Beschluss vom Bundesfinanzhof (2. Senat) - II S 26/10 (PKH)

Tatbestand

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I. Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts für ein Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision (§ 116 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 16. Juli 2010  13 K 84/07, durch das seine Klage gegen die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer mit Bescheid vom 14. Juni 2006 durch den Beklagten und Antragsgegner (Finanzamt --FA--)abgewiesen worden ist.

Entscheidungsgründe

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II. Der Antrag wird abgelehnt.

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1. Der vom Antragsteller selbst gestellte PKH-Antrag ist zwar zulässig, weil für ihn kein Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO besteht (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Dezember 2001 VII S 13/01, BFH/NV 2002, 692, und vom 9. April 2002 X S 2/02 (PKH), BFH/NV 2002, 949).

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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten einer Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für den Eintritt des Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (z.B. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1999 V S 6/99, BFH/NV 2000, 193).

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Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Der Antragsteller hat keine Verfahrensfehler dargelegt, die vorliegen und auf denen das Urteil des FG i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruhen könnte.

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a) Soweit der Antragsteller ausführt, die beim FG zuständige Einzelrichterin habe dadurch sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt, dass sie ihm ihre Zuständigkeit als Einzelrichterin erst am 2. Juli 2010 bekannt gegeben und schon auf den 16. Juli 2010 geladen habe, ist dem zu entgegnen, dass nach § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Ladungsfrist von zwei Wochen vorgesehen ist, die dem Schutz des Anspruchs der Beteiligten auf rechtliches Gehör dient und deshalb auch nur ausnahmsweise nach § 91 Abs. 1 Satz 2 FGO abgekürzt werden kann. Daraus folgt, dass aus Sicht des Gesetzgebers bei Beachtung der gesetzlichen Ladungsfrist des § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO der Anspruch auf rechtliches Gehör in vollem Umfang gewährleistet ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1981 II R 91/79, BFHE 132, 394, BStBl II 1981, 401).

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b) Die Einlassung des Antragstellers, die betroffene Richterin habe alles getan, um ihn von der Stellung eines Befangenheitsantrages abzuhalten, begründet schon deshalb keinen beachtlichen Verfahrensmangel, weil auf ihm das FG-Urteil nicht beruhen kann. Der Antragsteller hat nämlich am 6. Juli 2010 und damit vor der mündlichen Verhandlung einen Befangenheitsantrag gestellt, den das FG am 14. Juli 2010 als unzulässig zurückgewiesen hat. Auch die dagegen am 14. Juli 2010 erhobene Gegenvorstellung hat das FG durch Beschluss vom 15. Juli 2010 zurückgewiesen.

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c) Auch soweit der Antragsteller vorträgt, dem FG habe die zweite Seite seines Ablehnungsgesuchs nicht vorgelegen und es habe die nachträgliche Berücksichtigung dieser Seite zu Unrecht abgelehnt, kann darin kein i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beachtlicher Verfahrensfehler liegen. Dies folgt daraus, dass das FG den Antragsteller bereits per Fax vom 7. Juli 2010 darauf hingewiesen hat, dass seine per Fax eingereichten Schriftsätze vom Vortag unvollständig eingegangen seien. Es hat ihn deshalb aufgefordert, diese unverzüglich nochmals zu übersenden. Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle des FG ist das vorgenannte Fax des FG auch am 7. Juli 2010 abgesendet worden und hat darauf der Antragsteller per Schreiben vom 13. Juli 2010 reagiert. Da das entsprechende Schreiben des Antragstellers dem FG am selben Tage zuging, ist davon auszugehen, dass das FG es bei seiner Entscheidung vom 14. Juli 2010 berücksichtigt hat und folglich für den Antragsteller Gelegenheit bestand, fehlende Teile seiner Argumentation rechtzeitig nachzutragen.

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d) Es liegt auch kein Verfahrensfehler darin, dass die wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Einzelrichterin selbst über das Ablehnungsgesuch entschieden hat. Fehlt dem Vortrag eines Verfahrensbeteiligten jegliche tatsächliche Grundlage, die geeignet wäre, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, ist dem Erfordernis der Darlegung und der Glaubhaftmachung eines Ablehnungsgrundes nicht genügt und kann ein solches offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch durch den abgelehnten Richter und ohne dessen dienstliche Äußerung verworfen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 5. August 1997 VII B 145/97, BFH/NV 1998, 326). Nach der gebotenen summarischen Prüfung hat der Antragsteller im Rahmen seines Ablehnungsgesuchs vom 6. Juli 2010 keine tatsächlichen Gründe dargetan, welche geeignet wären, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der zuständigen Einzelrichterin zu rechtfertigen. Dazu reicht es nicht aus, lediglich Rechtsfehler darzulegen, sondern es müssen Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH-Beschluss vom 13. November 2008 XI B 20/08, BFH/NV 2009, 945). Die vom Antragsteller angeführten Ablehnungsgründe liegen aber gerade nicht in einzelnen Verhaltensweisen der betroffenen Richterin, sondern im Inhalt ihrer Entscheidung über seinen Vertagungsantrag.

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e) Die Rechtsauffassung des Antragstellers, das FG habe dadurch einen Verfahrensfehler begangen, dass es ihm den begehrten Nachmittagstermin verweigert habe, ist offensichtlich unzutreffend. Die Wahl des Terminstages und der Sitzungszeit fällt in das --lediglich nach § 155 FGO i.V.m. § 216 Abs. 3 ZPO mit Blick auf eine Ladung an Wochentagen gebundene-- Ermessen des Vorsitzenden oder Einzelrichters (vgl. Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 91 FGO Rz 27). Zwar hat das Gericht im Rahmen seines Ermessens soweit wie möglich Terminswünsche der Beteiligten zu berücksichtigen. Wegen des Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung gebührt aber der Terminplanung des Gerichts in der Regel Vorrang (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juli 2003 V B 11/02, BFH/NV 2004, 59) und muss demgegenüber der mit Rücksicht auf seinen Schlafrhythmus geäußerte Terminswunsch des Antragstellers zurückstehen.

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f) Soweit der Antragsteller schließlich ausführt, das FG habe verfahrensfehlerhaft seine Klageergänzung vom 14. Juli 2010 nicht berücksichtigt, ist dem schon deshalb nicht zu folgen, weil das FG sich in seinem Urteil inzidenter mit den nachgetragenen Argumenten auseinandergesetzt hat. Soweit der Antragsteller mit Blick auf seine Untätigkeitsverpflichtungsklage das Vorliegen einer "doppelten Untätigkeit" bzw. eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention durch eine "faktische 1-Jahres-Sperre" geltend gemacht hat, hat das FG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es eine Untätigkeitsverpflichtungsklage in Übereinstimmung mit der von ihm zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung erst nach durchgeführtem Untätigkeitseinspruch für zulässig erachtet. Damit hat es inzident sowohl das Vorliegen einer (mit Blick auf den erforderlichen Untätigkeitseinspruch erforderlichen) doppelten Untätigkeit als auch eine Verletzung von Europarecht verneint. Da es die Untätigkeitsanfechtungsklage deshalb für unbegründet hielt, weil ein Kraftfahrzeugsteueranspruch gegeben war, hat es inzident auch eine vom Antragsteller insoweit ins Feld geführte Verwirkung des Steueranspruchs abgelehnt.

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3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Der erfolglose Antrag auf PKH löst keine Gerichtsgebühren aus.

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