Beschluss vom Bundesgerichtshof (10. Zivilsenat) - X ZR 54/11

Tenor

Die Erinnerung der Beklagten gegen den Ansatz der Gerichtskosten vom 2. April 2015 (Kostenrechnung mit dem Kassenzeichen 780015113150) wird zurückgewiesen.

Gründe

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I. Das Patentgericht hat das Streitpatent durch Urteil vom 2. März 2011 unter Abweisung der weitergehenden Klagen teilweise für nichtig erklärt. Dagegen haben die Klägerinnen zu 1 bis 4 Berufung mit dem Ziel eingelegt, das Urteil abzuändern und das Streitpatent insgesamt für nichtig zu erklären. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 1 die Klage und die Klägerin zu 4 die Berufung zurückgenommen. Im Wege der Anschlussberufung hat die Beklagte zunächst die vollständige Abweisung der Klagen erstrebt, das Streitpatent zuletzt aber nur noch mit einer gegenüber der vom Patentgericht für rechtsbeständig erachteten weiter beschränkten Fassung verteidigt.

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Mit Urteil vom 26. Februar 2015 hat der Bundesgerichtshof dem Streitpatent die von der Beklagten zuletzt verteidigte Fassung gegeben. Hinsichtlich der Kosten der Berufungsinstanz hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass davon die Beklagten 1/3 und die Klägerinnen zu 2 und 3 je 1/12 tragen. Mit Kostenansatz vom 2. April 2015 hat der Kostenbeamte die nicht verteilten hälftigen Gerichtskosten derart verteilt, dass von den gesamten Gerichtskosten die Klägerinnen zu 1 und 4 jeweils 3/48, die Klägerinnen zu 2 und 3 jeweils 7/48 und die Beklagte 28/48 zu tragen haben. Gegen die Verteilung der nicht durch die Kostengrundentscheidung im Urteil vom 26. Februar 2015 verteilten hälftigen Gerichtskosten richtet sich die Erinnerung der Beklagten, der nicht abgeholfen worden ist.

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II. Für die Entscheidung über die Erinnerung ist der Senat funktionell zuständig, § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG.

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Der Bundesgerichtshof hat zwar seine Rechtsprechung, wonach die funktionelle Zuständigkeit für Entscheidungen über die Erinnerung gegen den Kostenansatz in Rechtsmittelverfahren, die vor dem Bundesgerichtshof geführt werden, beim Senat und nicht beim Einzelrichter liegt (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2005 - V ZR 218/04, NJW-RR 2005, 584; Beschluss vom 12. März 2007 - II ZR 19/05, NJW-RR 2007, 1148; Beschluss vom 23. Mai 2007 - 1 StR 555/06, juris; Beschluss vom 20. September 2009 - IX ZB 35/07, JurBüro 2008, 43; Beschluss vom 17. August 2010 - I ZB 7/10, juris Rn. 2), für Rechtsmittelverfahren, die nach Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23. Juli 2013 (Art. 50 2. KostRMoG) am 1. August 2013 eingeleitet worden sind, im Hinblick auf die Neuregelung von § 1 Abs. 5 GKG und die darauf bezogene Gesetzesbegründung aufgegeben (vgl. im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: BGH, Beschluss vom 23. April 2015 - I ZB 73/14, NJW 2015, 2194 Rn. 5 ff.). Das betrifft jedoch nicht Erinnerungen gegen den Kostenansatz in Rechtsmittelverfahren, die - wie die Berufung der Klägerinnen im vorliegenden Fall - vor Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes beim Bundesgerichtshof eingeleitet worden sind (§ 71 Abs. 1 GKG). Für diese gilt vielmehr weiterhin, dass die funktionelle Entscheidungszuständigkeit beim Senat liegt.

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III. Die zulässige Erinnerung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.

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1. Neben den Klägerinnen zu 1 bis 4 unterliegt auch die Beklagte der Antragstellerhaftung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG.

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Kostenschuldner ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten derjenige, der das Verfahren des Rechtszugs beantragt hat (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG). Im vorliegenden Fall sind dies zunächst die Klägerinnen zu 1 bis 4 als Berufungsklägerinnen. Als Kostenschuldnerin ist aber auch die Beklagte anzusehen, nachdem diese Anschlussberufung gegen das Urteil des Patentgerichts eingelegt hat. Denn die Anschlussberufung hatte zur Folge, dass neben dem mit der Berufung angegriffenen Teil des patentgerichtlichen Urteils, mit dem die Klagen der Klägerinnen zu 1 bis 4 teilweise abgewiesen worden sind, nunmehr auch der Teil des patentgerichtlichen Urteils zur Überprüfung im Berufungsverfahren gestellt worden ist, in dem das Streitpatent zu Lasten der Beklagten für nichtig erklärt worden war. Unter diesen Voraussetzungen ist die Kostenschuld der Beklagten gerechtfertigt, weil sie - als Anschlussberufungsklägerin - die Tätigkeit des Bundesgerichtshofs als Berufungsgericht im Patentnichtigkeitsverfahren über die Verteidigung gegen die Berufung der Klägerinnen zu 1 bis 4 hinaus für einen Angriff gegen das Urteil des Patentgerichts in Anspruch genommen hat. Dass die Durchführung der Anschlussberufung als unselbständiges Rechtsmittel nach § 524 Abs. 4 ZPO davon abhängt, dass die Berufung nicht zurückgenommen, verworfen oder durch Beschluss zurückgewiesen wird, ändert daran nichts, weil § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG allein darauf abstellt, ob ein Verfahren beantragt wurde (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. November 1969 - IV ZR 1069/68, NJW 1970, 245; Meyer, Gerichtskostengesetz/Familiengerichtskostengesetz, 14. Auflage, 2013, § 22 GKG, Rn. 10, 17; anderer Ansicht für den Fall der Klagerücknahme: Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage, 2015, § 22 GKG, Rn. 6, vgl. aber auch Rn. 13).

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2. Die Verteilung der nicht durch die Kostengrundentscheidung des Senats im Urteil vom 26. Februar 2015 verteilten Hälfte der Gerichtskosten auf die Klägerinnen zu 1 bis 4 und die Beklagte als Kostenschuldner durch den Kostenbeamten ist nicht zu beanstanden.

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a) Der Kostenbeamte hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gesamtkosten unter Berücksichtigung des Verfahrensausgangs auf alle Verfahrensbeteiligten verteilt werden müssten. Die Klägerinnen zu 1 und 4 trügen vom hälftigen Rest 1/4 = 1/8 und damit jede dieser Klägerinnen 1/16 = 3/48. Danach seien auf die Beklagte und die Klägerinnen noch 3/8 zu verteilen. Um die stärkere Belastung der Beklagten durch die Kostengrundentscheidung im Verhältnis zu den Klägerinnen zu 2 und 3 fortzusetzen, trage die Beklagte 2/3 von den 3/8 = 12/48 und die Klägerinnen zu 2 und 3 trügen das restliche Drittel von 3/8 = 3/24, mithin jede der Klägerinnen zu 2 und 3 3/48. Für die Schlusskostenrechnung (einschließlich der Hälfte der Kosten, über deren Verteilung in der Kostengrundentscheidung entschieden wurde) seien daher folgende Bruchteile zu Grunde zu legen: Klägerinnen zu 1 und 4 jeweils 3/48, Klägerinnen zu 2 und 3 jeweils 7/48 und Beklagte 28/48.

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b) Dieser Ansatz beruht auf einer fehlerfreien Ausübung des dem Kostenbeamten nach § 8 Abs. 4 KostVfg bei der Kostenverteilung eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens. § 8 Abs. 4 KostVfg, der als Verwaltungsvorschrift die Staatskasse in ihrem Ermessen bei der Auswahl des Schuldners bindet (BVerwG, Beschluss vom 24. April 2011 - 8 KSt 1/11 (8 B 83/10), juris Rn. 4), sieht neben der Möglichkeit, die Kosten von nur einem Kostenschuldner oder von mehreren nach Kopfteilen anzufordern, in Nr. 1 insbesondere auch vor, dass bei der Kostenverteilung die endgültige Verpflichtung zur Kostentragung im Verhältnis zwischen den Kostenschuldnern berücksichtigt werden kann. Danach ist es nicht zu beanstanden und keineswegs willkürlich, dass der Kostenbeamte bei der Verteilung der noch offenen Hälfte der Gerichtkosten zunächst einerseits berücksichtigt hat, dass die Klägerinnen zu 1 und 4 aufgrund Klage- bzw. Berufungsrücknahme an der Kostentragungslast zu beteiligen sind, obwohl insoweit kein Kostenantrag gestellt worden ist (§ 269 Abs. 3 Satz 2, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO), andererseits sich ihre Kostentragungslast aber entsprechend verringert hätte, wenn ihre Klagen nicht mit denjenigen der Klägerinnen zu 2 und 3 verbunden worden wären (Kostenverzeichnis Nr. 1252, Anlage 1 zum GKG). Zudem begegnet es keinen Bedenken, dass der danach verbliebene Teil der offenen Hälfte der Gerichtskosten zwischen der Beklagten und den Klägerinnen zu 2 und 3 in dem Verhältnis verteilt worden ist, in dem bereits die Hälfte der Kosten in der Kostengrundentscheidung im Urteil vom 26. Februar 2015 verteilt worden ist.

Meier-Beck                       Grabinski                              Hoffmann

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