Beschluss vom Bundesarbeitsgericht (8. Senat) - 8 AZN 872/16

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 10. August 2016 - 2 Sa 62/16 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.524,49 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die ausschließlich auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG) gestützte Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

2

I. Das Landesarbeitsgericht hat den Beklagten nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

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1. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht diesen nicht dadurch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, dass es den Zeugen Dr. E, der die Beweisfragen des Gerichts schriftlich beantwortet hatte, trotz eines entsprechenden Antrags des Beklagten nicht zu seiner Vernehmung geladen und so dem Beklagten nicht die Möglichkeit eröffnet hat, dem Zeugen Dr. E in der mündlichen Verhandlung Fragen vorlegen zu lassen oder diesen selbst zu befragen. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Anwendung von § 397 ZPO die Bedeutung und Tragweite von Art. 103 Abs. 1 GG nicht verkannt.

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a) Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass sowohl die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall ein Ausmaß an rechtlichem Gehör eröffnen, das dem Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes auch in Verfahren nach der Zivilprozessordnung gerecht wird und den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Insbesondere haben die Beteiligten einen Anspruch darauf, sich vor Erlass der gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Dem entspricht die Verpflichtung der Gerichte, Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. etwa BVerfG 24. August 2015 - 2 BvR 2915/14 - Rn. 15; 17. Januar 2012 - 1 BvR 2728/10 - Rn. 11).

5

Die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs ist den Verfahrensordnungen überlassen, die im Umfang ihrer Gewährleistungen auch über das von Verfassungs wegen garantierte Maß hinausgehen können. Nicht jeder Verstoß gegen Vorschriften des Verfahrensrechts ist daher zugleich eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Die Schwelle einer solchen Verfassungsverletzung wird vielmehr erst dann erreicht, wenn die Gerichte bei der Auslegung oder Anwendung des Verfahrensrechts die Bedeutung und Tragweite des grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör verkannt haben. Verletzungen einfachrechtlicher Verfahrensvorschriften sind somit im Einzelfall daraufhin zu überprüfen, ob unter Berücksichtigung des Wirkungszusammenhangs aller einschlägigen Normen der betroffenen Verfahrensordnung durch sie das unabdingbare Mindestmaß des verfassungsrechtlich gewährleisteten rechtlichen Gehörs verkürzt wurde (vgl. etwa BVerfG 24. August 2015 - 2 BvR 2915/14 - Rn. 16; 17. Januar 2012 - 1 BvR 2728/10 - Rn. 12).

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aa) Nach § 377 Abs. 3 Satz 3 ZPO ordnet das Gericht die Ladung des Zeugen, der - wie hier - Beweisfrage(n) bereits schriftlich beantwortet hat (§ 377 Abs. 3 Satz 1 ZPO), an, wenn es dies zur weiteren Klärung der Beweisfrage(n) für notwendig erachtet, zB wenn der Zeuge die Beweisfrage nicht schriftlich beantwortet, wenn seine schriftliche Aussage unvollständig, ungenau, unsicher oder einseitig erscheint oder der Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme auf den Zeugen besteht (vgl. BT-Drs. 11/3621 S. 39). Zwar setzt § 377 Abs. 3 ZPO in der ab dem 1. April 1991 geltenden Fassung - anders als § 377 Abs. 4 ZPO in der bis zum 31. März 1991 geltenden Fassung - nicht (mehr) voraus, dass die Parteien mit der schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage(n) durch den Zeugen einverstanden sind; allerdings lässt § 377 Abs. 3 ZPO das Fragerecht der Parteien nach § 397 ZPO unberührt. Nach § 397 Abs. 1 ZPO sind die Parteien berechtigt, dem Zeugen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die sie zur Aufklärung der Sache oder der Verhältnisse des Zeugen für dienlich erachten. Nach § 397 Abs. 2 ZPO kann der Vorsitzende den Parteien und hat ihren Anwälten auf Verlangen zu gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu stellen. Deshalb wird das Gericht den Zeugen regelmäßig auch dann zu laden haben, wenn die Parteien ihr Fragerecht nach § 397 ZPO ausüben wollen (vgl. BT-Drs. 11/3621 S. 39).

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bb) Beantragt eine Partei die Ladung eines zuvor nach § 377 Abs. 3 Satz 1 ZPO schriftlich befragten Zeugen, um diesem in der mündlichen Verhandlung Fragen stellen oder vorlegen lassen zu können, so ist das Gericht jedoch zur Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht in jedem Fall verpflichtet, diesem Antrag zu entsprechen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann 75. Aufl. § 377 Rn. 8, 9; ausdrücklich für die schriftliche Ergänzung Stadler ZZP 1997, 137, 161; aA Hansens NJW 1991, 953, 956; MüKoZPO/Damrau 5. Aufl. § 397 Rn. 2; PG/Trautwein 8. Aufl. § 377 Rn. 8; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 37. Aufl. § 377 Rn. 6; Schneider MDR 1998, 1133, 1135; Stein/Jonas/Berger 23. Aufl. § 377 Rn. 24, 33; Wieczorek/Schütze/Ahrens ZPO 4. Aufl. § 377 Rn. 51 mwN; Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 377 Rn. 10a; OLG Hamburg 8. Mai 2003 - 6 U 38/00 - zu I der Gründe; LG Berlin 25. November 1996 - 62 S 387/96 -; idR stattzugeben Musielak/Voit/Huber ZPO 13. Aufl. § 377 Rn. 8). Art. 103 Abs. 1 GG verlangt nicht, einem Antrag auf Ladung eines nach § 377 Abs. 3 Satz 1 ZPO schriftlich befragten Zeugen ausnahmslos Folge zu leisten, selbst wenn der Antrag rechtzeitig und nicht missbräuchlich gestellt ist. Da Art. 103 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung enthält, besteht auch kein verfassungsrechtlicher Anspruch, das einfachgesetzlich in § 397 ZPO geregelte Fragerecht gegenüber einem Zeugen in jedem Fall mündlich auszuüben. Es ist vielmehr verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Fachgerichte die Beteiligten vorrangig darauf verweisen, Fragen und Einwendungen schriftlich vorzutragen, um (sachverständige) Zeugen damit zu konfrontieren (vgl. BVerfG 29. Mai 2013 - 1 BvR 1522/12 - Rn. 2, BVerfGK 20, 319; 17. Januar 2012 - 1 BvR 2728/10 - Rn. 15 mwN). Im Übrigen ist die Ladung eines schriftlich befragten Zeugen zum Termin zwar die nächstliegende, aber nicht die einzige Möglichkeit zur Behandlung eines solchen Antrags. In Betracht kommt insoweit auch, den Zeugen um eine schriftliche Ergänzung seiner schriftlichen Aussage zu bitten (vgl. etwa BVerfG 24. August 2015 - 2 BvR 2915/14 - Rn. 19 für den Sachverständigenbeweis). Im Übrigen verbleibt es dabei, dass Verletzungen von § 397 ZPO im Einzelfall daraufhin zu überprüfen sind, ob durch sie das unabdingbare Mindestmaß des verfassungsrechtlich gewährleisteten rechtlichen Gehörs verkürzt wurde.

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cc) Ferner ist zu berücksichtigen, dass § 397 ZPO den Parteien kein unbeschränktes Fragerecht einräumt. Sinn und Zweck der Befragung des Zeugen durch die Parteien ist die Ausschöpfung des Beweismittels. Hieraus ergeben sich die Grenzen des Fragerechts. Unzulässig sind deshalb zB Fragen, die mit dem Beweisthema nichts zu tun haben, Ausforschungsfragen, unzulässige Fragen iSv. § 383 Abs. 3, § 376 ZPO und Suggestivfragen (vgl. etwa Thomas/Putzo/Reichold ZPO 37. Aufl. § 397 Rn. 2; Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 397 Rn. 4). Unzulässig sind darüber hinaus aber auch Fragen, die ersichtlich abwegig sind oder vom Zeugen bereits beantwortet wurden (vgl. etwa Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann 75. Aufl. § 397 Rn. 7; HK-ZPO/Siebert 7. Aufl. § 397 Rn. 4; Stein/Jonas/Berger 23. Aufl. § 397 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Ahrens ZPO 4. Aufl. § 397 Rn. 12; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 37. Aufl. § 397 Rn. 2).

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dd) Aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die Gerichte zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nach §§ 397, 402 ZPO verpflichtet sind, einem Antrag einer Partei auf mündliche Befragung eines gerichtlichen Sachverständigen unabhängig davon stattzugeben, ob das Gericht selbst das Sachverständigengutachten für erklärungsbedürftig hält (vgl. etwa BGH 19. November 2014 - IV ZR 47/14 - Rn. 8 mwN), folgt nichts Abweichendes.

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(1) Zum einen sind die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof für den Sachverständigenbeweis aufgestellt hat, auf den Zeugenbeweis nicht ohne Weiteres übertragbar. Zwischen dem Zeugenbeweis und dem Sachverständigenbeweis bestehen im Hinblick auf die Betroffenheit in dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erhebliche Unterschiede. Während der Zeuge dem Gericht über eigene Wahrnehmung von Tatsachen und tatsächlichen Vorgängen berichtet, ohne diesen Bericht durch Schlussfolgerungen auszuwerten, unterstützt der - im Übrigen austauschbare - Sachverständige das Gericht bei der Auswertung vorgegebener Tatsachen, indem er aufgrund seines Fachwissens, über das auch die Parteien regelmäßig nicht verfügen, subjektive Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen bekundet (Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 402 Rn. 1a). Vor diesem Hintergrund gehört es grundsätzlich zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs, dass die Parteien den Sachverständigen Fragen stellen, ihnen Bedenken vortragen und sie um eine nähere Erläuterung von Zweifelspunkten bitten können, weshalb der Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger umfasst(vgl. etwa BVerfG 6. März 2013 - 2 BvR 2918/12 - Rn. 19 ff.; 17. Januar 2012 - 1 BvR 2728/10 - Rn. 13 und 15; 3. Februar 1998 - 1 BvR 909/94 - zu II 2 a der Gründe). Je wichtiger ein Sachverständigengutachten für das Ergebnis eines Prozesses ist, desto mehr Gewicht kommt dem Recht der Verfahrensbeteiligten zu, Einwendungen dagegen vorzubringen und die Sachverständigen mit ihnen zu konfrontieren (BVerfG 3. Februar 1998 - 1 BvR 909/94 - zu II 2 b der Gründe), um so das Gutachten oder dessen Auslegung durch das Gericht in Frage zu stellen und damit die Überzeugungsbildung des Gerichts zu beeinflussen. Ein vergleichbares Bedürfnis, auf die Überzeugungsbildung des Gerichts Einfluss nehmen zu können, besteht bei der Aussage eines Zeugen, die sich auf die Wiedergabe wahrgenommener Tatsachen (§ 373 ZPO) beschränkt, nicht im selben Umfang. Diese Unterscheidung zwischen dem Zeugen- und dem Sachverständigenbeweis ist auch dann geboten, wenn es sich bei dem Zeugen um einen sachverständigen Zeugen (§ 414 ZPO) handelt und dieser nicht zur Bewertung, sondern zur Bekundung von Tatsachen herangezogen wird.

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(2) Im Übrigen gilt auch für den Sachverständigenbeweis, dass Art. 103 Abs. 1 GG nicht verlangt, einem rechtzeitigen und nicht missbräuchlichen Antrag auf Anhörung des Sachverständigen ausnahmslos Folge zu leisten, sondern dass im Einzelfall andere Möglichkeiten zur Gewährung rechtlichen Gehörs ausreichen können, indem der Sachverständige stattdessen um eine schriftliche Ergänzung seines Gutachtens gebeten wird oder das Gericht ein weiteres Gutachten einholt (vgl. etwa BVerfG 24. August 2015 - 2 BvR 2915/14 - Rn. 19; 6. März 2013 - 2 BvR 2918/12 - Rn. 21). Allerdings liegt dann ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor, wenn das Gericht einen Antrag auf Erläuterung des Sachverständigengutachtens völlig übergeht oder ihm allein deshalb nicht nachkommt, weil das Gutachten ihm überzeugend und nicht weiter erläuterungsbedürftig erscheint (vgl. etwa BVerfG 24. August 2015 - 2 BvR 2915/14 - aaO; 6. März 2013 - 2 BvR 2918/12 - aaO).

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b) Danach hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten nicht dadurch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, dass es den Zeugen Dr. E, der die Beweisfragen des Gerichts schriftlich beantwortet hatte, trotz eines entsprechenden Antrags des Beklagten nicht zu seiner Vernehmung geladen und so dem Beklagten nicht die Möglichkeit eröffnet hat, dem Zeugen Dr. E in der mündlichen Verhandlung Fragen vorlegen zu lassen oder diesen selbst zu befragen.

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aa) Soweit der Beklagte geltend macht, jedenfalls das Landesarbeitsgericht hätte den Zeugen Dr. E laden müssen, um Widersprüche im Hinblick auf die Frage aufzuklären, an wen der Zeuge den Behandlungsplan vom 2. Dezember 2011 geschickt hatte, übersieht er, dass bereits das Arbeitsgericht den Zeugen auf einen entsprechenden Antrag des Beklagten hin gebeten hatte, auch die Fragen schriftlich zu beantworten, warum er den Behandlungsplan für Kieferbruch an die I geschickt und sich nicht insoweit an die zuständige Berufsgenossenschaft gewandt habe. Diese Fragen hat der Zeuge Dr. E unter dem 23. November 2015 schriftlich dahin beantwortet, den Behandlungsplan am 19. Dezember 2011 an die Berufsgenossenschaft gesandt zu haben und dass ihm von einer Übersendung an die Krankenkasse nichts bekannt sei. Den Umstand, dass sich auf dem Behandlungsplan zunächst als Adressat die I befand, hat er dahin erläutert, dass der Behandlungsplan EDV-gestützt generiert werde, wobei im Adressfeld automatisch der Name der Krankenversicherung eingesetzt werde. Besondere Umstände, die zur Gewährung rechtlichen Gehörs dennoch eine mündliche Befragung des Zeugen erforderlich machten, hat der Beklagte insoweit nicht vorgetragen. Daran ändert auch der Hinweis des Beklagten auf das Schreiben der Klägerin vom 27. Mai 2015 nichts. In diesem Schreiben hatte die Klägerin ausgeführt, der Behandlungsplan sei „zunächst“ an die I gegangen. Damit war es nach diesem Schreiben keineswegs von vornherein ausgeschlossen, dass der Behandlungsplan auch, nämlich später, an die Berufsgenossenschaft versandt worden war. Im Übrigen erschließt sich aus dem Vorbringen des Beklagten auch nicht, was die Klägerin überhaupt zu der Frage, an wen der Zeuge Dr. E den Behandlungsplan geschickt hatte, aus eigener Anschauung hätte bekunden können.

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bb) Soweit der Beklagte sich darauf beruft, die persönliche Befragung des Zeugen Dr. E sei auch deshalb zur ausreichenden Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich gewesen, weil er bestritten habe, dass es anlässlich des Unfalls zu einer Beeinträchtigung zweier Zähne, nämlich der Zähne 11 und 12 gekommen sei, aus dem Behandlungsplan vom 2. Dezember 2011 ergebe sich lediglich eine Schädigung des Zahns Nr. 11, zudem habe der Zeuge in dem unter dem 29. Mai 2012 an die Berufsgenossenschaft gerichteten Fragebogen „Zahnärztliche Auskunft“ über die Behandlung des Unfallgeschädigten Eb angegeben, noch keinen Heil- und Kostenplan erstellt zu haben, was in Widerspruch stehe zu seiner Abrechnung vom 19. Oktober 2012, bleibt auch diese Rüge erfolglos.

15

(1) Der Zeuge Dr. E hatte in dem an die Berufsgenossenschaft gerichteten Fragebogen „Zahnärztliche Auskunft“ ausgeführt, der Unfallgeschädigte Eb habe ihn am 24. November 2011 aufgesucht und angegeben, von einem Arbeitskollegen - gemeint ist der Beklagte - niedergeschlagen worden zu sein. Zudem hatte der Zeuge Dr. E ausgeführt, am Zahn 11 eine fast vollständige Extrusion und am Zahn 12 eine Lockerung 3. Grades festgestellt zu haben, wobei beide Befunde aus seiner Sicht unfallbedingte Schädigungen seien, den Zahn 11 habe er entfernt.

16

(2) Das Arbeitsgericht hatte den Zeugen Dr. E unter dem 6. November 2015 um schriftliche Beantwortung der Frage gebeten, ob nach seinem Kenntnisstand vom Zustand des Gebisses des Geschädigten Eb die Zähne 11 und 12 vor dem Überfall am 22. November 2011 funktionsfähig waren und ob er das Ereignis vom 22. November 2011 darauf zurückführe, dass beide Zähne am 24. November 2011 irreparabel beschädigt waren. Beide Fragen hatte der Zeuge Dr. E unter dem 16. November 2015 ausdrücklich bejaht. Bereits damit war dem im Übrigen späteren Einwand des Beklagten, nur ein Zahn sei anlässlich des Unfallgeschehens beschädigt worden, Rechnung getragen worden.

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(3) Aus dem Umstand, dass es im Behandlungsplan vom 2. Dezember 2011 zum „Intraoralen Befund“ heißt: „Schwellung 11, 11 Lockerungsgrad III, nicht erhaltungswürdig“ und unter „vorgesehene Behandlung“ die „Extraktion 11, Sekundarteil 11 von OK Teleskopprothese aufgefüllt“ aufgeführt ist, kann der Beklagte im Hinblick auf eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nichts zu seinen Gunsten ableiten. Das Landesarbeitsgericht hat den diesbezüglichen Einwand des Beklagten nicht übergangen, es hat sich in der anzufechtenden Entscheidung vielmehr ausdrücklich mit diesem Einwand auseinandergesetzt, den Behandlungsplan für Kieferbruch allerdings dahin gewürdigt, dass sich aus diesem die Beeinträchtigung zweier Zähne ergebe, so dass die doppelte Angabe der Nr. 11 ein offensichtliches Versehen darstelle. Insoweit wendet der Beklagte sich demnach allein gegen die aus seiner Sicht fehlerhafte Würdigung des Behandlungsplans durch das Berufungsgericht. Art. 103 Abs. 1 GG schützt allerdings nicht davor, dass das Gericht dem Vorbringen der Parteien nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst (vgl. etwa BAG 17. November 2015 - 1 ABN 39/15 - Rn. 14 mwN) und auch nicht davor, dass das Landesarbeitsgericht den Behandlungsplan ggf. nicht zutreffend ausgelegt hat.

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(4) Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten bestand für das Berufungsgericht auch nicht deshalb Veranlassung, den Zeugen Dr. E zum Termin zu laden, weil der Zeuge in dem unter dem 29. Mai 2012 an die Berufsgenossenschaft gerichteten Fragebogen „Zahnärztliche Auskunft“ über die Behandlung des Unfallgeschädigten Eb am 24. November 2011 angegeben hatte, noch keinen Heil- und Kostenplan erstellt zu haben. Das Landesarbeitsgericht hat sich auch mit diesem Einwand des Beklagten auseinandergesetzt, allerdings angenommen, der Behandlungsplan für Kieferbruch sei kein solcher Heil- und Kostenplan. Darauf, ob diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft ist, kommt es nicht an. Auch hier gilt, dass Art. 103 Abs. 1 GG nicht davor schützt, dass das Gericht dem Vorbringen der Parteien nicht die aus deren Sicht richtige Bedeutung beimisst oder dass dem Gericht bei der Rechtsanwendung Fehler unterlaufen.

19

2. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht diesen auch nicht dadurch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, dass es zu der Frage einer möglichen Vorschädigung der Zähne des Geschädigten Eb kein Sachverständigengutachten eingeholt hat.

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a) Zwar gebietet Art. 103 Abs. 1 GG iVm. den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt allerdings erst dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG 30. Januar 1985 - 1 BvR 393/84 - BVerfGE 69, 141; BAG 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 34; BGH 28. Oktober 2014 - VI ZR 273/13 - Rn. 4).

21

b) Die Nichteinholung des vom Beklagten begehrten Sachverständigengutachtens findet im Prozessrecht jedoch eine Stütze. Der Beklagte hatte keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass das Gericht die Beweisfrage ohne zusätzliche sachverständige Hilfe - neben dem insoweit vom Gericht als sachverständigen Zeugen angesehenen Dr. E - nicht würde beurteilen können, weshalb das Landesarbeitsgericht dem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens nicht entsprechen musste (vgl. hierzu BVerfG 26. Oktober 2011 - 2 BvR 320/11 - Rn. 55).

22

3. Soweit der Beklagte geltend macht, der Zeuge Dr. E sei vom Arbeitsgericht zu vereidigen gewesen, scheidet eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ebenfalls aus. Es ist schon unklar, inwieweit sich aus einer fehlenden Vereidigung - insbesondere beim Arbeitsgericht - eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in der Berufungsinstanz ergeben könnte (grds. ablehnend für die fehlende Vereidigung eines Dolmetschers OVG Lüneburg 2. März 2000 - 3 L 4844/99 -; ablehnend für die fehlende Vereidigung einer Partei BayVerfGH 26. Oktober 1999 - Vf. 66-VI-98 -). Jedenfalls findet die fehlende Beeidigung des Zeugen im Prozessrecht ihre Stütze. Das Gericht ist nicht gezwungen, einen schriftlich befragten Zeugen zu vereidigen, sondern verfügt über ein entsprechendes Ermessen (§ 58 Abs. 2 Satz 2 ArbGG; grds. zum Ermessen Thomas/Putzo/Reichold ZPO 37. Aufl. § 391 Rn. 1). Hierauf hat das Landesarbeitsgericht in der anzufechtenden Entscheidung auch ausdrücklich hingewiesen. Der Beklagte hat allerdings schon keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass eine Beeidigung des Zeugen unerlässlich gewesen wäre.

23

II. Von einer weiteren Begründung zum sonstigen, vom Senat geprüften Vorbringen des Beklagten wird abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen die Revision zuzulassen ist (§ 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG). Weitergehende Ausführungen sind auch nicht von Verfassungs wegen geboten (vgl. BVerfG 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1382/10 - BVerfGK 18, 301).

24

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

   Schlewing   

        

    Winter    

        

   Roloff    

        

        

        

   Wein    

        

   F. Rojahn   

                 

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