Beschluss vom Arbeitsgericht Mönchengladbach - 5 BV 20/22
Tenor
Es wird ein aus drei Personen bestehender Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsratswahl im Betrieb der Arbeitgeberin Verkauf, bestehend aus allen Verkaufsfilialen der Region A. bestellt.
Der Wahlvorstand setzt sich zusammen aus
- 1.
Herrn X. J., als Vorsitzender
- 2.
Herrn K. D., als weiteres Mitglied
- 3.
Herrn H. D., als weiteres Mitglied
- 4.
Herrn T. H., als Ersatzmitglied
- 5.
Herrn D. D. Q., als Ersatzmitglied.
1
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten über die Einsetzung eines Wahlvorstandes zur Durchführung einer Betriebsratswahl gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG.
4Die Antragsteller sind jeweils Arbeitnehmer der Beteiligten zu 5, bei der es sich um eine rechtliche eigenständige Regionalgesellschaft innerhalb der Unternehmensgruppe M. D.handelt. Die Beteiligte zu 5 ist für die Region A. zuständig ist. Sie unterhält in ihrem Geschäftsgebiet ca. 82 Verkaufsfilialen mit ca. 1.800 Beschäftigte. Neben den Verkaufsstellen unterhält die Beteiligte zu 5. an ihrem Sitz in A. ein Logistikzentrum, einen Fuhrpark sowie die Verwaltung.
5Im Betrieb der Beteiligten zu 5. besteht bislang kein Betriebsrat.
6Mit Schreiben vom 06.04.2022 luden insgesamt 5 wahlberechtigte Arbeitnehmer zu einer Betriebsversammlung zwecks Bildung eines Wahlvorstandes gemäß § 17 Abs. 3 BetrVG ein.
7Die Betriebsversammlung fand am 14.04.2022 ab 8:00 Uhr in einem angemieteten Saal in B. statt. An der Betriebsversammlung nahmen ca. 500 Personen teil. Es wurde auf dieser Betriebsversammlung, die um 11:40 Uhr abgebrochen werden musste, kein Wahlvorstand gewählt.
8Mit Schriftsatz vom 14.04.2022 haben die Beteiligten zu 1 bis 4 das Beschlussverfahren eingeleitet.
9Am 16.08.2022 fand inzwischen eine weitere Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes statt, an der insgesamt 335 Beschäftigte der Beteiligten zu 5 teilnahmen. Es sollte ein dreiköpfiger Wahlvorstand nebst drei weiteren Ersatzmitgliedern gewählt werden. Es wurde lediglich ein Wahlgang durchgeführt. Stichwahlen wurden nicht durchgeführt. Nur Herr N. H. erhielt mit 208 Stimmen die notwendige absolute Mehrheit der Stimmen der anwesenden Beschäftigten. Herr M. D. erhielt lediglich 166 Stimmen, Herr J. O. 159 Stimmen, Herr M. E. 133 Stimmen, Frau B. U. 129 Stimmen und der Beteiligte zu 1 lediglich 116 Stimmen.
10Die Beteiligten zu 1 bis 4 meinen, dass ein Wahlvorstand durch das Arbeitsgericht gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG zu bestellen sei. Auf der Betriebsversammlung am 16.08.2022 sei kein Wahlvorstand gewählt worden, so dass der Antrag weiterhin zulässig sei.
11Sie beantragen zuletzt, wie folgt zu erkennen:
12Es wird ein aus drei Personen bestehender Wahlvorstand zu Durchführung der Betriebsratswahl im Betrieb Verkauf (bestehend aus den allen Verkaufsfilialen) bestellt.
13Der Wahlvorstand setzt sich zusammen aus
141. Herrn X. J., als Vorsitzender
152. Herrn K. D., als weiteres Mitglied
163. Herrn H. D., als weiteres Mitglied
17sowie
184. Herrn T. H., als Ersatzmitglied
195. Herrn D. D. Q., als Ersatzmitglied.
20Die Beteiligte zu 5 stellt keinen Antrag.
21Sie meint, dass die Beteiligten zu 1 bis 4 nicht zum Wahlvorstand bestellt werden sollten.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
23II.
24Der Antrag ist zulässig (1) und begründet (2).
251.)
26Der Antrag ist zulässig.
27a.)
28Der Antrag ist hinreichend bestimmt. Dem Antrag fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Durch die Anrufung des Arbeitsgerichts auf Bestellung eines Wahlvorstands wird die Zuständigkeit der Betriebsversammlung zu seiner Bestellung noch nicht beseitigt. Sie kann so lange einen Wahlvorstand wählen, bis die arbeitsgerichtliche Entscheidung über die Ersatzbestellung rechtskräftig geworden ist (vgl. (Richardi BetrVG/Thüsing, 17. Aufl. 2022, BetrVG § 17 Rn. 34, 35). Der Antrag wäre dann, wenn auf der Betriebsversammlung am 16.08.2022 ein Wahlvorstand gewählt worden wäre, unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag fehlen würde. Das Verfahren müsste dann eingestellt werden. Auf der Betriebsversammlung am 16.08.2022 wurde aber kein Wahlvorstand gewählt. Die Wahl eines Wahlvorstands auf der Betriebsversammlung erfordert, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ergibt, dass jedes Wahlvorstandsmitglied mit der Mehrheit der Stimmen der bei der Betriebsversammlung anwesenden Arbeitnehmer gewählt wird. Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt nicht, um in den Wahlvorstand gewählt zu werden. Es müssen dann Stichwahlen durchgeführt werden (vgl. BAG, Beschluss vom 20.02.2019 – 7 ABR 40/17 – juris).
29An der Betriebsversammlung am 16.08.2022 nahmen insgesamt 335 Beschäftigte der Beteiligten zu 5 teil. Es sollte ein dreiköpfiger Wahlvorstand nebst drei weiteren Ersatzmitgliedern gewählt werden. Es wurde aber nur ein Wahlgang durchgeführt, bei dem lediglich Herr N. H. mit 208 Stimmen die notwendige absolute Mehrheit erhielt. Herr M. D. erhielt lediglich 166 Stimmen, Herr J. O. 159 Stimmen, Herr M. E. 133 Stimmen, Frau B. U. 129 Stimmen und der Beteiligte zu 1 lediglich 116 Stimmen. Es hätten nunmehr Stichwahlen durchführen müssen um zu bestimmen, welche der weiteren Wahlbewerber in den Wahlvorstand einrückt, und welche als Ersatzmitglieder heranzuziehen sind. Aus welchen Gründen keine Stichwahlen durchgeführt worden sind, ist unerheblich. In der Betriebsversammlung am 16.08.2022 wurde die Wahl eines Wahlvorstandes deshalb nicht abgeschlossen. Die nicht abgeschlossene Wahl eines Wahlvorstandes steht einer unterlassenen Bestellung des Wahlvorstandes gleich (vgl. ArbG Hamburg, Beschluss vom 07.01.2015 – 27 BVGa 5/14 –, juris). Da auf der Betriebsversammlung am 16.08.2022 kein Wahlvorstand gewählt wurde, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG nicht.
30b.)
31Die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen unstreitig vor. Die Arbeitgeberin ist zu beteiligen.
322.)
33Der Antrag ist begründet. Das Arbeitsgericht hatte nach § 17 Abs. 4 BetrVG einen Wahlvorstand zur Wahl eines Betriebsrats im Betrieb „Verkaufsfilialen Region A.“ der Beteiligten zu 5 zu bestellen.
34a.)
35Nach § 17 Abs. 4 BetrVG bestellt das Arbeitsgericht in einem betriebsratslosen Betrieb auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmer oder einer im Betrieb vertretenden Gewerkschaft einen Wahlvorstand, wenn trotz Einladung keine Betriebsversammlung stattfindet oder wenn es den Arbeitnehmern des Betriebs nicht gelungen ist, auf einer Wahlversammlung, zu der ordnungsgemäß eingeladen wurde, einen Wahlvorstand zu wählen. Dadurch wird der Vorrang der Belegschaft des Betriebs gesichert, selbst einen Wahlvorstand nach ihren Vorstellungen einzusetzen. Nach § 17 Abs. 3 BetrVG soll allen betroffenen Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet werden, ihre eigenen kollektiven Interessen durch eine Beteiligung an der Initiative zur Bildung eines Betriebsrats selbst wahrzunehmen, bevor es zur gerichtlichen Bestellung eines Wahlvorstands kommt (vgl. BAG, Beschluss vom 20.02.2019 – 7 ABR 40/17 – juris).
36Die Voraussetzungen für die Bestellung des Wahlvorstandes durch das Arbeitsgericht gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG liegen vor.
37aa.)
38Es ist unstreitig, dass die Verkaufsfilialen der Region A. insgesamt einen betriebsratsfähigen Betrieb i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darstellen. In diesem Betrieb sind ersichtlich mehr als mehr als fünf ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer tätig, von denen drei wählbar sind.
39bb.)
40Die Beteiligten zu 1. – 4 sind wahlberechtigt und damit berechtigt, die Bestellung eines Wahlvorstandes gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG zu beantragen. Sie konnte auch zur Betriebsversammlung am 14.04.2022 einladen. Ein Betriebsrat existiert in dem Betrieb nicht. Es existiert auch kein Gesamtbetriebsrat oder ein Konzernbetriebsrat der einen Wahlvorstand bestellen könnte.
41cc.)
42Auf der Betriebsversammlung, die am 14.04.2022 stattfand, und zu der unstreitig ordnungsgemäß eingeladen worden ist, wurde kein Wahlvorstand gewählt. Die Betriebsversammlung musste abgebrochen werden. Eine Wahl des Wahlvorstandes wurde nicht durchgeführt. Aus welchen Gründen auf der Betriebsversammlung am 14.04.2022 kein Wahlvorstand gewählt worden ist, ist unerheblich (vgl. BAG, Beschluss vom 20.02.2019 – 7 ABR 40/17 – juris). Auch die Gründe für den Abbruch der Betriebsversammlung am 14.04.2022 sind im Rahmen des Bestellungsverfahrens gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG nicht relevant. Ein Wahlvorstand wurde auch auf der Betriebsversammlung am 16.08.2022, wie ausgeführt, nicht gewählt. Es gibt derzeit keinen gewählten Wahlvorstand, so dass dieser durch das Arbeitsgericht gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG zu bestellen ist.
43dd.)
44Die Mitarbeiter X. J., K. D., und Herrn H. D., welche alle bei der Beteiligten zu 5.) beschäftigt sind, haben sie bereit erklärt, das Amt eines Wahlvorstandes zu übernehmen. Die bei der Beteiligten zu 5.) beschäftigen Herren T. H. und D. D. Q. stehen als Ersatzmitglieder zu Verfügung. Die Arbeitsverhältnisse dieser Mitarbeiter wurden nicht beendet.
45b.)
46Die Einwände der Beteiligten zu 5, welche sie im Schriftsatz vom 14.07.2022 vorgebracht hat, sind unerheblich. Im Rahmen des Verfahrens gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG ist die persönliche Integrität der Antragssteller und (Ersatz-)Mitglieder des Wahlvorstandes durch das Arbeitsgericht nicht zu überprüfen.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
47Gegen diesen Beschluss kann von den Beteiligten zu 5 Beschwerde eingelegt werden.
48Für die Beteiligten zu 1 bis 4 ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
49Die Beschwerde muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
50Landesarbeitsgericht Düsseldorf
51Ludwig-Erhard-Allee 21
5240227 Düsseldorf
53Fax: 0211 7770-2199
54eingegangen sein.
55Für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse besteht ab dem 01.01.2022 gem. §§ 46g Satz 1, 80 Abs. 2 ArbGG grundsätzlich die Pflicht, die Beschwerde ausschließlich als elektronisches Dokument einzureichen. Gleiches gilt für vertretungsberechtigte Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.
56Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
57Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
58Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
59- 60
1. Rechtsanwälte,
- 61
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 62
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
64* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
65Dr. V.
66Verkündet am 19.08.2022
67W.
68Regierungsbeschäftigte
69als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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