Beschluss vom Bundesfinanzhof (10. Senat) - X B 69/10
Tatbestand
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I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) begehren den Abzug von Geldleistungen als dauernde Last. Der Kläger erhielt im Jahr 1986 von seinen Eltern einen landwirtschaftlichen Betrieb in vorweggenommener Erbfolge übertragen. Er hatte zur Versorgung der Eltern einen monatlichen Betrag von 2.300 DM (nach dem Tod des Erstversterbenden noch 1.530 DM) zu zahlen. Dieser Betrag war wertgesichert; zusätzlich war ausdrücklich auf § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) Bezug genommen. Ferner räumte der Kläger seinen Eltern ein lebenslanges Wohnungsrecht ein und verpflichtete sich, sie auf seine Kosten zu pflegen und verpflegen, ihnen Wohnung, Kleidung und Wäsche in Ordnung zu halten und im Krankheitsfall für ärztliche Hilfe, Medikamente und einen Krankenhausaufenthalt zu sorgen.
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Nach dem Tod der Mutter des Klägers kam es zu tiefgreifenden Zerwürfnissen zwischen dem Kläger und seinem Vater (V), der in der Folgezeit aus dem Gebäude, in dem das Wohnungsrecht bestand, auszog. In einem wegen der Versorgungsleistungen durch V angestrengten Zivilprozess kam es am 5. März 2004 zu einem gerichtlichen Vergleich. Danach sollte der Kläger ab März 2004 an V unter Ablösung aller im früheren Versorgungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen monatlich 2.265 € zahlen. Die Bestimmung des § 323 ZPO wurde ausdrücklich ausgeschlossen; nur die Wertsicherungsklausel wurde beibehalten.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) behandelte die ab März des Streitjahres 2004 zu zahlenden Beträge nicht mehr als dauernde Last, sondern zog sie bei den Klägern nur noch mit dem Ertragsanteil als Sonderausgaben ab. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
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Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen --ungeachtet der Zweifel daran, ob die Kläger sie überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt haben-- nicht vor.
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1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen, weil das FG nicht von den mit der Beschwerde angeführten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen ist.
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Wird die Beschwerde darauf gestützt, dass das FG von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen sei, setzt die Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Gegenüberstellung einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und der herangezogenen Divergenzentscheidung andererseits voraus (BFH-Beschlüsse vom 19. August 2004 II B 22/03, BFH/NV 2005, 156, und vom 17. August 2005 IX B 58/05, BFH/NV 2005, 2044). Daran fehlt es hier.
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Die Kläger haben aus dem FG-Urteil zwar zutreffend den Rechtssatz herausgearbeitet, der Übergang von einer dauernden Last zu einer Leibrente komme durch Ausschluss des § 323 ZPO und aufgrund der Interessenlage der Beteiligten, nicht mehr an einer dauernden Last festhalten zu wollen, zustande. Es fehlt jedoch an der Benennung abstrakter Rechtssätze aus den von ihnen angeführten BFH-Entscheidungen, die dem vom FG herangezogenen Rechtssatz widersprechen.
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a) Das Senatsurteil vom 31. März 2004 X R 11/03 (BFH/NV 2004, 1389) enthält keine Aussagen zur Bedeutung eines ausdrücklichen Ausschlusses des § 323 ZPO, der dort gar nicht vereinbart worden war. Im Übrigen hat der Senat in dieser Entscheidung selbst ohne einen ausdrücklichen Ausschluss des § 323 ZPO im Ergebnis lediglich eine Leibrente, nicht aber die von den dortigen Revisionsklägern begehrte dauernde Last angenommen. Der dort zu beurteilende Sachverhalt ist im entscheidenden Punkt insofern mit dem Streitfall vergleichbar, als der Senat ausgeführt hat, der dortige Übergabevertrag komme angesichts der Regelung zahlreicher zivilrechtlicher Streitigkeiten "gerichtlichen Vergleichen im Ergebnis nahe" (Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1389, unter II.3.b bb).
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b) Auch das Senatsurteil vom 15. März 1994 X R 93/90 (BFH/NV 1994, 848) äußert sich nicht zu einem ausdrücklichen Ausschluss des § 323 ZPO. Vielmehr war dort --gerade im Gegenteil-- ausdrücklich die Anwendung des § 323 ZPO vereinbart worden. Trotz dieser Bezugnahme hat der Senat indes ausgeführt, es könnten gleichmäßige Leistungen vorliegen, wenn die Vertragspartner deren Höhe materiell-rechtlich von Voraussetzungen abhängig gemacht haben, die einer Wertsicherungsklausel entsprechen (Senatsurteil in BFH/NV 1994, 848, unter 3.b).
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c) Dieser Rechtssatz --nicht aber ein vom FG-Urteil abweichender Rechtssatz-- ist auch in dem weiteren von den Klägern angeführten Senatsurteil vom 27. August 1997 X R 54/94 (BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813, unter II.1.b aa) wiederholt worden. Der Senat hat ergänzt, nur wenn die Vertragsparteien die Voraussetzungen einer Abänderung nicht ausdrücklich geregelt hätten, könne sich die Abänderbarkeit aus der Rechtsnatur des Vertrages ergeben (BFH-Urteil in BFHE 184, 337, BStBl II 1997, 813, unter II.1.b bb).
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2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
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a) Die Kläger führen hierzu lediglich an, der BFH habe bisher nicht entschieden, ob durch Ausschluss des § 323 ZPO bei einem Altenteilsvertrag die vertragstypisch abänderbaren Versorgungsleistungen zu einer Leibrente werden.
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Allein der Hinweis auf das Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung zu der aufgeworfenen Rechtsfrage genügt den Darlegungsanforderungen indes nicht (BFH-Beschluss vom 8. September 2005 II B 122/04, BFH/NV 2006, 100).
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b) Aber auch der Sache nach bedarf die von den Klägern aufgeworfene Frage keiner --nochmaligen-- Klärung, weil sie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits entschieden worden ist.
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Zwar trifft es zu, dass der Senat es in seinem Urteil vom 3. März 2004 X R 135/98 (BFHE 205, 447, BStBl II 2004, 824, unter II.2. vor a) --im ersten Schritt-- zunächst offen gelassen hat, ob bei einem typischen Altenteilsvertrag die Leistungen trotz ausdrücklichen Ausschlusses von § 323 ZPO als dauernde Last anzusehen seien. Diese Aussage beruhte aber ausdrücklich darauf, dass die dortigen Barleistungen integraler Bestandteil eines den Typus "Altenteil" konstituierenden Bündels verschiedenartiger Leistungen waren, die in ihrer Gesamtheit abänderbar waren (Übernahme der Betriebskosten, Instandhaltungsarbeiten und Schönheitsreparaturen für das Einfamilienhaus, Übernahme der Beiträge zur Krankenversicherung und Alterskasse). Im Streitfall fehlt es seit dem Prozessvergleich vom 5. März 2004 hingegen an einem derartigen Leistungsbündel; vielmehr hat der Kläger an V ausschließlich einen Geldbetrag zu zahlen.
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Entscheidend ist aber, dass der Senat im angeführten Urteil in BFHE 205, 447, BStBl II 2004, 824 (unter II.2.a) darauf verwiesen hat, dass von der Rechtsprechung seit jeher die Möglichkeit zugelassen worden ist, durch den Ausschluss der Rechte aus § 323 ZPO eine lediglich mit dem Ertragsanteil abziehbare und steuerbare Leibrente zu vereinbaren. Dies habe der Große Senat des BFH (Beschluss vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) jedenfalls aus Gründen der Rechtskontinuität fortgelten lassen, auch wenn die zivilrechtliche Rechtsnatur als Altenteilsleistung durch eine solche Vereinbarung nicht berührt werde. So liegt nach der überkommenen und vom Großen Senat ausdrücklich fortgeführten Rechtsprechung eine Leibrente (nur) vor, wenn auf die Rechte aus § 323 ZPO ausdrücklich verzichtet wird (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C.I.5.).
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Wenn die Rechtsprechung den Parteien eines Versorgungsvertrags die Möglichkeit eröffnet, auf geänderte Bedarfslagen mit der Umwandlung einer ursprünglich als Leibrente vereinbarten Zahlung in eine dauernde Last zu reagieren (Senatsurteil in BFHE 205, 447, BStBl II 2004, 824), dann besteht auch die Möglichkeit, eine ursprünglich als dauernde Last vereinbarte Versorgungsleistung bei geänderter Interessenlage in eine Leibrente umzuwandeln. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn --wie hier-- ein tiefgreifendes Zerwürfnis zwischen den Vertragsparteien besteht. Denn dann würde ein Festhalten an der --von den schwankenden und im Einzelfall nicht immer eindeutig quantifizierbaren Größen "Leistungsfähigkeit" und "Bedarf" abhängigen-- Abänderbarkeit der Leistungen absehbar laufend neue Streitigkeiten hervorrufen, an deren Vermeidung beide Parteien ein erhebliches Interesse haben.
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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO --anders als die Kläger meinen-- nicht allein prozessual zu verstehen ist, sondern darüber hinaus nach den Gepflogenheiten, die sich in der kautelarjuristischen Praxis herausgebildet haben, bedeutet, dass der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das die Vorschrift des § 323 ZPO Bezug nimmt, abänderbar sein soll (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C.II.3.). Nichts anderes gilt für die Bedeutung eines ausdrücklichen Ausschlusses des § 323 ZPO.
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c) Der Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache würde im Übrigen bereits entgegenstehen, dass es sich bei der Feststellung, ob wiederkehrende Leistungen abänderbar sind, um eine Vertragsauslegung handelt, die vom BFH nur eingeschränkt überprüfbar ist (Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1389, unter II.3. vor a).
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Referenzen
- ZPO § 323 Abänderung von Urteilen 13x
- 2004 X R 135/98 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 115 2x
- 2005 IX B 58/05 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 116 1x
- 1991 GrS 1/90 1x (nicht zugeordnet)
- 2004 II B 22/03 1x (nicht zugeordnet)
- 1997 X R 54/94 1x (nicht zugeordnet)
- 2004 X R 11/03 1x (nicht zugeordnet)
- 1994 X R 93/90 1x (nicht zugeordnet)
- 2005 II B 122/04 1x (nicht zugeordnet)