Beschluss vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III B 88/13
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist georgischer Staatsangehöriger ossetischer Volkszugehörigkeit. Nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) beantragte er am 4. Oktober 1995, wegen politischer Verfolgung in seinem Heimatland als Asylberechtigter anerkannt zu werden. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 21. Februar 1996 ab und stellte gleichzeitig fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes --AuslG-- (Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter) nicht vorlägen. Zudem stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungshindernisse nicht vorlägen, und erließ eine Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung. Das zuständige Verwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom 11. November 1997 ab. Seither lebt der Kläger als geduldeter Ausländer im Inland. Nach einer Bescheinigung der Wohnsitzgemeinde vom 26. Mai 2011 ist die Abschiebung des Klägers ausgesetzt. Unselbständige Beschäftigung ist ihm erlaubt.
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Der Kläger hat mit seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls die georgische Staatsangehörigkeit besitzt, zwei Söhne, die im April 2001 und im Januar 2003 im Inland geboren wurden.
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Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld vom 20. Juli 2011 mit Bescheid vom 3. August 2011 unter Hinweis darauf ab, dass der Kläger nicht in dem erforderlichen Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung sei. Den dagegen gerichteten Einspruch wies die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 18. August 2011 als unbegründet zurück, da der Kläger nicht die besonderen Anspruchsvoraussetzungen erfülle, die § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer vorsehe.
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Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet ab.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).
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Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) liegt nicht vor.
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a) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt u.a. voraus, dass die aufgeworfene Rechtsfrage klärungsbedürftig ist und in einem Revisionsverfahren auch geklärt werden kann. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung erforderlich machen (z.B. BFH-Beschluss vom 3. April 2008 I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445).
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Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine gesetzliche Regelung geltend, so ist darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2012 III B 138/11, BFH/NV 2013, 372, m.w.N.).
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b) Im Streitfall fehlt es an dem Klärungsbedarf der in der Beschwerdebegründung bezeichneten Rechtsfrage.
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aa) Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehene Rechtsfrage, ob § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 --EStG n.F.-- (BGBl I 2006, 2915, BStBl I 2007, 62) dahingehend verfassungskonform auszulegen sei, dass auch nicht freizügigkeitsberechtigten langjährig geduldeten Ausländern Kindergeld zuzubilligen sei, oder ob diese Vorschrift verfassungswidrig sei, ist bereits hinreichend durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt.
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Nach § 62 Abs. 2 EStG n.F. berechtigt ein Aufenthalt in Deutschland aufgrund einer Duldung (s. dazu § 60a des Aufenthaltsgesetzes --AufenthG--) nicht zum Bezug von Kindergeld. Der Senat hat sich bereits mehrfach mit der Frage befasst, ob diese Regelung, auch wenn sich die geduldeten Ausländer über einen längeren Zeitraum in Deutschland aufhalten, verfassungsgemäß ist. Er hat entschieden, dass hiergegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (z.B. Senatsurteile vom 15. März 2007 III R 93/03, BFHE 217, 443, BStBl II 2009, 905, und III R 54/05, BFH/NV 2007, 1298; vom 22. November 2007 III R 54/02, BFHE 220, 45, BStBl II 2009, 913, sowie vom 21. Februar 2008 III R 79/03, BFHE 220, 439, BStBl II 2009, 916). Die Erwägung des Gesetzgebers, das Kindergeld nur Ausländern zu gewähren, die aufgrund eines Aufenthaltstitels einen rechtmäßigen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland begründet haben und bei denen im Unterschied zu lediglich geduldeten Ausländern auch eine langfristige Integration ihrer Familien in Deutschland beabsichtigt ist, stellt einen hinreichenden sachlichen Grund für die vorgenommene Differenzierung dar (z.B. Senatsurteil in BFHE 217, 443, BStBl II 2009, 905, unter II.4.b).
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bb) Die vom Kläger in der Beschwerdebegründung erhobenen Einwendungen führen zu keinem erneuten Klärungsbedarf.
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Eine erneute Prüfung ist nicht im Hinblick darauf erforderlich, dass nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer sich mitunter über mehrere Jahre im Rahmen einer Duldung in Deutschland aufhalten und hier einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Diese Umstände hat der Senat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung berücksichtigt (vgl. etwa Senatsurteil in BFHE 217, 443, BStBl II 2009, 905). Er hat insoweit jedoch darauf abgestellt, dass die herkömmlichen Aufenthaltstitel im Sinne des AuslG bzw. des AufenthG einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland begründen und regelmäßig als Vorstufe eines Daueraufenthalts anzusehen sind. Dies gilt hingegen nicht bei einer bloßen Duldung, welche die grundsätzlich bestehende Ausreisepflicht des Ausländers nicht beseitigt und gerade nicht der Vorbereitung oder Absicherung eines rechtmäßigen dauerhaften Aufenthalts in Deutschland dient. Aus demselben Grund ergibt sich ein erneuter Klärungsbedarf auch nicht aus dem Einwand des Klägers, wonach die Versagung des Kindergeldanspruchs gegenüber langjährig geduldeten Ausländern eine nicht gerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber jenen Ausländern bedeute, die eine Aufenthaltsgenehmigung besäßen und teilweise wesentlich kürzere Aufenthaltszeiten und geringere Integrationsmerkmale aufwiesen.
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Überdies ist das Kindergeldrecht als Massenfallrecht auf Typisierungen angewiesen, weshalb die sachliche Rechtfertigung der Entscheidung des Gesetzgebers, die Frage des voraussichtlichen Daueraufenthalts des Ausländers u.a. von dem jeweiligen dem Ausländer durch die zuständigen Fachbehörden zugewiesenen aufenthaltsrechtlichen Status abhängig zu machen, keinen Zweifeln begegnet (vgl. zur Frage der Typisierung etwa auch das zur Vorschrift des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a EStG ergangene Senatsurteil vom 24. Mai 2012 III R 20/10, BFHE 238, 334). Insoweit wird aus dem Vortrag des Klägers bereits nicht klar, nach welchen Kriterien die Familienkasse als eine für aufenthaltsrechtliche Fragen fachfremde Behörde bei einer auf den rein faktischen Aufenthalt abstellenden Betrachtungsweise die voraussichtliche Dauerhaftigkeit des Aufenthalts (einschließlich der Beurteilung der für die Aussetzung der Abschiebung maßgeblichen Gründe) und die beabsichtigte langfristige Integration der betroffenen Familien in Deutschland beurteilen sollte.
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In der Rechtsprechung des BFH ist in diesem Zusammenhang ferner geklärt, dass für die Kindergeldberechtigung der "Besitz" einer ausreichenden ausländerrechtlichen Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG 1990 oder eines aufenthaltsrechtlichen Titels nach dem AufenthG entscheidend ist und es nicht darauf ankommt, ob ein Anspruch auf eine entsprechende Genehmigung bzw. einen entsprechenden Titel besteht (z.B. Senatsbeschluss vom 31. Juli 2009 III B 152/08, BFH/NV 2009, 1811). Daher ist es für die Frage der Kindergeldberechtigung des Klägers im Streitzeitraum unerheblich, ob dem Kläger aufgrund einer gelungenen Integration möglicherweise in Zukunft ein die Kindergeldberechtigung eröffnender Aufenthaltstitel erteilt werden könnte.
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Soweit der Kläger vorträgt, es handele sich in diesen Fällen nicht mehr um Duldungsfälle, die ausländerrechtlich als vorübergehende Aussetzung der Abschiebung anzusehen seien, übersieht er, dass im vorliegenden Fall schon nach seinem eigenen Vortrag bisher Gründe seines individuellen Verhaltens der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegenstanden, die eine Kindergeldberechtigung eröffnet.
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Referenzen
- 2007 III R 93/03 1x (nicht zugeordnet)
- 2008 III R 79/03 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 III R 20/10 1x (nicht zugeordnet)
- 2007 III R 54/02 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 III B 138/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2008 I B 77/07 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 III B 152/08 1x (nicht zugeordnet)
- III R 54/05 1x (nicht zugeordnet)