Urteil vom Bundesgerichtshof (4. Zivilsenat) - IV ZR 352/13
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das am 26. September 2013 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig aufgehoben, auf die Berufung der Beklagten das am 28. März 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Borna unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.171,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 382,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 55% und die Beklagte 45%.
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Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 4.830,24 € festgesetzt.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger nimmt die Beklagte, einen liechtensteinischen Lebensversicherer, auf Rückzahlung einbehaltener Beträge aus einer Kostenausgleichsvereinbarung in Anspruch. Am 2. März 2010 stellte der Kläger bei der Beklagten einen "Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung/Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung". Als monatlicher Beitrag für die Rentenversicherung waren 230 € vorgesehen. In Abschnitt B ist hierzu unter der Rubrik "Vertragsdaten/Beitrag" geregelt:
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"In den ersten 48 Monaten wird der Monatsbeitrag um die Teilzahlungen für die Kostenausgleichsvereinbarung reduziert. Versicherungsdauer = Zeitraum bis zur ersten Rentenzahlung."
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In dem die Kostenausgleichsvereinbarung betreffenden Abschnitt C findet sich der fettgedruckte Hinweis:
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"Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung."
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Weiter ist bestimmt, dass die Tilgung der Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen erfolgt. Die Abschluss- und Einrichtungskosten sind mit einem Gesamtpreis von 5.466 € angegeben, zahlbar in 48 monatlichen Raten von 113,88 €. Als nominaler und effektiver Jahreszins sind 0% angegeben.
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In Abschnitt E zur Beratungsdokumentation heißt es unter anderem:
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"Ich habe verstanden, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag getilgt werden. Diese Kosten sind auch im Falle einer Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu tilgen."
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Unmittelbar über dem Unterschriftsfeld für die Kostenausgleichsvereinbarung findet sich die vorformulierte Erklärung (der letzte Satz in Fettdruck):
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"Ich beantrage die unkündbare Kostenausgleichsvereinbarung gemäß dieses Antrages. ... Ich habe die Sicherungsabtretung meiner Leistungsansprüche an die P. zur Kenntnis genommen.
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Mir ist ebenfalls bekannt, dass ich die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen kann."
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Ferner heißt es zum "Widerrufsrecht im Rahmen des Versicherungsvertrages":
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"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) gegenüber der P. in R. , widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt der Versicherungspolice, der Vertragsbestimmungen einschließlich der Versicherungsbedingungen, der weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 des Versicherungsvertragsgesetzes in Verbindung mit den §§ 1 bis 4 der VVG-Informationspflichtenverordnung und dieser Belehrung jeweils in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Widerrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der ggf. bereits bestehende Versicherungsschutz, und wir erstatten Ihnen unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs, den Rückkaufswert nach § 169 Versicherungsvertragsgesetz, mindestens jedoch die bisher gezahlten Beiträge. Die Abschluss- und Einrichtungskosten des Versicherungsvertrages bezahlen Sie durch die ebenfalls mit uns geschlossene Kostenausgleichsvereinbarung. Die beiden Verträge bilden damit eine wirtschaftliche Einheit. Widerrufen Sie den Versicherungsvertrag wirksam, sind Sie daher auch an die Kostenausgleichsvereinbarung nicht mehr gebunden, die damit auch endet. Wenn Sie im Zeitpunkt des Widerrufs die Forderung aus der Kostenausgleichsvereinbarung bereits ganz oder teilweise beglichen haben, erstatten wir Ihnen den gezahlten Betrag."
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Schließlich ist zum Widerrufsrecht im Rahmen der Kostenausgleichsvereinbarung bestimmt:
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"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) gegenüber der P. in R. widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt der Vertragsurkunde der Kostenausgleichsvereinbarung, der Durchschrift des Antrages und dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Widerrufsfolgen: Mit der Kostenausgleichsvereinbarung bezahlen Sie die Abschluss- und Einrichtungskosten des ebenfalls mit uns geschlossenen Versicherungsvertrages. Die beiden Verträge bilden damit eine wirtschaftliche Einheit. Daher, und weil Ihnen in Bezug auf den Versicherungsvertrag ein Widerrufsrecht zusteht, ist dieser zu widerrufen, wobei ein wirksamer Widerruf neben dem Versicherungsschutz auch die Kostenausgleichsvereinbarung beendet. Widerrufen Sie dennoch die Kostenausgleichsvereinbarung, so gilt dies als Widerruf des Versicherungsvertrages, wobei ein wirksamer Widerruf neben dem Versicherungsschutz auch die Kostenausgleichsvereinbarung beendet. Bezüglich der weiteren Rechtsfolgen verweisen wir auf die oben stehenden Widerrufsfolgen in der Belehrung zum Widerrufsrecht im Rahmen des Versicherungsvertrages, die Sie bitte erneut zur Kenntnis nehmen."
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Die Beklagte nahm den Antrag an, wobei für die Kostenausgleichsvereinbarung nur noch ein Gesamtpreis von 4.830,24 € bei 48 monatlichen Teilzahlungen von 100,63 € ohne Verzinsung vereinbart wurde. Der Kläger leistete seit Vertragsschluss ab dem 1. April 2010 zunächst die Prämien für den Versicherungsvertrag und die Kostenausgleichsvereinbarung. Mit Schreiben vom 15. März 2012 focht er den gesamten Vertrag einschließlich der Kostenpauschale an, erklärte hilfsweise die Kündigung mit sofortiger Wirkung und forderte Rückzahlung der gezahlten Beiträge. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 4. April 2012 die Wirksamkeit der Kündigung und teilte dem Kläger den Rückkaufswert der gekündigten Versicherung mit 2.913,53 € mit. Ferner wies sie darauf hin, dass dieser mit der offenen Kostenausgleichsvereinbarung verrechnet werde, woraus sich ein Auszahlungsbetrag für den Kläger von 742,33 € ergab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17. Mai 2012 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte auf, die auf die Kostenausgleichsvereinbarung erfolgten Zahlungen zurückzuzahlen, und widerriefen vorsorglich die Vertragserklärung des Klägers.
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Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 4.830,24 € nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage stattgegeben. Auf das Rechtsmittel der Beklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der eine Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist teilweise begründet.
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I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine gesonderte Kostenausgleichsvereinbarung zulässig und wirksam. Insbesondere verstoße sie nicht gegen § 169 Abs. 5 VVG und stelle keine unzulässige Umgehung dar. Eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers liege ebenfalls nicht vor. Auch das Transparenzgebot sei gewahrt. Einen Widerruf des Versicherungsvertrages oder der Kostenausgleichsvereinbarung habe der Kläger nicht erklärt. Es liege ohnehin kein entgeltlicher Zahlungsaufschub i.S. von § 506 BGB vor. § 8 VVG finde auf Kostenausgleichsvereinbarungen ferner keine Anwendung. Von einer Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten sei ebenfalls nicht auszugehen. Auch eine unzulässige Verflechtung der Beklagten mit dem Versicherungsvermittler, der A. AG, liege nicht vor.
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II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
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1. Wie der Senat bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte betreffenden - Urteilen vom 12. März 2014 entschieden und im Einzelnen begründet hat, verstößt die Kostenausgleichsvereinbarung nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 VVG (IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 14-22; IV ZR 255/13 juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor Augen geführt, dass er die Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärung zu deren Beendigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages oder der Kostenausgleichsvereinbarung selbst (vgl. Senatsurteil vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13, aaO Rn. 23-25).
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2. Dem Kläger stand allerdings das Recht zu, die Kostenausgleichsvereinbarung zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Unabhängigkeit der Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind (Senatsurteile vom 12. März 2014 - IV ZR 295/13, VersR 2014, 567 Rn. 26-35; IV ZR 255/13 juris Rn. 21-30). Hieran hält der Senat auch in Anbetracht des weiteren Vorbringens der Beklagten fest. Wie im Fall desjenigen Versicherungsnehmers zu entscheiden wäre, der die Abschluss- und Einrichtungskosten - anders als in sämtlichen bisher dem Senat vorliegenden Fallgestaltungen - nicht ratierlich, sondern in einem Betrag sofort bei Vertragsschluss zahlt, muss hier nicht entschieden werden. Es besteht ferner keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von durch den Versicherungsnehmer widerrufenen oder gekündigten Versicherungsverträgen. Im Falle eines wirksamen Widerrufs seitens des Versicherungsnehmers ist der Vertrag von Anfang an unwirksam. Soweit die vertraglichen und gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, kann in diesen Fällen ein Anspruch auf Wertersatz in Betracht kommen. Die Kündigung führt demgegenüber nur zu einer Beendigung des Vertrages ex nunc, so dass der Versicherer bis zu diesem Zeitpunkt geleistete Zahlungen des Versicherungsnehmers auf die Kostenausgleichsvereinbarung ohnehin behalten darf.
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Hieraus folgt, dass der Kläger die Kostenausgleichsvereinbarung mit seinem Schreiben vom 15. März 2012 wirksam gekündigt hat. Die Beklagte kann für die Zeit danach aus ihr keine Zahlungsansprüche mehr geltend machen. Ausweislich ihres Abrechnungsschreibens vom 4. April 2012 bemisst die Beklagte ihre restliche Forderung aus der Kostenausgleichsvereinbarung mit 2.171,20 € (Rückkaufswert vo n 2.913,53 € abzüglich Auszahlung von 742,33 €). In dieser Höhe kann der Kläger mithin Zahlung von der Beklagten verlangen.
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3. Ein weitergehender Anspruch des Klägers wegen des Widerrufs seiner auf den Abschluss des Versicherungsvertrages und der Kostenausgleichsvereinbarung gerichteten Willenserklärung auf Rückzahlung der auf die Kostenausgleichsvereinbarung geleisteten Beträge kommt dagegen nicht in Betracht. Unzutreffend nimmt das Berufungsgericht zwar an, dass ein derartiger Widerruf des Klägers nicht vorliegt. Diesen Widerruf hat der Kläger nicht nur mit dem anwaltlichen Schreiben vom 17. Mai 2012 erklärt, sondern diesen nochmals in der Klageschrift vom 9. August 2012 wiederholt. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Widerrufsbelehrungen sowohl zum Versicherungsvertrag als auch zur Kostenausgleichsvereinbarung aber weder inhaltlich noch formal zu beanstanden. Die Widerrufsbelehrungen im hier zu beurteilenden Fall entsprechen denjenigen, die der Senatsentscheidung vom 14. Mai 2014 (IV ZA 5/14, VersR 2014, 824) zugrunde lagen. Insoweit wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen (Rn. 12-19).
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Der Anspruch des Klägers auf teilweisen Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 2.171,20 € aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
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Lehmann Dr. Brockmöller
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- BGB § 307 Inhaltskontrolle 2x
- § 171 Satz 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 506 Zahlungsaufschub, sonstige Finanzierungshilfe 1x
- IV ZR 255/13 2x (nicht zugeordnet)
- § 8 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- IV ZR 295/13 3x (nicht zugeordnet)
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