Beschluss vom Bundesgerichtshof (Kartellsenat) - KVR 11/15

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. November 2013 wird zurückgewiesen.

Die Betroffene zu 1 trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Bundeskartellamts und der Beigeladenen.

Der Wert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wird auf 7.000.000 Euro, der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.300.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Betroffene zu 1 und Rechtsbeschwerdeführerin, die Merck KGaA (im Folgenden: Merck), hat ihren Sitz in Darmstadt. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der Herstellung von Laborchemikalien. Die meisten Hersteller von Laborchemikalien setzen ihre Produkte sowohl über den Handel als auch im Direktvertrieb an Endabnehmer ab, etwa an Labors oder Kliniken.

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Merck vertrieb ihre Produkte zunächst selbst. 1999 übertrug sie einen großen Teil des Vertriebs auf ein Tochterunternehmen, die VWR International GmbH (Betroffene zu 2, im Folgenden: VWR). Im Zuge der Veräußerung der VWR an ein außenstehendes Unternehmen räumte Merck der VWR für mehrere europäische Staaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, durch eine am 15. Februar 2004 geschlossene, als "Amended and Restated Distribution Agreement" bezeichnete Vereinbarung ein exklusives Vertriebsrecht ein, dessen Bestand vertraglich von der Einhaltung eines Wettbewerbsverbots durch VWR abhängig gemacht wurde. In der Folge wurden Laborchemikalien von Merck in den betreffenden Staaten nur noch durch VWR vertrieben. Merck belieferte weder andere Händler noch Endabnehmer. Zugleich war VWR vertraglich verpflichtet, keine Laborchemikalien anderer Hersteller zu vertreiben, soweit Merck ein unmittelbar konkurrierendes Produkt führt.

3

Auf Beschwerde der Th. Geyer GmbH & Co. KG (Beigeladenen) leitete das Bundeskartellamt ein Verwaltungsverfahren ein. Dieses endete mit einem Beschluss vom 14. Juli 2009 (WuW/E DE-V 1790). Das Bundeskartellamt stellte fest, dass die Vereinbarungen zwischen Merck und VWR über das Alleinvertriebsrecht und das Wettbewerbsverbot gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen verstießen, und gab Merck auf, die Durchführung dieser Vereinbarungen abzustellen. Ferner stellte das Bundeskartellamt fest, dass Merck gegen das Diskriminierungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB verstoßen habe und verstoße. Gegen diese Verfügung haben Merck und VWR Beschwerde eingelegt.

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Das Beschwerdegericht (OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 4730 - Laborchemikalien) hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass es im Verhältnis der Hersteller und der Händler nicht einen einheitlichen Markt für Laborchemikalien gebe, sondern sieben Märkte, die jeweils unterschiedliche Produktgruppen von Laborchemikalien beträfen. Es hat die angefochtene Verfügung teilweise aufgehoben, die Beschwerde jedoch insoweit zurückgewiesen, als sie das Wettbewerbsverbot und die Vereinbarung über das Alleinvertriebsrecht im Verhältnis zum Laborchemikalienhandel für die Produktgruppen "anorganische Reagenzien", "Lösungsmittel" (mit Ablauf des Jahres 2008) und "Mikrobiologie" (mit Ablauf des Jahres 2009) betrifft. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

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Auf die Nichtzulassungsbeschwerde von Merck hat der Senat unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts zugelassen, soweit die Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss des Bundeskartellamts hinsichtlich des Alleinvertriebsrechts für den Produktbereich "Mikrobiologie" zurückgewiesen worden ist.

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Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt Merck weiterhin den Antrag, den Beschluss des Beschwerdegerichts und den Beschluss des Bundeskartellamts aufzuheben, soweit diese das Alleinvertriebsrecht für den Produktbereich "Mikrobiologie" betreffen. Das Bundeskartellamt tritt dem Rechtsmittel entgegen.

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II. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

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Durch die Vereinbarung eines Alleinvertriebsrechts für VWR und das Wettbewerbsverbot, das VWR in diesem Zusammenhang auferlegt wurde, hätten die Betroffenen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und § 1 GWB verstoßen. Das VWR eingeräumte Alleinvertriebsrecht bezwecke und bewirke eine Einschränkung des Wettbewerbs beim Absatz von Laborchemikalien von Merck innerhalb des Gemeinsamen Marktes. Die Laborchemikalienhändler seien seither gezwungen, ihren Bedarf von Laborchemikalien von Merck bei VWR zu decken. Damit könne VWR Preiswettbewerb unterbinden. Zudem könnten Endabnehmer solche Laborchemikalien nur bei VWR beziehen. Die Vereinbarung eines Alleinvertriebsrechts könne nicht als notwendige Nebenabrede zum Verkauf der VWR angesehen werden.

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Weil die Vertriebsbeschränkung das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfasse, sei sie auch geeignet, sich spürbar auf den zwischenstaatlichen Handel auszuwirken. Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise etwas anderes gelte, habe die Beschwerde nicht aufgezeigt.

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Der Vertriebsvertrag sei von dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nur zum Teil nach der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (Vertikal-GVO 1999) sowie nach der Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (Vertikal-GVO 2010) freigestellt. Nicht freigestellt sei die Vereinbarung, soweit sie sich auf den Absatz von Laborchemikalien der Produktgruppen "anorganische Reagenzien", "Lösungsmittel" und "Mikrobiologie" an den Handel erstrecke.

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Nach dem Ergebnis der vom Beschwerdegericht veranlassten Nachermittlungen des Bundeskartellamts seien die Voraussetzungen für eine gruppenweise Freistellung bezüglich dieser drei Märkte nicht erfüllt, weil der Anteil von Merck jeweils über 30% liege. Maßgeblich seien insoweit die Marktanteile im Kalenderjahr vor dem Abschluss der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung, hier also im Jahr 2003. Für die Ermittlung der Marktanteile sei auf den Handelsmarkt und damit auf die Umsätze abzustellen, die die Hersteller von Laborchemikalien mit dem Absatz ihrer Produkte an den Handel erzielten. Dagegen hätten Umsätze, die die Hersteller durch Verkäufe an Endabnehmer erzielten, außer Betracht zu bleiben. Anderes ergebe sich nicht aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Vertikal-GVO 1999. Anhaltspunkte dafür, dass ein Marktzutritt weiterer Laborchemikalienhersteller auf dem Handelsmarkt hinreichend wahrscheinlich gewesen sei, habe die Beschwerde nicht aufgezeigt, so dass sich auch unter dem Gesichtspunkt des Einflusses potenziellen Wettbewerbs nichts anderes ergebe. Es sei ferner nicht ersichtlich, dass die Marktstellung von Merck nur dann zutreffend erfasst werde, wenn auch die Absätze anderer Hersteller an Endkunden in die Betrachtung einbezogen würden.

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Die Nachermittlungen des Bundeskartellamts hätten eine verwertbare, tragfähige und belastbare Grundlage für die Ermittlung der Marktanteile ergeben. Nachdem der Marktanteil von Merck für den Bereich "Mikrobiologie" erstmals im Jahr 2007 30% überschritten habe, habe die Freistellung gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. c Vertikal-GVO 1999 mit Ablauf des Jahres 2009 geendet. Die Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung nach Art. 81 Abs. 3 Halbsatz 2 EG lägen nicht vor.

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III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

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1. Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die von Merck und VWR getroffene Vereinbarung dem Verbot des Art. 81 Abs. 1 EG (jetzt Art. 101 Abs. 1 AEUV) unterfällt. Danach sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine spürbare Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Markts bezwecken oder bewirken, mit diesem unvereinbar und verboten.

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a) Die Abgrenzung des maßgebenden Markts ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, da sie wesentlich von den tatsächlichen Gegebenheiten des Markts abhängt. Sie kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur begrenzt überprüft werden (BGH, Beschluss vom 20. April 2010 - KVR 1/09, WuW/E DE-R 2905 Rn. 37 - Phonak/GN Store Nord). Diese Überprüfung lässt keine Rechtsfehler erkennen. Das Bundeskartellamt hat in der angefochtenen Verfügung dargelegt, dass Laborchemikalien aus Sicht der anwendenden Nachfrager nach ihren unterschiedlichen Einsatzbereichen in bestimmte Produktgruppen zusammengefasst werden können. Dass das Beschwerdegericht dem beigetreten ist, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, gerade der Umstand, dass nach den Ermittlungen des Bundeskartellamts Laborchemikalien von verschiedenen Gruppen von Nachfragern für unterschiedliche Anwendungen benötigt werden, spreche dafür, einen einheitlichen Markt für Laborchemikalien zugrunde zu legen, greift nach dem Bedarfsmarktkonzept, das nach der Rechtsprechung des Senats den Ausgangspunkt der Marktabgrenzung bildet (BGH, Beschluss, vom 6. Dezember 2011 - KVR 95/10, BGHZ 192, 18 Rn. 27 - Total/OMV), nicht durch.

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b) Ob die Alleinvertriebsvereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, kann offenbleiben, weil die verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts jedenfalls seine Beurteilung tragen, dass sie wettbewerbsbeschränkende Wirkungen entfaltet. Ob sich die Situation gegenüber dem Zeitraum vor der Veräußerung von VWR an ein außenstehendes Unternehmen verändert hat, ist nicht ausschlaggebend. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass andere Händler infolge der Alleinvertriebsvereinbarung darauf angewiesen sind, ihren Bedarf an Laborchemikalien von Merck bei VWR zu decken. Damit ist der Preiswettbewerb beim Absatz solcher Chemikalien auf der Handelsstufe beeinträchtigt. Labore und andere Endabnehmer sind aufgrund der Vereinbarung gezwungen, die von ihnen benötigten Laborchemikalien von Merck über den Handel zu beziehen, und können ihren Bedarf nicht durch den Erwerb bei Merck direkt decken. Merck ist durch die Vereinbarung gehindert, mit dem Laborchemikalienhandel in Wettbewerb um Endabnehmer einzutreten. Es kommt hinzu, dass VWR durch die Bestellungen anderer Händler Informationen darüber erlangen kann, in welchem Umfang ihre Wettbewerber Laborchemikalien von Merck absetzen.

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c) Zu Recht hat das Beschwerdegericht ferner zugrunde gelegt, dass die Alleinvertriebsvereinbarung nicht deshalb vom Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 1 EG (Art. 101 AUEV) ausgenommen ist, weil sie zur Umsetzung des Vertrags über die Veräußerung der VWR objektiv erforderlich gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Unionsgerichtshofs kann eine wettbewerbsbeschränkende Nebenabrede in einem an sich kartellrechtsneutralen Austauschvertrag vom Anwendungsbereich des Art. 81 Abs. 1 EG ausgenommen sein, wenn sie zur Umsetzung des Vertrags objektiv erforderlich und nach Geltungsdauer und Anwendungsbereich auf diesen Zweck beschränkt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juli 1985 - 42/84, Slg. 1985, 2566 Tz. 17 ff. - Remia/Nutricia; Urteil vom 11. September 2014 - C-382/12 P, NZKart 2015, 44 Tz. 89 - MasterCard Inc./Kommission; s. auch EuG, Urteil vom 18. September 2001 - T-112/99, Slg. 2001, II-2459 Tz. 104 ff.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Beschwerdegericht zutreffend verneint und darauf hingewiesen, dass die Alleinvertriebsvereinbarung schon deshalb nicht als objektiv erforderlich für die Durchführung des Unternehmensverkaufs angesehen werden kann, weil Merck daran nach dem Vertrag für den Fall, dass VWR bestimmte Verkaufsziele nicht erreicht, nicht gebunden sein sollte.

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d) Die Alleinvertriebsvereinbarung ist geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar in einer Weise zu beeinflussen, die der Verwirklichung der Ziele des Gemeinsamen Marktes abträglich sein kann. Die Vereinbarung erstreckt sich auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, aber auch auf andere Mitgliedstaaten. Eine Vertriebsbeschränkung, die das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats umfasst, ist regelmäßig geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen (EuGH, Urteil vom 24. September 2009 - C-125/07 P u.a., Slg. 2009, I-8681 Tz. 67 f. - Erste Group Bank/Kommission; Urteil vom 16. Juli 2015 - C-172/14, NZKart 2015, 526 Tz. 48 - Rumänische Pensionsfonds; BGH, Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408 Rn. 36 - Lottoblock). Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts mit Merck der führende deutsche Hersteller für Laborchemikalien beteiligt ist. Schließlich ist VWR das führende deutsche Unternehmen für den Handel mit Laborchemikalien. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass die Auswirkungen der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten vernachlässigbar gering sind.

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e) Rechtsfehlerfrei ist auch die Beurteilung des Beschwerdegerichts, dass die Alleinvertriebsvereinbarung die Voraussetzungen für eine Einzelfreistellung nach Art. 81 Abs. 3 (Art. 101 Abs. 3 AEUV) nicht erfüllt. Danach kommt die Freistellung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung in Betracht, wenn sie unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beiträgt, ohne dass den beteiligten Unternehmen Beschränkungen auferlegt werden, die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten. Die Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liegt nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln bei der Rechtsbeschwerdeführerin. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass Merck weder zum Ausmaß der nach ihrer Darstellung mit der Exklusivabrede einhergehenden Effizienzvorteile noch zur angemessenen Beteiligung der Verbraucher an diesen ausreichend vorgetragen hat. Hiergegen erhebt die Rechtsbeschwerde keine erheblichen Einwendungen.

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2. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die von Merck und VWR getroffene Alleinvertriebsvereinbarung sei nach den Bestimmungen der Vertikal-GVO 1999 oder der Vertikal-GVO 2010 freigestellt. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts, das die Beschwerde gegen die Feststellung von Verstößen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und § 1 GWB sowie gegen § 20 Abs. 2 GWB hinsichtlich Laborchemikalien der Produktgruppe "Mikrobiologie" für den Zeitraum seit Ablauf des Jahres 2009 zurückgewiesen hat, hat Bestand, weil eine Freistellung sowohl nach der Vertikal-GVO 1999 wie nach der Vertikal-GVO 2010 ausscheidet.

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a) Auf die im Februar 2004 getroffene Alleinvertriebsvereinbarung fand zunächst die Vertikal-GVO 1999 Anwendung, die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist (Art. 13 Abs. 1 Vertikal-GVO 1999). Nach Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO 1999 wird Art. 81 Abs. 1 EG unter den in dieser Verordnung genannten Voraussetzungen für Vereinbarungen zwischen Unternehmen, von denen jedes zwecks Durchführung der Vereinbarung auf einer unterschiedlichen Vertriebsstufe tätig ist, und welche die Bedingungen betreffen, zu denen die Parteien bestimmte Waren beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen können (vertikale Vereinbarungen), für unanwendbar erklärt. Um eine solche vertikale Vereinbarung handelt es sich, wie das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, bei der von Merck als Hersteller von Laborchemikalien und VWR als Händler solcher Chemikalien getroffenen Alleinvertriebsvereinbarung. Die Vereinbarung enthält, wie oben ausgeführt, eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG. Die Alleinvertriebsvereinbarung umfasst weder eine Kernbeschränkung nach Art. 4 Vertikal-GVO 1999 noch eine Verpflichtung, die unter Art. 5 Vertikal-GVO 1999 fällt. Für die Zeit ab 1. Juni 2010 beurteilt sich die Freistellung - unter Berücksichtigung der Übergangsregelung in Artikel 9 - nach der Vertikal-GVO 2010, deren Regelungen insoweit keine relevanten Abweichungen aufweisen.

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b) Für die Frage, ob die Alleinvertriebsvereinbarung freigestellt ist, kommt es entscheidend darauf an, ob Merck die nach der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung maßgebliche Marktanteilsschwelle überschritten hat.

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aa) Die gruppenweise Freistellung greift nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO 1999 und der inhaltlich übereinstimmenden Regelung in Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO 2010 nur, wenn der Anteil des Lieferanten an dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder -dienstleistungen verkauft, 30% nicht überschreitet. Bei der Ermittlung des Marktanteils im Sinne von Art. 3 Abs. 1 wird gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Vertikal-GVO 1999 der Absatzwert der verkauften Vertragswaren zugrunde gelegt, die vom Käufer aufgrund ihrer Eigenschaften, ihrer Preislage und ihres Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden. Hierbei ist zunächst auf die Verhältnisse in dem Kalenderjahr abzustellen, das der in Rede stehenden Vereinbarung vorausgeht (Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Vertikal-GVO 1999, Art. 7 Buchst. b Vertikal-GVO 2010). Wenn der Marktanteil zunächst unter 30% liegt, diese Schwelle jedoch anschließend überschreitet, entfällt die Freistellung nach einem gewissen Zeitraum (Art. 9 Abs. 2 Buchst. c und d Vertikal-GVO 1999, Art. 7 Buchst. d und e Vertikal-GVO 2010).

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bb) Nach der Auffassung des Bundeskartellamts und der Beigeladenen, der das Beschwerdegericht beigetreten ist, ist beim Vertrieb von Waren über unterschiedliche Vertriebsstufen im Hinblick auf die Ermittlung des Marktanteils nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO 1999 von verschiedenen Märkten auszugehen. Zu unterscheiden ist danach zwischen einem Markt, auf dem sich die Hersteller als Lieferanten und die Händler als Nachfrager gegenüberstehen (Handelsmarkt), und einem Markt, auf dem sich die Endabnehmer als Nachfrager und die Händler sowie solche Hersteller, die die betreffenden Waren auch direkt vertreiben, als Lieferanten gegenüberstehen (Endkundenmarkt). Soweit es um die Voraussetzungen einer gruppenweisen Freistellung einer Vereinbarung zwischen einem Hersteller und einem Händler geht, kommt es danach regelmäßig allein auf die Verhältnisse auf dem Handelsmarkt an.

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Der Anteil von Merck auf dem Handelsmarkt für Laborchemikalien aus dem Bereich "Mikrobiologie" lag nach dem Ergebnis der vom Beschwerdegericht veranlassten Nachermittlungen des Bundeskartellamts seit 2007 jeweils bei über 30%. Hieraus hat das Beschwerdegericht den Schluss gezogen, dass die Freistellung der Alleinvertriebsvereinbarung gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. c Vertikal-GVO 1999 mit Ablauf des Jahres 2009 geendet habe.

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cc) Die Rechtsbeschwerde wendet unter Bezugnahme auf das von ihr vorgelegte Rechtsgutachten von Prof. Dr. A.   F.  ein, diese Bestimmung des Marktanteils sei unzutreffend. Gehe es - wie hier - um Waren, die von den Herstellern nicht nur an Händler, die sie an Endabnehmer weiterveräußern, sondern teilweise auch direkt an Endabnehmer vertrieben werden, sei für die Bestimmung des Marktanteils nicht allein auf die Umsätze abzustellen, die die Hersteller aus Verkäufen an den Handel erzielten. Die isolierte Betrachtung der Handelsstufe führe unter solchen Umständen zu realitätsfernen Ergebnissen. Eine solche Vorgehensweise bilde die Marktposition der Hersteller, die nur an Händler lieferten, nicht zutreffend ab, sondern überzeichne sie. Dies gelte insbesondere, wenn - wie hier - das Volumen der Lieferungen der Hersteller an Endabnehmer das Volumen von Lieferungen an Händler deutlich übersteige. Die Ermittlung des Marktanteils durch das Beschwerdegericht trage dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität nicht hinreichend Rechnung, lasse also die Möglichkeit außer Betracht, dass andere Hersteller bei entsprechenden Erwerbsaussichten die Belieferung von Händlern aufnehmen oder ausweiten könnten. So verhalte es sich auch hier, was Auswirkungen auf die Marktstellung von Merck habe. Auch wenn es für die Marktabgrenzung auf die Perspektive des Handels als unmittelbaren Abnehmers ankomme, seien doch für die Bestimmung des Marktanteils die Volumina des Gesamtvertriebs, also sowohl die Umsätze aus den Verkäufen der Hersteller an Händler als auch die Umsätze aus den Verkäufen der Hersteller an Endabnehmer zu berücksichtigen, letztere vermindert um die Handelsspanne. Die Rechtsbeschwerde meint weiter, Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Vertikal-GVO 1999 (Art. 7 Buchst. c Vertikal-GVO 2010), wonach der Marktanteil Waren oder Dienstleistungen einschließe, die zum Zweck des Verkaufs an integrierte Händler geliefert werden, sei erst recht anwendbar, wenn ein Hersteller Verkäufe an die nachgeordnete Handelsstufe, etwa direkt an den Endverbraucher, vornehme. Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Vertikal-GVO 1999 ist nach dieser Auffassung Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, wonach bei unterschiedlichen Vertriebsformen im Interesse der zutreffenden Abbildung der Marktverhältnisse die Marktanteile unter Berücksichtigung sämtlicher Vertriebsstufen zu ermitteln seien.

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Bei Anwendung dieser Grundsätze läge der Anteil von Merck auf dem Markt für Laborchemikalien aus dem Bereich "Mikrobiologie" in den Jahren 2003 bis 2011 jeweils deutlich unter 30%.

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d) Die Einwände der Rechtsbeschwerde greifen jedoch nicht durch.

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aa) Nach den Erwägungsgründen der Vertikal-GVO kommt es für die Frage, ob wettbewerbsschädliche Wirkungen, die von Beschränkungen in vertikalen Vereinbarungen ausgehen können, oder deren effizienzsteigernde Wirkungen überwiegen, unter anderem auf die Marktmacht der beteiligten Unternehmen an. Die Verordnung geht von der Annahme aus, dass bestimmte Arten vertikaler Vereinbarungen grundsätzlich geeignet sind, die Effizienz einer Produktions- und Vertriebskette zu erhöhen. Soweit mit solchen Vereinbarungen Beschränkungen des Intra-brand-Wettbewerbs einhergehen, kann dies nach Auffassung des Verordnungsgebers hingenommen werden, solange ein hinreichender Inter-brand-Wettbewerb gewährleistet ist, d.h. die an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen nicht über erhebliche Marktmacht verfügen (vgl. jeweils Erwägungsgründe 7 bis 9).

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bb) Die Marktmacht eines Lieferanten hängt davon ab, in welchem Maße er dem Wettbewerb anderer Lieferanten von Waren ausgesetzt ist, die von der Marktgegenseite aufgrund ihrer Eigenschaften, ihrer Preislage und ihres Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden (vgl. jeweils Erwägungsgrund 7). Die Vertikal-GVO knüpft damit, wie auch Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Vertikal-GVO 1999 verdeutlicht, an das Bedarfsmarktkonzept an, nach welchem für die Abgrenzung des sachlich relevanten Markts die Sicht der Marktgegenseite, bei Absatzmärkten also die Sicht der Nachfrager maßgeblich ist (EuGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - 27/76, Slg. 1978, 207 Tz. 12 ff. - United Brands Company; Urteil vom 9. November 1983 - 322/81, Slg. 1983, 3461 Tz. 37 - Michelin). Beim Vertrieb von Waren über unterschiedliche Vertriebsstufen ist im Hinblick auf die Ermittlung des Marktanteils nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO von verschiedenen Märkten auszugehen. Zu unterscheiden ist danach zwischen einem Markt, auf dem sich die Hersteller als Lieferanten und die Händler als Nachfrager gegenüberstehen (Handelsmarkt) und einem Markt, auf dem sich die Endabnehmer als Nachfrager und die Händler als Lieferanten gegenüberstehen (Endkundenmarkt). Soweit es Hersteller gibt, die zur direkten Belieferung von Endabnehmern bereit sind, sind auf dem Endkundenmarkt auch sie zu den Lieferanten zu rechnen.

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cc) Für die zutreffende Bestimmung der Marktmacht eines Herstellers im Verhältnis zum Handel kommt es grundsätzlich nur auf die Verhältnisse auf dem Handelsmarkt und damit auf das Volumen der Verkäufe der Hersteller an den Handel an (s. auch Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen, ABl. 2000/C 291/01 Tz. 90 Satz 3; ABl. 2010/C 130/01 Tz. 88 Satz 3). Dies gilt auch, wenn es Hersteller gibt, die Waren der betreffenden Art direkt an Endabnehmer liefern. Denn der Teil der Produktion, den andere Hersteller im Direktvertrieb an Endabnehmer absetzen, steht aus der nach dem Bedarfsmarktkonzept maßgeblichen Sicht der Händler zur Deckung ihres Bedarfs regelmäßig nicht zur Verfügung. Ein Hersteller ist damit in Bezug auf Lieferungen an den Handel dem Wettbewerb anderer Hersteller nur insoweit ausgesetzt, als diese tatsächlich zu Lieferungen an Händler bereit sind. Eine Austauschbarkeit der Produkte aus der Sicht der nachgelagerten Marktstufe der Endabnehmer ist für die Handelsstufe bedeutungslos, wenn sie dort tatsächlich nicht besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 20. April 2010 - KVR 1/09, WuW/E DE-R 2905 Rn. 41 - Phonak/GN Store Nord). Sofern Endabnehmer die betreffenden Laborchemikalien nicht nur vom Handel, sondern auch direkt von anderen Herstellern beziehen können, wirkt sich dies auf dem Handelsmarkt nicht zugunsten der Händler aus, wenn diese Hersteller nicht bereit oder nicht in der Lage sind, den Handel zu beliefern, der Bezug der Waren von ihnen mithin für den Handel keine zumutbare Alternative darstellt. Der Teil der Produktion, den andere Hersteller im Direktvertrieb an Endabnehmer absetzen, stellt, wie das Bundeskartellamt in der Rechtsbeschwerdeerwiderung treffend formuliert hat, aus der maßgeblichen Sicht des Handels keine Bezugsalternative dar, sondern Konkurrenz beim Absatz an die Endabnehmer. Danach trifft die von der Rechtsbeschwerde vertretene Auffassung, für die Ermittlung der Marktanteile auf dem Handelsmarkt sei in einer solchen Konstellation auch die Marktstufe einzubeziehen, auf der die Endabnehmer nachfragen (ähnlich Ellger in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Auflage, Art. 3 Vertikal-GVO Rn. 16; Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, 3. Auflage, Art. 7 VO 330/2010 Rn. 4), nicht zu.

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dd) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nimmt die Kommission in Tz. 91 der Vertikalleitlinien 2000 und Tz. 89 der Vertikalleitlinien 2010 keinen anderen Standpunkt ein. Die Kommission weist dort lediglich - zutreffend - darauf hin, dass bei der Abgrenzung des sachlich relevanten Markts im Verhältnis zwischen Händler und Hersteller die Präferenzen der Endabnehmer, an die der Händler die vom Hersteller bezogenen Waren weiterveräußern möchte, im Allgemeinen nicht außer Betracht bleiben können. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass die Unterscheidung zwischen dem Handelsmarkt und dem Endkundenmarkt bedeutungslos und stattdessen für die Bestimmung der Marktanteile auf einen Gesamtmarkt abzustellen ist, der die Absätze der Hersteller an den Handel und an Endabnehmer umfasst. Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus entnehmen, dass es dort weiter heißt, die Märkte würden, weil in der Regel verschiedene Vertriebsformen miteinander in Wettbewerb stünden, im Allgemeinen nicht anhand der angewandten Vertriebsform bestimmt. Kann der Endabnehmer ein bestimmtes Produkt vom Handel oder direkt vom Hersteller beziehen, ist danach nicht von zwei nach Vertriebsformen getrennten Märkten auszugehen. Bei einer solchen Sachlage ist es sachlich gerechtfertigt, für die Bestimmung des Marktanteils eines bestimmten Herstellers auch die Umsätze einzubeziehen, die zwischen Handel und Endabnehmern erzielt werden, weil Handel und Hersteller insoweit im Wettbewerb stehen. Geht es demgegenüber um den Marktanteil eines Herstellers auf dem Handelsmarkt, ist eine Einbeziehung der Umsätze, die die Hersteller aus der Direktbelieferung von Endabnehmern erzielen, regelmäßig nicht sachgerecht, weil die Händler zur Deckung ihres Bedarfs nicht auf diese Produkte ausweichen können.

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ee) Ob Umsätze aus Lieferungen der Hersteller an Endabnehmer für die Bestimmung des Marktanteils eines Herstellers auf dem Handelsmarkt ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt potenziellen Wettbewerbs zu berücksichtigen sein können, kann offen bleiben.

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Als potenzieller Wettbewerber ist ein Unternehmen anzusehen, wenn hinreichend wahrscheinlich ist, dass es bei einem geringfügigen, aber dauerhaften Preisanstieg kurz- oder mittelfristig bereit und in der Lage ist, in den betroffenen Markt einzutreten (vgl. Art. 1 Abs. 1 Buchst. c Vertikal-GVO 2010; s. auch Tz. 27 der Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen, ABl. 2010/C 130/01). Muss ein Hersteller konkret damit rechnen, dass andere Hersteller, soweit sie bislang an Endabnehmer liefern, ihren Vertrieb in der Weise umstellen, dass sie die Belieferung des Handels aufnehmen oder ausweiten, wird dieser Umstand sein wettbewerbliches Handeln beeinflussen.

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Im Streitfall scheidet eine Berücksichtigung der Umsätze aus Lieferungen anderer Hersteller von Laborchemikalien an Endabnehmer unter dem Gesichtspunkt potenziellen Wettbewerbs aus, weil nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts, an die der Senat gebunden ist (§ 76 Abs. 4 GWB), keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass eine Umstellung des Vertriebs solcher Hersteller auf eine Belieferung (auch) des Handels hinreichend wahrscheinlich ist. Das Beschwerdegericht hat hierzu festgestellt, es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im Jahr 2003 tatsächlich eine Bereitschaft von Laborchemikalienproduzenten bestanden habe, ihren Vertrieb entsprechend umzustellen. Die Rechtsbeschwerde zeigt weder auf, dass diese Feststellung verfahrensfehlerhaft getroffen wurde, noch dass für die tatsächlichen Verhältnisse in den Folgejahren etwas anderes galt.

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Ob ausnahmsweise in Konstellationen, in denen hinreichend wahrscheinlich ist, dass andere Hersteller bereit sind, ihren Vertrieb auf eine Belieferung des Handels umzustellen, der Marktanteil eines Herstellers auf dem Handelsmarkt nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO unter Einbeziehung auch von Umsätzen aus Lieferungen auf dem Endkundenmarkt zu ermitteln ist oder ob dem - im Hinblick darauf, dass Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO aus Gründen der Rechtssicherheit eine feste Marktanteilsschwelle vorsieht, bei deren Ermittlung nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Vertikal-GVO 1999 (Art. 7 Buchst. a Vertikal-GVO 2010) allein der Absatzwert tatsächlich auf dem relevanten Markt verkaufter Waren zugrunde zu legen ist (Schultze/Pautke/Wagener, Vertikal-GVO, 3. Auflage, Art. 3 Rn. 500-502; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, 3. Auflage, § 15 Rn. 31) - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nur durch eine Einzelfreistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG (Art. 101 Abs. 3 AEUV) Rechnung getragen werden kann, kann hier mithin offen bleiben.

37

ff) Anders als die Rechtsbeschwerde unter Berufung auf das von ihr vorgelegte Gutachten von F.  (ähnlich Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, 3. Auflage, Art. 7 VO 330/2010 Rn. 4; Dallmann in Schulte/Just, Kartellrecht, 2. Auflage, Art. 7 Vertikal-GVO Rn. 5) meint, rechtfertigt die Regelung in Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Vertikal-GVO 1999 (Art. 7 Buchst. c Vertikal-GVO 2010) keine abweichende Beurteilung. Für die Anwendung der Marktanteilsschwelle gilt danach, dass der Marktanteil Waren oder Dienstleistungen einschließt, die zum Zweck des Verkaufs an integrierte Händler geliefert werden. Der Auffassung der Rechtsbeschwerde, die Regelung müsse erst recht für den Fall gelten, dass der Anbieter selbst, mit eigenem Personal, ohne Einschaltung eines verbundenen Unternehmens Endabnehmer beliefert, kann nicht beigetreten werden.

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(1) Ein Erst-Recht-Schluss (argumentum a fortiori) als besondere Form einer Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, soweit vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Abwägung der Interessen, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Norm, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. September 2015 - II ZB 23/14, WM 2016, 157 Rn. 23).

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(2) Die Voraussetzungen für einen solchen Schluss liegen hier nicht vor. Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Vertikal-GVO 1999 befasst sich lediglich mit der zutreffenden Erfassung des Volumens eines bestimmten Marktes, das für die Ermittlung der Marktanteile relevant ist. Die Norm bestimmt hierzu, dass Umsätze aus Lieferungen von Waren, die an integrierte Händler, also an rechtlich selbständige, aber konzernzugehörige Unternehmen zum Zweck des Weiterverkaufs geliefert werden, bei der Ermittlung des Marktanteils zu berücksichtigen sind und nicht etwa mit der Begründung, es handele sich um konzerninterne Umsätze, außer Betracht bleiben dürfen. Die Bestimmung soll damit gewährleisten, dass es für die Ermittlung des Marktanteils eines Herstellers unerheblich ist, ob er die betreffenden Waren selbst an die Abnehmer der betroffenen nachgeordneten Marktstufe - sei es der Handel oder seien es Endabnehmer - liefert oder hierfür ein konzernzugehöriges Unternehmen einschaltet. Sinn und Zweck der Regelung ist es mithin nur klarzustellen, welche Umsätze für die Ermittlung der Anteile auf dem in Rede stehenden Markt zu berücksichtigen sind, sie trifft jedoch keine Aussagen darüber, welchem Markt bestimmte Umsätze zuzuordnen sind.

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Liefert ein Anbieter dagegen selbst, ohne Einschaltung eines verbundenen Unternehmens oder sonstiger Dritter, an seine Abnehmer, stellen sich keine vergleichbaren Fragen, vielmehr kann kein Zweifel daran bestehen, dass die hieraus resultierenden Umsätze bei der Ermittlung der Marktanteile auf dem betreffenden Markt - sei es der Handelsmarkt oder der Endkundenmarkt - zu berücksichtigen sind. Für die von der Rechtsbeschwerde befürwortete Anwendung von Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Vertikal-GVO 1999 auf die direkte Belieferung von Endabnehmern durch Hersteller ist mithin kein Raum. Sie hätte vielmehr zur Folge, dass Umsätze, die auf dem Endkundenmarkt erzielt werden, bei der Bestimmung des Volumens eines anderen Marktes, nämlich des Handelsmarkts berücksichtigt werden. Dies ist mit Sinn und Zweck der Regelung, wie sie oben dargestellt wurden, nicht zu vereinbaren (ebenso Schultze/Pautke/Wagener, Vertikal-GVO, 3. Auflage, Art. 7 Rn. 934).

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gg) Kommt es danach für die Freistellung einer Vertriebsvereinbarung zwischen einem Hersteller und einem Händler bei der Bestimmung des Marktanteils eines Herstellers als Lieferant bzw. Anbieter nach Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO 1999 und Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO 2010 auch in Konstellationen, in denen die betreffenden Produkte von einem Teil der Hersteller auch direkt an Endabnehmer veräußert werden, regelmäßig nur auf die Umsätze an, die die Hersteller beim Absatz ihrer Produkte an den Handel erzielen, ist die Annahme des Beschwerdegerichts, dass der Marktanteil von Merck auf dem Markt für Laborchemikalien der Produktgruppe "Mikrobiologie" seit 2007 die 30%-Schwelle überschreitet, rechtsfehlerfrei.

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e) Der Senat kann über die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Vertikal-GVO 1999 (Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 Buchst. c Vertikal-GVO 2010) in eigener Verantwortung entscheiden.

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aa) Eine Ausnahme von der Pflicht letztinstanzlicher Gerichte nach Art. 267 Abs. 3 AEUV, den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung zur Auslegung des Unionsrechts zu ersuchen, ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt, wenn die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Unionsrechts, der besonderen Schwierigkeit seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3417 Rn. 16 ff. - CILFIT; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - KRB 47/13, BGHSt 60, 121 Rn. 32).

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bb) Nach dieser Maßgabe ist eine Vorlage hier nicht geboten. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, bestehen hinsichtlich der Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 2 Buchst. b Vertikal-GVO 1999 (Art. 3 Abs. 1 und Art. 7 Buchst. c Vertikal-GVO 2010) keine vernünftigen Zweifel.

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Abweichende Entscheidungen mitgliedstaatlicher Behörden oder Gerichte oder der Unionsgerichte sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung "Staubsaugerbeutelmarkt" des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 5. Oktober 2004 - KVR 14/03, BGHZ 160, 321) stützt den Standpunkt der Rechtsbeschwerde nicht. Wie oben ausgeführt (Rn. 32) kann sich die Rechtsbeschwerde für ihren Standpunkt auch nicht auf die Leitlinien der Kommission für vertikale Beschränkungen stützen. Angesichts dessen begründet der Umstand, dass sich die Rechtsbeschwerde für ihre Auffassung auf einzelne Stimmen in der Kommentarliteratur stützen kann (siehe die Nachweise in Rn. 31 und 37), keine Zweifel an der richtigen Auslegung des Unionsrechts.

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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 1 und 2 GWB. Im Hinblick darauf, dass die Beigeladene am Verfahrensausgang in besonderer Weise interessiert ist und sich dadurch veranlasst gesehen hat, das Verfahren durch Schriftsätze und ihre Beteiligung an der mündlichen Verhandlung zu fördern, entspricht es der Billigkeit, der Betroffenen zu 1 auch die Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 1990 - KVR 4/88, GRUR 1990, 702, 709 - Sportübertragungen, insoweit nicht in BGHZ 110, 371 abgedruckt).

Meier-Beck                   Raum                        Strohn

                    Bacher                   Deichfuß

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