Beschluss vom Bundesfinanzhof (8. Senat) - VIII S 8/10

Tatbestand

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I. Die Beteiligten streiten über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) einer Außenprüfungsanordnung, mit der die zweite Anschlussprüfung in Folge bei dem Kleinbetrieb des Klägers, Beschwerdeführers und Antragstellers (Kläger) angeordnet wurde.

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Einspruch und Klage gegen die Prüfungsanordnung blieben erfolglos. Die daraufhin eingelegte Beschwerde zur Zulassung der Revision ist beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen VIII B 251/09 anhängig.

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Der Kläger hält die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts für ernstlich zweifelhaft und verweist hierzu auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, das Erfordernis der Fortbildung des Rechts und Verfahrensmängel geltend macht.

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Zudem entstünden ihm durch den Vollzug der Prüfungsanordnung schwer wiedergutzumachende Nachteile. Dies bedeute eine unbillige Härte, die nicht in Kauf genommen werden müsse, solange über die zu Grunde liegende Prüfungsanordnung nicht rechtskräftig entschieden sei. Er habe ein relativ kleines Sachverständigenbüro mit drei angestellten Personen und beengten räumlichen Verhältnissen. Eine Steueraußenprüfung führe daher zu massiven innerbetrieblichen Eingriffen. Darüber hinaus sei die steuerliche Außenprüfung auch mit einem erheblichen Vorbereitungsaufwand durch den Kläger verbunden. Zu berücksichtigen sei auch, dass bei Nichtstattgabe die angegriffene Prüfungsanordnung quasi vollzogen werde und der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) hieraus bereits Erkenntnisse ziehen könne, zu denen er möglicherweise nicht berechtigt sei.

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Der Kläger beantragt, die Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 8. Februar 2006 auszusetzen.

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Das FA beantragt, den Antrag auf AdV der Prüfungsanordnung abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Der Antrag auf AdV ist unbegründet.

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Das Gericht der Hauptsache kann die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

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Im Streitfall bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Außenprüfungsanordnung keine ernstlichen Zweifel. Der Vollzug der Prüfungsanordnung hat auch keine unbillige Härte i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO zur Folge.

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1. Wird der Antrag auf AdV --wie vorliegend-- während der Anhängigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde gestellt, können ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nur angenommen werden, wenn ernstlich mit einer Zulassung der Revision zu rechnen ist (ständige Rechtsprechung, s. u.a. BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 2004 IV S 19/03, BFH/NV 2004, 793; vom 13. Oktober 2005 X S 14/05, BFH/NV 2006, 114).

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Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist aus den folgenden Gründen nicht ernstlich mit der Revisionszulassung zu rechnen.

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a) Die Rechtssache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil sie rechtssystematisch bedeutsam ist und ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts betrifft (ständige Rechtsprechung, s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 23 ff., m.w.N.; BFH-Beschluss vom 27. April 2007 VIII B 250/05, BFH/NV 2007, 1675).

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Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, "inwieweit ein Kleinbetrieb eine zweite lückenlose Anschlussprüfung zu dulden hat, insbesondere wenn vorliegend der begründete Verdacht besteht, es handle sich um bewusste Schikane der Finanzverwaltung gegen den Kläger" lässt eine Klärungsbedürftigkeit im Allgemeininteresse nicht erkennen, weil sie maßgeblich auf eine (vom Kläger gemutmaßte) tatsächliche Besonderheit des konkreten Einzelfalls abhebt.

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Die von den Besonderheiten des Einzelfalls abstrahierte Frage, ob bei Kleinbetrieben eine zweite Anschlussprüfung zulässig ist, ist nicht entscheidungsbedürftig. Durch die Rechtsprechung ist geklärt, dass auch bei Kleinbetrieben --wie im Falle des Klägers-- Anschlussprüfungen zulässig sind (BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 2007 I B 140/06, BFH/NV 2007, 2050; vom 20. Oktober 2003 IV B 67/02, BFH/NV 2004, 311). Weder die Abgabenordnung noch die Betriebsprüfungsordnung (Steuer) vom 15. März 2000 (BStBl I 2000, 368) schließen dies aus, auch nicht hinsichtlich einer weiteren (zweiten) Anschlussprüfung.

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Ob die Finanzbehörde bei Anordnung einer zweiten Anschlussprüfung ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles zu prüfen und deshalb nicht im Allgemeininteresse klärungsfähig.

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b) Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative FGO). Voraussetzung dafür wäre, dass über eine ungeklärte, abstrakte Rechtsfrage zu entscheiden ist und dass der Streitfall insbesondere Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken zu füllen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Zulassungsgrund ist nicht allein deshalb gegeben, weil noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu einem unmittelbar vergleichbaren Fall ergangen ist; "erfordert" wird die Zulassung der Revision nur dann, wenn eine bisher nicht höchstrichterlich entschiedene Rechtsfrage zweifelhaft und deshalb klärungsbedürftig ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41, m.w.N.).

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c) Der Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO (Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) liegt nicht vor; die Rüge der Divergenz des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Köln (13 V 1232/09) und möglicherweise auch des BFH (Urteil vom 28. Juni 2000 I R 20/99, BFH/NV 2000, 1447) ist nicht begründet. Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nach der Rechtsprechung des BFH nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH oder ein anderes FG (BFH-Beschlüsse vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790; vom 11. März 2003 VII B 208/02, BFH/NV 2003, 816, m.w.N.; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 53, m.w.N.). Im Streitfall fehlt für den genannten Beschluss des FG Köln schon die Grundvoraussetzung zumindest vergleichbarer Sachverhalte: er betrifft die Verkürzung des Prüfungszeitraums bei einem Großbetrieb.

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Im Übrigen ist eine Abweichung nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Der Kläger hat keine abstrakten Rechtssätze gegenübergestellt, in denen sich die Vorentscheidung und die vermeintlich divergierenden Urteile entscheidungserheblich widersprächen. Der pauschale Verweis auf früheres Vorbringen im Klageverfahren reicht nicht aus (BFH-Beschluss vom 21. April 1998 XI B 60/97, BFH/NV 1998, 1491; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 26, m.w.N.).

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d) Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen, der nach dem Vorbringen des Klägers in der unterlassenen oder nur ungenügenden Sachaufklärung durch das Gericht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) im Zusammenhang mit einem behaupteten willkürlichen und schikanösen Verhalten des FA liegen soll.

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Derjenige Beteiligte, der in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge stellt und die aus seiner Sicht mangelnde Sachaufklärung durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht rügt, verliert dadurch sein Rügerecht (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung) und kann sich nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Verletzung der Aufklärungspflicht berufen (s. etwa Beschluss des beschließenden Senats vom 6. September 2006 VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74; Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 33, m.w.N.). Im Streitfall ist ausweislich des Sitzungsprotokolls eine derartige Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht erhoben worden.

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2. Die Vollziehung ist auch nicht wegen unbilliger Härte auszusetzen. Sind Rechtmäßigkeitszweifel fast ausgeschlossen, ist die AdV selbst dann zu versagen, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz 107, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH). Dies gilt entsprechend, wenn im Streitfall die Zulassung der Revision aus den genannten Gründen nahezu ausgeschlossen erscheint.

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Überdies hat die Vollziehung einer Prüfungsanordnung grundsätzlich keine unbillige Härte zur Folge. Davon wäre nur auszugehen, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung nicht oder nur schwer wiedergutzumachende wirtschaftliche Nachteile drohten oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde. Sollte ein späteres Hauptsacheverfahren gegen eine --bereits vollzogene-- Prüfungsanordnung Erfolg haben, würde dies aber nicht zu derartig schwerwiegenden Nachteilen führen, weil das FA die durch die Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse nicht verwerten könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2002 X S 10/02, BFH/NV 2003, 296, m.w.N.). Die mit der sofortigen Vollziehung einer rechtmäßigen Prüfungsanordnung verbundenen sonstigen Belastungen muss der Steuerpflichtige regelmäßig in Kauf nehmen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 296).

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