Beschluss vom Bundesgerichtshof (7. Zivilsenat) - VII ZB 14/15

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Mai 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen die Republik A. aufgrund einer Forderung, die aus von der Republik A. ausgegebenen, sammelverwahrten Inhaberschuldverschreibungen und Zinsscheinen resultiert.

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Die Gläubigerin hat einen rechtskräftigen Titel erwirkt, aus dem die Schuldnerin verpflichtet ist, an die Gläubigerin 120.358,10 € nebst Zinsen gegen Aushändigung näher bezeichneter Inhaberschuldverschreibungen und Zinsscheinen zu bezahlen. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen hat die Gläubigerin beim Vollstreckungsgericht beantragt, einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezüglich angeblicher Forderungen der Schuldnerin gegen drei Bankinstitute zu erlassen. Die Originale der Inhaberschuldverschreibung hat die Gläubigerin im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht vorgelegt. Sie hat sich darauf beschränkt, eine Depotbestätigung vorzulegen, aus der sich ergibt, dass die Inhaberschuldverschreibungen dort verwahrt werden, zudem hat sie Kopien der Anleihen vorgelegt, die den Zusatz enthalten "Bestätigte Kopie der Originalurkunde als Exemplar" und mit einem Datum einer Unterschrift und dem Stempel des Sammelverwahrers versehen sind. Sie ist der Meinung, der Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erfordere nicht die Vorlage der Inhaberschuldverschreibungen und Zinsscheine im Original.

3

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat den Antrag zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Gläubigerin mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

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Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

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1. Das Beschwerdegericht führt aus, die Schuldnerin sei nach § 797 BGB nur gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibungen zur Leistung verpflichtet. Ob die Gläubigerin Inhaber dieser Papiere sei, müsse daher vor Beginn der Zwangsvollstreckung geprüft werden. Zum Nachweis der Inhaberschaft sei nicht ausreichend, eine Depotbestätigung und Kopien der Inhaberschuldverschreibungen vorzulegen. Dies genüge für das Zwangsvollstreckungsverfahren anders als im Erkenntnisverfahren, in dem der Kläger den ihm obliegenden Beweis gegebenenfalls auch durch Indizien führen könne, nicht. Die Vorlage der Inhaberschuldverschreibungen sei eine durch besondere Vorschriften nicht weiter geregelte Vollstreckungsvoraussetzung. Es entspreche der einhelligen Ansicht, dass das Papier auch dann im Original vorzulegen sei, wenn keine Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher, sondern der Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch das Vollstreckungsgericht begehrt werde.

6

Es sei kein Grund ersichtlich, eine Ausnahme zuzulassen, wenn sich die Inhaberschuldverschreibung in einer Sammelverwahrung befinde und eine aktuelle Depotbestätigung vorgelegt werden könne. § 797 BGB sehe eine Beschränkung der Herausgabepflicht nicht vor. Sie sei auch in der Sache nicht geboten. Zu berücksichtigen sei, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ohne Anhörung des Schuldners ergehe. Daher sei ein kontradiktorisches Beweisverfahren darüber, ob die Gläubigerin noch Inhaberin des Legitimationspapieres sei, nicht möglich. Ein solches Verfahren wäre aber erforderlich, wenn einfache Privaturkunden zum Nachweis der Inhaberschaft zugelassen wären.

7

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

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Der Gläubiger eines Titels, nach dem der Schuldner gemäß § 797 BGB nur gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung zur Leistung verpflichtet ist, muss für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dem Vollstreckungsgericht die Schuldverschreibungen und Zinsscheine im Original vorlegen, auch wenn sich diese in einer Sammelverwahrung befinden.

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a) Gemäß § 797 BGB ist der Aussteller einer Inhaberschuldverschreibung nur gegen ihre Aushändigung zur Leistung an den Gläubiger verpflichtet. Dementsprechend hat das Landgericht F. in dem zugrunde liegenden Titel tenoriert, die Gläubigerin habe an die Schuldnerin 120.358,10 € nebst Zinsen gegen Aushändigung von näher bezeichneten Inhaberschuldverschreibungen sowie der zugehörigen Zinsscheine zu zahlen.

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Für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses muss der Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Vollstreckungsgericht neben dem Vollstreckungstitel auch die Schuldverschreibungen und Zinsscheine vorlegen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 - VII ZB 64/07, BGHZ 177, 178 Rn. 12; Urteil vom 14. Mai 2013 - XI ZR 160/12, WM 2013, 1264 Rn. 10). Die Vorlage der Inhaberschuldverschreibung ist eine gesetzlich nicht weiter geregelte besondere Vollstreckungsvoraussetzung. Die Zwangsvollstreckung darf im Falle der Verpflichtung zur Zahlung gegen Aushändigung einer Inhaberschuldverschreibung nur beginnen, wenn der Gläubiger dem Vollstreckungsorgan die Schuldverschreibung vorlegt (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 470a; MünchKommZPO/Heßler, 4. Aufl., § 756 Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Bittmann, ZPO, 4. Aufl., § 756 Rn. 4; BeckOK ZPO/Ulrici, Stand: 1. Dezember 2015, § 756 Rn. 2.3; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 12. Aufl., § 756 Rn. 2; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 726 Rn. 18).

11

b) Voraussetzung für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist auch im Falle einer sammelverwahrten Inhaberschuldverschreibung deren Vorlage beim Vollstreckungsgericht im Original.

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aa) Zweck der Verpflichtung des Ausstellers zur Leistung nur gegen Aushändigung der Inhaberschuldverschreibung gemäß § 797 BGB ist es, ihn vor mehrfacher Inanspruchnahme zu schützen (Motive II, S. 698; MünchKommBGB/Habersack, 6. Aufl., § 797 Rn. 1; Staudinger/Marburger, BGB, 2015, § 797 Rn. 1).

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bb) Diesem Schutzzweck wird nur durch die Vorlage der Inhaberschuldverschreibung im Original Genüge getan. Die Pflicht zur Vorlage der Originalurkunde ist allein geeignet, sicherzustellen, dass der Gläubiger tatsächlich im Besitz der Urkunde ist. Eine (aktuelle) Depotbescheinigung ist entgegen der Rechtsbeschwerde nur in geringerem Maße geeignet, den Besitz des Gläubigers nachzuweisen. Eine solche Depotbescheinigung bezeugt lediglich, dass der Gläubiger nach Auskunft eines Dritten in der Lage ist, sich die vorzulegende Urkunde zu verschaffen. Eine Gewähr für die inhaltliche Richtigkeit dieser Aussage gibt es nicht. In der Praxis mag es unwahrscheinlich sein, dass eine Bank fehlerhafte Depotbescheinigungen erteilt; ausgeschlossen ist dies aber nicht. Zudem besteht ein - zwar ebenfalls nur geringes, aber nicht auszuschließendes - Risiko des Verlusts der Urkunde bei der noch zu erfolgenden Auslieferung an den Gläubiger, worauf die Rechtsbeschwerdeführerin selbst hingewiesen hat. Es entspricht auch den allgemein anerkannten Grundsätzen des Zwangsvollstreckungsrechts, dass die zur Vollstreckung erforderlichen Urkunden vom Gläubiger dem Vollstreckungsorgan vor Beginn der Zwangsvollstreckung im Original vorgelegt werden müssen (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 470 mit Fn. 49; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 753 Rn. 10; OLG Köln, NJW-RR 2000, 1580, juris Rn. 2 ff.).

14

Soweit die Rechtsbeschwerde ausführt, dass die Urkunden nach Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht beim Vollstreckungsgericht verwahrt, sondern - anders als bei der Vollstreckung durch den Gerichtsvollzieher - dem Gläubiger wieder ausgehändigt würden, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Zwar ist zutreffend, dass die Vorlage der Originalurkunden lediglich sicherstellt, dass der Gläubiger vor Erlass des beantragten Beschlusses im Besitz der Inhaberschuldverschreibungen ist. Dadurch kann nicht garantiert werden, dass die Urkunden nach Befriedigung noch beim Gläubiger vorhanden sein werden. Ein solcher Schutz ist im System des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts nicht vorgesehen. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, den Schutz des Schuldners durch Verzicht auf die Vorlage der Originalurkunden zu Beginn der Vollstreckung herabzusetzen.

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cc) Der Umstand, dass Inhaberschuldverschreibungen und Zinsscheine sammelverwahrt werden, erfordert keine andere Beurteilung. Die Vorlage der Originalurkunden beim Vollstreckungsgericht ist dem Gläubiger auch bei sammelverwahrten Wertpapieren weder unmöglich noch unzumutbar. Die Auslieferung aus der Sammelverwahrung an den Hinterleger ist möglich, § 7 Abs. 1 DepotG, was die Rechtsbeschwerde nicht in Abrede stellt. Die Kosten, die damit verbunden sind, hat der Gläubiger hinzunehmen. Da er von den Vorteilen der Sammelverwahrung durch geringere Verwaltungskosten profitiert, muss er auch die Nachteile in Form erhöhter Kosten für eine erforderliche Auslieferung tragen. Gleiches gilt für das mit einer Auslieferung der Originalurkunden verbundene Verlustrisiko. Auch der Einwand der Rechtsbeschwerde, es sei nicht auszuschließen, dass die verwahrende Bank die Wiedereinlieferung der Papiere ablehne, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

III.

16

Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass der Antrag zudem zu unbestimmt ist.

17

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2015 - VII ZB 36/13, NJW-RR 2016, 254 Rn. 7; vom 25. Oktober 2012 - VII ZB 74/11, WuM 2013, 176 Rn. 7; Urteile vom 20. Januar 2012 - V ZR 95/11, WM 2012, 1786 Rn. 5; vom 29. November 1984 - X ZR 39/83, BGHZ 93, 82, 83 f., juris Rn. 18; vom 18. März 1954 - IV ZR 160/53, BGHZ 13, 42, 43; m.w.N.) muss der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit die zu pfändende Forderung so bestimmt bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung des Beschlusses unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll.

18

Nach diesen Maßstäben ist die im Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 11. Juli 2014 unter "Sonstige Anordnungen" verwandte Formulierung, von der Pfändung nicht erfasst seien Botschaftsgelder, soweit die Funktionalität der diplomatischen Vertretung beeinträchtigt werde, zu unbestimmt. Die Drittschuldnerin, aber auch andere potentielle Gläubiger, sind nicht in der Lage zu beurteilen, welche Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldner solche Botschaftsgelder sind, deren Pfändung die Funktionalität der diplomatischen Vertretung beeinträchtigen würde.

IV.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick     

        

Herr Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Jurgeleit ist wegen
Krankheit an der Unterschrift
gehindert

        

Graßnack

                 

Eick   

                 
        

Sacher     

        

     Wimmer     

        

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