Urteil vom Arbeitsgericht Köln - 8 Ca 3235/13
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 15./27.12.2010 zum 31.03.2013 beendet wurde.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 2/5, die Beklagte zu 3/5.
4. Streitwert: 13.120,00 €
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eine Befristungsabrede.
3Die Beklagten erhoben auf Grundlage des bis zum 31. Dezember 2012 geltenden [……………] im eigenen Namen […………..] und betrieben für die Abwicklung des […………..] als gemeinsames [……………] im Rahmen einer [………………………] die frühere […………………], die aufgrund des ab dem 1. Januar 2013 geltenden [………………] nunmehr als [………………] weitergeführt wird (§ 10 […………………]).
4Die Beklagten, vertreten durch die Geschäftsführung der [……], stellten die Klägerin ab dem 1. April 2007 als [……………..] ein. Wegen der Beschäftigung schlossen die Parteien insgesamt vier zeitlich aneinanderreihende befristete Arbeitsverträge (1. April 2007 bis 31. März 2008, 1. April 2008 bis 31. März 2010, 1. April 2010 bis 31. März 2011 und 1. April 2011 bis 31. März 2013). Der letzte Vertrag wurde unter dem 15./27. Dezember 2010 für die Laufzeit vom 1. April 2011 bis zum 31. März 2013 bei Vereinbarung einer Vergütung gemäß Vergütungsgruppe IX Stufe 3 von 2.425,60 € monatlich geschlossen; auf die zur Klage angelegte Ablichtung wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen. Unstreitig wurde die Klägerin in der [……….] beschäftigt, in welcher alle an diese Institution gerichteten Schreiben und Poststücke eingingen. Ihre Aufgabe war es, die Post zu öffnen und vorzusortieren, welche sodann zur weiteren Bearbeitung in die zuständigen Abteilungen gelangte.
5Die Klägerin hat am 18. April 2013 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie die Wirksamkeit der in diesem Vertrag enthaltenen Befristungsabrede zum 31. März 2013 angreift und Weiterbeschäftigung begehrt. Sie meint unter näherer schriftsätzlicher Begründung, es habe keinen Sachgrund für die Befristung des Arbeitsvertrages gegeben. Tatsächlich sei sie für Daueraufgaben als […………] im Postdienst eingestellt worden, welche über den vorgesehenen Beendigungszeitpunkt hinaus fortbestehen. Ein Wegfall ihrer Tätigkeiten in der Posteingangsstelle sei auch bei Abschluß des letzten Vertrages zum vorgesehenen Beendigungszeitpunkt nicht vorhersehbar gewesen. Änderungen bei den Befreiungstatbeständen für die [……………………..] und ebensowenig vermeintlich befristete Haushaltsmittel, die zur Bearbeitung von Befreiungstatbeständen vorgesehen waren, hätten mit ihrer Tätigkeit im Posteingang der ehemaligen [……..] nichts zu tun.
6Die Klägerin beantragt,
71. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 15.12.2010/27.12.2010 zum 31.03.2013 beendet wurde,
82. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 31.03.2013 hinaus zu unveränderten Bedingungen als […………….] gemäß den Bedingungen des Anstellungsvertrages vom 15.12.2010/27.12.2010 weiterzubeschäftigen.
9Die Beklagten beantragen,
10die Klage abzuweisen.
11Sie berufen sich auf einen Ende 2009/Anfang 2010 gefaßten Beschluß der Ministerpräsidenten zur grundlegenden Novellierung des Finanzierungsmodells des […………..]. Nach dem damals geltenden […………….] sei die Gebühr für das Bereithalten von [………………..] zu entrichten gewesen, von welcher sich Personen im ausschließlich privaten Bereich aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen auf entsprechenden Antrag hin befreien lassen konnten. Bereits in den ersten Referentenentwürfen zum [………….] seien hierzu Änderungen vorgesehen gewesen, wonach aus gesundheitlichen Gründen keine Befreiungen mehr möglich sein sollten, sondern nur noch Ermäßigungen, wie es sodann im von den Ministerpräsidenten im Dezember 2010 beschlossenen und in 2011 von allen Länderparlamenten ratifizierten [………………..] vereinbart worden sei. Danach seien schon Ende 2009 Auswirkungen auf den personellen Bedarf für die Bearbeitung von Befreiungen absehbar gewesen, für welche der Haushaltsplan 2011 der damaligen [………..] befristete Mittel für 10 Stellen vorgesehen habe, wobei für diese Stellenanzahl arbeitsvertragliche Verpflichtungen für bis zu 2 Jahre zu Lasten des Kontos 400100 (Vergütungen für Arbeitnehmer ohne Planstellen) eingegangen werden konnten.
12Die zusätzlichen Stellen seien aufgrund des erhöhten Vorgangsaufkommens sowohl im Posteingang als auch in der Befreiungssachbearbeitung bereitgestellt worden. Die Klägerin sei, auch wenn sie organisatorisch im Posteingang eingesetzt wurde, entsprechend der Haushaltsmittelbewilligung für die Bearbeitung der eingehenden Post für Befreiungen eingesetzt worden. Bei Abschluß des letzten befristeten Arbeitsvertrages mit ihr sei absehbar gewesen, daß sich aufgrund der grundlegenden Änderungen der Umfang und Anfall von Befreiungstatbeständen erheblich ändern würde und demzufolge die Befristung vereinbart worden.
13Die Beklagten meinen – gleichfalls unter ausführlicher schriftsätzlicher Darstellung –, der Sachgrund ergebe sich aus der auch tariflich zugelassenen befristeten Beschäftigung bei der Vergütung aus entsprechend bestimmten Haushaltsmitteln und der entsprechenden Beschäftigung der Klägerin. Die befristet zur Verfügung gestellten Mittel seien auf konkrete Aufgaben bezogen, wie die Zuweisung im Haushaltsplan 2011 zum Konto 400100 zeige. Zudem sei die Befristung durch den nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung sachlich begründet. Bei Abschluß des Arbeitsvertrages im Dezember 2010 sei von einem nur vorübergehenden Arbeitsanfall auszugehen gewesen.
14Wegen des weiteren hier nach § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO stark verknappt zusammengefaßten, von den Parteien eingehend dargestellten Sach- und Streitstandes einschließlich der rechtlichen Ausführungen wird gem. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Inhalt der im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen sowie der Sitzungsniederschriften verwiesen.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist weitgehend erfolgreich, dies ergibt sich aus folgenden gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefaßten Erwägungen der Kammer.
17Die Klage ist wegen des Antrags zu 1.) erfolgreich. Der gemäß § 17 S. 1 TzBfG gestellte Feststellungsantrag ist aufgrund dieser gesetzlichen Antragsvorgabe zulässig, er ist auch unter Beachtung der dort angeordneten Klagefrist formgerecht anhängig gemacht worden. Demnach wird für den der vorliegenden Klage zugrundeliegenden Vertrag die rechtliche Wirksamkeit der damit zur Überprüfung gestellten Befristungsabrede nicht gemäß §§ 17 TzBfG i.V.m. 7 KSchG vermutet, sondern war materiell zu überprüfen, dies im Hinblick auf den letzten für die Laufzeit vom 1. April 2011 bis zum 31. März 2013 geschlossenen Arbeitsvertrag, da die Klägerin eine der vorangegangenen Befristungsabreden mit der Beklagten nicht spätestens innerhalb von 3 Wochen nach den damals vereinbarten Ablaufterminen mit einer Klage nach § 17 TzBfG angegriffen hat, so daß deren rechtliche Wirksamkeit jedenfalls aufgrund der gesetzlichen Verweisung auf § 7 KSchG feststeht.
18Nach dem vorliegenden Verlauf, d.h. den Vorbeschäftigungen und deren Dauer war die Befristungsvereinbarung im Vertrag vom 15./27. Dezember 2010 nur zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt war, § 14 Abs. 1 TzBfG; dies steht außer Streit. Demgemäß beruft sich der Beklagte auf entsprechende Sachgründe, nämlich solche nach den Beschreibungen in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG – nur vorübergehend bestehender Bedarf an der Arbeitsleistung – und § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG bzw. der inhaltlich gleichlautenden, kraft arbeitsvertraglicher Einbeziehung (§ 15 des Arbeitsvertrages) im Verhältnis der Parteien geltenden Regelung in § 4 Abs. 1 i des […….] – Vergütung aus haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmten Mitteln und „entsprechende Beschäftigung“. Allerdings konnte die Kammer nicht erkennen, daß in der Sache solche den gesetzlichen bzw. tariflichen Anforderungen genügende Sachgründe für die Befristung des Arbeitsvertrages mit der Klägerin für die Zeit vom 1. April 2011 bis zum 31. März 2013 vorlagen.
19Im Regelfall ergibt sich mit Rücksicht darauf, daß jedenfalls außerhalb des hier nicht gegebenen Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 2 TzBfG der Abschluß unbefristeter Arbeitsverhältnisse noch - dies zumindest bei [………..] Arbeitgebern - den üblichen Gepflogenheiten entspricht und auch der sozialpolitisch erwünschte Normalfall ist, prima facie ein Anschein gegen das Vorliegen von Gründen für die zeitliche Beschränkung von Arbeitsvertragen, was sich insbesondere dann zugunsten eines hiergegen klagenden Arbeitnehmers auswirkt, wenn mehrere befristete Verträge für eine gleichgelagerte Aufgabenstellung hintereinandergeschaltet wurden. Denn in einem solchen Fall ergeben sich bereits aus der offenbar vom Arbeitgeber selbst jeweils erkannten Notwendigkeit oder auch Möglichkeit, den Arbeitnehmer länger als zunächst geplant zu beschäftigen, Zweifel daran, ob die jeweilige Prognose, der Arbeitnehmer werde nur für eine bestimmte begrenzte Dauer benötigt, auf hinreichend sicheren Grundlagen stand und diese gerade in Bezug auf den letzten Vertrag gerechtfertigt war.
20Für den konkret zu prüfenden Vertrag der Parteien aus Dezember 2010 konnte die Kammer aus dem im vorliegenden Verfahren beigebrachten Sachvortrag keinen hinreichenden Befristungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG erkennen, nämlich einen gerade für den Vertragszeitraum 1. April 2011 bis 31. März 2013 nur vorübergehend zu prognostizierenden Beschäftigungsbedarf. Maßgeblich für das Vorliegen dieses Sachgrundes ist, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem befristet eingestellten Arbeitnehmer aufgrund einer tatsächlich fundierten Vorausschau mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, daß gerade für die Dauer des befristeten Vertrages über die Stammbelegschaft hinaus (mindestens) ein (weiterer) Mitarbeiter zur Abdeckung des betrieblichen Arbeitsvolumens benötigt wird und dieser Sonderbedarf zum Befristungsablauf wegfällt.
21Solche Umstände für einen Befristungsgrund gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG sind hier nicht ersichtlich. Schließlich weist die Klägerin zutreffend zunächst auf den durchgängigen, auch dem letzten Arbeitsvertrag zugrundeliegenden Arbeitsauftrag hin, nämlich die Erledigung von Aufgaben in der Poststelle der damaligen [………..], heute des […………..] der Beklagten. Bei einer den [……………] aller bundesdeutschen [………….] bearbeitenden Institution ist von einem immerwährenden Posteingang auszugehen, jedenfalls nicht zu erwarten, daß dieser just zum 31. März 2013 wegfällt. Ebensowenig sind Anhaltspunkte für einen zu diesem Zeitpunkt einsetzenden Rückgang des Posteingangs in dem Umfang, daß sich die durch die Postbearbeitung anfallende Arbeitsmenge um die von der Klägerin vertraglich geschuldete Leistungsmenge reduzieren würde.
22Ein Sachgrund gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG muß auf einer sachlich begründeten, durch konkrete Umstände untermauerten Prognose über den erwarteten Beschäftigungsbedarf und vor allem über dessen Wegfall zum Zeitpunkt des Befristungsendes aufbauen, bloße Spekulationen über künftige Entwicklungen reichen nicht aus. Die erforderliche fundierte Prognose eines nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung kann sich nur ergeben, wenn bereits bei Abschluß des konkret zu prüfenden Vertrages ex ante feststeht, jedenfalls aufgrund gesicherter Erkenntnisse erwartet wird, daß die Aufgaben, welche Gegenstand der arbeitsvertraglichen Leistung sein sollen, nach dem Ende der Laufzeit nicht mehr anfallen, jedenfalls nicht im zur Beschäftigung einer (weiteren) Vollzeitkraft notwendigen Umfang. Hierzu sind keine objektiven Umstände dazu dargelegt, welche Entwicklung die Beklagten im Dezember 2010 zum Arbeitsbedarf in der Poststelle plante und weshalb davon auszugehen war, daß die Klägerin per Ende März 2013 überflüssig werden würde. Die Beklagten haben weder einen für die Vertragslaufzeit April 2011 bis März 2013 erwarteten vorübergehenden, die Leistungskapazität der Stammbelegschaft überschreitenden konkreten Mehrbedarf an Arbeitskraft in der Poststelle dargelegt und ebensowenig den hinreichend sicher zu erwartenden Wegfall eines solchen Mehrbedarfs per Ende März 2013.
23Solches ergibt sich auch nicht aus dem damals laufenden Entwicklungsprozeß vom […………….] hin zum […………] und den schon 2010 vorausgesehenen Änderungen bei den Beitragsbefreiungen. Es ist schon nicht ersichtlich, weshalb sich der Umfang der in der Poststelle zu öffnenden und vorzusortierenden Eingangspost signifikant reduzieren soll, weil anstelle der Anträge von Blinden, Sehbehinderten, Hörgeschädigten und hochgradig Schwerbehinderten auf Gebührenbefreiungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 des früheren [……………….] entsprechend der damaligen Planung und zwischenzeitlichen Umsetzung im per 1. Januar 2013 in Kraft getretenen [………………….] vom 13. Dezember 2011 die Anträge dieser gesundheitlich eingeschränkten Personen auf Beitragsermäßigung eingehen. Im übrigen tragen die Beklagten überhaupt keine präzisen Planungsdaten im Hinblick auf die abzudeckende „Arbeitsmenge“ für die Tätigkeit in der Poststelle und deren Aufteilung auf eine bestimmte Personenanzahl vor und dazu, welcher Sonderbedarf an Arbeitskapazität vorübergehend bis März 2013 erwartet wurde, in welchem Zusammenhang dieser mit dem beklagtenseits hierzu einzig angesprochenen Umstand der Änderung bei den [………………] gesundheitlich eingeschränkter Personen steht und welche Werte sie bei der Prognose eines dadurch veränderten Arbeitsvolumens in der Poststelle sie in diesem Zusammenhang zugrundegelegt haben. Entsprechende Vergleichsberechnungen zur Planung des Beschäftigungsbedarfs in der Poststelle von April 2011 bis März 2013 und sodann ab April 2013 fehlen.
24Die Befristung ist auch nicht nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG sachlich begründet. Selbst wenn unterstellt wird, daß die Beklagten sich als Träger einer […………………] auf einen auf die „haushaltsrechtliche“ Bestimmung“ abstellenden Sachgrund berufen können, mußten sie jedenfalls die zum entsprechenden gesetzlich definierten Befristungsgrund entwickelten Grundsätze beachten, denn abweichende tarifliche Festlegungen sind im Recht der befristeten Arbeitsverträge gemäß § 14 Abs. 2 S. 3, 4 TzBfG nur zugelassen, soweit es um die Anzahl der Verlängerungen und die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG geht. Neue oder weniger „strenge“, damit für die Arbeitnehmer ungünstigere Sachgründe für die Befristung können dagegen nicht – abweichend von § 14 Abs. 1 TzBfG – bestimmt werden. Demnach gilt, wie hier ersichtlich außer Streit steht, für die auf [……………..] gestützte Befristung nichts anderes, als für die gesetzliche „Haushaltsbefristung“.
25Auch bei dieser handelt es sich um eine Ausprägung des in § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG beschriebenen Sachgrundes des vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung. Denn auch ein haushaltsrechtlichen Zwängen unterliegender Arbeitgeber kann Arbeitnehmer nicht willkürlich nur befristet einstellen, allein unter Verweis auf nur zeitlich begrenzt zur Verfügung gestellte Mittel. Vielmehr muß es im Fall des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 TzBfG Gründe für die befristete Ausbringung von Haushaltsmitteln geben, etwa weil sie für von den Daueraufgaben des […………….] Arbeitgebers abgrenzbare, vorübergehende Zusatzaufgaben (Sonderprogramme) oder auch für die Bewältigung eines vorübergehend erhöhten Arbeitsanfalls im Bereich der Daueraufgaben des Arbeitgebers zur Verfügung gestellt werden.
26Dabei verlangt die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 17. März 2010 - 7 AZR 843/08 –), daß bereits die Zweckbestimmung der für die befristete Beschäftigung ausgebrachten Haushaltsmittel so beschaffen ist, daß sie eine Nachprüfung anhand objektiver Umstände ermöglicht, ob es ein berechtigtes Interesse des [………………] Arbeitgebers an der nur befristeten Beschäftigung – bei Vergütung mit nur befristet zugeteilten Haushaltsmitteln – gegeben hat. Daher muß die haushaltsrechtliche Zweckbestimmung erkennen lassen, für welche Aufgaben die Haushaltsmittel bereit gestellt werden und daß diese Aufgaben nicht zeitlich unbegrenzt, sondern nur vorübergehend anfallen, ferner objektive und nachprüfbare Vorgaben enthalten, die gewährleisten, daß die Mittel (nur) zur Deckung eines lediglich vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs genutzt werden. Danach bedarf es auch dann, wenn der befristeten Einstellung die befristete Zuweisung von Haushaltsmitteln vorausgegangen ist, einer sachlich begründeten Prognose zur künftigen Entwicklung des Beschäftigungsbedarfs und der nachvollziehbar dargestellten objektiven Erwartung, daß dieser mit dem Auslaufen der Haushaltsmittelbewilligung nicht mehr in dem Umfang der vertraglichen Leistungskapazität der nur befristet eingestellten Arbeitnehmer vorhanden sein wird.
27Diesen Anforderungen genügen die von den Beklagten angeführten und vorgelegten Bestimmungen im Haushaltsplan 2011 nicht. Soweit dort zum Konto 400100, zu dessen Lasten nach der Verpflichtungsermächtigung „arbeitsvertragliche Verpflichtungen bis zu zwei Jahren eingegangen werden“ können, angeführt ist, daß der Ansatz u.a. „für 10 Stellen im Posteingang für die Bearbeitung der Befreiungen“ vorgesehen ist, ermöglicht dies keine Prüfung, daß und warum den befristeten Haushaltsmitteln die Abdeckung eines lediglich vorübergehenden Bedarfs im Posteingang zugrunde liegen sollten.
28Nachdem auch kein anderer Sachgrund für eine entsprechend der gesetzlichen Aufzählung zugelassene zeitliche Begrenzung der Einstellung der Klägerin in Betracht kommt, war die arbeitsvertragliche Befristung per 31. März 2013 nicht gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG gerechtfertigt und konnte die entsprechende Vereinbarung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beenden, vielmehr gilt der Vertrag gemäß § 16 S. 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen.
29Wegen des zulässigen Leistungsantrags zu 2.) blieb die Klage erfolglos. Die Klägerin hat keinen aktuellen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung, denn dieser setzt grundsätzlich ein unstreitig und unangefochten bestehendes Arbeitsverhältnis voraus. Solange die zugrundeliegende Vertragsbeziehung, auf der die Beschäftigungspflicht gründet, zwischen den Parteien in Streit steht, fehlt es an einer materiellen Anspruchsvoraussetzung. Dieser aufgrund einer unter Beteiligung der Klägerin getroffenen Befristungsvereinbarung bestehende Streit ist nicht bereits durch eine erstinstanzliche Entscheidung zum Bestandsschutzantrag geklärt, auch wenn damit – wie hier - die klägerische Rechtsauffassung bestätigt wurde, sondern dies kann erst durch deren Rechtskraft eintreten. Die materiellrechtliche und prozessuale Situation bei dem Streit über die Wirksamkeit der Befristung, dessen gerichtliche Klärung im Wege der gemäß § 17 S. 1 TzBfG ausdrücklich angeordneten Feststellungsklage zu erfolgen hat, hindert daher die Titulierung und Vollstreckbarkeit der Beschäftigung, solange über die zugrundeliegenden Bestandsfrage nicht rechtskräftig entschieden ist.
30Vor diesem Zeitpunkt bedarf ein vollstreckbares Beschäftigungsverlangen eines gesonderten Rechtsanspruchs auf Weiterbeschäftigung. Ein solcher Anspruch, der gegenüber einem Prozeßgegner erhoben wird, welcher das aktuelle Bestehen eines Arbeitsvertrages zu ihm gerade bestreitet, ist ein rechtliches aliud im Vergleich zum arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruch im unstreitig bzw. unbestreitbar, da inter partes rechtskräftig festgestellt bestehenden Arbeitsverhältnis.
31Ein gesetzliches Weiterbeschäftigungsverhältnis – vergleichbar der Situation des § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG - ist für den Fall des Befristungsstreites nicht geregelt. Das Verlangen kann danach nur auf den vom Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung vom 27. Februar 1985 (GS 1/85) entwickelten und nachfolgend auf den Befristungsstreit ausgeweiteten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch gestützt werden, welcher auf einer Bewertung der Interessenlage beruht, die je nach dem Verfahrensstand des Bestandsrechtsstreits eine unterschiedliche typisierte Betrachtung erfahren soll: Im Regelfall wiege zunächst das Interesse des Arbeitgebers schwerer, einen nach Kündigung oder aufgrund Befristungsablaufs - möglicherweise sogar rechtswirksam - ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht mehr tatsächlich beschäftigen zu müssen, dieses Interesse soll aber im selben Regelfall gegenüber dem ideellen Interesse des Arbeitnehmers zurücktreten, der die Beschäftigung zur Verwirklichung seiner Persönlichkeitsrechte anstrebt - materielle Gesichtspunkte sind für die Bewertung nach der zitierten Grundsatzentscheidung nicht erheblich -, wenn die Kündigung bzw. die Befristungsabrede erstinstanzlich als unwirksam festgestellt wurde. Damit wird ein nicht rechtskräftiges Instanzurteil zur materiellen Anspruchsgrundlage für die Leistungspflicht aus einem Vertrag, dessen Bestand noch im Streit ist.
32Eine solche Konstruktion ist allerdings schon aus dogmatischen Gründen abzulehnen. Sie verkennt das Grundprinzip des materiellen und prozessualen Zivilrechts, nämlich daß die Rechtswirkung einer Gestaltung nur durch Rechtskraft eines entsprechend titulierenden Urteils, nicht bereits durch seine Verkündung beseitigt wird; dies kann nicht ohne gesetzliche Grundlage, allein gestützt auf Interessenerwägungen aufgehoben werden. Daher kann nach Auffassung der Kammer ein Weiterbeschäftigungsverhältnis nur unter gesetzlich normierten Voraussetzungen begründet werden, etwa beim Kündigungsrechtsstreit bei Sachverhalten nach § 102 Abs. 5 BetrVG. Ein anderweitiger Weiterbeschäftigungsanspruch, wie derjenige für die Zeit des Bestandsschutzverfahrens ab Verkündung eines erstinstanzlich zusprechenden Feststellungsurteils bis zu dessen Rechtskraft, bedürfte gleichfalls einer gesetzlichen Grundlage, dies gilt erst Recht im noch nicht rechtskräftig geklärten Streit über die vertraglich vereinbarte Befristung, für welchen es überhaupt kein „echtes“ Weiterbeschäftigungsverhältnis gibt. Nachdem eine solche trotz ständiger, umfassender Novellierungen im Arbeitsrecht unter Einschluß solcher zur Legitimierung zwischenzeitlich entstandenen „Richterrechts“ bis heute nicht geschaffen wurde, ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch bislang nicht schaffen wollte, was die Gerichte angesichts der Aufgabenverteilung auf die Verfassungsorgane gem. Artn. 70 f., 92 f. GG sowie der Bindung des Richters an das Gesetz gemäß Artn. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG, §§ 1, 25 DRiG zu respektieren haben. Es verbleibt damit wegen dieses Klageantrags insgesamt bei der Abweisung.
33Die Kostenentscheidung ergibt sich nach dem Anteil der Parteien am Obsiegen bzw. Unterliegen mit den zur Entscheidung gelangten Streitgegenständen aus § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige zur Wertfestsetzung aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3, 5 ZPO. Der Befristungsschutzantrag wurde mit einem Quartalsverdienst, der Weiterbeschäftigungsantrag wurde mit dem Betrag zweier Monatsvergütungen als angemessen bewertet angesehen.
34Rechtsmittelbelehrung
35Gegen dieses Urteil kann
36Berufung
37eingelegt werden,
38a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 € übersteigt,
39b) wenn der Beschwerdegegenstand das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses betrifft,
40c) wenn die Berufung im Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist.
41Die Berufung muß innerhalb einer Notfrist (eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden) von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim Landesarbeitsgericht Köln, Blumenthalstraße 33, 50670 Köln, Fax 0221-7740 356 eingegangen sein.
42Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr befinden sich auf der Internetseite www.egvp.de.
43Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
44Die Berufungsschrift muß von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Zugelassene Bevollmächtigte sind bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwälte, Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluß, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozeßvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
45Vorstehende Abschrift stimmt mit der Urschrift überein
46gez. W.... Richterin am Arbeitsgericht
47Ausgefertigt: Reg.-Beschäftigte
48als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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