Urteil vom Amtsgericht Landstuhl - 2 OWi 4286 Js 981/16

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Tenor

1. Die Betroffene wird wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des erforderlichen Abstands zu einer Geldbuße von 195 EUR verurteilt.

2. Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften:

A.V.: §§ 4 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG, 12.7.2 BKat

Gründe

I.

1

Die Betroffene ist in der Versicherungsbranche selbständig tätig und verheiratet. Weitere Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen wurden nicht gemacht.

2

Verkehrsrechtlich ist die Betroffene bislang wie folgt in Erscheinung getreten, sofern die Voreintragungen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch verwertbar waren:

3

- Am 29.07.2014 überschritt die Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 38 km/h (Bußgeldbehörde Kreis Helmstedt, Entscheidung vom 10.09.2014, Rechtskraft 04.11.2014, Geldbuße 130 EUR, 1 Monat Fahrverbot).

4

- Am 23.06.2015 verstieß die Betroffene gegen § 23 Abs. 1a StVO (Bußgeldbehörde Stadt Bielefeld, Entscheidung vom 07.07.2015, Rechtskraft 25.07.2015, Geldbuße 80 EUR).

II.

5

Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat sich folgender Sachverhalt feststellen lassen:

6

Die Betroffene befuhr am 08.10.2015 um 10:25 Uhr mit einem PKW der Marke Audi, amtl. Kennzeichen …, die BAB6 zwischen Miesau und Waldmohr in Fahrtrichtung Saarbrücken und hielt in der Gemarkung Bruchmühlbach, bei km 645,7, den erforderlichen Abstand zum Vorausfahrenden nicht ein.

7

Der zeitliche Abstand an der Messlinie bei 100m zwischen den Fahrzeugen betrug 0,64 Sekunden: der Vorausfahrer war bei Zeitindex 33,93 Sekunden an der Messlinie, die Betroffene bei 34,55 Sekunden. Hinzu kommen die Toleranz von 0,0106 Sekunden und die Aufrundung auf die nächste Hundertstelsekunde. Bei einer gemessenen Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 181 km/h zwischen Beginn und Ende der Messstrecke von 50,5m (inklusive der Messlinienbreite) betrug der gemessene Abstand zum Vorausfahrenden am Ende 32,18m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowerts. ((181: 3,6) m/Sekunde x 0,64 Sekunden = 32,18m)

8

Gemessen wurde mit dem Brückenabstandsmesssystem mit dem Charaktergenerator und Timer JVC/Piller, Typ CG-P50-E, der bis zum 31.12.2015 gültig geeicht war. Das Messgerät wurde vom diesbezüglich geschulten Messbeamten POK … ordnungsgemäß aufgebaut und bedient.

9

Die Messung mit diesem Gerätetyp wird bisweilen auch als VAMA-Messverfahren (Video-Abstands-Messverfahren) bezeichnet, wobei es nur auf den genannten Generator ankommt. Die notwendigen Toleranzen wurden abgezogen, u.a. berücksichtigt die Stoppuhr des Timers eine Toleranz von 0,1%, sodass der gemessenen Zeit 0,0106 Sekunden hinzugefügt werden. Bei der Wegstrecke, die der Messung zugrunde lag, wurden nicht 50m, sondern 50,5m (+1%) zugunsten des Betroffenen in die Berechnung eingestellt. Bei der Messung bleiben Fahrzeugüberhänge unberücksichtigt. Zugunsten der Betroffenen wurde die ermittelte Geschwindigkeit auf die nächste ganze Zahl abgerundet (181,64 km/h auf 181 km/h).

10

Es handelt sich bei diesem Abstandsmesssystem um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren (vgl. zuletzt OLG Bamberg. NJW 2015, 1320).

III.

11

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der durchgeführten Beweisaufnahme.

12

Die Betroffene hat die Fahrereigenschaft eingeräumt. Die Videoprints Bl. 10 d.A. wurden in Augenschein genommen und verlesen, um die Übereinstimmung der Zeitwerte mit den ausgewerteten Daten zu verifizieren. Der Videofilm Nr. 25/15 wurde in Augenschein genommen. Das Messprotokoll Bl. 5 d.A. und das Auswerteprotokoll Bl. 8-11 d.A. wurden verlesen, darunter u.a. die Berechnungsformeln, die unter II. erläutert wurden. Der FAER-Auszug wurde verlesen. Der Zeuge POK … wurde einvernommen, erläuterte das Messverfahren und den Aufbau des Geräts. Insbesondere erläuterte er die Funktion der verschiedenen Kameras und die anlassbezogene Auslösung des Aufzeichnungsvorgangs mit der Identifikationskamera.

13

Nach der Inaugenscheinnahme des Videofilms war für das Gericht auch auszuschließen, dass es sich hier nur um ein kurzfristiges Unterschreiten des Sicherheitsabstands handelte. Zudem ergab sich aus der als Anlage 1 zu Protokoll genommenen Messwertübersicht, die verlesen wurde, dass der Abstand der Betroffenen zum Vorausfahrenden zwischen der Beobachtungslinie bei 400m mit 32,97m und der Messlinie bei 100m mit 31,95m vor Toleranzabzug nahezu gleich blieb. Ein Dazwischentreten dritter Fahrzeuge war nicht zu beobachten.

IV.

14

Die Betroffene hat sich demnach wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des erforderlichen Abstands zu verantworten, §§ 4 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG. Sie hielt bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von etwa 181 km/h einen Abstand von weniger als 4/10 des halben Tachowerts ein. Eine besondere Länge der Messstrecke ist nicht erforderlich (OLG Hamm, zfs 2015, 711).

15

Die Abstandsmessung mit dem genannten Generator- und Timertyp ist als standardisiertes Messverfahren anerkannt. Höhere Toleranzabzüge sind weder tatsächlich noch rechtlich erforderlich (vgl. AG Lüdinghausen, NZV 2008, 109).

16

Positive Feststellungen zur subjektiven Tatseite konnten nicht erhoben werden. Ein besonders kleiner Abstand oder gar eine Gefährdungssituation als Indizien konnten nicht herangezogen werden, um daraus eine vorsätzliche Begehungsweise des Betroffenen zu schlussfolgern. Es bestanden aber auch keine Hinweise darauf, dass die Betroffene den deutlichen Abstandsverstoß nicht hätte bemerken und verhindern können, sodass ihr wenigstens einfache Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist.

17

Im Gegensatz zur Rechtsansicht der Betroffenen liegt auch kein Beweisverwertungsverbot vor. Die anlassbezogene Brückenabstandsmessung ist durch das BVerfG legitimiert worden (BVerfG NJW 2009, 3293; NJW 2011, 2783). Wenn hier zusätzlich gerügt wird, dass die durchlaufende Übersichtskamera rechtswidrig sei, dann ist dies nicht zutreffend. Zum einen ist durch die obergerichtliche Rechtsprechung diese Problematik hinreichend und längst entschieden (OLG Rostock, VRS 118, 359) und ebenfalls durch das BVerfG legitimiert (DAR 2010, 574). Zum anderen ist auf dem in Augenschein genommenen Bildmaterial klar ersichtlich, dass weder Kennzeichen noch Identitätsdetails erkennbar sind. Ob bei Extrahierung und Vergrößerung des Datenrohmaterials vor dem (automatischen) Transport in den Bildmischer vielleicht doch erkennbare Details zu Tage treten würden, ist eine rein hypothetische Fragestellung, denn der Messbeamte, der auch die Auswertung der Verstöße vornimmt, hat keinerlei Zugriff auf diese potentiellen Rohdaten, sondern sieht nur den Ausschnitt, den auch das Gericht zur Prüfung des Verstoßes zur Verfügung hat.

V.

18

Die Höhe des Bußgelds richtet sich indiziell nach lfd. Nr. 12.7.2 der Anlage zur BKatV und ist mit 180 EUR auch angemessen. Die auch für Gerichte als Zumessungsrichtlinie maßgebliche BKatV samt Anlage (Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 2. Auflage, 2010, Kap. C, §1, Rn. 12) hat mit der genannten Höhe des Bußgeldes einen dem Verstoß entsprechenden Regelahmen gesetzt, den das Gericht nach Abwägung der den Fall betreffenden Umstände hier nicht abändern muss.

19

Der Regelsatz war angesichts der zwei Voreintragungen maßvoll zu erhöhen. Durch die beiden Voreintragungen hat die Betroffene gezeigt, dass sie die verkehrsrechtlichen Gebote nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit verfolgt, was sich auch vorliegend manifestiert hat, zumal sie auch hier mit erheblicher (wenngleich erlaubter) Geschwindigkeit unterwegs war.

20

Bei Bußgeldern in dieser Höhe besteht keine Verpflichtung zur Aufklärung der Einkommensverhältnisse, § 17 Abs. 3 OWiG.

VI.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 465 StPO.

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