Urteil vom Arbeitsgericht Münster - 3 Ca 2246/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Der Streitwert wird auf 5.714,17 € festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Mit seiner unter dem 02. Dezember 2013 beim Arbeitsgericht in Münster eingegangenen Klage begehrt der Kläger weitere Entgeltzahlung. Die Parteien streiten um die Frage der Entgelthöhe aufgrund einer streitigen Bindung an den Tarifvertrag für den Einzelhandel NRW.
3Der Kläger ist seit dem 01.07.1995 bei der Beklagten als Haustechniker beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 13.02.1995 zugrunde (Bl 4 ff. GA). In diesem heißt es auszugsweise:
4„§ 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages:
5Die Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel des Landes NRW in ihrer jeweils geltenden Fassung und deren Nachfolgeverträge sind Bestandteil dieses Vertrages.“
6§ 4 Nr. 2
7Das vereinbarte Entgelt beträgt: 3.700,00 DM je Monat“.
8In § 4 Nr. 1 hätte eine Lohngruppe eingetragen werden können, dieses Feld des Formulararbeitsvertrages ist ausdrücklich freigelassen.
9Der Kläger arbeitete bis zum 31.07.2013 40 Stunden pro Woche und verlangt dafür 2.762,67 € brutto. Ab 01.08.2013 arbeitet der Kläger 35 Stunden pro Woche und verlangt dafür Tarifgehalt in Höhe von 2.417,33 €. Wegen der Berechnung wird auf Bl. 2/3 und 88 der GA. verwiesen.
10Die Beklagte ist Mitglied im Einzelhandelsverband Ostwestfalen Lippe, der wiederum Mitglied im Einzelhandelsverband NRW ist.
11Zum 01.11.2004 ist die Beklagte Mitglied ohne Tarifbindung (OT-Mitglied).
12Am 01.03.2005 schlossen die Parteien eine Vereinbarung zur Arbeitszeitverlängerung. In dieser Änderungsvereinbarung heißt es auszugsweise:
13„Die Parteien sind sich darüber einig, dass der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag mit Wirkung ab dem 01.04.2005 wie folgt geändert wird. Die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter.“
14Die Beklagte hat Tariflohnerhöhungen im Einzelhandel seit 2005 nicht mehr weitergegeben.
15Zum 01.07.2012 kam bei der Beklagten aufgrund Spruch der Einigungsstelle eine Vergütungsordnung zustande.
16Der Kläger beansprucht entsprechend dem Lohntarifvertrag für den Einzelhandel NRW Eingruppierung und Vergütung entsprechend Lohngruppe III, Lohnstaffel d ab dem 2. Tätigkeitsjahr. Seine Ansprüche hat der Kläger mit Schreiben vom 26.09.2013, Bl. 17/18 d. GA. geltend gemacht.
17Am 17.05.2011, Bl. 81 GA und am 19.07.2013, Bl. 82 GA, unterzeichneten beide Parteien sog. Personalveränderungen auf denen Gehalt und Arbeitzeit geregelt wurden.
18Der Kläger meint, die Lohntarifverträge für den Einzelhandel fänden weiterhin auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. Das ergebe sich aus § 1 Abs. 3 seines Arbeitsvertrages. Nach der neueren Rechtsprechung des BAG handele es sich um eine dynamische Verweisung auf die Tarifverträge des Einzelhandels. Die Beklagte hätte im Jahre 2005 die Bindung an den Einzelhandelstarifvertrag zum Inhalt ihrer Willensbildung gemacht, so dass es auch nicht um einen sog. Altfall mit einer Gleichstellungsabrede gehe. Der Kläger habe erst im Jahr 2013 erfahren, dass ihm möglicherweise Tarifgehalt zustehe, darum habe er die Lohnzahlungen jahrelang hingenommen.
19Der Kläger beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.863,68 € brutto nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus 419,02 € seit dem 01.04.2013, aus 419,16 € seit dem 01.05.2013, aus 420,33 € seit dem 01.06.2013, aus 419,88 € seit dem 01.07.2013, aus 416,53 € seit dem 01.08.2013, aus 445,81 € seit dem 01.09.2013, aus 443,21 € seit dem 01.010.2013, aus 438,00 € seit dem 01.11.2013 und aus 441,75 € seit dem 01.12.2013 zu zahlen,
21sowie die Beklagte zu verurteilen, weitere 1.750,49 € brutto nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz aus 433,65 € seit dem 01.01.2014, aus 435,08 € seit dem 01.02.2014, aus 441,47 € seit dem 01.03.2014 und aus 440,29 € seit dem 01.04.2014 zu zahlen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Die Beklagte ist der Ansicht, es sei schon im Arbeitsvertrag nicht das Tarifgehalt vereinbart. Es sei im Arbeitsvertrag ein konkreter Lohn angegeben. Dies sei eine abweichende Vereinbarung.
25Weiterhin handele es sich auch bei § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrages um eine Gleichstellungsabrede und um einen Altfall, denn im Jahr 2005 hätten die Parteien die Bindung an den Einzelhandelstarifvertrag nicht zum Inhalt ihrer Willenserklärungen gemacht.
26Beiden Parteien sei im Jahr 2005 klar gewesen, dass die Beklagte die Tarifbindung habe aufgeben wollen und OT Mitglied im Einzelhandelsverband geworden war.
27Der Kläger habe sich deswegen auch seit Jahren nicht auf das Tarifgehalt berufen. Der Anspruch sei daher nach § 242 BGB verwirkt.
28Auch habe der Kläger im Jahr 2011 und 2013 Personalveränderungsbögen abgeschlossen, aus dem sich unmittelbar auch die Lohnhöhe ergebe. Dies sei eine zulässige andere Abmachung nach § 4 Abs. 5 TVG.
29Entscheidungsgründe:
30Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des aktuellen Tarifgehaltes entsprechend den Lohntarifverträgen für den Einzelhandel NRW. Der Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages i.V.m. den Lohntarifverträgen des Einzelhandels.
31Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei der Formulierung des § 1 Nr. 3 des Arbeitsvertrages nicht um eine dynamische Verweisung auf die Lohntarifverträge des Einzelhandelsverbandes NRW, sondern um eine sog. Gleichstellungsabrede.
32Dabei ist unschädlich, dass in § 4 Nr. 2 des Arbeitsvertrages ein konkreter Betrag als vereinbartes Entgelt aufgeführt ist. Hier handelt es sich nach Auffassung des Gerichts nur um eine Wissenserklärung, wie hoch das damalige Tarifgehalt war.
33Der Arbeitsvertrag ist vor dem 01. Januar 2002 vereinbart worden. Damit handelt es sich um einen sog. Altfall nach der Rechtsprechung des BAG. Die Klausel des Arbeitsvertrages ist als Gleichstellungsabrede auszulegen, mit der Rechtsfolge, dass nach Ende der Tarifbindung der Beklagten es sich um eine statische Verweisung auf den Lohntarifvertrag handelt. Diese Auslegungsregel wendet das BAG aus Gründen des Vertrauensschutzes auch weiterhin auf die Bezugnahmeklausel an, die vor dem 01.01.2002 vereinbart wurde (vgl. BAG, Entscheidung vom 14.12.2005 – 4 AZR 536/04 -; BAGE 116, 326).
34Für die sog. Neuverträge wendet das BAG die Auslegungsregel der Gleichstellungsabrede allerdings nicht mehr an. Vielmehr handelt es sich nach der Rechtsprechung des BAG um eine sog. unbedingte zeitdynamische Verweisung, soweit die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht wurde (vgl. BAG, Urteil vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 -; BAGE 122, S. 74).
35Bei Altverträgen kommt es bei der Auslegung nunmehr darauf an, ob die Parteien die Klausel nach 2002 nochmals zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht haben oder nicht (vgl. Urteil des BAG vom 18.11.2009 JURIS). Aus der Erklärung, dass alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben (vgl. Urteil des BAG vom 18.11.2009 – 4 AZR 515/08 Rdnr. 25 JURIS) ergibt sich ein Anhaltspunkt für eine rechtsgeschäftliche Willensbildung der Vertragsparteien zu diesem Gegenstand.
36In der Änderungsvereinbarung, die die Parteien in 2005 zur Arbeitszeit schlossen, heißt es ausdrücklich „die dabei nicht genannten Regelungen gelten weiter“. Diese Erklärung ist nach Auffassung des Gerichts inhaltsgleich mit der dem 10. Senat des BAG im Urteil vom 30.07.2008 – 10 AZR 606/07 – und in der bereits zitierten Entscheidung BAG, Urteil vom 18.11.2009 – 4 AZR 514/08 – JURIS genannten Erklärung.
37Allerdings handelt es sich bei der Verwendung der oben genannten Klausel nur um einen Anhaltspunkt für die Tatsache, dass die Parteien die weitere Bezugnahme auf dem Einzelhandelstarif zum Gegenstand ihrer Willensbildung machen wollten. Die Gesamtumstände sprechen eine andere Sprache. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass er in 2005 wusste, dass die Beklagte nicht mehr tarifgebunden war. Der Kläger hat auch zwar Überstunden eingeklagt, nie aber das Tarifgehalt. Auch ist noch im Jahr 2012 ein Spruch der Einigungsstelle zustande gekommen, der eine Vergütungsordnung bei der Beklagten regelt. Insofern geht die erkennende Kammer davon aus, dass alle Beteiligten und auch der Betriebsrat immer davon ausgegangen sind, dass gerade keine Tarifbindung mehr besteht.
38Somit wurde die Verweisungsklausel aus § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrages durch die Klausel „alle anderen Regelungen bleiben unverändert“ im Jahr 2005 gerade nicht zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien gemacht. Vielmehr handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um eine Standardformulierung, der von den Parteien keinerlei Bedeutung zugemessen wurde.
39Es kann nach Auffassung des Gerichts auch keinen Unterschied machen, ob die Parteien die Rechtsfolge „es ändert sich ansonsten nichts“, die auch ohne deklaratorische Aufnahme dieses Satzes eingetreten wäre, in den Vertragstext aufnehmen, oder nicht.
40Weiterhin hat der Kläger eine abweichende Vereinbarung nach § 4 Abs. 5 TVG am 04.02.2010 und 17.05.2011 geschlossen. Damit hat sich der Kläger im Nachwirkungszeitraum für die Zeit ab dem 01.03.2010 auf eine konkrete Entgelthöhe rechtsgeschäftlich geeinigt. Es bestand auch der Geschäftswille, die Vergütungshöhe abzuändern. Dass der Kläger nicht gewußt hat, dass er bis dahin Anspruch auf Tarifgehalt gehabt hätte, ist als Motivirrtum unbeachtlich. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Tarifgehalt. Danach war die Klage abzuweisen.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
42Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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Referenzen
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