Urteil vom Amtsgericht Weißenfels - 10 OWi 712 Js 211791/12

Tenor

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der durch Verkehrszeichen angeordneten Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 80,- € verurteilt.

Ihm wird untersagt, für die Dauer von 1 Monat Kraftfahrzeuge jeglicher Art im Straßenverkehr zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft dieser Entscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften: §§ 41 Abs. 1 (i.V.m. lfd. Nr. 49 der dazu erlassenen Anlage 2), 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24, 25 StVG.

Gründe

I.

1

Der Betroffene ist Rentner.

2

Straßenverkehrsrechtlich ist er bislang wie folgt in Erscheinung getreten:

3

Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle Magdeburg vom 17. Jan. 2012, rechtskräftig seit 03. Febr. 2012: Geldbuße in Höhe von 40,- € wegen Inbetriebnahme eines Fahrzeugs ohne vorgeschriebenes amtliches Kennzeichen.

4

Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle Magdeburg vom 10. Febr. 2012, rechtskräftig seit 29. Febr. 2012: Geldbuße in Höhe von 100,- € wegen Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h.

5

Strafbefehl des Amtsgerichts Weißenfels vom 18. März 2013, rechtskräftig seit 04. April 2013: 30 Tagessätze zu je 15,- € wegen vorsätzlichen Gebrauchs eines unversicherten Kraftfahrzeuges.

6

Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle Magdeburg vom 14. Febr. 2013, rechtskräftig seit 05. März 2013: Geldbuße in Höhe von 120,- € wegen Fahrens bei Glatteis pp. ohne die vorgeschriebenen M+S- Reifen mit Unfall.

II.

7

Der Betroffene führte am 23. Juli 2012 um 00.35 Uhr auf der Bundesautobahn (BAB) 9, km 152,850, Fahrtrichtung Berlin, den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... .

8

Die Polizeibeamten X und Z führten in der Zeit vom 22. Juli 2012, 19.45 Uhr, bis 23. Juli 2013, 04.15 Uhr, auf der BAB 9 km, 152,850, Fahrtrichtung Berlin, eine Geschwindigkeitsmessung mit dem zur Tatzeit gültig geeichten Geschwindigkeitsmessgerät „ES 3.0“, Geräte - Nr. 5424, durch.

9

Wegen Fahrbahnschäden auf der BAB 9 war durch Anordnung der Unteren Verkehrsbehörde vom 14. März 2012 die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf diesem dreispurigen Abschnitt der Autobahn herabgesetzt. Bei km 153,600 war dabei zunächst durch Zeichen 274-62 die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h herabgesetzt. Bei km 153,400 erfolgte mittels Zeichen 274-60 die Begrenzung auf 100 km/h, verbunden mit dem Zusatzschild 112 (unebene Fahrbahn). Bei km 151,600 wurde die Geschwindigkeitsbegrenzung durch Zeichen 282 wieder aufgehoben. Die Zeichen befanden sich als feste Verkehrsschilder auf beiden Seiten der Fahrbahn. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit an der Messstelle betrug somit 100 km/h.

10

Der Betroffene durchfuhr mit dem von ihm geführten PKW am 23. Juli 2012 um 00.35 Uhr die Messstelle. Dabei wurde ein Messfoto ausgelöst, auf welchem die gefahrene Geschwindigkeit mit 132 km/h angezeigt wird. Abzüglich eines Toleranzwertes von 3 % (aufgerundet zugunsten des Betroffenen auf 5 km/h) ergibt dies eine gefahrene Mindestgeschwindigkeit von 128 km/h. Diese Geschwindigkeit liegt damit 28 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

III.

11

Der Betroffene räumt ein, zur Tatzeit der Führer des gemessenen PKW gewesen zu sein. Er macht geltend, zwar die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h, nicht aber die auf 100 km/h wahrgenommen zu haben, da er in Höhe der entsprechenden Schilder einen LKW überholt habe.

12

An der Richtigkeit der Einlassung dahin, dass der Betroffene der Führer des PKW war, hat das Gericht keinen Zweifel. Es ist nicht ersichtlich, warum der Betroffene sich selbst belasten sollte.

13

Die weiteren unter II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Ergebnis der Hauptverhandlung. So ergeben sich aus dem in Augenschein genommenen Messfoto die Tatzeit und die gemessene Geschwindigkeit.

14

Dass zur Tatzeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt war, ergibt sich aus der durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführten verkehrsrechtlichen Anordnung vom 14. März 2012 sowie den Bekundungen des Zeugen X. Dieser hat angegeben, sich vor Beginn und nach dem Ende der Messung durch Vorbeifahren jeweils davon überzeugt zu haben, dass die Verkehrszeichen vorhanden und sichtbar waren.

15

Der Zeuge X hat zudem angegeben, die Messanlage gemäß den Vorgaben des Herstellers aufgestellt und bedient zu haben. Der Zeuge ausgebildeter Messbeamter und verfügt über die Bedienberechtigung für die verwandte Anlage.

16

Da die Anlage ausweislich des durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführten Eichscheins zur Tatzeit gültig geeicht war, sieht das Gericht den unter II. geschilderten Sachverhalt als erwiesen an.

IV.

17

Der Betroffene hat sich damit wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach den §§ 41 Abs. 1 in Verbindung mit lfd. Nr. 49 der dazu erlassenen Anlage 2, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO in Verbindung mit § 24 StVG schuldig gemacht, weil er die durch Zeichen 274-60 angeordnete Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nicht einhielt und stattdessen mit einer Geschwindigkeit von 128 km/h die Messstelle passierte.

18

Soweit der Betroffene geltend macht, die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h nicht gesehen zu haben und sich damit auf ein Augenblicksversagen beruft, kann dies zu keiner anderen Wertung führen. Das Gericht hält die Einlassung des Betroffenen für eine reine Schutzbehauptung. Es ist nichts dafür ersichtlich, warum der Betroffene, der ausweislich des Messfotos, auf das gemäß § 46 OWiG in Verbindung mit § 265 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird, auf dem linken Fahrstreifen befindlich ist, beim Überholen eines auf der rechten oder mittleren Fahrspur befindlichen LKW das auch links angebrachte Zeichen 274-60 nicht hat wahrnehmen können. Dies gilt umso mehr, als die Aufmerksamkeit des Betroffenen aufgrund der von ihm bejahten Wahrnehmung der Zeichen 274-62 hätte geschärft sein müssen.

19

Selbst wenn man aber die Einlassung des Betroffenen der Würdigung als unwiderlegbar zu Grunde legt, kann von einem ihn gleichsam entschuldigenden Augenblicksversagen nicht ausgegangen werden:

20

So ist zunächst mit dem Bundesgerichtshof davon auszugehen, dass im Regelfall davon auszugehen ist, dass ordnungsgemäß aufgestellte Verkehrszeichen in aller Regel von den Verkehrsteilnehmern wahrgenommen werden und das Übersehen solcher Zeichen die Ausnahme ist (vgl. BGH, Beschluss v. 11.09.1997, 4 StR 638/96, zit. n. juris).

21

Beruft sich der Kraftfahrer darauf, dass er ein Geschwindigkeitszeichen 274 übersehen hat, und kann ihm diese Einlassung nicht widerlegt werden, so kann dennoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter bestimmten Umständen ein grober Pflichtverstoß angenommen werden, der die Verhängung eines Fahrverbots zulässt. Ist das gleiche Zeichen 274 im Verlaufe der vor der Messstelle befahrenen Strecke mehrfach wiederholt worden oder geht etwa der Messstelle ein sogenannter Geschwindigkeitstrichter voraus, durch den die zulässige Höchstgeschwindigkeit stufenweise mittels mehrerer nacheinander aufgestellter Vorschriftszeichen herabgesetzt wird, so hat der betroffene Verkehrsteilnehmer die gebotene Aufmerksamkeit in grob pflichtwidriger Weise außer acht gelassen. Dasselbe gilt in Fällen, in denen sich die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung durch Vorschriftszeichen 274 der StVO (beispielsweise im Baustellenbereich einer Bundesautobahn) oder durch § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO in Verbindung mit der Ortstafel aufgrund der ohne weiteres erkennbaren äußeren Situation (Art der Bebauung) jedermann aufdrängt. Bei Feststellung solcher äußeren Umstände wird sich die für die Anordnung eines Fahrverbots erforderliche grobe Pflichtverletzung auch bei Unkenntnis der konkreten Geschwindigkeitsbeschränkung infolge Übersehens eines Zeichens allenfalls bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände verneinen lassen (BGH, a.a.O.).

22

So liegt es auch hier: Der Betroffene hat eingeräumt, das zunächst aufgestellte Zeichen 274-62 wahrgenommen zu haben. Allein diese Beschränkung der zulässigen Geschwindigkeit auf einer dreispurigen, gerade verlaufenden Autobahn musste den Betroffenen zu erhöhter Aufmerksamkeit veranlassen. Hinzu kommt, dass der Betroffene auch die von ihm nach eigener Bekundung wahrgenommene Beschränkung der Geschwindigkeit auf 120 km/h missachtet hat, da er bei Durchfahren der Messstelle mit zumindest 128 km/h unterwegs war.

23

Es ist demnach von einem fahrlässigen Verhalten des Betroffenen auszugehen, da er die beschriebene Beschilderung hätte wahrnehmen können und müssen.

V.

24

Bei der Bemessung der Geldbuße war vom Regelsatz aus der Bußgeldkatalogverordnung und deren Anlage auszugehen: Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften ist eine Geldbuße von 80,- € als Regelsanktion vorgesehen (Nr. 11.3.5 BKat). Gründe für eine Abweichung hiervon zu Gunsten oder zu Lasten des Betroffenen sind nicht ersichtlich.

25

Neben der Regelgeldbuße war vorliegend gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV zudem ein Fahrverbot von 1 Monat gegen den Betroffenen festzusetzen. Nach der vorgenannten Vorschrift ist ein solches Fahrverbot zu verhängen, wenn gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Diese Voraussetzungen sind hier in der Person des Betroffenen erfüllt, da mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle vom 10. Febr. 2012 wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h eine Geldbuße gegen ihn festgesetzt wurde. Der Bußgeldbescheid wurde am 29. Febr. 2012 rechtskräftig, den vorliegenden Verstoß beging der Betroffene am 23. Juli 2012 und damit innerhalb der Jahresfrist. Da der Betroffene mit einer zumindest um 28 km/h überhöhten Geschwindigkeit passierte, war § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV anzuwenden.

26

Auch insoweit sind Gründe für eine Abweichung von der Regelsanktion zu Gunsten oder zu Lasten des Betroffenen nicht ersichtlich.

VI.

27

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 46 OWiG i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO.


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