiesen diese beiden Handlungen des Angeklagten die von § 184h Nr. 1 vorausgesetzte Erheblichkeit im Hinblick auf das durch den Verbrechenstatbestand des §§ 177 Abs. 1 StGB geschützte Rechtsgut auf. Bei der Beurteilung der Qualität einer Handlung sind die gesamten Begleitumstände des Tatgeschehens zu berücksichtigen; es muss eine sozial nicht mehr hinnehmbare Rechtsgutbeeinträchtigung zu besorgen sein (vergleiche BGH HRRS 2006 Nr. 250, Rn. 14 mit weiteren Nachweis). Der Angeklagte B. hat die Zeugin nur kurz auf den Mund geküsst und ihr keinen Zungenkuss gegeben. Allerdings hat er sie darüber hinaus noch im Gesicht geleckt. Der Angeklagte war nicht etwa der Freund der Zeugin, sondern ihr vor diesem Vorfall völlig unbekannt. Die Zeugin ihrerseits hat auch nicht etwa durch Flirten oder ähnliches den Eindruck erweckt, dass der Angeklagte hätte glauben können, ein Kuss seinerseits sei angebracht oder werde geduldet. Darüber hinaus müssen wohl die Umstände berücksichtigt werden, unter denen sich der Vorfall hier eignete. Zur Tatzeit hatte sich auf dem Bahnhofsvorplatz und dem angrenzenden Gelände um den Kölner Dom eine Vielzahl südländisch aussehender junger Männer versammelt, die offensichtlich spontan die Gelegenheit sah, im Schutz der zahlreichen Personen sexuell übergriffige Handlungen zum Nachteil der dort anwesenden weiblichen Personen auszuüben und ihnen teilweise dabei auch die Wertgegenstände abzunehmen.
28Ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung im Sinne des § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegt dagegen nicht vor. Dazu müsste die sexuelle Nötigung zum Nachteil der Geschädigten Z. von mehreren Tätern gemeinschaftlich begangen worden sein. Der Angeklagte B. hat hier zwar die Situation ausgenutzt, dass sich eine Vielzahl junger Männer auf dem Gelände zwischen Dom und Bahnhof befand. Es gibt jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er sich mit konkreten anderen Personen verabredet hätte, die Tat zum Nachteil der Geschädigten Z. gemeinschaftlich zu begehen.
29Das eventuell auch heftige Angrapschen der Zeugin Y. am Gesäß und im Schrittbereich, verbunden mit den Äußerungen „fucking“ und „sex“ wurde von unbekannt gebliebenen Personen ausgeführt. Insoweit bleibt jedoch auch offen, durch welches Nötigungsmittel die Duldung dieser Handlung erzwungen worden sein soll. Die bloße überraschende Vornahme einer sexualbezogenen Handlung allein kann nicht als Nötigung zur Duldung dieser Handlung angesehen werden (vergleiche BGH am angegebenen Ort).
30Der Angeklagte U. hat sich dadurch, dass er den Zeugen V. in der oben geschilderten Weise davon abgelenkt hat, seinen beiden Begleiterinnen, den beiden Zeuginnen Y.und Z. zur Hilfe zu eilen, der Beihilfe zur sexuellen Nötigung der Geschädigten Z. durch den AngeklagtenB. schuldig gemacht. Dabei war ihm offenbar bekannt, was dort zum Nachteil der Geschädigten passierte. Er hat gegenüber der Polizei angegeben, dass er gesehen hat, wie verschiedene Personen aus der Menschengruppe über die Geschädigten Y. und Z. „wie Tiere“ herfielen.
31Darüber hinaus hat sich der Angeklagte U. tateinheitlich dazu der versuchten Nötigung des Geschädigten V. dadurch schuldig gemacht, dass er den Geschädigten V. aufgefordert hat, ihm die Mädchen zur Ausübung sexueller Handlungen zur Verfügung zu stellen und ihm gleichzeitig für den Fall, dass er das nicht tut, mit dem Tod gedroht hat.
32Die angeklagte Tatbeteiligung der Angeklagten an der versuchten Wegnahme von Wertgegenständen aus der Handtasche der Geschädigten Z. durch eine unbekannt gebliebene männliche Person war nicht mit einer für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachzuweisen. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagten oder einer von ihnen mit dieser Person vor oder bei der versuchten Wegnahme irgendwelche Tatpläne in dieser Richtung gefasst hätte. Es ist nicht einmal bekannt, ob es überhaupt persönliche Kontakte zu dem unbekannt gebliebenen Täter der versuchten Wegnahme der Wertgegenstände gab.
33VI.
34Bei der Strafzumessung bezüglich des Angeklagten U. war zu seinen Gunsten zunächst zu berücksichtigen, dass er bisher nicht einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Zu seinen Gunsten wurde ebenfalls berücksichtigt, dass der Angeklagte sich zwar in der Hauptverhandlung nicht durchringen konnte, eine geständige Einlassung abzugeben, sein Verteidiger jedoch im Plädoyer davon berichtete, dass der Angeklagte sein Fehlverhalten einsieht und bereut. Es wurde ebenso berücksichtigt, dass der Angeklagte bei der sexuellen Nötigung des Angeklagten B. nicht der Täter war, sondern nur Beihilfe geleistet hat. Andererseits musste ebenfalls berücksichtigt werden, dass der Angeklagte U. die besondere Situation zur Tatzeit zwischen Dom und Hauptbahnhof, nämlich die Ansammlung einer Vielzahl von jungen südländischen männlichen Personen, zur Ausübung seiner Tat ausgenutzt hat. Ihm muss deutlich vor Augen geführt werden, dass auch Frauen in Deutschland strafrechtlich Schutz genießen und insbesondere sexuelle Übergriffe auf sie auch in vermeintlichen Ausnahmesituationen eine deutliche strafrechtliche Sanktion nach sich ziehen, wobei hier die sexuelle Nötigung durch den Angeklagten B. nach ihrer Art und Schwere sicher am unteren Ende des strafrechtlich relevanten Verhaltens anzusiedeln war. Bei dem Angeklagten U. war im Hinblick auf die Beihilfe von einem Strafrahmen von mindestens drei Monaten Freiheitsstrafe auszugehen (§ 27 II, 49 I, 177 I StGB). Unter Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände hielt das Gericht die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr für tat- und schuldangemessen.
35Der Angeklagte B.war zur Tatzeit 20 Jahre alt und damit Heranwachsender im Sinne des § 1 Abs. 2 JGG. Er stand nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleich (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG ). Der Angeklagte hat seine Schulausbildung frühzeitig abgebrochen und keine berufliche Ausbildung abgeschlossen. Er lebt noch im Haushalt der Eltern und scheint auf deren Unterstützung auch noch angewiesen zu sein. Wegen der Flucht aus dem K. zunächst in die Türkei und dann nach Deutschland musste er sich mehrfach an ein deutlich verändertes Lebensumfeld gewöhnen und sich neue sprachliche Kenntnisse aneignen. In Übereinstimmung mit dem Vorschlag der Jugendgerichtshilfe sind bei ihm deutliche Entwicklungsverzögerungen anzunehmen. Damit finden die Regelungen des Jugendstrafrechts Anwendung.
36Bei dem Angeklagten B. liegen schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG in einem Umfang vor, dass die Verhängung einer Jugendstrafe unerlässlich ist. Er ist zwar bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, hat jedoch eine Sexualstraftat begangen, die zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung bei der Geschädigten geführt hat. Er hat die ihm völlig unbekannte Geschädigte ohne jeglichen ersichtlichen Grund dazu genötigt, sich von ihm küssen und im Gesicht lecken zu lassen. Dieses Verhalten zeigt ein Frauenbild des Angeklagten, das dringend durch deutliche Maßnahmen korrigiert werden muss.
37Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt das Gericht zur erzieherischen Einwirkung auf ihn die Verhängung einer Jugendstrafe von einem Jahr für erforderlich und ausreichend sowie tat-und schuldangemessen.
38Die Vollstreckung der Jugendstrafe bei dem Angeklagten B, aber auch die Vollstreckung der Freiheitsstrafe bei dem Angeklagten U. konnte jeweils zur Bewährung ausgesetzt werden. Es kann erwartet werden, dass die Angeklagten sich diese Verurteilung und die drohende Vollstreckung der Freiheitsstrafe bzw. Jugendstrafe als Warnung dienen lassen und mit Unterstützung der Bewährungshilfe keine weiteren Straftaten mehr begehen werden. Beide Angeklagte werden erstmals zu einer Jugendstrafe bzw. zu einer Freiheitsstrafe verurteilt Der Angeklagte U. erschien durch die Vollstreckung der Untersuchungshaft beeindruckt zu sein. Bei dem Angeklagten B. scheint schon eine erzieherische Einwirkung durch die Familie erfolgt zu sein.
39Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO, 74, 109 Abs. 2 JGG.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- StGB § 27 Beihilfe 1x
- StGB § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung 6x
- JGG § 1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich 1x
- JGG § 17 Form und Voraussetzungen 1x
- JGG § 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende 1x
- JGG § 74 Kosten und Auslagen 1x
- JGG § 109 Verfahren 1x
- §§ 465 StPO, 74, 109 Abs. 2 JGG 1x (nicht zugeordnet)