Beschluss vom Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein - 3f IN 27/14


Tenor

1. Es wird angeordnet, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet, soweit er zum Zwecke der Vorfinanzierung des Insolvenzgelds seiner Arbeitnehmer für den Monat April 2014 gegenüber der H. AG […] Verbindlichkeiten in Höhe von bis zu 260.000,00 € begründet. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

2. Die Anordnung tritt mit Ablauf des 24.04.2014 außer Kraft.

Gründe

I.

1

Der Schuldner hat am 24.01.2014 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden mit einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung gemäß § 270b InsO gestellt und eine Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 S. 3 InsO vorgelegt.

2

Das Insolvenzgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 24.01.2014 zugelassen und unter anderem einen Sachverständigen bestellt. Mit einem weiteren Beschluss vom selben Tage, der dem Schuldnervertreter am 24.01.2014 zugestellt worden ist, hat das Insolvenzgericht gestützt auf § 270b Abs. 1 InsO die vorläufige Eigenverwaltung angeordnet, eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes binnen 3 Monaten gesetzt und den vorläufigen Sachwalter eingesetzt.

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Der Schuldner beantragt,

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1. ihn zu ermächtigen, Verbindlichkeiten zum Zwecke der Vorfinanzierung des Insolvenzgelds der Arbeitnehmer des Schuldners für den Monat April 2014 über die H. AG in Höhe von bis zu 260.000,00 € zu begründen.

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2. ihn zu ermächtigen, Masseverbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie Miet- und Pachtverhältnissen gemäß der als Anlage 1 beigefügten Liste in Höhe von bis zu 313.740,00 € zu begründen.

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In Anlage 1 seines Antrages (Bl. 283 d.A.) hat der Schuldner die Namen von Kreditoren, einen konkreten Betrag und einen Kurztext für die jeweilige Leistung angegeben.

7

Der Schuldner hat dargelegt, dass eine Vorlage des Insolvenzplans voraussichtlich nicht innerhalb der gesetzten Frist erfolgen kann und eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum 01.05.2014 angestrebt wird. Im Übrigen kann hinsichtlich der Begründung des Antrages vollumfänglich auf den Schriftsatz des Schuldnervertreters vom 07.04.2014 verwiesen werden.

II.

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Die Entscheidung beruht auf § 270b Abs. 3 InsO. Dem Antrag zu 1) war vollumfänglich zu entsprechen, der Antrag zu 2) muss jedoch zurückgewiesen werden.

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1. Der Antrag zu 1) ist begründet. Im Hinblick auf die gesetzliche Regelung ist er jedoch durch das Gericht umformuliert worden, ohne dass dies zu einer sachlichen Änderung führt.

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Auf die vorgebrachte Begründung des Antrages kommt es nicht an. Das Gericht hat nach dem Willen des Gesetzgebers die begehrte Anordnung, ohne Einzelprüfung anzuordnen (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/7511, S. 37; LG Dresden, ZInsO 2013, 1962; AG München, ZIP 2012, 1470; Ringstmeier, in: FA-Kommentar-Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2014, § 270b, Rn. 30; Buchalik, in: PK-HWF, Stand: 14.10.2013, § 270b, Rn. 15; Weissinger, NZI 2013, 342, 344; Dahl, NJW-Spezial 2013, 405, 406; Geißler, ZInsO 2013, 531, 535; Oppermann/Smid, ZInsO 2012, 862, 863; Frind, ZInsO 2011, 2249, 2261).

11

Die Voraussetzungen, die die Rechtsprechung im Rahmen der Einzelermächtigung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters entwickelt hat, sind auf die Anordnung einer Globalermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO nicht anwendbar (a.A. Fiebig, in: Hamburger Kommentar zur InsO, 3. Aufl. 2012, § 270b, Rn. 26). Schon der Wortlaut der gesetzlichen Regelung („hat … anzuordnen“) ist eindeutig. Der Gesetzgeber hat diese Formulierung in Kenntnis der gefestigten Rechtsprechung zur Einzelermächtigung gewählt, so dass von einer bewussten Entscheidung ausgegangen werden muss. Diese ist auch sachlich zumindest nachvollziehbar, weil die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners im Verfahren nach § 270b InsO regelmäßig noch nicht eingetreten ist.

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Die Ermächtigung kann auch - wie beantragt - auf die Begründung einzelner Masseverbindlichkeiten reduziert werden. Denn wenn § 270b Abs. 3 InsO die Möglichkeit zur Ermächtigung von Masseverbindlichkeiten in unbeschränktem Umfang erlaubt, muss erst recht eine beschränkte Ermächtigung möglich sein (LG Dresden, ZInsO 2013, 1962, 1964; AG Köln, NZI 2012, 375; Schmerbach, in: FK-InsO, 7. Aufl. 2013, § 22, Rn. 95a; Ringstmeier, a.a.O.). Eine solche Einzelermächtigung unterliegt ebenfalls keiner materiellen Prüfung durch das Gericht, da es sich lediglich um ein Minus der Globalermächtigung des § 270b Abs. 3 InsO handelt (LG Dresden, a.a.O.).

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Die begehrte Ermächtigung ist auch hinreichend bestimmt. Bei einer Einzelermächtigung auf Grundlage des § 270b Abs. 3 InsO erfolgt zwar keine sachliche Prüfung, ob die neu zu begründenden Verbindlichkeiten erfüllt werden können, die begehrte Ermächtigung muss aber dennoch den allgemeinen formellen Anforderungen an eine Einzelermächtigung genügen. Dies gebieten der Schutz der Vertragspartner und das Erfordernis der Rechtsklarheit. Folglich muss sich die Ermächtigung auf einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen beziehen (vgl. BGH, ZInsO 2002, 819, 823). Die im Antrag zu 1) genannte Gläubigerin ist individualisierbar und die Verbindlichkeit eindeutig bezeichnet.

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2. Dem Antrag zu 2) kann demgegenüber nicht entsprochen werden, weil sich der Antrag nicht auf hinreichend genau festgelegte Verpflichtungen bezieht. Der Schuldner ist insoweit auf die Möglichkeit einer erneuten Antragstellung zu verweisen.

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Zwar ist eine sog. Bündelermächtigung als Verweis auf eine beigefügte Liste möglich, gleichwohl müssen aber auch hier die einzelnen Gläubiger exakt benannt und die Art der Verbindlichkeit konkret dargelegt werden (Laroche, NZI 2010, 965, 968 m.w.N.). Ebenso wie bei der Einzelermächtigung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters besteht auch bei der Einzelermächtigung des Schuldners im Schutzschirmverfahren ein Bedürfnis des Rechtsverkehrs an einer klaren Bestimmbarkeit der Masseverbindlichkeiten, da sonst im Nachhinein ein Streit über die Abgrenzung zwischen Masseansprüchen und Tabellenforderungen vorprogrammiert ist (exemplarisch: LG Dresden, a.a.O.). Insoweit wird im Rahmen der Betriebsfortführung auch nichts Unmögliches vom eigenverwaltenden Schuldner verlangt, weil er jederzeit eine Globalermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO beantragen kann.

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Den vorgenannten Grundsätzen genügt die eingereichte Liste nicht. Es fehlt bereits an einer hinreichenden Individualisierung der Gläubiger, da zwar deren Namen, nicht jedoch deren Anschriften angegeben worden sind. Auch kann die Identität nicht auf anderem Weg ermittelt werden. Darüber hinaus sind einzelne Leistungen nicht ausreichend konkret bezeichnet worden. So fehlt bspw. bei der Bezeichnung „Leasing KFZ“ eine eindeutige Benennung des Leasinggegenstandes, oder bei der Bezeichnung „Strom/Gas/Wasser“ die genaue Bezeichnung der Verbrauchsstelle.

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3. Die getroffene Anordnung tritt spätestens mit Ablauf des 24.04.2014 außer Kraft. Denn es handelt sich um eine Anordnung, die unter den besonderen Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens gemäß § 270b Abs. 3 InsO erlassen worden ist. Sie muss daher mit dem Schluss des Schutzschirmverfahrens ebenfalls ihr Ende finden (vgl. Ringstmeier, in: FA-Kommentar-Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2014, § 270b, Rn. 39 f.).

18

Das Schutzschirmverfahren endet mit dem Ablauf der Vorlagefrist für den Insolvenzplan, ohne dass es einer gerichtlichen Aufhebungsentscheidung bedürfte. Dies ergibt sich schon aus der sprachlichen Formulierung des § 270b Abs. 4 S. 1 InsO, der eine Aufhebung der (Schutzschirm-)Anordnung nur vor Ablauf der Frist vorsieht und in § 270b Abs. 4 S. 3 InsO die Aufhebung der Anordnung und den Ablauf der Frist gleichberechtigt nebeneinander stellt.

19

Zwar ist es im vorliegenden Fall durchaus wahrscheinlich, dass nach Wegfall des Schutzschirmverfahrens das Verfahren als Eigenverwaltungsvorverfahren nach § 270a InsO fortgeführt wird, da § 270a InsO auch eine Auffangfunktion zukommt (Foltis, in: FK-InsO, 7. Aufl. 2013, § 270a, Rn. 8) und eine Entscheidung über die Eröffnung voraussichtlich erst zum 1.5.2014 getroffen werden kann, im Eigenverwaltungsvorverfahren nach § 270a InsO steht die Rechtsgrundlage für die hier in Frage stehenden Anordnungen in § 270b Abs. 3 InsO aber nicht mehr zur Verfügung. Will der eigenverwaltende Schuldner mithin nach Ablauf der Frist zur Vorlage des Insolvenzplans und vor der Eröffnungsentscheidung noch Masseverbindlichkeiten begründen, muss er diese unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur Erteilung von Einzelermächtigungen im (normalen) Eröffnungsverfahren neu beantragen (vgl. LG Duisburg, ZInsO 2012, 2346; AG Köln, ZInsO 2012, 790; a.A. u.a. AG Fulda, ZIP 2012, 1471; AG Hamburg, NZI 2012, 566). Dies bedeutet, dass im Gegensatz zu § 270b Abs. 3 InsO eine Ermächtigung nur für bestimmte, abgrenzbare Arten von Maßnahmen erteilt werden kann und eine materielle Prüfung durch das Gericht erfolgt, ob die neu zu begründenden Verbindlichkeiten erfüllt werden können (vgl. Buchalik, in: PK-HWF, Stand: 14.10.2013, § 270a InsO, Rn. 12).

20

Nachdem dem Schuldner im Beschluss vom 24.01.2014 eine Frist zur Vorlage des Insolvenzplans innerhalb von drei Monaten ab Zugang des Beschlusses gesetzt worden ist, und der Beschluss dem Schuldnervertreter ausweislich des zurückgesandten Empfangsbekenntnisses (Bl. 123 d.A.) auch am 24.01.2014 zuging, endet die Frist mit Ablauf des 24.04.2014. Soweit der Schuldnervertreter später ein weiteres Empfangsbekenntnis bei Gericht eingereicht hat, das einen Erhalt am 30.01.2014 bestätigt, kommt es darauf nicht an. Denn das Empfangsbekenntnis ist erteilt, wenn es mit Datum versehen und unterzeichnet der Geschäftsstelle des Gerichts zugeleitet und dort zugegangen ist (Stöber, in: Zöller-ZPO, 30. Aufl. 2014, § 174, Rn. 19).

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