Beschluss vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III S 11/15

Tenor

Der Antrag auf vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren III B 32/15 wird als unzulässig verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

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I. Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin) begehrt Kindergeld für ihre Tochter V (geboren am … August 1992) für den Zeitraum ab September 2013. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob mit Bescheid vom 2. August 2013 die Kindergeldfestsetzung für V ab September 2013 auf. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2014). Die Klage hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die von der Klägerin eingelegte --beim Senat unter dem Az. III B 32/15 geführte-- Beschwerde, mit der sie die Zulassung der Revision begehrt.

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Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben zusammen mit der Beschwerdebegründung beantragt, den Streitwert nach § 32 Abs. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) aus eigenem Recht festzusetzen. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, es sei beabsichtigt, der Rechtsschutzversicherung der Klägerin eine Kostenvorschussnote (vgl. § 9 RVG) für die Tätigkeit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu übersenden. Die Höhe des Streitwerts ergebe sich nicht schon aus den gestellten Anträgen.

Entscheidungsgründe

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II. Der Antrag auf vorläufige Festsetzung des Streitwerts nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren) ist unzulässig und daher zu verwerfen.

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1. Der Senat legt den Antrag der Prozessbevollmächtigten dahingehend aus, dass sie eine für die Rechtsanwaltsgebühren maßgebende (vgl. § 32 Abs. 1 RVG) vorläufige Streitwertfestsetzung nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG begehren.

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a) Die Prozessbevollmächtigten haben einen Antrag nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, nicht einen nach § 33 Abs. 1 RVG gestellt.

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Zwar setzt das Gericht des Rechtszugs gemäß § 33 Abs. 1 RVG den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag durch Beschluss selbständig fest. Im Streitfall haben die Prozessbevollmächtigten aber ausdrücklich einen Antrag nach § 32 Abs. 2 RVG gestellt. Hieran hält der Senat die Prozessbevollmächtigten fest.

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b) Da die Prozessbevollmächtigten die gerichtliche Streitwertfestsetzung vor Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde begehren, kommt allenfalls eine vorläufige Streitwertfestsetzung in Betracht (zur endgültigen Streitwertfestsetzung, vgl. § 63 Abs. 2 GKG).

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2. Der Antrag auf vorläufige Wertfestsetzung ist nicht statthaft.

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a) Der Rechtsanwalt kann nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG aus eigenem Recht die Festsetzung des Streitwerts beantragen.

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Dieses Antragsrecht besteht in allen Fällen, in denen das jeweilige Verfahrensrecht eine gerichtliche Festsetzung des Werts auf Antrag eines Beteiligten oder der Staatskasse vorsieht (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 22. Aufl., § 32 Rz 124). Es eröffnet keine über die existierenden gesetzlichen Regelungen hinausgehende Antragsmöglichkeit (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 3. April 2008  10 W 166/08, Monatsschrift für Deutsches Recht 2008, 1368, sowie Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., § 32 RVG Rz 12, 19, beide zur Beschwerdemöglichkeit nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG).

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b) Allerdings sieht das GKG in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit im Grundsatz keine vorläufige Streitwertfestsetzung vor.

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§ 63 Abs. 1 Satz 3 GKG ordnet ausdrücklich an, dass der die vorläufige Streitwertfestsetzung regelnde Satz 1 in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nicht gilt. Danach ist es dem Bundesfinanzhof (BFH) verwehrt, den Streitwert bereits mit Eingang der Rechtsmittelschrift nach § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG vorläufig festzusetzen. Etwas anderes gilt nur in Entschädigungsklageverfahren wegen überlanger Verfahrensdauer nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung i.V.m. §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (vgl. BFH-Beschluss vom 5. März 2013 X K 10/12, BFH/NV 2013, 953, Rz 10). Ein solches Verfahren liegt hier jedoch nicht vor.

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c) Bei Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren kommt hinzu, dass --anders als § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG voraussetzt-- die Verfahrensgebühr nicht bereits mit der Einreichung der Beschwerdeschrift fällig wird. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 GKG wird vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit die Verfahrensgebühr nur in Prozessverfahren mit der Einreichung der entsprechenden Schrift fällig. Prozessverfahren vor dem BFH sind aber nur die in § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. den in Teil 6, Hauptabschnitt 1 (Prozessverfahren) unter den Nrn. 6112 bis 6122 des Kostenverzeichnisses genannten Verfahren; das in Teil 6, Hauptabschnitt 5 (Sonstige Beschwerden) unter Nrn. 6500 und 6501 des Kostenverzeichnisses genannte Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gehört nicht dazu.

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3. Nach alledem ist ein Antrag eines Rechtsanwalts auf gerichtliche Streitwertfestsetzung in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG im Grundsatz erst statthaft, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergangen ist oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat.

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4. Lediglich ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin: Nach der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Rechtslage bemisst sich der Streitwert bei einer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung --wie der Senat mit Beschluss vom 2. Oktober 2014 III S 2/14 (BFHE 247, 119, BStBl II 2015, 37) entschieden hat-- nach § 52 Abs. 3 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 (BGBl I 2004, 718).

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Da im Streitfall die Nichtzulassungsbeschwerde nach dem 16. Juli 2014 eingelegt wurde, wären auch § 52 Abs. 3 Satz 2 und 3 GKG anwendbar (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG). Der am 16. Juli 2014 in Kraft getretene § 52 Abs. 3 Satz 3 GKG i.d.F. des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 8. Juli 2014 (BGBl I 2014, 890) bestimmt, dass in Kindergeldverfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit § 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 entsprechend anzuwenden ist, wobei an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags der einfache Jahresbetrag tritt.

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Welche Folgerungen hieraus für die Bemessung des Streitwerts zu ziehen sind, hat der Senat bisher noch nicht entschieden (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 247, 119, BStBl II 2015, 37, Rz 19, 22).

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5. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, weil für die Streitwertfestsetzung keine Gerichtsgebühren vorgesehen sind (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 247, 119, BStBl II 2015, 37, Rz 28).

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