Beschluss vom Amtsgericht Köln - 74 IN 196/18
Tenor
Zu dem vorab eingereichten Antragsentwurf,
die Schuldnerin zu ermächtigen, hinsichtlich der Ansprüche
a) der D.bank AG,
b) der Volksbank P. eG sowie der
c) V. Bank AG,
jeweils einzeln und alle gemeinsam als Gesellschaft bürgerlichen Rechts,
auf Auskehr des diesen Banken zustehenden Erlöses aus der Verwertung der gegenwärtig oder zukünftig
i) in den Raum-Sicherungsübereignungsvertrag zwischen der D.bank AG und der Antragstellerin vom 13. Dezember 2013,
ii) den Globalzessionsvertrag zwischen der D.bank AG und der Antragstellerin vom 6. Januar 2014 oder in
iii) den Factoringvertrag zwischen der E. GmbH und der Antragstellerin in der Form des letzten Nachtrages vom 17. März 2014 und der Prolongationsvereinbarung vom 26. März 2018,
einbezogenen Gegenstände Masseverbindlichkeiten zu begründen,
wird auf Folgendes hingewiesen:
Hinweisbeschluss:
1Soweit in der Begründung zum Antragsentwurf ausgeführt wird, dass mit der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin den Banken ein Verwertungsrecht an den Sicherheiten zustehe, ist dies nur dann der Fall, wenn die bestehenden Kredite gekündigt und die Einziehungsermächtigungen für sicherungszedierte Forderungen widerrufen wurden, da die bloße Insolvenzantragstellung nicht automatisch zum Erlöschen der der Schuldnerin erteilten Einziehungsermächtigung führt (BGH, Urt. v. 06.04.2000 - IX ZR 422/98). Um nähere Darlegung dieser Voraussetzungen wird gebeten.
2Wenn angeregt wird, die Schuldnerin zu ermächtigen, hinsichtlich der Ansprüche der Banken auf Auskehr des diesen zustehenden Erlöses aus der Verwertung der gegenwärtig oder zukünftig in den Raum-Sicherungsübereignungsvertrag, den Globalzessionsvertrag und den Factoringvertrag einbezogenen Gegenstände Masseverbindlichkeiten zu begründen, kann eine solche Ermächtigung mit diesem Wortlaut nicht erlassen werden, da unklar ist, was tatsächlich gewollt ist:
3Die Verwertung im Insolvenzverfahren bedeutet eine Verwertung der Insolvenzmasse nach § 159 InsO. Diese hat durch die eigenverwaltende Schuldnerin nach den Regelungen der Insolvenzordnung zu erfolgen. In diesem Zusammenhang aber können zum einen bereits bestehende Ansprüche der Gläubiger nicht nachträglich zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet werden, da eine rückwirkende Anordnung der Entstehung von Masseverbindlichkeiten nicht möglich ist (vgl. HambKomm-Schröder, § 22 InsO, Rn. 95). Insbesondere vor Insolvenzantragstellung anfechtungsfest erworbene Sicherheiten begründen ein Absonderungsrecht und können schon infolgedessen nicht zu Masseverbindlichkeiten umdeklariert werden. Zum anderen dürfen (künftig) der Anfechtbarkeit gemäß §§ 129, 130 Abs. 1 InsO unterliegende sicherungszedierte Forderungen, die der Masse zustehen, nicht zugunsten der Sicherungsgläubiger zu Masseverbindlichkeiten erklärt werden (zur Anfechtung im Rahmen einer Globalzession sicherungszedierter zukünftiger Forderungen vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2007 - IX ZR 30/07).
4Soweit sich aus der Begründung ergibt, dass „der Erlösauskehranspruch der Banken hinsichtlich des Verwertungserlöses in den Rang einer Masseverbindlichkeit gestellt werden soll“ und dieser Erlösauskehranspruch nicht aus der Verwertung im Sinne der Insolvenzordnung, sondern aus der Weiterverwendung der sicherungsübereigneten Gegenstände und sicherungsabgetretenen Forderungen im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs der Schuldnerin entstehen soll, ist auch dieses rechtlich nicht möglich, da nur Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber den Banken in den Rang sonstiger Masseverbindlichkeiten gestellt werden können, nicht aber ein Anspruch der Schuldnerin gegenüber Drittschuldnern. Dieser könnte zwar an die Banken abgetreten werden; eine solche Abtretung im Eröffnungsverfahren aber wäre voraussichtlich wiederum unmittelbar anfechtbar. Anderes würde ggf. mangels einer Gläubigerbenachteiligung gelten, wenn sie eine Masseverbindlichkeit besicherte. Einen Ausschluss der Anfechtung anfechtbarer Rechtshandlungen aber kann das Insolvenzgericht nicht verfügen.
5Die Begründung von Masseverbindlichkeiten kann sich daher nur auf eine Vereinbarung der Schuldnerin mit den beteiligten Banken über eine neue Darlehensschuld beziehen, die ihrerseits durch eine neue Sicherungsvereinbarung besichert werden kann (zum Sicherheitentausch vgl. dagegen BGH, Urt. v. 02.02.2017 – IX ZR 245/14). Die zu Masseverbindlichkeiten zu erklärenden, neu zu begründenden Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber den Banken müssten danach aus einem jener – unter Abkürzung der Zahlungswege - zur Verfügung gestellten (neuen) Kredit stammen, welcher der Summe entspricht, um den die Altverbindlichkeiten der Banken durch die diesen zustehenden vorinsolvenzlich anfechtungsfest begründeten Absonderungsrechte zurückgeführt werden/worden wären. Es steht den Banken natürlich frei, der Schuldnerin auch darüber hinaus weitere Darlehen im Rahmen eines Massekredits zur Verfügung zu stellen.
6Da die mit den Banken abgeschlossene Vereinbarung über die als Kredit gewährte Freigabe von Sicherheiten noch nicht vorliegt, wird darauf aufmerksam gemacht, dass diese und damit auch die darauf zu beziehende Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten einen Höchstbetrag enthalten muss, der nicht nur gedeckelt ist durch die Summe der ursprünglichen Kreditverträge, sondern insbesondere die Höhe der Realisierungsquote der um Drittrechte bereinigten und anfechtungsfest eingeräumten Sicherheiten nicht überschreiten darf: Forderungen, die der Anfechtbarkeit nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 (und ggf. Nr. 1) InsO unterliegen, stehen der Masse zu. Eine Kreditierung von Erlösansprüchen aus anfechtbar eingeräumten Sicherheiten im Eröffnungsverfahren und eine darauf gründende Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten würde dagegen zu einer Beseitigung von Anfechtungsrechten führen und den Banken zu neuen anfechtungsfesten Sicherheiten verhelfen (vgl. Madaus/Knauth, ZIP 2018, S. 149 ff.), was der gebotenen Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren widerspricht. Die anfechtungsfesten Forderungen der beteiligten Banken sind daher bereits jetzt bestimmbar zu identifizieren, um den Höchstbetrag der zu gestattenden Begründung von Masseverbindlichkeiten im Rahmen der zugunsten der im § 270a-Verfahren eigenverwaltenden Schuldnerin zu erlassenden Einzelermächtigung festlegen zu können. Neben der bereits vorliegenden Liquiditätsplanung ist zudem die Vereinbarung mit den Banken einzureichen. Da die Anfechtung gemäß § 280 InsO dem Sachwalter obliegt, wird eine Unterstellung der etwaigen Begründung von Masseverbindlichkeiten unter den Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Sachwalters nach § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO geprüft (vgl. AG Köln, Beschl. v. 26.03.2012 - 73 IN 125/12).
7Köln, 12.10.2018
8Amtsgericht
9Richterin am Amtsgericht
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Referenzen
- InsO § 22 Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters 1x
- 73 IN 125/12 1x (nicht zugeordnet)
- IX ZR 422/98 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 130 Kongruente Deckung 1x
- InsO § 159 Verwertung der Insolvenzmasse 1x
- IX ZR 245/14 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 280 Haftung. Insolvenzanfechtung 1x
- IX ZR 30/07 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 275 Mitwirkung des Sachwalters 1x
- InsO § 129 Grundsatz 1x