Beschluss vom Arbeitsgericht Köln - 18 BV 132/20
Tenor
1. Der Antrag zu 1. wird zurückgewiesen.
2. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Herrn A.H. wird ersetzt.
1
I.
2Die Beteiligten streiten über die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Herrn A.H.
3Der Antragsteller (Arbeitgeber) hatte nach Ausscheiden des vormaligen Stelleninhabers die Stelle des Leiters der Rettungswache L neu zu besetzen. Unter den fünf internen und externen Bewerbern wählte er aufgrund einer Punktetabelle den externen Bewerber A.H. für die Position aus. Dieser erzielte in der Tabelle mit 109 Punkten das beste Ergebnis. Der stellvertretende Leiter der Wache und Betriebsratsvorsitzende erzielte mit 103 Punkten das drittbeste Ergebnis.
4Mit Schreiben vom 16.07.2020 beantragte der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von A.H. auf der Position eines „Notfallsanitäters im Rettungsdienst / Leiter der Rettungswache“. Per E-Mail übermittelte er auch die Unterlagen aller Bewerber. Am 22.07.2020 verweigerte der Betriebsrat schriftlich die Zustimmung unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 BetrVG. Zur Begründung führte er aus, dass der Arbeitgeber erstmalig eine Bewertungsmatrix als Grundlage für die Einstellung verwendet habe. Diese unterliege als Auswahlrichtlinie der Mitbestimmung nach § 95 BetrVG. Sie enthalte mehrere Punkte, denen er in dieser Form nicht zugestimmt haben würde. So sei etwa die Dauer einer eventuell bestehenden Betriebszugehörigkeit nicht berücksichtigt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine langjährige Tätigkeit als stellvertretender Wachleiter keinerlei Berücksichtigung bei der Auswahl erfahre. Andere Kriterien und deren Gewichtung seien nicht nachvollziehbar. Man sehe eine Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds in seiner beruflichen Entwicklung. In anderen Bereichen des Betriebs sei es üblich, bei Ausscheiden einer Leistungskraft die Stellvertretung in das Amt zu heben.
5Der Arbeitgeber bestreitet die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats über das Zustimmungsersuchen mit Nichtwissen und hält die Zustimmung kraft gesetzlicher Fiktion für gegeben. Hilfsweise beantragt er die gerichtliche Ersetzung, da keine Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben seien. Selbst wenn man in der verwandten Bewerbungsmatrix eine Auswahlrichtlinie sehen wolle, begründe dies kein Zustimmungsverweigerungsrecht. Die unterlassene Mitbestimmung könne der Betriebsrat im Verfahren nach § 99 BetrVG nicht gelten machen.
6Die Arbeitgeberin beantragt:
71. Es wird festgestellt, dass die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung des Herrn A.H. als erteilt gilt.
82. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.: Die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung des A.H. zu erteilen.
9Der Betriebsrat beantragt,
10die Anträge zurückzuweisen.
11Er trägt im Einzelnen die Einladung unter Mitteilung der Tagesordnung zu seiner Sitzung vom 22.07.2020 vor sowie die teilnehmenden Betriebsrats- beziehungsweise Ersatzmitglieder. Über die Frage der Zustimmung zur Einstellung von A.H. habe der Betriebsratsvorsitzende aufgrund eigener Betroffenheit nicht mit abgestimmt. Er hält die Verweigerung der Zustimmung für gerechtfertigt nach § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG, da die Einstellung gegen eine Auswahlrichtlinie im Sinne von § 95 BetrVG verstoßen würde. Um eine solche handele es sich bei der eigenmächtig aufgestellten Bewerbungsmatrix. Bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 95 Absatz 1 BetrVG stehe ihm ein Unterlassungsanspruch zu, mit dem das Recht zur Zustimmungsverweigerung bei personellen Einzelmaßnahmen einhergehe, die auf der mitbestimmungswidrig aufgestellten Auswahlrichtlinie beruhen. Zudem sei er berechtigt, seine Zustimmung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zu verweigern, da die Einstellung andere im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer, insbesondere den Betriebsratsvorsitzenden benachteilige. Der Zuschnitt der vom Arbeitgeber vorgelegten Matrix ziele darauf ab, den Betriebsratsvorsitzenden als Wachleiter zu verhindern. Es sei völlig unverständlich, welche Bedeutung die Punkte „Medizingeräte“ und „Hygiene“ für die Funktion als Wachleiter haben sollten. Zu Unrecht unberücksichtigt geblieben sei dagegen, dass der Betriebsratsvorsitzende in den letzten Monaten faktisch die Leitung der Rettungswache inne gehabt habe sowie seine lange Betriebstreue. Bei Berücksichtigung dieser Faktoren habe die Wahl auf ihn fallen müssen.
12Im Übrigen wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze sowie der Terminsprotokolle Bezug genommen.
13II.
14Der Hauptantrag ist unbegründet, der Hilfsantrag begründet.
151. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von A.H. gilt nicht gemäß § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Nach dieser Norm wird die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme dann fingiert, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung der Zustimmung nicht frist- und formgerecht mitteilt. Seine Zustimmungsverweigerung hat der Betriebsrat der Arbeitgeberin auf ihren den Anforderungen des § 99 Abs. 1 BetrVG genügenden Antrag vom 16.07.2020 am 22.07.2020 und damit innerhalb der Wochenfrist formgerecht und unter Angabe von Zustimmungsverweigerungsgründen im Sinne von § 99 Abs. 2 BetrVG mitgeteilt. Dem lag ein wirksamer Betriebsratsbeschluss zugrunde. Nach den unwidersprochenen Darlegungen des Betriebsrats ist der Beschluss zur Zustimmungsverweigerung nach ordnungsgemäßer Ladung der Sitzungsteilnehmer gefasst worden. Dass bezüglich des Betriebsratsvorsitzenden zu Unrecht eine rechtliche Verhinderung als Mitbewerber angenommen wurde (vgl. BAG, Beschluss vom 24. April 2013 – 7 ABR 82/11 –, BAGE 145, 55-59, Rn. 15 ff.), steht der Wirksamkeit des ohne seine Teilnahme einstimmig ergangenen Beschlusses nicht entgegen. Nachzuladende Ersatzmitglieder waren urlaubs- und krankheitsbedingt nicht verfügbar. Andere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich.
162. Der damit zur Entscheidung anfallende Hilfsantrag ist dagegen begründet. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von A.H. war gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu Unrecht verweigert.
17a) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats war er nicht deswegen zur Zustimmungsverweigerung berechtigt, weil die Einstellung von A.H. gegen eine Auswahlrichtlinie im Sinne von § 95 Abs. 12 BetrVG verstieße. Dabei kann dahinstehen, ob das vom Arbeitgeber verwandte Punkteschema eine Richtlinie in diesem Sinne darstellt. Ein entsprechender Verstoß scheidet deshalb aus, weil im Betrieb keine nach § 95 Abs. 1 BetrVG mitbestimmte Auswahlrichtlinie Geltung beansprucht. Mit der herrschenden Meinung (vgl. Hess. LAG, Beschluss vom 16. Oktober 1984 – 4 TaBV 98/83; DB 1985, 1534; GK/Raab, 11. Aufl. § 99 BetrVG Rn. 200; ErfK/Kania, 21. Aufl. 2021 BetrVG § 99 Rn. 27; MHdB-ArbR/Lunk, 4. Aufl., § 340 Rn. 68, beck-online; BeckOK ArbR/Mauer, 59. Ed. 1.3.2021 Rn. 19, BetrVG § 99 Rn. 19; Marquardt in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 11. Aufl. 2019, Teil 4a Rn. 809; NK-ArbR/Mathias Preuss, 1. Aufl. 2016, BetrVG § 99 Rn. 184) hält die Kammer dafür, dass der Betriebsrat eine Zustimmungsverweigerung nicht auf § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG stützen kann, wenn der Arbeitgeber eine Auswahlrichtlinie einseitig festlegt. Es ist Ausfluss der Unternehmerfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), dass der Arbeitgeber die Auswahl der einzustellenden Arbeitnehmer frei vornimmt, soweit dem nicht gesetzliche Regelungen entgegenstehen. Eine Einschränkung kann sich ergeben, soweit aufgrund § 95 Abs. 1 BetrVG eine Auswahlrichtlinie mit dem Betriebsrat vereinbart worden ist. Ist dies nicht der Fall, verletzt nicht die personelle Auswahlentscheidung, sondern nur die Verwendung der Richtlinie die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Zu deren Durchsetzung ist er auf das allgemeine betriebsverfassungsrechtliche Instrumentarium verwiesen (Unterlassungsanspruch – vgl. BAG, Beschluss vom 26. Juli 2005 – 1 ABR 29/04 –, BAGE 115, 239-246, Rn. 31).
18Die Gegenmeinung vermag nicht zu überzeugen (Richardi/Thüsing, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 95 Rn. 15 und dem ohne eigene Begründung folgend: LAG Hamm [Westfalen], Beschluss vom 21. November 2008 – 13 TaBV 84/08 –, Rn. 73, juris). So argumentiert Thüsing (aaO § 95 Rn. 15, 75) widersprüchlich, wenn er einerseits unter Betonung der fehlenden Auswirkung im Einzelfall einen Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung einer personellen Einzelmaßnahme wegen mitbestimmungswidriger Verwendung einer Auswahlrichtlinie verneint, ihm andererseits aber einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG zugestehen will. Zudem soll nach seiner Auffassung ein Zustimmungsverweigerungsgrund fehlen, wenn eine vom Arbeitgeber zugrunde gelegte Auswahlrichtlinie nichtig sei (Richardi /Thüsing, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 99 Rn. 234).
19Auch der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die von der herrschenden Meinung vertretene Auslegung seiner Entscheidung vom 17. November 2010 (Az. 7 ABR 120/09 –, Rn. 29 ff.) implizit zugrunde gelegt, nach welcher die Verletzung einer bei Vornahme der Auswahlentscheidung – und bis zum Ablauf der Frist nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG - nur einseitig bindende, nachträglich durch Genehmigung des Betriebsrats wirksam zustande gekommene Regelungsabrede über eine Auswahlrichtlinie keinen Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG bilde.
20b) Ein Zustimmungsverweigerungsgrund ergibt sich auch nicht aus § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Die Einstellung von A.H. benachteiligt den Betriebsratsvorsitzenden oder andere Arbeitnehmer nicht ungerechtfertigt im Sinne dieser Vorschrift.
21aa) Ein Nachteil in diesem Sinne setzt nicht voraus, dass einem im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer Rechtsansprüche verloren gehen. Es reicht aus - ist aber auch erforderlich -, dass eine rechtserhebliche Anwartschaft besteht, die mehr als eine Chance oder bloße Erwartungshaltung darstellt (BAG, Beschluss vom 09. Oktober 2013 – 7 ABR 1/12 –, Rn. 55, juris; Fitting, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 99 Rn. 229). Die Nichtrealisierung einer bloß tatsächlichen Beförderungschance gibt dem Betriebsrat kein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG. Die Vorschrift soll nämlich andere Arbeitnehmer allein vor der Verschlechterung des bisherigen Status‘ und vor unberechtigten Eingriffen in ihre tatsächliche oder rechtliche Stellung schützen. Schutzzweck des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ist damit die Erhaltung des Status quo für die anderen Arbeitnehmer (vgl. LAG Hamm (Westfalen), Beschluss vom 14. September 2001 – 10 TaBV 64/01 –, Rn. 50, juris mwN; Ricken in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 9. Aufl. 2020, § 99 BetrVG, Rn. 78).
22bb) Hinsichtlich des Betriebsratsvorsitzenden ist infolge der Einstellung von A.H. kein Nachteil in diesem Sinne zu besorgen. Denn es ist nicht erkennbar, dass dieser eine Anwartschaft im dargestellten Sinne auf Einstellung als Wachleiter hätte. Diese bestünde selbst bei bester Qualifikation nicht, weil es dem Arbeitgeber außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 33 Abs. 2 GG frei steht, auch geringer qualifizierte Arbeitnehmer einzustellen. Der Arbeitgeber kann die Auswahl der einzustellenden Arbeitnehmer im Rahmen der geltenden Gesetze frei vornehmen (vgl. in diesem Sinne bspw. LAG Hamm (Westfalen), Beschluss vom 14. September 2001 – 10 TaBV 64/01 –, Rn. 56, juris). Anderweitige anwartschaftsbegründende Umstände – wie etwa eine vom Arbeitgeber dahingehend getroffene Zusage an den Betriebsratsvorsitzenden oder ein ihm gegenüber geschaffener Vertrauenstatbestand (vgl. LAG Hamm [Westfalen], Beschluss vom 15. April 2005 – 10 TaBV 101/04 –, Rn. 55, juris; Beschluss vom 14. September 2001 – 10 TaBV 64/01 –, Rn. 53, juris) – sind nicht ersichtlich. Ausreichende Anzeichen für eine betriebliche Übung dahingehend, dass jeweils die Stellvertreter bei Freiwerden einer Position hierauf befördert würden, sind nicht erkennbar. Angesichts des mit einer solchen Bindung einhergehenden weitgehenden Eingriffs in die Unternehmerfreiheit müssten hier nicht vorgetragene eindeutige Zusagen des Arbeitgebers vorliegen, um eine solche Selbstbindung anzunehmen (ebenso LAG Hamm [Westfalen], Beschluss vom 14. September 2001 – 10 TaBV 64/01 –, Rn. 55, juris).
23Hinsichtlich andere Bewerber hat der Betriebsrat keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Benachteiligung behauptet.
24c) Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Einstellung von A.H. – wie vom Betriebsrat im Zustimmungsverweigerungsschreiben angegeben – gegen eine Vorschrift im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verstieße. In Betracht kommt hier ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG bzw. das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG.
25aa) Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist deshalb nicht anzunehmen, weil nicht erkennbar ist, dass der Betriebsratsvorsitzende zu seinem Nachteil anders als andere Arbeitnehmer bei der Bewerbung um die Position des Leiters der Rettungswache L behandelt würde. Vielmehr misst der Arbeitgeber alle Bewerber an der von ihm vorgelegten Punktetabelle.
26Eine Selbstbindung dahingehend, dass bei Besetzung von Beförderungsstellen jeweils die bisherigen Stellvertreter bevorzugt zu berücksichtigen sind, hat sich mangels ausreichender konkret vorgetragener Anhaltspunkte hierzu nicht erwiesen [vgl. unter b)bb)].
27bb) Ebenso wenig kann die Kammer eine Benachteiligung des Betriebsratsvorsitzenden in seiner beruflichen Entwicklung aufgrund seiner Amtsausübung erkennen.
28(1) Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden. Diese Regelung ergänzt § 37 Abs. 1 BetrVG, wonach die Mitglieder des Betriebsrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt führen. Das Ehrenamtsprinzip wahrt die innere und äußere Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder. Eine Benachteiligung iSv. § 78 Satz 2 BetrVG ist jede Schlechterstellung im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, die nicht auf sachlichen Gründen, sondern auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied beruht. Eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt die objektive Schlechterstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern. § 78 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG enthält zudem ein an den Arbeitgeber gerichtetes allgemeines Verbot, ein Betriebsratsmitglied wegen der Amtstätigkeit in seiner beruflichen Entwicklung zu benachteiligen. Der Arbeitgeber muss den Mitgliedern der in § 78 Satz 1 BetrVG genannten Arbeitnehmervertretungen eine berufliche Entwicklung gewährleisten, die derjenigen entspricht, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten (BAG, Urteil vom 14. Oktober 2020 – 7 AZR 286/18 –, Rn. 24, juris). Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG setzt nicht voraus, dass das Betriebsratsmitglied ohne die Benachteiligung befördert worden wäre (LAG Hamburg, Beschluss vom 19. September 2012 – H 6 TaBV 2/12 –, Rn. 79 - 80, juris). Benachteiligt der Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied entgegen § 78 Satz 2 BetrVG, folgt daraus ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG (LAG Hamburg, Beschluss vom 19. September 2012 – H 6 TaBV 2/12 –, Rn. 85, juris).
29(2) Der Betriebsratsvorsitzende ist bei der Auswahlentscheidung hinsichtlich der Besetzung der Position des Leiters der Rettungswache L nicht schlechter gestellt worden als andere Arbeitnehmer bzw. Bewerber. Durch die Verwendung des Punkteschemas war eine Gleichbehandlung bei der Auswahl nach den dort aufgeführten Qualifikationskriterien gewährleistet. Dass die Kriterienauswahl selbst zur Benachteiligung des Betriebsratsvorsitzenden geeignet gewesen wäre, ist nicht erkennbar geworden. Dies könnte angenommen werden, wenn der Arbeitgeber bei seiner Auswahlentscheidung willkürlich Kriterien herangezogen hätte, die das Betriebsratsmitglied in geringerem Ausmaß erfüllte als der ausgewählte Mitbewerber. Hinsichtlich der vom Betriebsrat monierten Kriterien „Medizingeräte“ und „Hygiene“ kann dies indes nicht angenommen werden. Den beiden Auswahlkriterien fehlt es nicht an einem ausreichenden Bezug zur Tätigkeit des Wachleiters. Ungeachtet der Frage, wie die punktemäßige Bewertung der entsprechenden Anforderungen im Einzelnen erfolgt ist, lässt sich ohne Weiteres nachvollziehen, dass Kenntnisse in diesen Bereichen für die Erfüllung der Aufgaben eines Rettungsdienstes notwendig sind. Es ist auch keineswegs sachwidrig, wenn jedenfalls die Letztverantwortung diesbezüglich beim Wachleiter liegen sollte und dieser deshalb über entsprechende Qualifikationen verfügen soll.
30Ebenso wenig war es sachwidrig, über allgemeine Berufserfahrung als Rettungssanitäter hinaus vorherige Berufserfahrung als Leiter einer Rettungswache bzw. in dessen Stellvertretung nicht als eigenes Auswahlkriterium zu formulieren. Die entsprechenden Erfahrungen konnten bei der Bewertung der übrigen Kriterien Berücksichtigung finden. Die fehlende Bevorzugung des Betriebsratsvorsitzenden als mit der zu besetzenden Position vertrauten Stellvertreter bedeutet für sich gesehen keine sachwidrige Benachteiligung.
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