Beschluss vom Bundesfinanzhof (10. Senat) - X B 96/09

Gründe

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sind zum Teil nicht in der erforderlichen Weise (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegt worden. Im Übrigen liegen sie nicht vor.

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1. Die Ausführungen der Kläger, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) bzw. zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen, genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

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Danach ist ausführlich darzustellen, inwiefern die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Insbesondere ist unter Wiedergabe der hierzu in der Rechtsprechung und/oder der Literatur vertretenen Auffassungen zu begründen, weshalb die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Rechtsfrage bereits entschieden, ist auszuführen, aus welchen Gründen es einer erneuten Entscheidung des BFH bedarf (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 31 f., 38, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

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Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. In dieser werden lediglich allgemein gehaltene Fragen aufgeworfen, die sich in ihrem Kern lediglich in der Kritik der angefochtenen Entscheidung des Finanzgerichts (FG) erschöpfen. So bringt die Frage, ob die regelmäßige über Jahre hinweg praktizierte Verfolgung durch Staatsorgane in einigen oder in einer Vielzahl von Fällen dokumentiert werden müsse, um für eine FG-Entscheidung maßgebliche Bedeutung zu haben, lediglich zum Ausdruck, das FG habe im Streitfall nicht erkannt, dass die in Frage stehenden Steuerbescheide auf Willkürmaßnahmen der Behörden der DDR beruht hätten. Gleiches gilt für die anderen von den Klägern gestellten Fragen wie etwa derjenigen, ob das bundesrepublikanische Rechtssystem so stark und widerstandsfähig sei, dass es mit dem Bewusstsein leben könne, erfahrenes Unrecht nicht erkannt und entsprechend einem Rechtsstaat beurteilt (abgeurteilt) zu haben.

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Der Vortrag der Kläger lässt eine substantiierte Auseinandersetzung mit der zu Art. 19 Satz 2 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag --EinigVtr--) vom 31. August 1990 (BGBl II 1990, 889) ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung vermissen. Danach ist ein vor dem Wirksamwerden des Beitritts der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik ergangener Steuerbescheid im Sinne dieser Vorschrift dann mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, wenn er sich bei einer Würdigung seines Inhalts und der seinen Erlass begleitenden Gesamtumstände nach dem nicht widerlegten äußeren Anschein als mutmaßlich politisch motivierte Willkürmaßnahme darstellt (ständige BFH-Rechtsprechung; vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 1995 X R 146/93, BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686; BFH-Urteil vom 8. Mai 1996 XI R 1/95, BFH/NV 1996, 874). Die Frage nach der Unvereinbarkeit von Steuerbescheiden der DDR mit rechtsstaatlichen Grundsätzen i.S. des Art. 19 Satz 2 EinigVtr ist daher nicht mehr von grundsätzlicher Bedeutung, da sie bereits geklärt ist (BFH-Beschluss vom 14. November 1995 IV B 28/95, BFH/NV 1996, 300; Senatsbeschlüsse vom 29. September 2004 X B 50/04, BFH/NV 2005, 166 und vom 15. Juli 2008 X B 147/08, BFH/NV 2008, 1656). Ob im konkreten Streitfall eine solche Willkürmaßnahme gegeben ist, bestimmt sich nach den Gesamtumständen dieses Einzelfalls. Ob diese Würdigung zutreffend ist, hat auch nicht deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil die Kläger behaupten, eine Vielzahl anderer Personen sei am Ausgang des Rechtsstreits interessiert (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 34).

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2. Die Kläger haben auch nicht schlüssig dargelegt, das angefochtene Urteil weiche i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO von dem Senatsurteil in BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686 ab. Hierfür genügt nicht der Vortrag, die in dem Senatsurteil aufgestellten Kriterien hätten auch im Streitfall vorgelegen. Vielmehr hätten die Kläger die tragenden Erwägungen in dem angefochtenen Urteil einerseits und der (vermeintlichen) divergierenden Entscheidung andererseits so herausarbeiten und gegenüberstellen müssen, dass erkennbar wird, dass die beiden Entscheidungen bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt von unterschiedlichen Rechtsgrundsätzen ausgehen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 42). Dies ist nicht geschehen. Die Kläger berücksichtigen auch nicht, dass das FG sich bei seiner Entscheidung ausdrücklich an den vom Senat im Urteil in BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686 aufgestellten Kriterien orientiert hat.

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Auch der Vortrag der Kläger, im Streitfall seien die zu beurteilenden Steuerbescheide entsprechend den vom angerufenen Senat im Beschluss in BFH/NV 2008, 1656 aufgestellten Kriterien mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar gewesen, ist nicht ausreichend. Der klägerische Vortrag lässt nicht erkennen, inwieweit das FG von einem tragenden Rechtssatz dieses Beschlusses abgewichen sein soll.

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3. Die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) sind jedenfalls nicht gegeben.

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a) Unbegründet ist die Rüge der Kläger, das FG habe bei seiner Entscheidung die Ausführungen in zahlreichen klägerischen Schriftsätzen, weshalb die zu beurteilenden Steuerbescheide rechtsstaatswidrig seien, unberücksichtigt gelassen und deshalb § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO und den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verletzt. Insbesondere habe das FG die in ihren Schriftsätzen genannten Umstände nicht gewürdigt, weshalb es im Streitfall nahe liege, dass die Steuerbescheide aufgrund einer politischen Motivation der DDR-Behörden zu sachwidrigen Zwecken ergangen seien.

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Die Kläger legen nicht dar, welche konkreten Umstände das FG nach ihrer Meinung unberücksichtigt gelassen hat. Hierzu wären konkrete Ausführungen jedenfalls deshalb erforderlich gewesen, weil das FG in den Gründen seines Urteils ausführlich dargelegt hat, weshalb es nicht davon ausgeht, dass die zu beurteilenden Steuerbescheide aus politisch motivierten sachwidrigen Gründen ergangen seien. Es hat unter anderem gewürdigt, dass entgegen der Annahme der Kläger die angesetzten höheren Betriebseinnahmen des Klägers nicht auf einer Strafschätzung, sondern auf einer Auswertung der klägerischen Konten beruhten. Auch wurden bei den Betriebsausgaben zusätzliche Löhne angesetzt. Das FG hat auch berücksichtigt, dass der steuerliche Berater der Kläger informeller Mitarbeiter der Staatssicherheit war. Das FG hat aber wegen des zeitlichen Abstands von nahezu drei Jahren zwischen den von diesem gefertigten Notizen über den Kläger und dem Zeitpunkt der Einleitung eines steuerlichen Ermittlungsverfahrens nicht feststellen können, dass dieser informelle Mitarbeiter, der den Kläger angezeigt hatte, und die Steuerbehörde kollusiv zusammengearbeitet hätten, an den Kläger mittels einer "Strafbesteuerung" in seiner wirtschaftlichen Existenz zu vernichten. Auch hat das FG den Umstand gewürdigt, dass der Kläger durch das Ministerium für Staatssicherheit auch später noch bespitzelt wurde.

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Soweit die Kläger rügen, die Würdigung des FG sei in Zweifel zu ziehen, insbesondere habe das FG nicht das Zusammenspiel verschiedener Behörden der DDR erkannt, welches dazu gedient habe, den klägerischen Betrieb zu zerschlagen, rügen sie keinen Verfahrensverstoß. Denn eine unzutreffende Sachverhalts- oder Beweiswürdigung begründet einen grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision führenden materiell-rechtlichen Fehler (Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2006 X B 165/05, BFH/NV 2007, 42).

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b) Unbegründet ist auch die Rüge, das FG habe gegen den Inhalt der finanzgerichtlichen Akten nicht berücksichtigt, dass sich die Kläger bereits Anfang 2002 um die Anfechtung der im Streit befindlichen Steuerbescheide bemüht hätten.

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Das FG hat in seinem Urteil (Seite 16) auf den Mai 2007 abgestellt, weil der Kläger erst am 15. Mai 2007 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) den Antrag auf Aufhebung der Steuerbescheide gestellt hat. Zu keinem anderen Ergebnis würde es indessen führen, wenn man auf das an das Amtsgericht A gerichtete Schreiben des Klägers vom 23. Februar 2002 (Anlage 9 zur Beschwerdebegründung) abstellt, in dem dieser um Übersendung verschiedener Kopien gebeten hatte. Denn auch zu diesem Zeitpunkt war der frühere steuerliche Berater der Kläger bereits verstorben und konnte daher nicht mehr als Zeuge dazu vernommen werden, inwiefern seine Tätigkeit als informeller Mitarbeiter der Staatssicherheit ursächlich war für das Ergehen der gegen die Kläger gerichteten Steuerbescheide. Im Übrigen ist unabhängig davon, weshalb erst so spät ein Antrag auf Aufhebung dieser Steuerbescheide gestellt wurde, die Ansicht des FG zutreffend, dass ein erheblicher zeitlicher Abstand eine Sachverhaltsaufklärung regelmäßig erschwert.

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c) Keinen Erfolg hat auch die Rüge, das FG habe den bei den Akten befindlichen Schriftsatz des Rechtsanwalts B vom 15. Mai 2007 nicht berücksichtigt. Das FG hat dessen Inhalt auf Seite 4 des Urteils wiedergegeben und sich mit den darin vorgetragenen Argumenten in den Entscheidungsgründen auseinandergesetzt, ist diesen jedoch im Ergebnis nicht gefolgt.

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d) Das FG hat entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt.

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Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Nach den Sätzen 2 und 3 dieser Vorschrift haben hierbei die Beteiligten mitzuwirken. Kommen die Beteiligten dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, reduziert sich die Ermittlungspflicht des FG. Stellen Beteiligte, die in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertreten sind, keine auf eine weitere Sachaufklärung gerichteten Anträge, kommt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG nur in Betracht, wenn sich dem FG eine weitere Sachaufklärung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. September 2006 V B 126/05, BFH/NV 2006, 2300). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn das FG seinem Urteil einen Geschehensablauf zugrunde legt, der unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung als ungewöhnlich erscheint und nach Aktenlage Anlass zu der Annahme besteht, dass der vom FG angenommene Sachverhalt sich so nicht abgespielt hat (Senatsbeschluss vom 10. Januar 2007 X B 113/06, BFH/NV 2007, 935). Die Tatsachen, aus denen sich eine Verpflichtung zur weiteren Sachaufklärung auch ohne Antrag ergeben soll, sind vorzutragen (Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2005 X B 51/05, BFH/NV 2006, 116).

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Dies vorausgeschickt, sind die Rügen der Kläger unbegründet, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt:

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aa) Der Vortrag der Kläger, das FG habe die von ihnen angeregte Einsicht in Akten und Unterlagen nicht vorgenommen, zeigt keinen Verfahrensverstoß auf. Bei der Verletzung der Sachaufklärungspflicht handelt es sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel. Bei diesem geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 100 ff., m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

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Die in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2009 rechtskundig vertretenen Kläger hätten dort einen Antrag auf Einsicht in die Verfahrensakten stellen können. Bei dieser Akteneinsicht hätte sich ergeben, welche Akten das FG beigezogen hat. Die Kläger hätten daher die unterbliebene Beiziehung weiterer Akten rügen können. Da sie in der mündlichen Verhandlung eine solche Rüge nicht erhoben haben, haben sie ihr Rügerecht verloren. Im Streitfall ist auch kein Sachverhalt gegeben, bei dem die Annahme des FG fern liegt, die angefochtenen Steuerbescheide seien nicht in rechtsstaatswidriger Weise ergangen, und sich daher eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen z.B. durch Beiziehung weiterer Akten aufgedrängt hätte.

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bb) Auch die Rüge, die Vernehmung von C in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2009 sei unzulänglich gewesen, greift nicht durch.

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Ausweislich der Niederschrift über diese mündliche Verhandlung hat das FG diesen Zeugen zwar nur formlos angehört. Die rechtskundig vertretenen Kläger hätten dies aber rügen und beantragen können, eine förmliche Zeugenvernehmung durchzuführen. Auch hätten sie von ihrem Recht Gebrauch machen können, ihrerseits den Zeugen zu befragen.

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4. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen schwerwiegender Mängel der angefochtenen Entscheidung zuzulassen.

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Dieser Grund für die Zulassung der Revision ist nur gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung objektiv willkürlich und unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (BFH-Beschluss vom 1. September 2008 IV B 4/08, BFH/NV 2009, 35). Daran fehlt es im Streitfall. Das FG hat sein Urteil nachvollziehbar begründet. Es weist keine Rechtsfehler von Gewicht auf. Auch lässt es keine sachfremden Erwägungen erkennen.

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