Urteil vom Arbeitsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 Ga 13/13 HBS
Tenor
1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.783,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Antragstellerin begehrt die Einhaltung bestimmter Wochentage und eines bestimmten Zeitfensters für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung.
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Die Antragstellerin ist seit etwa 1997, zuletzt auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.03.2001 (Anlage A 1, Bl.64ff. d.A.) zunächst direkt für die M D D Inc. und seit dem 01.06.2008 (Anzeige Betriebsübergang vom 21.04.2008 Anlage A2, Bl.67f. d.A.) für den Antragsgegner, als deren Franchise-Nehmer, in der im Bundesland Sachsen gelegenen Filiale in Sch, tätig. Sie übte dort zuletzt die Tätigkeit eines Shiftleaders (Schichtführers) aus und erhielt hierfür einen Monatsverdienst von 1.783,00 € brutto. Gemäß Ziff.3.1 des Arbeitsvertrages ist die Antragstellerin verpflichtet, in Wechsel-Schichtdienst zu arbeiten. Gemäß Ziff.5.3 des Arbeitsvertrages i.V.m. § 4 Ziff.1 des Manteltarifvertrages für die Systemgastronomie sowie § 4 ArbZG beläuft sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Antragstellerin auf 39 Stunden bei täglich 30 Minuten Ruhepause, d.h. bei einer 5 Tage Arbeitswoche auf durchschnittlich 7,8 Stunden ohne und 8,3 Stunden mit Pause täglich. Der Antragsgegner hat den Personaleinsatz in der Filiale so organisiert, dass dort täglich eine Frühschicht von 05:00 Uhr bis 13:30 Uhr, eine Mittelschicht von 12:00 Uhr bis 20:30 Uhr und eine Spätschicht von 18:00 Uhr bis 02:30 Uhr anfallen.
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Die Antragstellerin hat einen berufstätigen Ehemann, ein 5 jähriges Kind und ein 1 jähriges Kind. Am 20.01.2013 endete die zwischenzeitlich eingelegte Elternzeit der Antragstellerin, seither ist sie mit Rücksicht auf jeweils eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht mehr tatsächlich für den Antragsgegner tätig geworden. Die (vorerst) letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung endete vor dem 24.06.2013. Der Antragsgegner reagierte hierauf mit Schreiben vom 12.06.2013 (Anlage A 6 Bl.71 d.A.), in welchem er der Antragstellerin ihre Einsatzzeiten für die Woche ab 24.06.2013 bekannt gab (darunter 2 Spät-, 3 Mittelschichten, die beiden freien Tage am Dienstag und Mittwoch).
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Zuvor hatte sich die Antragstellerin vergeblich, erstmals mit Anwaltsschreiben vom 21.12.2013 (Anlage A 3 Bl.68 d.A.) gerichtet an die Prozessvertretung des Antragsgegners, um geänderte Arbeitszeiten bemüht. Hierzu heißt es in diesem Schreiben wörtlich:
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Darüber hinaus hat uns unsere Mandantin beauftragt, einen Antrag nach § 8 Abs.1 TzBfG zu stellen. Hintergrund ist, dass unserer Mandantin die Schichtarbeit aufgrund der Betreuungssituation ihrer Kinder derzeit nicht möglich ist. Insofern beantragen wir namens und in Vollmacht unserer Mandantin, die Arbeitszeit ab dem 1.4.2013 dahingehend zu regeln, dass unsere Mandantin lediglich in der Zeit zwischen 07.00 Uhr und 15.30 Uhr eingeteilt wird. Diese Arbeitszeit könnte aufgrund des Umstandes, dass auch der Ehemann unserer Mandantin am Wochenende tätig ist, lediglich an den Wochentagen von Montag bis Freitag verteilt werden. Ihr Mitglied wird daher aufgefordert, die entsprechende Zustimmung fristgerecht zu erteilen.
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Nach vorausgegangenem Schriftwechsel erteilte der Antragsgegner schließlich mit Schreiben vom 22.03.2013 (Anlage A 4, Bl.69 d.A.) dem Begehren eine Absage. Daraufhin berief sich die Antragstellerin zunächst erfolglos mit Schreiben vom 18.04.2013 (Anlage A 5 Bl.70 d.A.) auf § 8 Abs.5 Satz 2 und 3 TzBfG und wandte sich schließlich mit dem vorliegenden Antrag -eingehend am 18.06.2013, dem Antragsgegner zugestellt am 19.06.2013- zunächst an das örtlich unzuständige Arbeitsgericht H. Dieses verwies das Verfahren sodann an eines der beiden tatsächlich örtlich zuständigen Arbeitsgerichte (L/Arbeitsort, M/Sitz d. Antragsgegners.), das Arbeitsgericht M.
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Die Antragstellerin ist der Auffassung, sie habe nach Maßgabe von § 8 TzBfG einen gesetzlichen Anspruch auf die von ihr gewünschte Arbeitszeit. Ein solcher ergebe sich schon kraft gesetzlicher Fiktion, mangels rechtzeitiger Ablehnung durch den Antragsgegner. Mit Schreiben vom 21.12.2012 habe sie einen ordnungsgemäßen Antrag nach Maßgabe von § 8 TzBfG gestellt. Sie sei mit Rücksicht auf ihre Genesung und die Betreuungssituation bei ihren Kindern dringend auf die Erfüllung dieses Wunsches angewiesen, könne auch nicht bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zuwarten.
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Die Antragstellerin beantragt,
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festzustellen, dass der Antragsgegner die Zustimmung zum Antrag der Antragstellerin vom 21.12.2012 nach § 8 Abs. 1 Teilzeitbefristungsgesetz auf Verteilung der Arbeitszeit von Montag bis Freitag im Zeitraum zwischen 07:00 Uhr und 15:30 Uhr erteilt hat.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzuweisen.
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Der Antragsgegner trägt vor, die Antragstellerin habe zu keiner Zeit einen ausreichend bestimmten Antrag nach § 8 TzBfG gestellt, eine rechtzeitige Ablehnung sei daher gar nicht erforderlich gewesen. Es sei in keiner Weise erkennbar, dass und in welchem Umfang die Antragstellerin ihre regelmäßige Arbeitszeit habe verringern wollen. Es sei ihr immer ausschließlich um die zeitliche Lage derselben gegangen. Hierfür aber sei § 8 TzBfG gar nicht einschlägig. Darüber hinaus sei die gewünschte Arbeitszeit für den Antragsgegner organisatorisch gar nicht umsetzbar. Als Schichtführerin müsse sich die Antragstellerin zeitlich an den Schichtzeiten orientieren, könne nicht lediglich Teilschichten wahrnehmen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Terminsprotokolle und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Antrag konnte keinen Erfolg haben.
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Es mag zwar sein, dass die Antragstellerin tatsächlich nicht in der Lage ist, Kinderbetreuung und Erfüllung ihres (unveränderten) Arbeitsvertrages gleichzeitig umzusetzen und in ihrer durch Artikel 6 GG geschützten Rechtsposition, betreffend die Personensorge für ihre Kinder, Unterstützung verdient. Dies ändert jedoch nichts daran, dass weder der für einen erfolgreichen Antrag erforderliche Verfügungsgrund (Eilbedürftigkeit) noch der gleichfalls hierfür erforderliche Verfügungsanspruch (Rechtsanspruch auf die begehrte Arbeitszeit) von ihr nicht einmal auch nur ansatzweise dargelegt wurden. Dies aber macht ihren Antrag von vorn herein offensichtlich aussichtslos.
I.
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Soweit hier überhaupt von einer Eilbedürftigkeit die Rede sein kann, ist diese von der Antragstellerin selbst durch langes Zuwarten herbeigeführt worden und kann ihr daher nicht zu Gute gehalten werden.
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Ausgehend davon, dass man eigene Erkrankungen und daraus resultierende Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht im Voraus planen kann, muss der Antragstellerin spätestens bei Erstellung des Schreibens vom 21.12.2012 bewusst gewesen sein, dass bereits ab dem Ende ihrer Elternzeit und damit ab dem 21.01.2013 genau die Situation eintreten wird, die sie nunmehr mit dem vorliegenden Antrag zu vermeiden sucht. Hätte sie sich damals zeitnah an das Arbeitsgericht gewandt, hätte Mitte Juli 2013 bereits ein Kammertermin im Hauptsacheverfahren, statt nur im Eilverfahren, stattfinden können. Stattdessen hat sie sich erst etliche Schreiben, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Monate später unter der Behauptung der nunmehrigen Dringlichkeit hierzu entschlossen.
II.
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Ein Rechtsanspruch auf die gewünschte Arbeitszeit kann vorliegend nicht erkannt werden.
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Der in § 8 Abs.2 Satz 2 normierte Wunsch betreffend die Verteilung der Arbeitszeit muss zwingend in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Wunsch auf Reduzierung der Arbeitszeit stehen. Ist dies nicht der Fall, soll die Arbeitszeit gleich bleiben und lediglich anders verteilt werden, so ist die genannte Vorschrift gar nicht erst einschlägig (vgl. etwa BAG 16.12.2008 - 9 AZR 893/07, AP § 8 TzBfG Nr.27). Damit die von der Antragstellerin behauptete Fiktion nach § 8 Abs.5 Satz 3 TzBfG eintreten kann, ist des Weiteren zwingende Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber rechtzeitig ein der Annahme fähiges Angebot unterbreitet. Insbesondere auf unbestimmte Verringerungsverlangen muss ein Arbeitgeber nicht innerhalb der Fristen in § 8 Abs.5 Satz 2 und 3 TzBfG reagieren, um eine sonst kraft Gesetzes eintretende Änderung des Arbeitsvertrages zu vermeiden (BAG 16.10.2007 - 9 AZR 239/07, NZA 2008, 289 m.w.N.).
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Die Antragstellerin aber hat weder im Schreiben vom 21.12.2012 noch in den weiteren eingereichten Schreiben oder zu irgendeinem Zeitpunkt im vorliegenden Verfahren (geschweige denn unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten vor Beginn i.S.v. § 8 Abs.2 Satz 1 TzBfG) -selbst auf entsprechendem gerichtlichen Hinweis- ein konkretes Verringerungsverlangen zum Ausdruck gebracht. Der von ihr genannte Zeitrahmen Montag bis Freitag 7:00 Uhr bis 15:30 Uhr ist ausreichend, um die tarifliche Vollzeit von 39 Wochenstunden inklusive gesetzlich vorgesehener Pausenzeiten (+ 5 x 0,5 Stunden) aufzunehmen. Selbst wenn die Antragstellerin stillschweigend die Schichten bei dem Antragsgegner zu Grunde gelegt haben sollte und damit Teil-Frühschichten von 7:00 Uhr bis 13:30 Uhr und Teil-Mittelschichten von 12:00 Uhr bis 15:30 Uhr in Aussicht stellen wollte, ist nicht klar, welche veränderte Wochenstundenzahl sie damit insgesamt anbieten wollte.
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2) Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Einhaltung billigen Ermessens (§ 315 Abs.3 BGB) für die Ausübung des Direktionsrechts (§ 106 GewO) betreffend die Festlegung der Arbeitszeiten durch den Antragsgegner berufen, um ihren Antrag zu begründen. Dabei mag es dahingestellt bleiben, dass insoweit eine Zustimmungsfiktion, wie sie der konkrete Antrag der Antragstellerin eigentlich voraussetzt, nicht eingetreten sein kann.
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Zwar hat ein Arbeitgeber schon aufgrund seiner vertraglichen Fürsorgepflichten und um nicht einen Verstoß gegen § 315 Abs. 3 BGB zu begehen, bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit nach Möglichkeit auch auf die Personensorgepflichten der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen, sofern betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer nicht entgegenstehen. Gegebenenfalls kann, mit Rücksicht auf diese durch Art. 6 GG geschützte Rechtsposition des Arbeitnehmers das Direktionsrecht des Arbeitgebers sogar insgesamt als eingeschränkt angesehen werden. Um aber letztendlich feststellen zu können, ob eine konkrete Weisung betreffend die Lage der Arbeitszeit noch Rechtens ist bzw. billigem Ermessen entspricht oder nicht, bedarf es grundsätzlich einer Interessenabwägung in jedem Einzelfall. Es sind immer für den betreffenden Tag und die betreffenden Stunden die jeweiligen Interessen der Antragstellerin, anderer Arbeitnehmer und des Antragsgegners einander gegenüberzustellen, um sodann zu einem für die Antragstellerin ganz oder teilweise positivem oder negativem Ergebnis zu gelangen. Eine generelle Regelung ist danach in aller Regel ausgeschlossen. Es sei denn, es ist bereits absehbar, dass keine auch nur irgendwie denkbare Konstellation (nicht einmal ein betrieblicher Notfall) eintreten könnte, die im Einzelfall ein anderes Ergebnis rechtfertigen würde, selbst mit Rücksicht auf sonst gegebene Ermessensspielräume. Das Ermessen muss quasi bei Null liegen (vgl. LAG Köln 27.03.2012 - 12 Sa 987/11 und 03.08.2012 - 5 Sa 67/12; LAG Mecklenburg-Vorpommern 26.11.2008 - 2 Sa 217/08 jeweils zitiert über Juris).
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Die Antragstellerin aber hat nicht einmal ausreichend substantiiert ihre Betreuungssituation im Einzelnen dargelegt. Insbesondere ist nicht erkennbar, für welche Zeiten und welches Kind eine Unterbringung in einer Krippe bzw. einem Kindergarten möglich ist, welche Zeiten der Ehemann der Klägerin abdecken kann, ob weitere Familienmitglieder Oma, Opa, Onkel, Tante etc. vorhanden sind und wenn ja, für welche Zeiträume die Betreuung übernehmen können. D.h. es ist gar nicht absehbar, welche Zeiten sie notfalls abdecken kann und welche nicht. Dem ist gegenüber zu stellen, dass regelmäßig zumindest die betriebliche Organisation zu beachten ist bzw. vom Arbeitgeber nicht ohne Weiteres verlangt werden kann, diese gänzlich zu ändern. Dies betrifft hier die vollständige Arbeit in zumindest einer der zur Verfügung stehenden Schichten. Weiterhin ist zu beachten, dass nur in absoluten Ausnahmenfällen auszuschließen ist, dass eine Beschäftigungssituation in einem Betrieb entstehen könnte, die selbst im Falle einer ansonsten regelmäßig zu Gunsten der Arbeitnehmerin zu treffenden Interessenabwägung im Einzelfall zum umgekehrten Ergebnis führt. Dass unter all diesen Umständen im vorliegenden Fall eine generelle Festlegung der von der Antragstellerin gewünschten Arbeitszeiten als Ergebnis der Interessensabwägung steht, kann sicherlich nicht einmal die Antragstellerin für sich selbst als realistisch ansehen. Eine so unzureichende Begründung kann nur zur Zurückweisung führen.
III.
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Die Kosten des Rechtsstreits sind nach Maßgabe von § 91 Abs.1 ZPO von der Antragstellerin als unterlegene Partei zu tragen.
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Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach Maßgabe von §§ 3ff. ZPO. Im vorliegenden Fall war es angemessen einen Monatsverdienst der Antragstellerin hierfür zu Grunde zu legen.
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Referenzen
- §§ 3ff. ZPO 1x (nicht zugeordnet)
- ArbZG § 4 Ruhepausen 1x
- § 8 TzBfG 6x (nicht zugeordnet)
- GewO § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers 1x
- § 8 Abs.1 TzBfG 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Abs.5 Satz 2 und 3 TzBfG 2x (nicht zugeordnet)
- § 8 Abs.5 Satz 3 TzBfG 1x (nicht zugeordnet)
- § 8 Abs.2 Satz 1 TzBfG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei 2x
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ArbGG § 61 Inhalt des Urteils 1x
- 9 AZR 893/07 1x (nicht zugeordnet)
- 9 AZR 239/07 1x (nicht zugeordnet)
- 12 Sa 987/11 1x (nicht zugeordnet)
- 5 Sa 67/12 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (2. Kammer) - 2 Sa 217/08 1x