Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 470/14

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Lübeck vom 9. Juli 2014 und der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 20. August 2014 die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Die außergerichtlichen Kosten der Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

Beschwerdewert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht hat die Einwilligung der Beteiligten zu 2 (Betreuerin) in die zwangsweise Behandlung der geschlossen untergebrachten Betroffenen durch Verabreichung näher bestimmter Medikation genehmigt. Die Beschlussformel enthält keine Angaben zur Durchführung und Dokumentation dieser Maßnahme in der Verantwortung eines Arztes. Das Landgericht hat die Beschwerde des Verfahrenspflegers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie - nach Ablauf der längstens bis zum 20. August 2014 befristeten - Genehmigung die Feststellung der Rechtswidrigkeit nach § 62 FamFG beantragt.

II.

2

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

3

1. Bei der Genehmigung der Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme handelt es sich nach § 312 Satz 1 Nr. 1 FamFG um eine Unterbringungssache. Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich auch im Fall der hier aufgrund Zeitablaufs eingetretenen Erledigung aus § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG (Senatsbeschlüsse vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ 2014, 1358 Rn. 4 und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649 Rn. 7).

4

2. Die Entscheidungen von Amts- und Landgericht zur ärztlichen Zwangsmaßnahme haben die Betroffene in ihren Rechten verletzt, was nach der in der Rechtsbeschwerdeinstanz entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 62 FamFG (Senatsbeschlüsse vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ 2014, 1358 Rn. 5 und vom 29. Januar 2014 - XII ZB 330/13 - FamRZ 2014, 649 Rn. 8) festzustellen ist.

5

a) Das Amtsgericht hat ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Notwendigkeit einer geschlossenen Unterbringung sowie zum Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für eine zwangsweise Behandlung der Betroffenen eingeholt und die Betroffene angehört. Auf dieser Grundlage ist - teilweise ergänzend durch das Landgericht - festgestellt worden, dass bei vorliegender paranoider Schizophrenie der Betroffenen eine Medikation zur Behandlung akuter Agitiertheit und Aggressivität und zudem zum Wohle der Betroffenen erforderlich sei, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Angesichts des vorherigen Absetzens der oralen Medikation sei bereits eine Befundverschlechterung eingetreten. Es müsse mit einer weiteren Befundverschlechterung und einer Chronifizierung auf niedrigem Niveau gerechnet werden. Es stehe insoweit im Vordergrund, zunächst die wahnhafte Symptomatik zu behandeln. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die Betroffene im Falle der nicht erfolgten Medikation dauerhaft geschlossen untergebracht werden müsse. Auch schwerwiegende Eingriffe wie Fixierungen, zu denen es immer wieder gekommen sei, könnten und sollten durch die Medikation vermieden werden. Der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme überwiege die von dieser zu erwartenden Beeinträchtigungen. Der Sachverständige habe sich auch mit den möglichen Nebenwirkungen der Behandlung auseinandergesetzt und mitgeteilt, dass nicht tolerable Nebenwirkungen auch im Hinblick auf die vorliegende Herzerkrankung der Betroffenen bisher nicht aufgetreten seien. Die Betroffene sei nicht in der Lage, einen freien Willen zu bilden. Aufgrund ihrer wahnhaften Störung sei sie nicht in der Lage, die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung zu erkennen und danach zu handeln. Beide Instanzen haben danach die Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung für gegeben erachtet. Das Landgericht hat in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass die Beschlussformel in künftigen Fällen gemäß § 323 Abs. 2 FamFG zu ergänzen sein werde.

6

b) Die Entscheidungen des Amts- und Landgerichts halten insoweit einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

7

Gemäß § 323 Abs. 2 FamFG muss die Beschlussformel bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung Angaben darüber enthalten, dass die Zwangsmaßnahme unter der Verantwortung eines Arztes durchzuführen und zu dokumentieren ist (BT-Drucks. 17/11513 S. 8; vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 193, 337 = FamRZ 2012, 1366 Rn. 40). Hierbei handelt es sich nicht lediglich um einen klarstellenden Ausspruch. Vielmehr wird durch den Beschlusstenor die Rechtmäßigkeit der ärztlichen Zwangsmaßnahme unabhängig von aus dem zivilrechtlichen Behandlungsvertrag folgenden Pflichten daran geknüpft, dass diese Vorgaben erfüllt sind (Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - FamRZ 2014, 1358 Rn. 22; vgl. auch Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 323 Rn. 8).

8

An den danach zwingend erforderlichen Anordnungen fehlt es im amtsgerichtlichen Beschluss. Das Landgericht hätte die dagegen eingelegte Beschwerde nicht zurückweisen dürfen, ohne der Beschlussformel die nach § 323 Abs. 2 FamFG erforderlichen Angaben zur Durchführung und Dokumentation dieser Maßnahme in der Verantwortung eines Arztes zuzufügen. Durch dieses Unterlassen bleibt die Anordnung insgesamt gesetzeswidrig und wird die Betroffene in ihren Rechten verletzt.

9

c) Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Klinkhammer                             Schilling                    Günter

                      Nedden-Boeger                      Botur

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