Urteil vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZR 183/13

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. November 2013 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 17. April 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Klägerin auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind durch einen Geschäftsraummietvertrag miteinander verbunden. Sie streiten über die Umlage von Grundsteuer.

2

Durch Mietvertrag vom März 2007 vermietete die Klägerin der Beklagten ein Ladenlokal in einem damals noch zu errichtenden Geschäftshaus in der Innenstadt von Heilbronn. Im Zusammenhang mit den Nebenkosten enthält der Mietvertrag folgende von der Klägerin gestellte allgemeine Geschäftsbedingung:

Die Grundsteuer zahlt die Vermieterin. Erhöhungen gegenüber der bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer tragen die Mieter (…).

3

Die Übergabe der Mieträume erfolgte am 1. Dezember 2008. Die Eröffnung des Geschäftshauses mit insgesamt vier Mietern fand am 5. März 2009 statt. Für das Jahr 2009 wurde die Grundsteuer durch Bescheid der Stadt Heilbronn vom 9. Januar 2009 ausgehend von einem Grundsteuermessbetrag für ein unbebautes Grundstück auf 16.029,24 € festgesetzt. Mit Bescheid vom 11. Januar 2010 wurde die Grundsteuer - nunmehr aufgrund eines Grundsteuermessbetrags für ein Geschäftsgrundstück - auf 66.998,14 € festgesetzt.

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Die Klägerin verlangt mit der Klage die Zahlung der nach ihrer Auffassung auf die Beklagte entfallenden Anteile der Grundsteuerdifferenz für die Jahre 2010 und 2011, die sich auf insgesamt 45.310,63 € belaufen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, die die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat die Vertragsklausel im Gegensatz zum Landgericht dahin ausgelegt, dass sämtliche Erhöhungen der Grundsteuer, also auch die Erhöhung wegen des nach Bebauung geänderten Einheitswerts und Grundsteuermessbetrags, zur Umlage des Differenzbetrags auf die Mieter berechtigten. Der Wortlaut sei eindeutig. Das gelte auch für den Vergleichsmaßstab der "bei Übergabe des Objektes erhobenen Grundsteuer". Da die Anpassung in der Regel zeitlich verzögert nach Bebauung und Vermietung des Grundstücks erfolge, ergebe sich daraus eine Grundsteuererhöhung gegenüber der bei Übergabe des Objekts noch auf der Grundlage eines unbebauten Grundstücks erhobenen Grundsteuer.

7

Es treffe nicht zu, dass durch einen Bezug der Klausel auf das Objekt nur das bebaute Grundstück gemeint sein könne. Die Klausel sei so auszulegen, wie sie typischerweise von an solchen Geschäften beteiligten Kreisen verstanden werde. Danach erfasse sie auch Grundsteuererhöhungen, die sich aus einer Neubebauung ergäben. Der Grundsteuerbescheid ergehe in der Regel erst nach Übergabe des Mietobjekts. Wer, wie die Beklagte, deutschlandweit Warenhäuser betreibe, sei mit den Grundlagen des Steuerrechts und damit auch mit der unterschiedlichen Besteuerung bebauter und unbebauter Grundstücke vertraut. Aus der vertraglichen Nebenkostenregelung werde deutlich, dass die Vermieterin ihre Nebenkosten weitgehend auf die Mieter überwälzen wolle. Soweit die Grundsteuererhöhung auf geänderten Hebesätzen beruhe, sei sie im Vergleich zur Miete geringfügig.

8

Es ergebe sich auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Mehrdeutig im Sinne von § 305 c BGB sei die Klausel ebenfalls nicht.

II.

9

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die fragliche Vertragsklausel jedenfalls nicht eindeutig im Sinne der Klägerin auszulegen, welche als Verwenderin der allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 305 c Abs. 2 BGB den Nachteil der Mehrdeutigkeit zu tragen hat.

10

1. Die Klausel unterliegt als allgemeine Geschäftsbedingung in vollem Umfang der Auslegung durch das Revisionsgericht, das dabei nicht an die Auslegung des Berufungsgerichts gebunden ist (BGHZ 163, 321, 323 f. = NJW 2005, 2919, 2920). Dafür gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Grundsatz der objektiven Auslegung (BGH Urteil vom 18. Juli 2007 - VIII ZR 227/06 - NJW-RR 2007, 1697 Rn. 23 mwN und Senatsurteil BGHZ 176, 191 = NJW 2008, 2497 Rn. 11 mwN). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind dementsprechend nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (BGH Urteil vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 244/08 - NJW 2010, 293 Rn. 11 mwN und Senatsurteil BGHZ 162, 39 = NJW 2005, 1183, 1184 mwN).

11

2. Nach diesen Maßstäben führt die Auslegung der Klausel im vorliegenden Fall dazu, dass für den Fall der Neufestsetzung der Grundsteuer aufgrund der Bebauung und Vermietbarkeit des Grundstücks unklar bleibt, ob die sich daraus ergebenden Differenzbeträge auf die Mieter umlegbar sind.

12

a) Zuzustimmen ist dem Berufungsgericht allerdings im Ausgangspunkt. Das Abstellen der Klausel auf Erhöhungen der bei Übergabe des Objekts erhobenen Grundsteuer spricht dafür, dass maßgebliche Vergleichsgröße die bei Übergabe des Mietobjekts festgesetzte Grundsteuer ist. Dass die Klausel auf die "erhobene" Grundsteuer verweist, deutet darauf hin, dass es auf die behördliche Steuerfestsetzung ankommt, wie sie im konkreten Fall zum Zeitpunkt der Übergabe erfolgt ist. Die Steuerfestsetzung beruhte im vorliegenden Fall bei Übergabe des Mietobjekts noch auf dem unbebauten Grundstück und dem sich daraus ergebenden Steuermessbetrag.

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b) Eine solche Betrachtung wäre jedoch nicht vollständig. Sie wird vielmehr durch den Umstand in Frage gestellt, dass in der Klausel von dem Objekt die Rede ist. Damit enthält schon der Wortlaut der Klausel einen Hinweis darauf, dass anstelle der tatsächlich festgesetzten Grundsteuer auch eine Erhöhung der von vornherein auf das Mietobjekt bezogenen Grundsteuer gemeint sein kann. Denn bei dem Objekt handelt es sich um das Mietobjekt, wie es sich aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt. Dieses besteht aber nicht aus dem unbebauten Grundstück, auf welches sich der bei Übergabe geltende Steuermessbetrag (§ 13 Abs. 1 GrStG) bezieht, sondern aus den vertraglich als Mietgegenstand vereinbarten Räumen. Das lässt es wiederum als zumindest nicht fernliegend erscheinen, dass mit der erhobenen Grundsteuer diejenige gemeint ist, die für das bebaute Grundstück festzusetzen ist, und mithin die später so festgesetzte Steuer die Vergleichsgröße für auf die Mieter umzulegende Erhöhungen darstellt (ebenso für eine ähnliche Klausel OLG Celle ZMR 1990, 410, 411; vgl. auch OLG Hamm ZMR 1986, 198, 199).

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Die Revision macht zu Recht geltend, dass sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht daraus etwas anderes ergibt, dass der Grundsteuerbescheid mit dem erhöhten Steuermessbetrag in der Regel erst nach Übergabe des Mietobjekts ergeht. Daraus folgt noch nicht ohne weiteres, dass die Beklagte als Mieterin sich auch mit der Tragung des Differenzbetrags einverstanden erklären wollte (vgl. OLG Celle ZMR 1990, 410, 411; OLG Hamm ZMR 1986, 198, 199).

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Dieses Ergebnis wird dadurch gestützt, dass durch die Klausel der Umfang der Grundsteuerumlage im Zweifel einheitlich festgelegt und nicht erst von den bei Vertragsschluss noch ungewissen Zeitpunkten der Übergabe und der steuerlichen Wertfortschreibung (§ 22 BewG) abhängig gemacht werden sollte. Da die für die erhöhte Festsetzung des Einheitswerts und die daran gekoppelte Neufestsetzung der Grundsteuer maßgebliche Vermietbarkeit des bebauten Grundstücks bereits einige Zeit vor Übergabe des Objekts verwirklicht sein kann, hinge es vom zeitlichen Ablauf und von dem Vorgehen der Steuerbehörden ab, ob die Neufestsetzung noch vor Übergabe des Mietobjekts stattfindet oder nicht. Wäre etwa der Einheitswert nach Fertigstellung des Geschäftshauses und Eintritt der Vermietbarkeit bereits 2008 mit Wirkung ab dem Jahresbeginn 2009 (§§ 22 Abs. 4 Satz 1, 3 Nr. 1, 76 Abs. 1 Nr. 2, 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG) fortgeschrieben worden und in die Steuerfestsetzung für 2009 eingeflossen (vgl. §§ 17, 18 GrStG, § 22 Abs. 2 BewG sowie FG Nürnberg DStRE 2011, 1383) und wäre die Übergabe des Mietobjekts erst nach dieser Steuerfestsetzung erfolgt, so hätte auch nach der Auffassung des Berufungsgerichts die Klägerin als Vermieterin die höhere Grundsteuer zu tragen. Die Auslegung des Berufungsgerichts würde mithin zu dem Ergebnis führen, dass wesentliche Aspekte der Grundsteuertragung bzw. -umlage bei Vertragsschluss noch nicht feststünden, sondern variabel wären und davon abhingen, wann das Mietobjekt fertiggestellt und vermietbar ist, wann die Grundsteuer nach dem höheren Einheitswert festgesetzt wird und wann die Übergabe des Objekts erfolgt. Das gilt erst recht im Hinblick auf eine möglicherweise rückwirkende Erhöhung der Grundsteuer (vgl. OLG Frankfurt NZM 2000, 243, 244).

16

c) Auch aus den weiteren vom Berufungsgericht angeführten Umständen ergibt sich keine Eindeutigkeit der Regelung.

17

Für die vom Berufungsgericht vorgenommene restriktive Auslegung der Klausel im Sinne einer möglichst umfassenden Überwälzung der Nebenkosten auf die Mieter besteht keine Grundlage. Wie aus der Klausel ersichtlich ist, sollte die Grundsteuer grundsätzlich vom Vermieter getragen werden, wie dies auch der gesetzlichen Regelung entspricht. Damit liefert die Klausel auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass etwa der größere Teil der Grundsteuer von den Mietern zu tragen sein soll.

18

d) Die somit verbleibenden Zweifel gehen nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin als Verwenderin der allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ob auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 BGB vorliegt, braucht daher nicht entschieden zu werden.

19

3. Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Da es zur Umlegung der geltend gemachten Grundsteuerbeträge an einer vertraglichen Vereinbarung fehlt, ist das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Dose                                Weber-Monecke                         Schilling

             Nedden-Boeger                                  Guhling

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