Beschluss vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII B 217/08

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat im November 1997 beim Zollamt X Rindfleisch zur Ausfuhr angemeldet. Sie hat dabei eine Genusstauglichkeitsbescheinigung der Veterinärbehörde vorgelegt, ausweislich derer das Fleisch in einem Isolierschlachtbetrieb erschlachtet worden ist. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) hat der Klägerin in Kenntnis vorgenannter Genusstauglichkeitsbescheinigung für das Fleisch Ausfuhrerstattung in Höhe von rd. 40.000 DM zunächst als Vorschuss gewährt und im März 1998 die Sicherheiten freigegeben. Es hat jedoch 1999 die Ausfuhrerstattung zurückgefordert, weil das Fleisch aufgrund seiner Herkunft aus einem Isolierschlachtbetrieb keine handelsübliche Qualität habe. Diese Auffassung hatte das Bundesministerium für Gesundheit bereits im September 1997 vertreten, wovon das HZA durch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) unterrichtet worden war. Durch einen Anruf des zuständigen Sachbearbeiters des HZA hatte die Klägerin seit Januar 1998 hiervon Kenntnis.

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Gegen den Rückforderungsbescheid wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Anfechtungsklage, die das Finanzgericht (FG) abgewiesen hat. Es urteilte, das Fleisch habe keine handelsübliche Qualität gehabt, was durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) geklärt sei. Der deshalb gebotenen Rückforderung der der Klägerin gewährten Ausfuhrerstattung stehe weder der Grundsatz der Rechtssicherheit noch der des Vertrauensschutzes entgegen. Denn die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH wirke grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ausgelegten Vorschrift zurück. Sie sei auch auf Rechtsbeziehungen anzuwenden, die vor dem Erlass der Entscheidung entstanden sind. Damit sei es unvereinbar, der Klägerin die gemeinschaftsrechtswidrig gewährte Ausfuhrerstattung auch nur für eine Übergangsfrist zu belassen. Das HZA habe zwar aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Genusstauglichkeitsbescheinigung die Herkunft des Fleisches erkennen können und rechtswidrig den Erstattungsvorschuss gewährt und die Sicherheiten freigegeben. Bei Freigabe der Sicherheiten sei die Klägerin jedoch nicht in gutem Glauben gewesen, was der Anerkennung eines schutzwürdigen Vertrauens entgegenstehe. Der Vorschussbescheid habe nur ihre Hoffnung begründen können, dass die Erstattung gewährt werde.

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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die Revisionszulassungsgründe in der Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit und der sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Einräumung einer angemessenen Übergangsfrist, in der Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und in der Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Hinblick auf die verwaltungsmäßige Behandlung von Fleisch aus registrierten Schlachtbetrieben sieht und sich sowohl auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Notwendigkeit einer Bewahrung der Rechtseinheit und der Fortentwicklung des Erstattungsrechts, gravierende Rechtsanwendungsfehler des FG als auch Verfahrensfehler als Revisionszulassungsgrund beruft.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Grund, der nach § 115 Abs. 2 FGO zur Zulassung der Revision führen kann, durch die Darlegungen der Beschwerde, die überwiegend lediglich nach Art einer Revisionsbegründung Angriffe gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung des FG vorträgt, in weiten Teilen nicht einmal schlüssig dargelegt wird, jedenfalls aber, wo die Ausführungen der Beschwerde den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügen mögen, nicht vorliegt.

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1. Ob der EuGH durch seine Entscheidung, zur handelsüblichen Qualität gehöre die Vermarktungsfähigkeit in der Gemeinschaft unter normalen Bedingungen, weshalb in Isolierschlachtbetrieben erschlachtetes Fleisch keine handelsübliche Qualität besitze, den Tatbestand des Art. 13 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. L 351/1) --in von der Klägerin offenbar für unzulässig gehaltener Weise-- überraschend ein neues Tatbestandsmerkmal hinzugefügt hat, wie die Beschwerde behauptet, und ob deshalb der Grundsatz, dass Auslegungsentscheidungen des EuGH auch für Streitfälle zu beachten sind, denen ein vor Ergehen einer solchen Entscheidung verwirklichter Sachverhalt zugrunde liegt, hier nicht anzuwenden ist, bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, weil diese Frage klar und eindeutig zu verneinen ist. Dass Handel üblicherweise nicht nur --wie bei Isolierfleisch-- in einem eng reglementierten Verfahren über besondere örtliche Vertriebsstellen betrieben wird, mithin eine Ware, die solchen Verkehrsbeschränkungen unterliegt, keine "handelsübliche" Qualität hat, ist eine, wenn nicht naheliegende, so doch offenkundig ernsthaft in Betracht zu ziehende und weder als überraschend noch als unzulässige Rechtsauslegung zu brandmarkende Auffassung, zumal von vornherein auf der Hand lag, dass ein Begriff wie der der "handelsüblichen Qualität" auslegungsbedürftig ist.

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Bereits damit erledigt sich der Einwand der Beschwerde, um welchen ihr gesamtes Vorbringen kreist, die streitige Rückforderung sei mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht vereinbar. Wer bei unsicherer Rechtslage darauf vertraut, diese werde zu seinen Gunsten geklärt werden, handelt auf eigenes Risiko und kann sich später nicht auf jene Grundsätze berufen, wenn die Rechtslage eine andere ist, als er angenommen hatte. Deshalb stellt sich auch nicht die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob maßgeblicher Bezugspunkt der in diesem Zusammenhang anzustellenden Prüfung der Zeitpunkt der Freigabe der Sicherheit (also der endgültigen Gewährung der Ausfuhrerstattung) ist oder ein davor gelegener, unter Umständen sogar der der Erteilung einer Ausfuhrlizenz mit Vorausfestsetzung der Erstattung. Für den Streitfall ist nämlich entscheidend, dass zu keinem Zeitpunkt Rechtssicherheit bestanden hat, die Klägerin also aufgrund des Wortlauts des Unionsrechts, insbesondere des Art. 13 VO Nr. 3665/87, von Anfang an in Betracht ziehen musste, dass ihr Ausfuhrerstattung für Isolierfleisch möglicherweise nicht zusteht. Dass sie vom Bestehen eines Erstattungsanspruchs sicher ausgehen konnte, ist in der Beschwerdebegründung jedenfalls nicht schlüssig dargelegt, wie es für eine erfolgreiche Rüge, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, erforderlich wäre; denn nur dann könnte sich überhaupt die Rechtsfrage stellen, ob ein Ausführer unter solchen Umständen eine Erstattung behalten darf, die ihm nach dem Unionsrecht an sich nicht zusteht, was übrigens allein aus einer bisherigen (objektiv rechtswidrigen) Verwaltungshandhabung des HZA im Allgemeinen nicht hergeleitet werden kann.

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Erst recht nicht sind von der Beschwerde Umstände dargelegt worden, welche es als greifbar gesetzwidrig oder objektiv willkürlich erscheinen lassen, dass die Rückforderung der bereits gewährten Erstattung trotz der früheren Verwaltungspraxis vom FG zugelassen worden ist, und die deshalb eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO aufgrund der von der Beschwerde gerügten angeblichen "gravierenden Rechtsanwendungsfehler" rechtfertigten.

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2. Bei ihrem Vorbringen zu den Rechtsfolgen des Schreibens des BMF vom 16. September 1997 geht die Beschwerde von einem anderen Sachverhalt als dem aus, den das FG --ohne dass die Klägerin dagegen revisionsrechtlich beachtliche Rügen erhoben hätte-- festgestellt hat und welcher gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den beschließenden Senat allein maßgeblich ist. Die Ansicht der Beschwerde, es liege ein Verfahrensmangel darin, dass die Tatsachenfeststellungen des FG insoweit nicht dem Vortrag der Klägerin entsprächen und damit aktenwidrig seien, kann für sich stehen.

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Aus dem vierten Absatz auf Seite 4 des Urteils des FG ergibt sich klar und deutlich, dass die Klägerin seit Januar 1998 davon wusste, dass Isolierfleisch nach Auffassung des BMF nicht erstattungsfähig ist; es kann also keine Rede davon sein, dass die Klägerin annehmen konnte, dies sei für die Verwaltung eine offene Frage. Wenn sie gleichwohl darauf vertraut hat, Isolierfleisch werde Ausfuhrerstattung erhalten, hat sie auf sich selbst vertraut. Im Übrigen wäre das Urteil des FG auch dann im Ergebnis richtig und die Beschwerde deshalb in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen, wenn es sich anders verhielte und die Klägerin bei Freigabe der Sicherheit den Inhalt des vorgenannten BMF-Schreibens nicht gekannt oder dieses einen anderen Inhalt als vom FG festgestellt gehabt haben sollte; denn das würde nichts daran ändern, dass sich die Klägerin von Anfang an ihres vermeintlichen Erstattungsanspruchs nicht so sicher sein konnte, dass eine Rückforderung der Erstattung möglicherweise als mit der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutzanspruch der Klägerin nicht vereinbar angesehen werden könnte.

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Im Übrigen ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass die Klägerin aufgrund der Freigabe der Sicherheit ihr angebliches Vertrauen bestätigt hätte, wie es dessen Schutzwürdigkeit erforderte; deshalb kann dahinstehen, wie der Umstand zu würdigen ist, dass das HZA die von der Klägerin gestellte Sicherheit in Kenntnis vorgenannten Schreibens freigegeben hat.

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3. Soweit die Beschwerde als Verfahrensmangel rügt, dass sich das Urteil des FG mit von der Beschwerde für entscheidend oder zumindest erörterungsbedürftig gehaltenen rechtlichen Gesichtspunkten nicht --oder jedenfalls nicht in einer für die Klägerin erkennbaren, ausdrücklichen Weise-- auseinandergesetzt hat, ist dies anders als die Beschwerde meint, kein Verfahrensmangel, sondern allenfalls ein materiell-rechtlicher Mangel, der in der unvollständigen rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts besteht. Dass das FG diesbezügliches Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hätte, wie die Beschwerde behauptet, und dadurch deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hätte, ist nicht schlüssig dargelegt; denn es ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht von ihm entgegengenommenes Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Dafür, dass es im Streitfall anders gewesen sein könnte, fehlt nicht nur jeder Anhaltspunkt, sondern dies wird von der Klägerin ersichtlich nur ins Blaue hinein behauptet.

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4. Im Übrigen besteht Anlass zu dem Hinweis, dass mit der floskelhaften Behauptung, die eine oder andere Frage sei eine "bedeutende Rechtsfrage", "es gebe zu ihr keine Rechtsprechung des BFH" oder es gehe um "Rechtsfortbildung im Erstattungsrecht", die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt wird. Es finden sich hingegen an keiner Stelle der Beschwerdebegründung ausreichende Darlegungen zu der Frage, inwiefern die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen über den zur Entscheidung stehenden Fall und möglicherweise eine begrenzte Zahl anderer ähnlicher Streitfälle hinaus, in denen es um die erstattungsrechtliche Behandlung von Isolierfleisch in der von der Klägerin selbst als Übergangszeit angesehenen Zeit nach Ergehen des vorgenannten Erlasses des BMF geht, Bedeutung haben und deshalb im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Auslegung und Anwendung des Rechts in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen oder an der Fortentwicklung des Rechts der Klärung durch den Bundesfinanzhof bedürfen.

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5. Soweit das Vorbringen der Beschwerde darauf zielt, es müsse zugunsten der Klägerin eine ähnliche Regelung wie die in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 450/2000 der Kommission vom 28. Februar 2000 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2698/1999 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen im Rindfleischsektor (ABlEG Nr. L 55/24) getroffene eingreifen, ist ein Revisionszulassungsgrund ebenfalls nicht dargelegt. Dass sich in diesem Zusammenhang nicht an einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) denken lässt, ist so leicht zu erkennen, dass es keiner Darlegung in dieser Entscheidung bedarf. Aber auch dass sich in diesem Zusammenhang eine Frage stellte, die der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung verliehe, ist schon deshalb nicht ernstlich in Betracht zu ziehen, weil es sich um eine Frage handelt, die sich offensichtlich allenfalls für eine begrenzte Zahl von Fällen der "Übergangszeit" stellt und die überdies eindeutig so zu beantworten ist, wie es das HZA getan hat, und die folglich nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf.

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