Beschluss vom Bundesgerichtshof (Kartellsenat) - KVZ 45/15

Tenor

Die Beschwerde der Betroffenen zu 3 bis 8 gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. August 2015 wird zurückgewiesen.

Die Betroffenen zu 1 und 2 tragen ihre im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten selbst. Die übrigen Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Bundeskartellamts und der Beigeladenen tragen die Betroffenen zu 3 bis 8.

Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Mit Beschluss vom 31. März 2015 hat das Bundeskartellamt ein von der Betroffenen zu 1 angemeldetes Zusammenschlussvorhaben der Betroffenen zu 1 bis 3 und 8 (EDEKA/Tengelmann) untersagt. Darüber hinaus hat es in Nr. 2 des Beschlusses den Betroffenen zu 1 und 3 bis 5 sowie den mit ihnen verbundenen Unternehmen untersagt, einen "Rahmenvertrag über den Kauf von Waren sowie über die Zentralregulierung von Warenlieferungen" durchzuführen. Den Betroffenen zu 3 bis 5 und den mit ihnen verbundenen Unternehmen hat es in Nr. 3 bis 5 des Beschlusses weiter untersagt, Filialen, Läger und Fleischwerke zu schließen oder wirtschaftlich zu entwerten und Verwaltungsfunktionen abzubauen.

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Dabei hat es in dem Beschluss vom 31. März 2015 auf einen vorangegangenen Beschluss vom 3. Dezember 2014 Bezug genommen. In diesem Beschluss hatte es bis zum Abschluss des (Hauptsache-)Verfahrens gleichartige Anordnungen getroffen. Eine Ausfertigung des Beschlusses vom 31. März 2015, ein Anschreiben vom 1. April 2015 und eine nicht ausgefertigte und nicht beglaubigte Abschrift des Beschlusses vom 3. Dezember 2014 ist den Betroffenen zu 3 bis 8 in einem verschlossenen Umschlag zugestellt worden.

3

Die Betroffenen zu 3 bis 8 haben gegen die Anordnungen in Nr. 2 bis 5 des Beschlusses vom 31. März 2015 Beschwerde eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde anzuordnen. Sie haben erklärt, ihren Antrag zunächst nur auf einen von ihnen gerügten Zustellungsmangel zu stützen. Dieser Zustellungsmangel soll darin bestehen, dass der als Anlage zu dem Beschluss vom 31. März 2015 beigefügte Beschluss vom 3. Dezember 2014 nicht ebenfalls ausgefertigt war. Dass er ihren Verfahrensbevollmächtigten - die Betroffenen zu 3 bis 8 werden von denselben Rechtanwälten vertreten - bereits zuvor zugestellt worden war, halten die Antragsteller für unerheblich.

4

Das Beschwerdegericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Betroffenen zu 3 bis 8, die von der Betroffenen zu 1 unterstützt wird.

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II. Das Beschwerdegericht (OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 4838) hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Zwar könne die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde nach § 65 Abs. 3 Satz 3 GWB angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestünden. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die angefochtene Verfügung sei zwar nicht wirksam zugestellt worden, weil nicht alle Schriftstücke, die hätten zugestellt werden müssen, ausgefertigt worden seien. Dieser Mangel sei aber entweder durch § 8 VwZG geheilt oder es sei den Antragstellern nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Zustellungsmangel zu berufen. Die als formlose Anlage übersandte Verfügung vom 3. Dezember 2014 sei den Antragstellern zuvor ordnungsgemäß zugestellt worden. Deshalb sei der Zweck der Zustellung, von vornherein jegliche Zweifel an der Authentizität und Amtlichkeit des zugestellten Schriftstücks auszuschließen, erreicht.

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III. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 1 GWB liegen nicht vor.

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1. Dabei kann offen bleiben, ob sich der einstweilige Rechtsschutz gegen Verfügungen, die lediglich das gesetzliche Vollzugsverbot aus § 41 Abs. 1 GWB präzisieren, ausschließlich und auch bei einem Zustellungsmangel nach § 41 Abs. 2 GWB richtet (siehe dazu BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - KVR 30/08, BGHZ 178, 203 Rn. 7 ff. - Faber/Basalt; Bien, ZWeR 2011, 110, 126; MünchKommGWB-Mäger, 2. Aufl., § 41 Rn. 60 f.; Zimmer/Logemann, ZWeR 2008, 122 ff.), mit der Folge, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung - anders als bei § 65 Abs. 3 GWB - nicht ausreichten, um eine Befreiung vom Vollzugsverbot erteilen zu können (BGH, aaO, Rn. 24; Kuhn in Frankfurter Kommentar, Stand September 2014, § 41 GWB Rn. 92). Weiter genügte es in diesem Fall nicht, die angefochtene Untersagungsverfügung außer Kraft zu setzen, weil damit das gesetzliche Vollzugsverbot noch nicht ausgesetzt wäre. Ebenso kann offen bleiben, ob die Annahme des Beschwerdegerichts, entweder sei ein etwaiger Zustellungsmangel nach § 8 VwZG geheilt oder die Antragsteller könnten sich aufgrund der besonderen Umstände des Falles nach Treu und Glauben nicht auf den Zustellungsmangel berufen, den Angriffen der Nichtzulassungsbeschwerde standhält. Denn die Untersagungsverfügung vom 31. März 2015 ist den Betroffenen entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts wirksam zugestellt worden; die (nur) zur Begründung in Bezug genommene Verfügung vom 3. Dezember 2014 musste den Antragstellern nicht mit der Verfügung vom 31. März 2015 - nochmals - zugestellt werden. Damit gehen die Ausführungen der Nichtzulassungsbeschwerde, die Zulassungsgründe ausschließlich im Hinblick auf die Zustellungsfrage geltend macht, sämtlich ins Leere.

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2. Die Verfügung vom 3. Dezember 2014 war den Betroffenen zu 3 bis 8 zugestellt worden, bevor ihnen die Verfügung vom 31. März 2015 zugestellt wurde. Damit konnte das Bundeskartellamt in Randnummer 946 seiner Verfügung vom 31. März 2015 Bezug nehmen auf die den Betroffenen bekannte vorangegangene Verfügung vom 3. Dezember 2014. Das Amt war bei dieser Sachlage nicht verpflichtet, die unbeglaubigte und nicht ausgefertigte Abschrift der Verfügung vom 3. Dezember 2014 der Verfügung vom 31. März 2015 beizufügen (vgl. OLG Nürnberg, NJW 1976, 1101; MünchKommZPO-Häublein, 4. Aufl., § 166 Rn. 8; aA Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 189 Rn. 10, aber ohne Differenzierung hinsichtlich der Besonderheiten des vorliegenden Falles). Allein die Bezugnahme auf die in demselben Verfahren ergangene und bereits wirksam zugestellte Verfügung genügte, um die in Bezug genommenen Ausführungen zum (ergänzenden) Bestandteil der Begründung der Verfügung vom 31. März 2015 zu machen. Dazu trägt das Bundeskartellamt zutreffend vor, dass es bezüglich der beigefügten Abschrift der Verfügung vom 3. Dezember 2014 keinen Zustellungswillen gehabt habe, sondern diese Verfügung lediglich als „Lesehilfe“ beigefügt habe, was die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in Abrede stellt. Insbesondere ergibt sich ein Zustellungswille der Behörde nicht aus dem Anschreiben vom 1. April 2015, das ebenfalls in dem verschlossenen Briefumschlag enthalten war. Darin ist die Anlage zwar erwähnt. Dass sie förmlich zugestellt werden sollte, lässt sich daraus aber nicht folgern.

Limperg                           Meier-Beck                              Raum

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