Beschluss vom Bundesgerichtshof (4. Strafsenat) - 4 StR 528/15
Tenor
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1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 29. Juli 2015 im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln verurteilt ist.
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2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
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3. Die Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
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Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge und jeweils unter Beisichführen einer Schusswaffe, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus einer anderweitigen Verurteilung und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass neun Monate der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen sind. Ferner hat es eine Anrechnungsentscheidung getroffen.
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Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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I.
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Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat in den Fällen II. 1 bis II. 4 der Urteilsgründe keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Zwar hat das Landgericht nicht nur im Fall II. 1, sondern auch in den Fällen II. 2, 3 und 4 der Urteilsgründe festgestellt, dass die Angeklagte zusammen mit ihrem gesondert verfolgten Lebensgefährten in jedem dieser Fälle bis zu 30 % der Betäubungsmittel zum Eigenkonsum erwarb und im Anschluss auch selbst konsumierte. Dass das Landgericht die Angeklagte deshalb nicht auch in diesen Fällen wegen tateinheitlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln verurteilt hat, beschwert sie aber nicht.
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II.
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1. Soweit das Landgericht die Angeklagte im Fall II. 5 der Urteilsgründe wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat, ist der Schuldspruch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe die für eine Verurteilung nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erforderliche Schusswaffeneigenschaft der nach den Feststellungen von der Angeklagten in der Wohnung aufbewahrten Gaspistole „Reck“.
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Gas- und Schreckschusswaffen sind nur dann Schusswaffen im Sinne dieser Vorschrift, wenn nach deren Bauart der Explosionsdruck beim Abfeuern der Munition nach vorne durch den Lauf austritt, wozu der Tatrichter regelmäßig besondere Feststellungen zu treffen hat, da diese technische Eigenschaft nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390; Beschluss vom 15. Februar 2011 – 3 StR 8/11). Nach den Feststellungen verwahrten die Angeklagte und ihr gesondert verfolgter Lebensgefährte eine funktionsfähige Gaspistole der Marke „Reck“ zusammen mit fünf CS-Reizgas-Patronen griffbereit in ihrer Wohnung, aus der heraus sie die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel an Konsumenten übergaben. Hieraus ergibt sich zwar nicht ausdrücklich, jedoch noch hinreichend aufgrund der mitgeteilten näheren Umschreibung, dass es sich um eine Schreckschusswaffe handelte, bei der der Explosionsdruck nach vorn austritt, das Tatbestandsmerkmal der Waffe im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG demnach erfüllt ist (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 57/11, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Waffe 3; Beschluss vom 11. November 2014 – 3 StR 451/14, NStZ-RR 2015, 77).
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2. Die tateinheitlich erfolgte Verurteilung der Angeklagten wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält rechtlicher Überprüfung jedoch nicht stand.
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a) Nach den Feststellungen bestellten die Angeklagte und ihr anderweitig verfolgter Lebensgefährte Ende Mai 2014 ein Kilogramm Marihuana von dem gesondert Verfolgten Z. zu einem Preis von 6.000 €. Auf diese Bestel- lung erfolgte am 10. Juni 2014 eine Lieferung von nur 500 Gramm Marihuana mittlerer Qualität mit einem Wirkstoffanteil von mindestens 5 % THC; Z. erhielt dafür 3.250 €. Auch von dieser Menge konsumierten die Angeklagte und ihr Lebensgefährte bis zu 30 %.
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b) Danach ist das Tatbestandsmerkmal des Sichverschaffens nicht belegt. Als Auffangtatbestand kommt die Tatmodalität des Sichverschaffens nur dann zur Anwendung, wenn im Einzelfall ein abgeleiteter Erwerb nicht sicher festzustellen ist (BGH, Beschluss vom 18. Juni 1993 – 4 StR 318/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sichverschaffen 1; Urteil vom 29. Oktober 2009 – 4 StR 239/09, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Sichverschaffen 3). So liegt der Fall hier aber nicht.
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c) Eine Änderung des Schuldspruchs dahin, dass die Angeklagte tateinheitlich des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist, kann der Senat nicht vornehmen. Nach den Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die zum Zweck des späteren Eigenkonsums besessene Menge, die das Landgericht ebenso wie den Wirkstoffanteil geschätzt hat, die Grenze zur nicht geringen Menge nicht erreicht hat.
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Der Senat ändert den Schuldspruch wie aus der Urteilsformel ersichtlich. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass die geständige Angeklagte sich gegen den geänderten Tatvorwurf anders verteidigt hätte.
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3. Den Bestand der im Fall II. 5 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gefährdet die Änderung des Schuldspruchs nicht. Das Landgericht hat den Strafrahmen der Vorschrift des § 30a Abs. 3 BtMG entnommen und das tateinheitliche Zusammentreffen von zwei Straftatbeständen nicht gesondert straferschwerend berücksichtigt. Dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Bewertung im Fall II. 5 eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte, ist danach ebenfalls auszuschließen.
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4. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, die Angeklagte von einem Teil der Kostenlast freizustellen (§ 473 Abs. 4 Satz 1 StPO; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 473 Rn. 26).
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Sost-Scheible Cierniak Franke
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Bender Quentin
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Referenzen
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- 3 StR 57/11 1x (nicht zugeordnet)
- 4 StR 318/93 1x (nicht zugeordnet)
- 3 StR 8/11 1x (nicht zugeordnet)
- 3 StR 17/10 1x (nicht zugeordnet)
- 3 StR 451/14 1x (nicht zugeordnet)