Beschluss vom Amtsgericht Saarbrücken - 40 F 140/02 WH

Tenor

1. Unter Abweisung der Anträge der Beteiligten im Übrigen wird für die Dauer ihres Getrenntlebens

a) der Antragstellerin das Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss das bisherige Elternschlafzimmer, das Kinderzimmer und die Küche,

b) dem Antragsgegner das zweite Obergeschoss und im ersten Obergeschoss das kleinste Zimmer des in der gelegenen ehelichen Hauses jeweils zur alleinigen Benutzung zugewiesen.

2. Jeder Beteiligte hat die dem anderen Beteiligten zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Räume zu räumen und an diesen herauszugeben.

3. Die Verfahrenskosten fallen den Beteiligten jeweils zur Hälfte zur Last.

4. Geschäftswert: 2.100 EUR.

Gründe

I. Die Beteiligten sind Ehegatten. Sie leben seit September 2001 mit ihrer gemeinsamen Tochter , innerhalb des ihnen beiden gemeinsam gehörenden ehelichen Hauses voneinander getrennt. Sie haben dabei die Benutzung des Hauses in der aus dem Tenor zu 1) ersichtlichen Weise geregelt, wobei das Kinderzimmer alleine und die Ehegatten lediglich das Bad/WC und den dahin führenden Flur sowie das Treppenhaus und die Kellerräume gemeinsam benutzen.

Die Antragstellerin beantragt,

ihr das eheliche Haus für die Dauer des Getrenntlebens der Parteien zur alleinigen Benutzung zuzuweisen.

Der Antragsgegner trägt auf

Abweisung dieses Antrags,

hilfsweise für den Fall des Erkennens auf den Antrag der Antragstellerin darauf an,

dieser die Zahlung einer Nutzungsentschädigung von 350 EUR an ihn aufzugeben.

Das Gericht hat die Beteiligten, das Kind und das Jugendamt mündlich angehört. Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass der gesamte Akteninhalt des zwischen den Parteien ebenfalls vor dem erkennenden Richter geführten Parallelverfahrens im hiesigen Verfahren verwertet wird. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser und hiesiger Akte Bezug genommen.

II. Die wechselseitig gestellten Anträge haben jeweils nur teilweise Erfolg.

1. Die Wohnung ist für die Dauer des Getrenntlebens der Ehegatten zwischen ihnen aufzuteilen:

Eine alleinige Zuweisung an den Ehemann ist nicht begehrt. An die Ehefrau kommt sie nicht in Betracht, da das Gericht dies nach Abwägung der Umstände des vorliegenden Falles für unverhältnismäßig (zu diesem Kriterium siehe Schwab/Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl. Kap. VIII Rn. 92 m.w.N.) hält. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die insoweit maßgebliche Eingriffsschwelle durch die Änderung der Vorschrift des § 1361b BGB durch das Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung vom 17.12.2001 (BGBl. I Nr. 67) herabgesetzt wurde und eine Zuweisung der Ehewohnung nunmehr keine "schwere", sondern nur noch eine "unbillige" Härte voraussetzt, § 1361b Abs. 1 Satz 1 BGB, und dass eine unbillige Härte auch dann gegeben sein kann, wenn das Wohl im Haushalt lebender Kinder beeinträchtigt sein ist (§ 1361b Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.).

a) Der Gesetzgeber beabsichtigte mit dem Begriffswechsel indes vordringlich, durch Herabsetzung der Eingriffsschwelle zugunsten des misshandelten Ehegatten und/oder der in Hausgemeinschaft lebenden Kinder ein rasches Einschreiten des Familiengerichts zu ermöglichen (Palandt/Brudermüller, BGB, Ergänzungsband zur 61. Aufl., BGB § 1361b Rn. 8). Der Wechsel hin zur unbilligen Härte soll die zur Effektuierung des Schutzes vor häuslicher Gewalt modifizierte Zielrichtung des Gesetzes verdeutlichen und zu diesem Zweck die Schwelle für die Anwendung der Norm gegenüber der "strengen" Rechtsprechung absenken (BT-Drucks. 14/5429 S. 21, 33). Bei Gewalttaten unter Ehegatten einschließlich der widerrechtlichen Drohung mit Gewalttaten soll grundsätzlich ein Anspruch des verletzten Ehegatten auf Überlassung der gesamten Wohnung bestehen (Palandt/Brudermüller, a.a.O.).

b) Gewaltanwendungen des Antragsgegners sind weder von der Antragstellerin mit Substanz geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich.

Das Wohl der im Haushalt lebenden Kinder war bereits vor der Gesetzesänderung vorrangig zu berücksichtigendes Kriterium, wenn dieser Umstand auch durch seine nunmehrige ausdrücklicher Erwähnung zusätzliches Gewicht erlangt. Die Bedürfnisse der Kinder an einer geordneten, ruhigen und entspannten Familiensituation haben eindeutig Vorrang, auch ist eine schwere Gesundheitsgefährdung der Kinder nicht Voraussetzung. Schon andauernde Spannungen und Streitereien zwischen den Eltern können anerkanntermaßen zu seelischen Schäden für die Kinder führen. Maßgeblich ist daher, ob ein erträgliches Miteinander im Häuslichen Bereich noch möglich ist oder ob die häusliche Atmosphäre nachhaltig und voraussichtlich irreversibel gestört ist (Palandt/ Brudermüller, a.a.0. Rn. 11) und das Kind hierdurch erheblichen Schaden zu nehmen droht, so dass das Kindeswohl (§ 1697a BGB) beeinträchtigt wird.

bb) Es ist hier indes - gerade im Interesse - beiden Beteiligten zumutbar, ihnen auch Beiträge für eine wohnatmosphärischen Beruhigung abzuverlangen (OLG Frankfurt FamRZ 1987, 159). Denn hat in ihrer Anhörung bekundet, öfters abends noch zu ihrem Vater hochzugehen, wonach ihre Mutter sie "nicht mehr ins Bett" kriegt. Dies beweist zur Überzeugung des Gerichts, dass ihr Vater einiges bedeutet und sie auch gerne zu ihm nach oben geht. Es wäre derzeit kontraproduktiv, dieser Möglichkeit zu berauben. Ein erträgliches Nebeneinander der Beteiligten ist nach dem Ergebnis der Anhörungen gewährleistet (dazu OLG Hamm, FamRZ 1989, 739; Finger, NJW 1987, 1001), insbesondere streiten sich die Ehegatten seit der ersten Anhörung im März 2002 ausweislich der Kindesanhörung nicht mehr. Dass sich in Trennung lebende Eheleute "anschweigen", ist der Regelfall, der für sich genommen nicht eine Wegweisung eines Ehegatten rechtfertigt. Denn Unannehmlichkeiten und auch gewisse Belästigungen treten im Zusammenhang mit einer in Auflösung befindlichen Ehe regelmäßig auf (OLG Hamburg FamRZ 1993, 190). geht damit bislang auch verhältnismäßig gut um, schulische Auffälligkeiten sind nicht entstanden und ihre Befürchtung, ihre Eltern könnten sich wieder streiten, scheint dem Gericht nicht so groß zu sein, als dass hierdurch psychischen Schaden nähme.

Die Fähigkeit der Eltern, sich im Interesse zusammenzureißen und das in diesem Rahmen notwendige Maß an Rücksichtnahme der Ehegatten aufeinander (Rahm/Künkel/Niepmann, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Rz. IV 218) ist hier gegeben, da die Eheleute sich bezüglich des einzig gemeinsam benutzten Bades/ WC arrangiert haben. Aus diesem Grunde und weil nur ein WC im Haus existiert, kam auch eine zeitlich gestaffelte Nutzungszuweisung des Bades/WC nicht in Frage. Das Haus ist auch groß genug, um zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden zu können. Die verbleibenden bloßen Unbequemlichkeiten sind hinzunehmen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1361b Rn. 5). Berücksichtigt werden musste auch, dass die Ehegatten nicht in überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen leben. Ein weiteres Indiz für die Zumutbarkeit dieser Lösung ist, dass die Antragstellerin trotz ihrer psychischen Erkrankung mit den zwangsläufig entstandenen trennungsbedingten Belastungen nach dem Eindruck, den sie bei ihrer Anhörung gemacht hat und auch nach den Bekundungen ihres behandelnden Facharztes für Psychiatrie recht gut zurecht kommt.

Den Bedenken des Jugendamtes, es müsse langfristig im Interesse eine klare Regelung getroffen werden, mag im Rahmen der Ehescheidung der Parteien Rechnung getragen werden.

2. Die Festsetzung einer Nutzungsvergütung wegen der überwiegenden Nutzung des beiden Parteien gemeinsam gehörenden ehelichen Hauses durch die Antragstellerin hält das Gericht dagegen nicht für billig (§ 1361 b Abs. 3 Sätze 1 und 2 BGB n. F.). Es ließ sich dabei von der Erwägung leiten, dass die Antragstellerin ausweislich des beim Beiheft Versorgungsausgleich des Scheidungsverfahrens befindlichen Versicherungsverlaufs Berufsunfähigkeitsrente bezieht und mangels Unterhaltszahlungen des Antragsgegners auch nicht leistungsfähig ist (OLG Köln FamRZ 1997, 943). Auch betreut sie die ehegemeinsame Tochter, die mit ihr die ihr zugewiesenen Räume des ehelichen Hauses bewohnt. Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner derzeit die Hauslasten alleine trägt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 18a, 20 HausratsV0. Dem Gericht erschien es nicht angebracht, eine Erstattung der entstandenen außergerichtlichen Kosten anzuordnen.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf der analogen Anwendung der §§ 20 Abs. 2 Satz 2 GKG, 620 Satz 1 Nr. 7 ZPO, weshalb der dreimonatige Kaltmietwert maßgeblich ist (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.7.1997 - 6 WF 39/97 und vom 7.1.1994 - 9 WF 111/94).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen