Urteil vom Bundesgerichtshof (4. Zivilsenat) - IV ZR 138/14

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 1. April 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: 7.693,12 €

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche der Klägerin, insbesondere über die Bewertung des Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück.

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Die Klägerin ist das einzige Kind der im Mai 2006 verstorbenen Erblasserin. Diese war geschieden und lebte seit 1998 mit dem Beklagten zusammen. Mit Grundstückskaufvertrag vom Oktober 1999 erwarben sie zum Kaufpreis von 235.000 DM ein Reihenhaus als Miteigentümer je zur ideellen Hälfte, das sie in der Folge gemeinsam bewohnten. Die Erblasserin errichtete im April 2001 ein notarielles Testament, mit dem sie den Beklagten zu ihrem Alleinerben bestimmte.

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Die Klägerin hat in der Folge mit einer Stufenklage gegen den Beklagten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, auf erster Stufe einen Anspruch auf Auskunft unter anderem betreffend die Finanzierung des mit der Erblasserin erworbenen Hausgrundstücks geltend gemacht. In der Berufungsinstanz haben die Parteien die erste Stufe der Klage übereinstimmend für erledigt erklärt.

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Auf der zweiten Stufe hat die Klägerin Zahlung von 41.202,21 € nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Verkehrswert des Hausgrundstücks durch Schlussurteil den Beklagten zur Zahlung von 11.193,12 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil teilweise abgeändert und ihn zur Zahlung von 7.693,12 € nebst Zinsen verurteilt; im Übrigen hat es die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision, mit der er weiterhin die Abweisung der gesamten Klage erstrebt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat keinen Erfolg.

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I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sind als Wert für das Hausgrundstück 86.000 € und für die Haushaltsgegenstände der Erblasserin nur 1.000 € zugrunde zu legen. Soweit der Beklagte rüge, der Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück sei nur schwer zu verkaufen und daher mit einem deutlichen Abschlag anzusetzen, ist es der Ansicht, dass jedenfalls dann, wenn wie hier der Erbe der ideellen Miteigentumshälfte an dem Hausgrundstück bereits Eigentümer der anderen Miteigentumshälfte sei und mit dem Erbfall Alleineigentümer des Hausgrundstücks werde, der im Rahmen eines Pflichtteilsanspruchs zu bestimmende Wert einer nachlassgegenständlichen Miteigentumshälfte in der Regel dem hälftigen Wert des Gesamtobjekts entspreche.

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II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

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Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der im Rahmen eines Pflichtteilsanspruchs zu bestimmende Wert einer nachlassgegenständlichen Miteigentumshälfte an einem Hausgrundstück dem hälftigen Wert des Gesamtobjekts entspricht, wenn der Alleinerbe bereits Eigentümer der anderen ideellen Miteigentumshälfte ist.

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1. Der Pflichtteilsberechtigte hat nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des Werts seines gesetzlichen Erbteils. Eine bestimmte Wertberechnungsmethode für die Ermittlung des Nachlasswerts ist nicht vorgeschrieben (Senatsurteil vom 26. April 1972 - IV ZR 114/70, NJW 1972, 1269 Rn. 8). Für die Bemessung des Anspruchs stellt § 2311 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Bestand und den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles ab. Der Pflichtteilsberechtigte ist demnach wirtschaftlich so zu stellen, als sei der Nachlass beim Tod des Erblassers in Geld umgesetzt worden (Senatsurteile vom 30. September 1954 - IV ZR 43/54, BGHZ 14, 368, 376; vom 13. März 1991 - IV ZR 52/90, NJW-RR 1991, 900, 901; vom 14. Oktober 1992 - IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131 unter 2 a; vom 10. November 2010 - IV ZR 51/09, WM 2011, 375 Rn. 6 und Senatsbeschluss vom 25. November 2010 - IV ZR 124/09, NJW 2011, 1004 Rn. 5). Die Ermittlung des Verkaufswerts zum Stichtag besagt, dass die für den Verkaufswert maßgebenden Bewertungsdaten aus der Sicht des Stichtags zu ermitteln sind. Zu berücksichtigen sind daher alle naheliegenden und wirtschaftlich fassbaren zum Stichtag im Keim angelegten Entwicklungen (Staudinger/Herzog, Neub. [2015] § 2311 Rn. 100 m.w.N.; vgl. auch Senatsurteil vom 30. September 1954 - IV ZR 43/54 aaO). Bei der Berechnung des Pflichtteils ist zu ermitteln, welchen Verkaufserlös der Nachlass am Tag des Erbfalles tatsächlich erbracht hätte; dabei ist grundsätzlich der Verkaufserlös, den die Erben inzwischen bereits erzielt haben, zu berücksichtigen (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 8. April 2015 - IV ZR 150/14, juris Rn. 4 m.w.N.)

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Hat ein Verkauf nicht stattgefunden und fehlt es an einem gängigen Marktpreis für den Nachlassgegenstand, muss der Wert geschätzt werden (§ 2311 Abs. 2 Satz 1 BGB). Da das Gesetz keine Bewertungsmethode vorschreibt, obliegt die sachgerechte Auswahl dem Tatrichter (MünchKomm-BGB/Lange, 6. Aufl. § 2311 Rn. 31).

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2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war das Berufungsgericht zutreffend der Ansicht, dass der zu bestimmende Wert des in den Nachlass fallenden hälftigen Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück der Erblasserin dem hälftigen Wert des Gesamtobjekts entspricht.

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a) In der Literatur wird - worauf auch das Berufungsgericht hingewiesen hat - ganz überwiegend vertreten, dass dann, wenn ein halber Miteigentumsanteil einer vom anderen Miteigentümer eigengenutzten Immobilie in den Nachlass fällt, die Verkehrswertbestimmung des hälftigen Miteigentumsanteils besondere Schwierigkeiten bereite und es in aller Regel unzulässig sei, den halben Verkehrswert des Grundstücks samt Gebäude anzusetzen, da die Chance, diesen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu veräußern, sehr gering sei. Es sei daher ein deutlicher Abschlag vorzunehmen (Schopp, ZMR 1994, 552; Staudinger/Haas, BGB [2006] § 2311 Rn. 79; Staudinger/Herzog, [2015] § 2311 Rn. 118; J. Mayer in Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB Stand: 1.02.15 § 2311 Rn. 20; Riedel in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht 3. Aufl. § 5 Rn. 154; Riedel in Damrau/Tanck, Praxiskommentar Erbrecht 3. Aufl. § 2311 Rn. 129; Rösler in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 2. Aufl. C VI Rn. 88; Horn in Scherer, Anwaltshandbuch Erbrecht 4. Aufl. § 46 Rn. 91; und so auch AG Andernach, FamRZ 2008, 190, 192).

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b) Demgegenüber vertritt das Berufungsgericht die Auffassung, dass der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils jedenfalls dann dem hälftigen Wert der Immobilie insgesamt entspreche, wenn der bisherige Eigentümer der einen ideellen Hälfte mit dem Erbfall auch die andere Hälfte des Eigentums erlangt (so bereits mit Urteil vom 12. Oktober 1999, SchlHA 2000, 175, 176; ähnlich auch BFH, Beschluss vom 2. Juli 2008 - II B 46/07, juris Rn. 12 f.; vgl. auch Bißmaier in einer Anmerkung zu Schopp (s.o.), nach dem es sich um eine Frage der Beweislast handele, ZMR 1995, 106, 107).

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Die Ansicht des Berufungsgerichts trifft zu. Eine Verwertung des Miteigentums an einer Immobilie ist mit dem Erbfall bei dieser Sachlage problemlos möglich und es sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, einen Abschlag vorzunehmen. Das Berufungsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass anderenfalls dem Erben zwar im Moment des Erbfalles der volle Wert der ideellen Miteigentumshälfte im Sinne des hälftigen Verkehrswerts zufließt, weil er nun als Alleineigentümer den vollen Verkehrswert realisieren kann, der Pflichtteilsberechtigte aber nichts oder jedenfalls deutlich weniger als den seinem Pflichtteil entsprechenden Anteil am hälftigen Verkehrswert der Immobilie erhielte. Entgegen der Revision ist auch nicht etwa ein deutlicher Abschlag vorzunehmen, weil nur ein Miteigentumsanteil zum Nachlass gehört und deshalb nur darauf abzustellen ist, zu welchem Preis dieser im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin hätte verkauft werden können, sondern für eine sachgerechte Bewertung des Pflichtteilsanspruchs an dem hälftigen Miteigentumsanteil der Erblasserin ist bei Alleineigentum des Erben im Zeitpunkt des Erbfalles auf den hälftigen Wert der Gesamtimmobilie abzustellen. Ein Abschlag vom hälftigen Wert ist - entgegen der Ansicht der Revision - auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Erbe zur Befriedigung des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten gezwungen sein könnte, die gesamte Immobilie zu verkaufen. Dies ist ein regelmäßig mit Erbschaften verbundenes Risiko. Soweit der Sachverständige schließlich der Ansicht war, die Hälfte des Verkehrswerts der Immobilie sei nur schwer zu erlangen, ihm seien Werte von Verkäufen von Bruchteilen nicht bekannt, hat er nicht berücksichtigt, dass der Beklagte mit dem Erbfall Alleineigentümer des Einfamilienhauses geworden ist.

Mayen                        Harsdorf-Gebhardt                                   Dr. Karczewski

              Lehmann                                      Dr. Brockmöller

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