Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 671/14

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14. November 2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beschwerde nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die weitere Beteiligte zu 4 zu tragen.

Wert: 2.000 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Mutter des die Vaterschaft anfechtenden Mannes nach dessen Tod die Fortsetzung des Abstammungsverfahrens verlangen kann.

2

Der Antragsteller hatte am 9. Mai 2011 die Vaterschaft für das am 20. April 2011 geborene betroffene Kind anerkannt. Mit Schriftsatz vom 18. April 2013 hat er die Vaterschaft angefochten. Der Schriftsatz ist der Kindesmutter (Beteiligte zu 2) am 17. Mai 2013 zugestellt worden. Am 27. Mai 2013 ist der Antragsteller verstorben. Im Anhörungstermin vom 15. Juli 2013, zu dem seine Verfahrensbevollmächtigte, die Beteiligte zu 2 sowie ein Vertreter des Kreisjugendamts (Beteiligter zu 3) erschienen waren, hat das Amtsgericht die Unterbrechung des Verfahrens festgestellt. Weiter hat es darauf hingewiesen, dass das Verfahren nur fortgesetzt werde, wenn ein Beteiligter dies innerhalb einer Frist von einem Monat verlange. Nachdem binnen dieser Frist kein Fortsetzungsantrag eingegangen war, hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 19. August 2013 die Erledigung des Verfahrens festgestellt.

3

Mit Schriftsatz vom 8. August 2014 hat die Mutter des Antragstellers (Beteiligte zu 4) beantragt, sie zum Verfahren hinzuzuziehen und dieses fortzusetzen. Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Beschluss hat das Oberlandesgericht die Beschwerde der Beteiligten zu 4 gegen die Zurückweisung des Fortsetzungsverlangens als unzulässig verworfen. Die Beteiligte zu 4 verfolgt mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde ihren Antrag auf Verfahrensfortsetzung weiter.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hat seine in FamRZ 2015, 770 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:

6

Die Beschwerde sei unzulässig, weil die Beteiligte zu 4 nicht beschwerdeberechtigt sei. Ihre Beschwerdeberechtigung ergebe sich nicht aus § 59 Abs. 2 FamFG. Zwar setzten sowohl ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren als auch dessen Fortführung nach dem Tod eines Beteiligten einen Antrag voraus. Dass die Beteiligte zu 4 diesen Antrag gestellt habe, führe jedoch nicht dazu, dass ihre Beschwerdeberechtigung zu bejahen sei. Denn zu der formellen Beschwer des § 59 Abs. 2 FamFG müssten auch die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 FamFG hinzukommen. Der Beschwerdeführer müsse daher unmittelbar in seinen Rechten beeinträchtigt sein. Hierfür sei ein unmittelbarer Eingriff in ein subjektives Recht erforderlich; ein berechtigtes wirtschaftliches, ideelles oder sonstiges Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung genüge nicht.

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Die Beteiligte zu 4 sei aber nicht unmittelbar in ihrer Rechtsstellung betroffen. Das Vater-Kind-Verhältnis betreffe unmittelbar nur den Vater und das Kind selbst. Eine Rechtsbeeinträchtigung im erforderlichen Sinne leite sich zum einen nicht aus einer möglichen Erbenstellung ab, weil es hier nicht um die Vaterschaftsfeststellung, sondern um die Anfechtung einer bestehenden Vaterschaft gehe. Zum anderen ergebe sie sich auch nicht aufgrund der aus dem Verwandtschaftsverhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten wie etwa Umgangsrecht und Unterhaltspflicht.

8

Die Beschwerdeberechtigung folge des Weiteren nicht aus § 184 Abs. 3 FamFG. Denn die Beteiligte zu 4 sei weder am bisherigen Vaterschaftsanfechtungsverfahren beteiligt gewesen noch sei sie zu beteiligen. Schon dem Wortlaut des § 181 FamFG sei zu entnehmen, dass das Recht zur Stellung des Fortsetzungsantrags nur den übrigen, also den bereits bis zum Tod des Vaters am Verfahren Beteiligten zustehe. Angehörige des Verstorbenen seien nur mittelbar betroffen, zudem handele es sich bei dem Anfechtungsrecht um ein höchstpersönliches Recht. Ebenso wenig ergebe sich eine Beschwerdeberechtigung aus materiellem Recht, nachdem § 1600 g BGB ersatzlos gestrichen worden sei, oder aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des § 1600 d Abs. 4 BGB im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes.

9

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung zwar nicht stand, weil das Beschwerdegericht die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 4 zu Unrecht verneint hat. Das Fortsetzungsverlangen ist jedoch unbegründet. Denn die Mutter des Mannes, der seine Vaterschaft angefochten hat und während des Verfahrens verstirbt, ist nicht antragsberechtigt gemäß § 181 Satz 1 FamFG.

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a) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts fehlt es der Beteiligten zu 4 nicht an der Beschwerdeberechtigung gemäß § 59 FamFG.

11

aa) Wie das Oberlandesgericht zutreffend erkennt, handelt es sich bei dem Fortsetzungsverlangen nach § 181 Satz 1 FamFG um einen Antrag im Sinne des § 59 Abs. 2 FamFG. Ebenso wie der zur Einleitung eines Abstammungsverfahrens gemäß § 171 Abs. 1 FamFG unabdingbare Antrag ist im von § 181 FamFG geregelten Fall des Todes eines Beteiligten das Fortsetzungsverlangen eine zwingende verfahrensrechtliche Voraussetzung dafür, dass es zu einer der Rechtskraft fähigen Gerichtsentscheidung in der Abstammungssache kommen kann.

12

Dem Beschwerdegericht ist auch darin zuzustimmen, dass die Regelung des § 59 Abs. 2 FamFG, die für nur auf Antrag zu erlassende Entscheidungen gilt, keine eigenständige Beschwerdeberechtigung begründet, sondern lediglich die Begrenzung einer grundsätzlich nach § 59 Abs. 1 FamFG bestehenden Beschwerdeberechtigung auf die Person des Antragstellers enthält (Senatsbeschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 624/11 - FamRZ 2012, 1131 Rn. 8). Die Bestimmung des § 59 Abs. 2 FamFG setzt mithin dem Grundsatz nach voraus, dass der Antragsteller durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist (§ 59 Abs. 1 FamFG).

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bb) Gleichwohl kann keinen rechtlichen Bestand haben, dass das Oberlandesgericht der Beteiligten zu 4 die Beschwerdeberechtigung abgesprochen hat. Hierfür bedarf es vorliegend nicht der Prüfung, ob der angefochtene Beschluss unmittelbar in ein subjektives Recht der Beschwerdeführerin eingreift und daher die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 FamFG erfüllt sind.

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Wird nämlich ein Antrag vom erstinstanzlichen Gericht allein aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückgewiesen, so eröffnet die darin begründete formelle Beschwer das Rechtsmittel, und zwar unabhängig davon, ob der Antragsteller sachlich zur Antragstellung berechtigt ist (vgl. BGH Beschluss vom 6. November 1997 - BLw 31/97 - FamRZ 1998, 229, 230). Dies gilt insbesondere bei Verneinung seiner Antragsberechtigung, denn nur auf diese Weise kann das Fehlen des Antragsrechts mit einem Rechtsmittel nachgeprüft werden (OLG Düsseldorf FGPrax 2013, 134; vgl. auch OLG München FamRZ 2011, 1257; Jürgens/Kretz Betreuungsrecht 5. Aufl. § 59 FamFG Rn. 15; Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 59 Rn. 40; Schulte-Bunert/Weinreich/Unger FamFG 4. Aufl. § 59 Rn. 29).

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So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat dem Antrag der Beteiligten zu 4 allein deshalb den Erfolg versagt, weil es ihr die Antragsberechtigung abgesprochen hat, und ist deshalb nicht zu einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung über die verfahrensgegenständliche Abstammungssache gelangt. Dass es den Antrag dabei nicht ausdrücklich als unzulässig bezeichnet hat, ist ohne Belang. Maßgeblich ist, dass es der Sache nach dem Antrag allein aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht nachgekommen ist.

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b) Dem Rechtsmittel ist jedoch letztlich kein Erfolg beschieden, weil es der Beteiligten zu 4 - wie die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht angenommen haben - an der Berechtigung fehlt, gemäß § 181 Satz 1 FamFG die Fortsetzung des Abstammungsverfahrens zu verlangen.

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aa) Stirbt in einer Abstammungssache im Sinne von § 169 FamFG ein Beteiligter vor Rechtskraft der Entscheidung, hat das Gericht gemäß § 181 Satz 1 FamFG die übrigen Beteiligten darauf hinzuweisen, dass das Verfahren nur fortgesetzt wird, wenn ein Beteiligter dies innerhalb einer Frist von einem Monat durch Erklärung gegenüber dem Gericht verlangt. Ohne ein solches Verlangen binnen der vom Gericht gesetzten Frist gilt das Verfahren gemäß § 181 Satz 2 FamFG als in der Hauptsache erledigt.

18

Die Beteiligung in Abstammungssachen regelt § 172 FamFG, wonach das Kind, die Mutter und der Vater sowie in bestimmten Fällen auch das Jugendamt (auf seinen Antrag) zu beteiligen sind. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend. Vielmehr sind auch weitere Personen als sog. Mussbeteiligte zum Verfahren hinzuzuziehen, sofern die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG vorliegen, also ihr Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 345; Keidel/Engelhardt FamFG 18. Aufl. § 172 Rn. 13).

19

bb) Ob die Eltern des Kindesvaters nach dessen Tod als Beteiligte im Sinne des § 181 Satz 1 FamFG anzusehen und als solche berechtigt sind, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, ist streitig.

20

Nach einer Auffassung sollen die nächsten Angehörigen des Verstorbenen gemäß § 181 Satz 1 FamFG antragsberechtigt sein, weil sie am Verfahren zu beteiligen seien (Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl. § 181 Rn. 3 und § 172 Rn. 2; unklar und nur bezogen auf das Vaterschaftsfeststellungsverfahren: Prütting/Helms/Stößer FamFG 3. Aufl. § 181 Rn. 2). Teilweise wird vertreten, dass dann, wenn das Verfahren fortgesetzt wird, die nächsten Angehörigen hinzuzuziehen seien, ohne dass daraus auf ein Antragsrecht im Sinne des § 181 Satz 1 FamFG geschlossen wird (Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig FamFG 2. Aufl. § 181 Rn. 1; Löhnig FamRZ 2009, 1798, 1800; so wohl auch Haußleiter/Fest FamFG § 172 Rn. 5; Schwonberg FuR 2010, 441, 449; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg FamFG 4. Aufl. § 181 Rn. 2).

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Die überwiegende Meinung geht hingegen dahin, dass die nächsten Angehörigen des Verstorbenen nicht zu den Beteiligten zu zählen seien, die die Fortsetzung des Verfahrens verlangen können (LG Berlin FamRZ 2011, 1308, 1309; BeckOK FamFG/Nickel [Stand: 1. April 2015] § 181 Rn. 2 a; Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig FamFG 2. Aufl. § 181 Rn. 3; Friederici jurisPR-FamR 22/2011 Anm. 6; Fritsche in Kemper/Schreiber Familienverfahrensrecht 3. Aufl. § 181 Rn. 2; Keidel/Engelhardt FamFG 18. Aufl. § 181 Rn. 2; MünchKommFamFG/Coester-Waltjen/Hilbig-Lugani § 181 Fn. 5; Schlemm in Bahrenfuss FamFG 2. Aufl. § 181 Rn. 2 mit abweichender Lösung für die Verfahren nach § 169 Nr. 2 und 3 FamFG; ebenso allein für Anfechtungsverfahren: Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg FamFG 4. Aufl. § 172 Rn. 35).

22

cc) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.

23

(1) Für sie streitet bereits der Gesetzestext.

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(a) Die Vorschrift des § 181 Satz 1 FamFG stellt auf den Zeitpunkt des Versterbens des Beteiligten ab und will erkennbar lediglich den bis dahin schon Verfahrensbeteiligten das Recht einräumen, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen. Denn der Hinweis auf die Möglichkeit des Fortsetzungsverlangens hat allein an "die übrigen Beteiligten" zu ergehen. Dieser Wortlaut lässt für die Annahme, anstelle des Verstorbenen zu beteiligende Personen seien ebenfalls antragsberechtigt, nur wenig Raum (vgl. BeckOK FamFG/Nickel [Stand: 1. April 2015] § 181 Rn. 2 a). Die Frage, wer bei Fortsetzung des Verfahrens nach Fortsetzungsverlangen durch einen der "übrigen Beteiligten" gegebenenfalls zusätzlich zum Verfahren hinzuzuziehen ist, erlangt nach dem Gesetzestext für das Recht aus § 181 Satz 1 FamFG hingegen keine Bedeutung.

25

(b) Über den Wortlaut des § 181 FamFG hinaus muss das Recht, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, allerdings auch den nach § 172 FamFG oder § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zwingend zu Beteiligenden zustehen, deren Beteiligung am Verfahren bis zum Versterben eines Beteiligten unterblieben ist. Ein solcher Mussbeteiligter kann - obwohl im für § 181 Satz 1 FamFG maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich nicht am Verfahren beteiligt - jedenfalls die Fortsetzung verlangen (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 353/13 - FamRZ 2014, 1357 zum Beschwerderecht einer nicht beteiligten Mussbeteiligten). Denn dieses Recht kann ihm nicht dadurch genommen werden, dass das Gericht zwingende Beteiligungsrechte missachtet oder das Versterben zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem das Abstammungsverfahren bereits eingeleitet ist, aber eine Beteiligung zeitlich noch nicht möglich war.

26

Dass die Eltern des Kindesvaters - ebenso wie seine sonstigen nächsten Verwandten - zu dessen Lebzeiten zu diesen Mussbeteiligten gehören, wird zu Recht von niemand vertreten. Denn sämtliche verwandtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zum Kind stellen sich für sie nur als Reflex ihres Verwandtschaftsverhältnisses zum Kindesvater, nicht aber als unmittelbares Recht dar (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 163, 37 = FamRZ 2005, 1067 f.). Ob dies nach dem Tod des Kindesvaters anders zu beurteilen ist, erscheint zweifelhaft, ist aber dann, wenn man zur Ermittlung der zum Fortsetzungsverlangen Berechtigten mit dem Wortlaut des § 181 Satz 1 FamFG auf den Zeitpunkt des Versterbens abstellt, ohne Bedeutung. Daher bedarf unabhängig davon, dass es vorliegend um eine Vaterschaftsanfechtung geht, keiner Entscheidung, ob der Senat an der unter Geltung des früheren Rechts getroffenen Aussage (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 163, 37 = FamRZ 2005, 1067 f.) festhält, die postmortale Feststellung der Vaterschaft greife unmittelbar in die Rechtsstellung gesetzlicher Erben entfernterer Ordnung ein (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 353/13 - FamRZ 2014, 1357 Rn. 9).

27

(2) Dieses Verständnis des Gesetzestextes steht auch im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der Gesetzgebungsgeschichte erschließt.

28

(a) Nach dem bis einschließlich 30. Juni 1998 geltenden Recht konnten die Eltern des als Vater geltenden Mannes gemäß § 1595 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nach seinem Versterben dessen Vaterschaft für ein eheliches Kind anfechten, wenn er bis zu seinem Tod keine Kenntnis von der Geburt des Kindes erlangt oder innerhalb von zwei Jahren seit der Geburt des Kindes gestorben war, ohne die Ehelichkeit angefochten zu haben und ohne dass die Nichtanfechtung seinem Willen entsprach. Die Regelung des § 1600 g Abs. 2 BGB sah vor, dass die Eltern des Verstorbenen dessen Vaterschaftsanerkennung anfechten konnten, wenn ihr Sohn innerhalb von einem Jahr seit Wirksamwerden der Anerkennung gestorben war, ohne diese angefochten zu haben und ohne dass die Nichtanfechtung seinem Willen entsprach. Nach § 640 g Abs. 1 und 2 ZPO konnten die Eltern des als Vater geltenden Mannes nach dessen Tod zudem ein von ihm eingeleitetes Anfechtungsverfahren aufnehmen.

29

Mit dem Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG, BGBl. I S. 2942, in der berichtigten Fassung vom 29. April 1998, BGBl. I S. 946) wurden diese Anfechtungsrechte sowie die Aufnahmemöglichkeit beseitigt. Der Gesetzgeber konnte überwiegende Eigeninteressen der Eltern des (Schein-)Vaters, mit denen ein solches Recht begründet werden könnte, nicht erkennen. Das Argument, sie würden unter Umständen an Stelle des Kindes Erben ihres Sohnes, gelte gleichermaßen für alle anderen in Betracht kommenden Erbberechtigten. Umgekehrt könne auch die Tatsache, dass das (Schein-)Enkelkind ihr pflichtteilsberechtigter Abkömmling sei, ein solches Anfechtungsrecht nicht rechtfertigen. Denn auch in anderen Fallgestaltungen, in denen es sich bei dem Kind nicht um einen leiblichen Abkömmling des Sohnes handele, könnten sich die Großeltern nicht gegen das Pflichtteilsrecht wehren. Eine "Beerbung" in familienrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten kenne das Bürgerliche Gesetzbuch nicht. Die Klärung der Abstammungsfragen solle wegen des damit zusammenhängenden Eingriffs in höchstpersönliche Belange auf den Kernbereich verwandtschaftlicher Beziehungen beschränkt werden, so dass nur Vater, Mutter und Kind anfechtungsberechtigt sein sollten (BT-Drucks. 13/4899 S. 57).

30

(b) Dementsprechend hatten die Eltern des als Vater geltenden Mannes gemäß der vom 1. Juli 1998 bis einschließlich 31. August 2009 gültigen Rechtslage keine Möglichkeit mehr, nach dem Tod ihres Sohnes ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren in Gang zu setzen oder die Fortsetzung eines Abstammungsverfahrens zu bewirken. Für die dem Grundsatz nach als Zivilprozess zu führenden Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung sah der über den Verweis in § 640 Abs. 1 ZPO auch in Kindschaftssachen grundsätzlich anwendbare § 619 ZPO vor, dass das Verfahren bei Tod einer der Parteien vor Rechtskraft des Urteils als erledigt anzusehen war. Eine Ausnahme hiervon bestand nach § 640 g ZPO nur dann, wenn bei Klagen von Kind oder Mutter die klagende Partei verstarb und der andere Klageberechtigte - also Mutter oder Kind - den Rechtsstreit binnen eines Jahres aufnahm.

31

Im Übrigen eröffnete § 1600 e Abs. 2 BGB lediglich den in § 1600 e Abs. 1 BGB genannten Personen - mithin Mann, Mutter und Kind - die Möglichkeit, bei Versterben der Personen, gegen die eine Vaterschaftsfeststellungs- oder -anfechtungsklage zu richten gewesen wäre, ein postmortales Abstammungsverfahren nach den Regeln der Freiwilligen Gerichtsbarkeit einzuleiten. Allein für Vaterschaftsfeststellungsverfahren sah § 55 b Abs. 1 Satz 1 FGG die Anhörung nächster Angehöriger des Mannes vor, denen in § 55 b Abs. 3 FGG gegen eine die Vaterschaft feststellende Verfügung auch ein Beschwerderecht eingeräumt war.

32

(c) Durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (FGG-Reformgesetz - FGG-RG; BGBl. I S. 2586) hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1. September 2009 in § 181 FamFG eine Bestimmung eingeführt, die für alle Fälle des Versterbens eines an einem Abstammungsverfahren Beteiligten während des laufenden Verfahrens eine einheitliche Regelung trifft. Nach der Gesetzesbegründung sind "die übrigen Beteiligten darauf hinzuweisen..., dass das Verfahren nur fortgesetzt wird, wenn einer von ihnen dies ... verlangt" (BT-Drucks 16/6308 S. 246).

33

Zum einen lässt sich diesen Erwägungen eindeutig entnehmen, dass der Gesetzgeber das Recht auf Stellung eines Fortsetzungsverlangens nur den bereits bis zum Tod eines Beteiligten am Verfahren Beteiligten - bzw. zwingend zu Beteiligenden - einräumen wollte (vgl. auch Bork/Jacoby/Schwab/Löhnig FamFG 2. Aufl. § 181 Rn. 3). Zum anderen ist aus den Materialien nichts dafür ersichtlich, dass durch § 181 FamFG die im Zusammenhang mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz getroffene gesetzgeberische Entscheidung jedenfalls teilweise wieder rückgängig gemacht und den nächsten Verwandten des verstorbenen Mannes die Möglichkeit eröffnet werden sollte, Abstammungsverfahren weiter zu betreiben.

34

Dem steht die - ohnedies nur für Feststellungs-, nicht aber für Anfechtungsverfahren einschlägige - bis 31. August 2009 gültige Regelung in § 55 b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGG nicht entgegen. Für das erstinstanzliche Verfahren schrieb sie lediglich eine Pflicht vor, nächste Angehörige im postmortalen Vaterschaftsfeststellungsverfahren anzuhören, was vor allem der Sachaufklärung diente (Senatsbeschluss BGHZ 163, 37 = FamRZ 2005, 1067). Die Möglichkeit der nächsten Angehörigen, nach dem Tod ihres Verwandten ein Abstammungsverfahren in Gang zu setzen oder ein laufendes Verfahren vor der Erledigung durch das Versterben des Mannes zu bewahren, war hiermit jedoch nicht verbunden und folgte auch nicht aus dem Beschwerderecht gegen eine die Vaterschaft feststellende gerichtliche Verfügung.

35

(3) Sinn und Zweck sowie die Systematik des Gesetzes sprechen ebenfalls dafür, die Eltern des Verstorbenen nicht als zum Fortsetzungsverlangen berechtigt einzustufen.

36

(a) Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Klärung von Abstammungsfragen auf den Kernbereich verwandtschaftlicher Beziehungen beschränkt werden, weshalb nur Vater, Mutter und Kind anfechtungsberechtigt sind (BT-Drucks. 13/4899 S. 57). Dem würde es aber widersprechen, wenn der Tod des Vaters während laufenden Verfahrens zu einer Ausweitung des Personenkreises führen würde, dem das Initiativrecht zur rechtlichen Infragestellung der bestehenden Verwandtschaftsverhältnisse zugewiesen ist.

37

(b) Hinzu kommt, dass den nächsten Verwandten des Mannes - hier seiner Mutter - bei einem solchen Verständnis für den Fall des Versterbens während des laufenden Verfahrens eine rechtliche Stellung zugebilligt würde, die sie bei einem Versterben ihres Sohnes ohne bereits anhängiges Abstammungsverfahren nicht innehätten.

38

Dem kann die Rechtsbeschwerde nicht mit Erfolg entgegenhalten, dies sei gerechtfertigt, weil der anfechtungsberechtigte Vater von seinem Anfechtungsrecht bereits Gebrauch gemacht habe. Das Recht, die Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 181 FamFG zu verlangen, ist von der jeweiligen Rolle des Beteiligten abgekoppelt und hängt demnach nicht davon ab, ob dieser Antragsteller, Antragsgegner oder sonstiger Beteiligter ist. Die nächsten Verwandten als nach § 181 FamFG antragsberechtigt anzusehen hieße daher, dass etwa die Eltern des Mannes auch dann den Antrag stellen könnten, wenn es gegen seinen Willen zu dem Abstammungsverfahren gekommen war. Darüber hinaus hätte es ihm bis zur rechtskräftigen Entscheidung als Antragsteller freigestanden, den Antrag gemäß § 22 Abs. 1 FamFG zurückzunehmen - was bis zum Erlass der Endentscheidung auch nicht der Zustimmung der übrigen Beteiligten bedurft hätte - und so das Verfahren zu beenden. Letztlich handelt es sich bei den auf den Status als Vater bezogenen Gestaltungsrechten des Mannes wie das der Anerkennung und der Anfechtung der Vaterschaft ebenso wie bei den hierzu geschaffenen Verfahrensrechten um höchstpersönliche Rechtspositionen (vgl. OLG Köln FamRZ 2003, 536, 537; BeckOK FamFG/Nickel [Stand: 1. April 2015] § 181 Rn. 2 a; Heukamp FamRZ 2007, 606, 607; Keidel/Engelhardt FamFG 18. Aufl. § 181 Rn. 2), die nicht auf die Erben übergehen und auch nicht von nächsten Verwandten geltend gemacht werden können.

39

(c) Gegen ein Antragsrecht nächster Verwandter spricht auch der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, in Statusfragen möglichst Rechtsklarheit zu schaffen und Schwebezustände zu vermeiden (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 163, 37 = FamRZ 2005, 1067). Mit diesem wäre es kaum vereinbar, wenn nach dem Versterben des Mannes im Gesetz nicht benannte und am Verfahren bislang nicht beteiligte Verwandte zur Erteilung des Hinweises nach § 181 Satz 1 FamFG ermittelt werden müssten oder andernfalls unbefristet die Verfahrensfortsetzung verlangen könnten.

40

Die Ziele der Statusklarheit und -beständigkeit dienen auch und vor allem den Interessen des Kindes (Heukamp FamRZ 2007, 606, 607), denen eine Ausweitung des nach § 181 Satz 1 FamFG berechtigten Personenkreises regelmäßig zuwiderliefe (vgl. dazu auch BT-Drucks. V/2370 S. 31 f.).

41

(d) Auch die Rechtspositionen der nächsten Verwandten des Verstorbenen führen zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis.

42

Zwar sind die nächsten Verwandten gegebenenfalls in ihrer erb- oder unterhaltsrechtlichen Stellung betroffen. Dabei handelt es sich aber jeweils um eine unvermeidliche Reflexwirkung der verwandtschaftlichen Beziehung zum Verstorbenen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 163, 37 = FamRZ 2005, 1067 f.) und lediglich um eine Betroffenheit in wirtschaftlichen Interessen. Weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit vermitteln jedoch einen Schutz vor den wirtschaftlichen Folgen der Verwandtschaft, die auf verfassungsgemäßen Normen beruhen und nicht zu verfassungswidrigen Ergebnissen führen (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 2015 - XII ZR 201/13 - FamRZ 2015, 642 Rn. 56 mwN).

43

Ein Recht der Eltern darauf, rechtsgestaltend auf die verwandtschaftlichen Bande zur Enkelgeneration einzuwirken, lässt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde aus der Verfassung nicht herleiten. Dahinstehen kann, ob - was sehr zweifelhaft erscheint - Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das Interesse der Eltern des als Vater geltenden verstorbenen Mannes als Ausformung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt, Kenntnis davon zu erlangen, ob ein Kind von ihnen leiblich abstammt. Denn dieses Grundrecht gebietet jedenfalls nicht, ihnen ein die statusrechtliche Zuordnung des Kindes veränderndes Anfechtungsrecht oder das Recht auf Fortsetzung eines laufenden Abstammungsverfahrens zu gewähren (vgl. zum leiblichen, nicht rechtlichen Vater BVerfG FamRZ 2008, 2257, 2258 mwN). Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auf Art. 6 GG. Insbesondere garantiert Art. 6 Abs. 1 GG den Schutz von, nicht aber vor Ehe und Familie.

44

(e) Schließlich erfordert das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen ebenso wenig, dass dessen nächste Verwandte ein Abstammungsverfahren nach seinem Tod fortsetzen können, wie es gebietet, dass sie ein solches überhaupt erst einleiten können. Inwieweit dann, wenn einer der übrigen Beteiligten die Fortsetzung verlangt, eine Beteiligung nächster Verwandter mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht des Toten angezeigt ist (vgl. dazu etwa Senatsbeschluss vom 29. Oktober 2014 - XII ZB 20/14 - FamRZ 2015, 39 Rn. 32; Fritsche in Kemper/Schreiber Familienverfahrensrecht 3. Aufl. § 172 Rn. 3; Schlemm in Bahrenfuss FamFG 2. Aufl. § 181 Rn. 2), ist eine hiervon zu trennende Frage, die vorliegend keiner Entscheidung bedarf.

45

dd) Der Beteiligten zu 4, der Mutter des als Vater geltenden Antragstellers, stand mithin nicht das Recht zu, die Fortsetzung des Abstammungsverfahrens zu verlangen. Da nach dem § 181 Satz 1 FamFG genügenden gerichtlichen Hinweis keiner der hierzu berechtigten übrigen Beteiligten binnen der Frist des § 181 Satz 2 FamFG einen Fortsetzungsantrag gestellt hat, ist das Verfahren erledigt. Das Amtsgericht hat deshalb die Fortsetzung zu Recht abgelehnt, so dass die Beschwerde der Beteiligten zu 4 unbegründet ist und ihre Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg bleibt.

Dose                             Schilling                             Günter

           Nedden-Boeger                          Guhling

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