Beschluss vom Bundesfinanzhof (10. Senat) - X S 13/14
Gründe
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1. In Anwendung des Grundsatzes rechtsschutzgewährender Auslegung legt der Senat das Schreiben des Antragstellers vom 19. Februar 2014 als Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts (§ 78b der Zivilprozessordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) aus.
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Zwar hat der Antragsteller formuliert, er lege "Revision bzw. Beschwerde" ein. Die von ihm genannten Rechtsmittel wären jedoch gemäß § 62 Abs. 4 FGO unzulässig, weil der nicht selbst postulationsfähige Antragsteller sich nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lässt. Das weitere Vorbringen des Antragstellers, zwei Rechtsanwälte hätten das Mandat niedergelegt, rechtfertigt indes die Auslegung seines Begehrens als --zulässigen-- Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts.
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2. Dieser Antrag unterliegt auch im zeitlichen Anwendungsbereich der seit dem 30. Juni 2008 geltenden Neufassung des § 62 Abs. 4 FGO nicht dem Vertretungszwang (ebenso, allerdings nur unter Verweis auf Rechtsprechung und Literatur, die zu § 62a FGO a.F. ergangen war, Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juni 2009 IX S 11/09, nicht veröffentlicht --n.v.--; ausdrücklich offen gelassen hingegen im BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2012 VIII S 20/12, BFH/NV 2013, 219).
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Grund hierfür ist, dass der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gerade dazu dient, einen --gesetzlich zwingend erforderlichen-- Prozessbevollmächtigten zu finden. Dieser Gesetzeszweck gebietet eine entsprechende teleologische Reduktion des § 62 Abs. 4 Satz 2 FGO, da ansonsten die Vorschrift des § 78b ZPO gerade in den typischen Fallgestaltungen, die von ihr erfasst werden sollen, leer liefe und ein effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) nicht gewährleistet wäre (ebenso Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 62 FGO Rz 101; bezogen auf Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe --PKH-- auch Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 62 FGO Rz 44a; a.A. --generell keine Ausnahme vom Vertretungszwang mehr-- Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 62 Rz 64, 65).
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3. Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg, weil der Senat anhand der Angaben des Antragstellers nicht erkennen kann, dass dieser --wie es § 78b ZPO voraussetzt-- keinen zu seiner Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten findet.
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Insoweit muss der Beteiligte nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung substantiiert vortragen, welche zur Vertretung berechtigten Personen er um die Übernahme des Mandats gebeten hat, und dass diese aus anderen Gründen als der Nichtzahlung eines Vorschusses das Mandat abgelehnt haben. Da schon beim Bundesgerichtshof (BGH) mehr als vier der dort zugelassenen Rechtsanwälte erfolglos um eine Mandatsübernahme ersucht worden sein müssen, gilt diese Mindestanzahl erst recht vor dem BFH (vgl. zum Ganzen BFH-Beschlüsse vom 4. Mai 2010 VI B 41/10, BFH/NV 2010, 1476, und in BFH/NV 2013, 219, m.w.N. auch auf die Rechtsprechung des BGH).
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Vorliegend hat der Antragsteller zunächst --ohne nähere Angaben-- lediglich vorgetragen, sein erster und zweiter Rechtsanwalt hätten in diesem Verfahren das Mandat niedergelegt. Auf einen Hinweis der Senatsgeschäftsstelle, dass dieses Vorbringen nicht ausreichend sei, hat der Antragsteller später behauptet, er habe fernmündlich versucht, zwei --jeweils mit Namen und Anschrift bezeichnete-- Rechtsanwälte, eine Steuerberaterin und eine Rechtsschutzversicherungsgesellschaft für eine Vertretung zu gewinnen.
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Diese Angaben genügen den Erfordernissen der dargestellten Rechtsprechung nicht. Zum einen hat der Antragsteller nur drei mögliche Prozessbevollmächtigte benannt, so dass die erforderliche Mindestzahl von "mehr als vier" nicht erreicht wird. Dabei ist die Rechtsschutzversicherungsgesellschaft nicht in die Betrachtung einzubeziehen, da sie vor dem BFH nicht vertretungsbefugt ist. Seinen "ersten und zweiten Rechtsanwalt" hat der Antragsteller nicht bezeichnet.
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Vor allem aber hat der Antragsteller sich nicht zu den Gründen geäußert, die zur Ablehnung seiner --ohnehin nur telefonisch vorgebrachten-- Versuche auf Mandatsübernahme geführt haben. Das um die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten ersuchte Gericht muss aus den Angaben des Antragstellers und den ggf. von diesem vorgelegten Antwortschreiben der um eine Vertretung ersuchten Personen zumindest erkennen können, dass die Ablehnung der Vertretung nicht auf der Nichtzahlung eines Gebührenvorschusses sowie auf unzulässigen Vorbedingungen des Antragstellers beruhte. Daran fehlt es hier.
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4. Hinzu kommt, dass die Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint, was der Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO ebenfalls entgegen steht.
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a) Dies ist offensichtlich, soweit der Antragsteller die Einlegung einer "Revision" gegen das finanzgerichtliche Urteil beabsichtigt, da das Finanzgericht (FG) die Revision nicht zugelassen hat.
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b) Aber auch das --an sich statthafte-- Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Streitfall aussichtslos.
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Eine Rechtsverfolgung ist aussichtslos, wenn eine Grundlage für einen Erfolg des Begehrens nicht erkennbar ist (Senatsbeschluss vom 25. Juni 2008 X S 34/08, n.v.). Aussichtslosigkeit in diesem Sinne ist zwar nicht schon dann gegeben, wenn die Frist zur wirksamen Einlegung eines Rechtsmittels --in Ermangelung eines zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten-- versäumt worden ist, weil nach den für PKH-Anträge entwickelten Grundsätzen auch in Fällen der Beiordnung eines Notanwalts Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann, wenn der Beiordnungsantrag rechtzeitig und mit den erforderlichen Angaben gestellt worden ist (Senatsbeschluss vom 20. September 2013 X S 32/13, BFH/NV 2014, 57). Dies setzt jedoch --neben den erforderlichen substantiierten Angaben zu den um eine Vertretung ersuchten Personen, an denen es vorliegend schon fehlt (s. oben 3.)-- voraus, dass der Antragsteller innerhalb der für die Begründung der einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde geltenden Frist zumindest in laienhafter Weise einen Zulassungsgrund darlegt (BFH-Beschluss vom 27. Juni 2012 VII S 19/12, BFH/NV 2012, 1624). Daran fehlt es hier. Der Antragsteller hat sich bisher mit keinem Wort dazu geäußert, weshalb er das finanzgerichtliche Urteil angreifen will.
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Aber auch von Amts wegen ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen eines der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Zulassungsgründe vorliegen könnten. Das FG hat die Klage wegen Einkommensteuer 2007 mangels Beschwer als unzulässig verworfen, weil der Antragsteller die Festsetzung einer höheren Einkommensteuer als bisher begehrt hatte. Hinsichtlich der Einkommensteuer 2006, 2008 und 2009 hat das FG die Klage als unbegründet angesehen, weil der Antragsteller in Bezug auf die von ihm geltend gemachten Betriebsausgaben und Werbungskosten entweder bereits deren Entstehen oder deren betriebliche bzw. berufliche Veranlassung nicht nachgewiesen hatte. Es handelt sich dabei um eine klassische Einzelfallentscheidung ohne Bedeutung für die Allgemeinheit. Divergenzen oder Verfahrensmängel sind ebenfalls nicht ersichtlich.
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5. Das Verfahren über die Beiordnung ist als unselbständiges Zwischenverfahren in Ermangelung eines Gebührentatbestands gerichtsgebührenfrei (BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 219).
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Referenzen
- 2012 VII S 19/12 1x (nicht zugeordnet)
- 2013 X S 32/13 1x (nicht zugeordnet)
- 2008 X S 34/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 IX S 11/09 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 VIII S 20/12 1x (nicht zugeordnet)
- 2010 VI B 41/10 1x (nicht zugeordnet)