Beschluss vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III B 115/11
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhielt für seine Tochter T fortlaufend Kindergeld auf ein von ihm mitgeteiltes Konto bei der Volksbank X ausgezahlt. Mit Schreiben vom 25. März 2009 bat er die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse), das Kindergeld auf ein Konto der Kindesmutter bei der Kreissparkasse Y zu überweisen.
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Nachdem die Familienkasse von der für die Kindesmutter zuständigen Familienkasse darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass T seit 10. Juni 2009 im Haushalt der Kindesmutter lebt, hob sie die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 25. Mai 2010 für den Zeitraum Juli 2009 bis Dezember 2009 auf und forderte das für diesen Zeitraum bereits ausgezahlte Kindergeld in Höhe von 984 € vom Kläger zurück. Auf den hiergegen gerichteten Einspruch zog die Familienkasse die Kindesmutter zu dem Verfahren hinzu. Diese erklärte, dass ihr das Kindergeld "nicht ausgehändigt worden" sei. Daraufhin wies die Familienkasse den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2011 als unbegründet zurück.
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Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, dass die Familienkasse aufgrund der Haushaltsaufnahme bei der Kindesmutter berechtigt gewesen sei, die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger aufzuheben. Der Kläger sei trotz der Zahlung auf ein Konto der Kindesmutter Leistungsempfänger. Aus der bloßen Angabe einer Kontoverbindung der Kindesmutter habe die Familienkasse nicht auf einen Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen schließen müssen. Mit dem Weiterleitungseinwand könne keine Aufhebung des angefochtenen Bescheides erreicht werden. Die Familienkasse habe insoweit dargelegt, dass darüber in einem gesonderten Billigkeitsverfahren zu entscheiden sei.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) begehrt.
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Der Kläger habe mit seinem Schreiben seiner Anzeigepflicht nach § 68 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes genügen wollen. Im FG-Verfahren habe er unbestritten vorgetragen, dass er auf seinem Schreiben oder zumindest auf dem Briefumschlag seine neue Anschrift angegeben habe.
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Insoweit habe der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 25. März 2003 VIII R 84/98 ausgeführt, dass die Familienkasse bei Mitteilung einer anderen Kontoverbindung die Kindergeldzahlung mit befreiender Wirkung gegenüber dem Kindesvater erbringe, wenn ihr nicht mitgeteilt worden sei, dass nicht der Kindesvater, sondern die Kindesmutter Inhaberin des neubenannten Kontos sei.
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Das FG habe unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger nicht nur ein neues Konto, sondern auch die Kindesmutter als dessen Inhaberin angegeben habe. Auch die Mitteilung einer neuen Anschrift des Kindergeldberechtigten habe das FG nicht als weiteres Abgrenzungskriterium gewertet. Zudem habe das FG nicht berücksichtigt, dass die Erklärung des Klägers vom 25. März 2009 auszulegen sei und es der Familienkasse oblegen hätte, den Sachverhalt aufzuklären.
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Aus der FG-Entscheidung ergebe sich der tragende Rechtssatz:
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"Weist der ursprünglich kindergeldberechtigte Kindesvater die Familienkasse an, das Kindergeld auf ein anderes als das bisherige Konto zu überweisen und teilt dabei die Kindesmutter als Inhaberin des neu benannten Kontos mit, kann die Familienkasse mit befreiender Wirkung gegenüber dem Kindesvater auf das neu benannte Konto zahlen."
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Der BFH habe in der genannten Entscheidung auch ausgeführt, dass sich der ursprünglich Kindergeldberechtigte nicht auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes berufen könne, wenn er die bestehende Mitwirkungspflicht verletzt habe. Das FG sei dagegen nicht darauf eingegangen, ob sich der Kläger auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes berufen könne, obwohl der Kläger seiner Mitwirkungspflicht genügt habe.
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Zudem widerspreche die FG-Entscheidung dem Urteil des FG Nürnberg vom 25. September 2008 IV 267/2006, gegen das unter dem Az. III R 82/08 Revision eingelegt worden sei. Hierin sei das FG Nürnberg davon ausgegangen, dass der Rückforderungsanspruch der Familienkasse trotz fehlender Weiterleitungserklärung ausnahmsweise dann als erfüllt betrachtet werden könne, wenn der vorrangig Berechtigte das Kindergeld für den gesamten Rückforderungszeitraum tatsächlich erhalten habe, weil es auf ein Konto überwiesen worden sei, über das der vorrangig, nicht jedoch der nachrangig Berechtigte verfügungsberechtigt gewesen sei. Im Streitfall habe das FG hingegen darauf abgestellt, dass die Frage in einem gesonderten Billigkeitsverfahren zu klären sei.
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Hieraus ergebe sich auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zu verwerfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit ihre Darlegung überhaupt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, nicht vor.
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1. a) Soweit der Kläger vorträgt, das FG weiche in seinem Urteil von dem in dem Urteil des BFH vom 25. März 2003 VIII R 84/98 (BFH/NV 2003, 1404) aufgestellten Rechtssatz ab, wonach die Familienkasse bei Mitteilung einer anderen Kontoverbindung die Kindergeldzahlung mit befreiender Wirkung gegenüber dem Kindesvater erbringe, wenn ihr nicht mitgeteilt worden sei, dass nicht der Kindesvater, sondern die Kindesmutter Inhaberin des neubenannten Kontos sei, liegt hierin keine Divergenz. Das FG ist von der genannten Entscheidung nicht abgewichen.
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Im Streitfall wies der Kläger die Familienkasse an, das Kindergeld auf ein anderes Konto zu überweisen und teilte hierzu mit, dass es sich um ein Konto der Kindesmutter handele. Das FG entschied, dass sich weder aus diesem Schreiben noch aus sonstigen Umständen für die Familienkasse ein Anhaltspunkt dafür ergeben habe, dass die Anspruchsvoraussetzungen beim Kläger weggefallen seien und stattdessen bei der Kindesmutter vorlägen.
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Im Rahmen der vorgeblichen Divergenzentscheidung wies der Kindesvater die Familienkasse an, das Kindergeld auf ein anderes Konto zu überweisen, ohne mitzuteilen, dass es sich hierbei um das Konto seiner geschiedenen Ehefrau handelte. Der BFH entschied: "Zwar hat der Beklagte das Kindergeld auf ein Konto der Kindesmutter überwiesen; dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger mit der Angabe des Kontos seiner Ehefrau im Schreiben vom ... dem Beklagten die Anweisung erteilt hatte, auf dieses Konto zu überweisen. Der Beklagte konnte daher mit befreiender Wirkung gegenüber dem Kläger das Kindergeld auf dieses Konto zahlen, zumal ihm bei der Zahlung nicht bekannt war, dass es sich bei dem neuen vom Kläger benannten Konto nicht um eines des Klägers, sondern um das Konto der Kindesmutter handelte."
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Aus diesen Ausführungen des BFH ergibt sich nicht, dass auch ein Umkehrschluss gezogen werden darf, wonach immer dann, wenn der Kindergeldberechtigte mitteilt, dass Inhaber des neu benannten Kontos nicht er selbst, sondern ein anderer potentieller Kindergeldberechtigter (insbesondere der andere Elternteil) ist, die Familienkasse das weitere Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen beim Kindergeldberechtigten in Zweifel zu ziehen oder gar von einem Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen beim Kindergeldberechtigten auszugehen hat.
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b) Keine Abweichung von der Entscheidung eines anderen Gerichts legt der Kläger mit dem Vortrag dar, das FG habe berücksichtigen müssen, dass der Kläger die Kindesmutter als Inhaberin des neuen Kontos angegeben habe, dass die Erklärung des Klägers vom 25. März 2009 auszulegen sei und dass die Mitteilung einer neuen Anschrift des Kindergeldberechtigten ein weiteres Abgrenzungskriterium sei. Vielmehr wird insoweit eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung und unzutreffende Tatsachenwürdigung gerügt. Damit lässt sich die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreichen (z.B. BFH-Beschluss vom 30. Mai 2008 IX B 216/07, BFH/NV 2008, 1510).
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Dasselbe gilt, soweit der Kläger geltend macht, das FG sei entgegen dem BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1404 nicht darauf eingegangen, ob sich der Kläger auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes berufen könne, obwohl der Kläger seiner Mitwirkungspflicht genügt habe. Denn das FG ist nach seinen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) im Gegenteil gerade von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Kläger ausgegangen. Es hat dem Kläger deshalb entgegengehalten, dass er sich trotz Mitteilung der Kontenänderung weiter als Leistungsempfänger behandeln lassen müsse.
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c) Eine Divergenz ergibt sich auch nicht aus der Darlegung, dass die FG-Entscheidung von dem Urteil des FG Nürnberg vom 25. September 2008 IV 267/2006 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 840) abweiche, wonach der Rückforderungsanspruch der Familienkasse trotz fehlender Weiterleitungserklärung ausnahmsweise dann als erfüllt betrachtet werden könne, wenn der vorrangig Berechtigte das Kindergeld für den gesamten Rückforderungszeitraum tatsächlich erhalten habe, weil es auf ein Konto überwiesen worden sei, über das der vorrangig, nicht jedoch der nachrangig Berechtigte verfügungsberechtigt gewesen sei.
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Für das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrundes ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung des BFH über die Beschwerde abzustellen (Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 115 FGO Rz 21, m.w.N.). Insoweit hat aber der BFH mittlerweile in dem gegen das Urteil des FG Nürnberg geführten Revisionsverfahren mit Urteil vom 22. September 2011 III R 82/08 (zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden, dass die Entscheidung der Familienkasse, ohne Vorlage der Weiterleitungserklärung nicht von der Rückforderung abzusehen, nicht zu beanstanden ist. Die Familienkasse kann auch von den Steuergerichten nicht gezwungen werden, eine Vereinfachungsregelung auf einen Fall anzuwenden, der nach der Verwaltungsauffassung nicht von der Vereinfachungsregelung gedeckt ist. Da auch im Streitfall von dem Kläger eine Weiterleitungserklärung nicht vorgelegt wurde, hat das FG in Übereinstimmung mit der BFH-Rechtsprechung entschieden, dass die Familienkasse den Rückforderungsanspruch zu Recht geltend gemacht hat.
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2. Die Frage, unter welchen Umständen in Weiterleitungsfällen von einer Rückforderung abgesehen werden kann, hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Denn die Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits dahingehend geklärt, dass ohne die Vorlage der schriftlichen Bestätigung des vorrangig Berechtigten, wonach dieser das Kindergeld erhalten hat und seinen Anspruch als erfüllt ansieht, die Familienkasse nicht von einer Rückforderung abzusehen braucht (vgl. etwa BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 48/03, BFH/NV 2004, 1218; Senatsbeschluss vom 12. August 2010 III B 94/09, BFH/NV 2010, 2062).
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Referenzen
- 2004 VIII R 48/03 1x (nicht zugeordnet)
- 2008 IV 267/20 2x (nicht zugeordnet)
- FGO § 115 2x
- 2008 IX B 216/07 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 116 2x
- Urteil vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III R 82/08 1x
- 2003 VIII R 84/98 2x (nicht zugeordnet)
- 2011 III R 82/08 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 118 1x
- 2010 III B 94/09 1x (nicht zugeordnet)