Urteil vom Bundesgerichtshof (6. Zivilsenat) - VI ZR 678/15

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. November 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf Unterlassung einer Internet-Bildberichterstattung in Anspruch.

2

Die Klägerin ist die Ehefrau des ehemaligen Rennfahrers Michael Schumacher. Sie ist deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Beklagte ist eine schweizerische Rundfunkanstalt. Die von der Beklagten auf ihrer Internetseite www.srf.ch zum Abruf bereitgehaltenen, von der Klägerin unter Berufung auf ihr Recht am eigenen Bild angegriffenen Bildnisse und das Video zeigen - im Rahmen der Berichterstattung der Beklagten über die Folgen des Skiunfalles von Michael Schumacher und den Umgang der Medien mit diesem Thema - die Klägerin beim Besuch ihres Ehemannes im Krankenhaus.

3

Das Landgericht Köln hat seine internationale Zuständigkeit angenommen und die Klage mit Zwischenurteil für zulässig erklärt. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klagabweisung wegen Unzulässigkeit weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. Oktober 2007 (Lugano-Übereinkommen, im Folgenden: LugÜ II) ergebe. Es bestehe der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 iVm Art. 3 Abs. 1 LugÜ II. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 7. März 1995 - C-68/93, Slg. 1995, I-415 = NJW 1995, 1881 - Shevill; und vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 u.a., Slg. 2011, I-10269 = GRUR 2012, 300 - eDate Advertising) habe der Geschädigte eines sog. "Streudelikts", wie es eine unerlaubte Veröffentlichung im Internet sei, die Möglichkeit einer national begrenzten Teilschadensklage. Der Geschädigte könne anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des Gesamtschadens am Niederlassungsort des Urhebers oder am Ort des Mittelpunkts seiner Interessen auch Klage vor den Gerichten eines jeden Mitgliedstaates erheben, in dessen Hoheitsgebiet der im Internet veröffentlichte Inhalt zugänglich gewesen oder noch zugänglich sei. Die Gerichte der Mitgliedstaaten seien dann nur zur Entscheidung über denjenigen Schaden befugt, der im Hoheitsgebiet des jeweiligen Mitgliedstaates entstanden sei ("Teilerfolgsortzuständigkeit"). Da die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren ausdrücklich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland begrenzt habe, fänden diese Grundsätze Anwendung. Die Beklagte könne den Zugriff auf bereitgehaltene Inhalte durch den Einsatz von sog. Geoblockern in ihr zumutbarer Weise auf bestimmte nationale Bereiche beschränken.

5

Des Weiteren könne sich die Beklagte auch als schweizerische Rundfunkanstalt und unter Berücksichtigung des von ihr in Anspruch genommenen staatlichen Rundfunkauftrags nicht auf den Grundsatz der Staatenimmunität berufen. Die von der Klägerin angegriffene Bildberichterstattung betreffe kein hoheitliches Handeln (acta iure imperii). Nach zugrunde zu legendem deutschem Recht handele es sich bei Klagen von Bürgern gegen Medienanstalten, die die Zulässigkeit einer Rundfunk- oder Fernsehsendung unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsrechts, also den Widerstreit von Persönlichkeitsrecht und Rundfunk-/Informationsfreiheit zum Gegenstand haben, um privatrechtliche Auseinandersetzungen.

II.

6

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Zutreffend hat das Berufungsgericht das Bestehen deutscher Gerichtsbarkeit und die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für den von der Klägerin nur betreffend das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachten Unterlassungsanspruch bejaht. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf das Verfahrenshindernis der Staatenimmunität berufen. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 5 Nr. 3 LugÜ II.

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1. Die deutsche Gerichtsbarkeit ist eröffnet. Der Klage steht der von Amts wegen zu prüfende (BVerfGE 46, 342, 359) Grundsatz der Staatenimmunität nicht entgegen (§ 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG).

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a) Die Frage der Staatenimmunität bestimmt sich vorliegend nach dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität vom 16. Mai 1972 (im Folgenden: Übereinkommen), das seit dem 7. Oktober 1982 in der Schweiz und seit dem 16. August 1990 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft ist (BGBl. 1990 II S. 1400 und 1402). Nach Art. 27 Abs. 1 dieses Europarats-Übereinkommens ist die Beklagte als vom Vertragsstaat Schweiz zu unterscheidender Rechtsträger, der die Fähigkeit hat, vor Gericht aufzutreten, für die Zwecke des Übereinkommens grundsätzlich nicht mit dem Vertragsstaat in eins zu setzen, selbst wenn sie mit öffentlichen Aufgaben betraut ist. Nach Art. 27 Abs. 2 des Übereinkommens kann die Beklagte vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates wie eine Privatperson in Anspruch genommen werden, soweit nicht über in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommene Handlungen (acta iure imperii) des Rechtsträgers zu entscheiden ist.

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b) Die Voraussetzungen für eine solche funktionale, sachbezogene Teil-Immunität (ratione materiae) der Beklagten liegen nicht vor.

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aa) Die Abgrenzung zwischen hoheitlichem und nicht-hoheitlichem Handeln richtet sich bei der von der Immunität seines Staates abgeleiteten Teil-Immunität eines nichtstaatlichen Rechtsträgers gemäß Art. 27 Abs. 2, 2. Halbsatz des Übereinkommens nicht anders als bei der originären Staatenimmunität nicht nach Motiv oder Zweck der Tätigkeit. Sie kann auch nicht danach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit eines Staates, wenn auch nicht insgesamt, so doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat - oder der von diesem beauftragte Rechtsträger - in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson und damit privatrechtlich tätig geworden ist (BVerfGE 16, 27, 61 f.; Senatsurteile vom 26. September 1978 - VI ZR 267/76, NJW 1979, 1101; vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, NJW 2016, 1659 Rn. 14; BAGE 144, 244 Rn. 14 f.), ob also ein für die öffentliche Gewalt kennzeichnender Akt vorliegt oder ein Rechtsverhältnis, wie es in gleicher oder ähnlicher Form auch zwischen Privaten eingegangen werden könnte (BGE 104 Ia 367, 374).

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bb) Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach der nationalen Rechtsordnung des Gerichtsstaates (lex fori) vorzunehmen (BVerfGE 16, 27, 62; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 21; Senatsurteil vom 8. März 2016 - VI ZR 516/14, NJW 2016, 1659 Rn. 15; BGH, Urteil vom 24. März 2016 - VII ZR 150/15, MDR 2016, 903 Rn. 19; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, S. 319 ff.). Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen Handelns von nicht-hoheitlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den Staaten allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege. Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeiten eines ausländischen Staates gleichwohl als der Staatenimmunität unterfallende acta iure imperii zu qualifizieren, wenn diese zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen sind (vgl. BVerfGE 16, 27, 63 f.; BVerfGE 46, 342, 394; BVerfG, NJW 2014, 1723 Rn. 21).

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Die allgemein für den Grundsatz der Staatenimmunität geltende Regel, hoheitliches und nicht hoheitliches Handeln nach der Rechtsordnung des Gerichtsstaates abzugrenzen, wird auch durch das Übereinkommen selbst nicht in Frage gestellt (Denkschrift zu dem Übereinkommen, BT-Drs. 11/4307, S. 30; Kronke, IPRax 1991, 141, 142, 147). Art. 27 Abs. 2 des Übereinkommens bietet keine Grundlage für eine autonome Auslegung, sondern weist die Entscheidung über die Eröffnung der Gerichtsbarkeit des Gerichtsstaates originär dem angerufenen nationalen Gericht des Gerichtsstaates zu (Art. 20 des Übereinkommens, vgl. hierzu Denkschrift, aaO, S. 35). Eine Vorlage an den Internationalen Gerichtshof durch einen der Vertragsstaaten ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des nationalen gerichtlichen Verfahrens (Art. 34 Abs. 2 Buchst. a) des Übereinkommens) ausgeschlossen. Eine prozedurale Sicherung der Hoheitsrechte des beklagten Vertragsstaates vor einer zu weitgehenden Anwendung der lex fori durch die nationalen Gerichte des Gerichtsstaates liegt - neben der nachträglichen Anrufung des Internationalen Gerichtshofs - in der Eröffnung eines nachgeordneten Feststellungsverfahrens vor dem hierfür zuständigen nationalen Gericht des verurteilten Staates (Art. 21 des Übereinkommens) oder - nach dem von der Schweiz, nicht aber von Deutschland ratifizierten Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität - wahlweise (Art. 1 Abs. 1 Zusatzprotokoll) in der Möglichkeit, das beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingerichtete Europäische Gericht für Staatenimmunität anzurufen. Materiell sind die Vertragsstaaten durch den - der Beurteilung nach dem Recht des Gerichtsstaates entzogenen - Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt geschützt (BVerfG, aaO).

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cc) Nach diesen Grundsätzen steht der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität nicht entgegen. Der völkerrechtlich anerkannte Kernbereich der hoheitlichen Tätigkeit eines Staates ist ersichtlich nicht berührt. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin als einer durch eine Bildberichterstattung in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffenen Bürgerin richtet sich gegen eine Handlung der Beklagten, die nach maßgeblichem deutschen Recht im Rahmen des Verhältnisses von Bürger und Rundfunkanstalt als privatrechtlich zu qualifizieren ist (vgl. Senatsurteil vom 6. April 1976 - VI ZR 246/74, BGHZ 66, 182, 185 f. mwN; so auch BVerwG, NJW 1994, 2500). Dies gilt unabhängig davon, ob die beklagte Sendeanstalt als Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet und zu hoheitlichen Akten ermächtigt ist, sie bei ihrer Nachrichtengebung im weitesten Sinne also öffentliche Aufgaben wahrnimmt. Zumindest jene der Sache nach ausgrenzbaren Beziehungen, bei denen es um die Abwägung der Interessen der Sendeanstalten an freier Programmgestaltung gegenüber dem Schutz der Individualsphäre geht, sind auf der (horizontalen) Ebene privatrechtlichen Miteinanders geordnet (Senat, aaO; vgl. BVerfGE 7, 99, 104; 12, 205, 244). Nach diesen Grundsätzen wird eine Rundfunkanstalt insoweit nicht in Ausübung der Hoheitsgewalt des sie beauftragenden Staates tätig (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 626b). Nichts anderes gilt für die Beklagte, die nach dem mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren zu unterstellenden Vortrag der Revision von der Schweiz mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrag beliehen ist und die die angegriffene Berichterstattung zum Abruf durch den Nutzer auf ihrer Internetseite vorhält.

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Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass die Inanspruchnahme der Beklagten durch Privatpersonen wegen behaupteter Verletzung privater Interessen durch die Ausstrahlung einer Rundfunksendung auch nach innerstaatlichem schweizerischem Recht dem Zivilrecht und damit der nichthoheitlichen Ebene zugewiesen wird (BGE 109 II 353; 117 II 1; 119 Ib 166, 169).

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2. Zutreffend geht das Berufungsgericht zudem davon aus, dass eine - auch nach § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz zu prüfende - internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ II besteht.

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a) Für die Auslegung der Vorschriften des LugÜ II gelten im Wesentlichen dieselben Grundsätze wie für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) und der dieses in Gemeinschaftsrecht überführenden Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 (EuGVVO aF) und des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (LugÜ I), da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen verpflichtet haben (vgl. Art. 1 Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II; vgl. zum LugÜ I: Senatsurteil vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 155/09, BGHZ 187, 156 Rn. 10; zum LugÜ II: Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rn. 17). Dabei ist zu beachten, dass die in den Übereinkommen verwendeten Begriffe grundsätzlich autonom, d.h. ohne Rückgriff auf die lex fori oder lex causae (Recht des in Anspruch genommenen Staates) auszulegen sind. In erster Linie sind Systematik und Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten (Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rn. 11; vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11, WM 2012, 852 Rn. 17; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, AfP 2012, 372 Rn. 13; zum EuGVÜ: EUGH, Urteile vom 11. Juli 2002 - C-96/00, Slg. 2002, I-6367 = NJW 2002, 2697 Rn. 37; vom 20. Januar 2005 - C-27/02, Slg. 2005, I-481 = NJW 2005, 811 Rn. 33; zur EuGVVO aF: EuGH, Urteile vom 7. Dezember 2010 - C-585/08 u.a., Slg. 2010, I-12527 = NJW 2011, 505 Rn. 55; vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 u.a., Slg. 2011, I-10269 = GRUR 2012, 300 Rn. 38 f.).

17

b) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (künftig: Gerichtshof) sind die Begriffe "unerlaubte Handlung" und "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist" in Art. 5 Nr. 3 LugÜ II / Art. 5 Nr. 3 EuGVVO aF / Art. 7 Nr. 2 EuGVVO dahin auszulegen, dass in diesem Gerichtsstand alle Klagen zulässig sind, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag anknüpft (vgl. zu Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ: EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - C-167/00, Slg. 2002 I-8111 = NJW 2002, 3617 Rn. 36). Unter den Begriff der unerlaubten Handlung fallen auch Persönlichkeits- oder Ehrverletzungen (EuGH, Urteile vom 25. Oktober 2011 - C-509/09 u.a., Slg. 2011, I-10269 = GRUR 2012, 300 Rn. 42 ff. - eDate Advertising; vom 7. März 1995 - C-68/93, Slg. 1995, I-415 = NJW 1995, 1881 Rn. 23 ff. - Shevill). Erfasst werden neben Ansprüchen auf Geldersatz auch Unterlassungsansprüche. Auf den Eintritt eines Schadens kommt es nicht an. Ausweislich des Wortlauts des Art. 5 Nr. 3 LugÜ II fallen selbst vorbeugende (Unterlassungs-)Klagen in den Anwendungsbereich der Bestimmung.

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c) Die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal "Ort, an dem das schädigende Ereignis einzutreten droht" bei (drohenden) Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Inhalte auf einer Internetseite auszulegen ist, hat der Senat für die Parallelvorschrift Art. 5 Nr. 3 EuGVVO aF dem Gerichtshof bereits zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt (Senatsbeschluss vom 10. November 2009 - VI ZR 217/08, AfP 2010, 150). Der Gerichtshof hat die Vorlagefrage mit Urteil vom 25. Oktober 2011 (C-509/09 u.a., Slg. 2011, I-10269 = GRUR 2012, 300 Rn. 52 - eDate-Advertising) so beantwortet, dass

"... Art. 5 Nr. 3 der Verordnung dahin auszulegen ist, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht worden sind, die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, die Möglichkeit hat, entweder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem der Urheber dieser Inhalte niedergelassen ist, oder bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben. Anstelle einer Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens kann diese Person ihre Klage auch vor den Gerichten jedes Mitgliedstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet ein im Internet veröffentlichter Inhalt zugänglich ist oder war. Diese sind nur für die Entscheidung über den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats des angerufenen Gerichts verursacht worden ist."

19

Diese nach der ausgeführten Regel der einheitlichen Auslegung auch auf Art. 5 Nr. 3 LugÜ II anzuwendenden Grundsätze gelten auch für Unterlassungsklagen (EuGH, aaO, Rn. 35; Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, AfP 2012, 372 Rn. 17; BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - I ZR 131/12, NJW 2014, 2504 Rn. 21; Härting, Internetrecht, 5. Aufl., Rn. 2397, 2413; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Rn. 1515c ff.; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., Art. 7 EuGVVO nF Rn. 20; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl., Art. 7 EuGVVO Rn. 30; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., Art. 7 EuGVVO Rn. 93a; vgl. zuvor bereits EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2002 - C-167/00, Slg. 2002, I-8111 Rn. 48 f. = NJW 2002, 3617 Rn. 48 f.).

20

Da die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch ausdrücklich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt hat und ihrem Klagantrag keine weitergehende Kognitionsbefugnis der deutschen Gerichte unterlegt, ist nach der dritten Variante der oben wiedergegebenen Entscheidung des Gerichtshofs die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben.

21

d) Keiner abschließenden Entscheidung bedarf im Rahmen des vorliegenden Zulässigkeitsstreits die Frage, ob die begehrte Unterlassung tatsächlich auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt werden kann (zweifelnd etwa Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 2011, Art. 5 Brüssel I-VO Rn. 92 aE; Rechberger, MR 2013, 116, 118). Das Berufungsgericht hat dies unter Bezugnahme auf den Klagvortrag über die technische Möglichkeit des sog. "Geo-Blocking" angenommen. Bei diesem Verfahren kann der Zugriff auf einen im Internet zum Abruf bereitgestellten Inhalt anhand bestimmter technischer Merkmale der Geo-Lokalisation, u.a. der IP-Adresse des Endnutzers, der Datenübertragungswege und der Datenübertragungsgeschwindigkeiten, verweigert werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Februar 2014 - 13 A 351/12, juris Rn. 106; Hoeren, ZfWG 2008, 229 ff., 311 ff.; Federrath, ZUM 2015, 929).

22

Ob dies tatsächlich so ist oder ob gegebenenfalls ein beim Geo-Blocking nicht zu vermeidender "Streuverlust" (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28. April 2016 - I ZR 23/15, MDR 2016, 1100 Rn. 32 zum umgekehrten Fall des "Geo-Targeting" aus lauterkeitsrechtlicher Sicht) der Beklagten die Befolgung der von der Klägerin begehrten, auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkten Teilunterlassung unmöglich machte, ohne die Beklagte unter Überschreitung der beschränkten Kognitionsbefugnis der deutschen Gerichtsbarkeit faktisch auf eine Löschung der angegriffenen Berichterstattung auf ihrer Internetseite insgesamt zu verpflichten, ist abschließend erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu klären. Der dahingehende Vortrag der Revision entspricht dem materiell-rechtlichen Einwand der Unmöglichkeit der begehrten Unterlassung aus tatsächlichen Gründen (s. hierzu nur Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 1004 Rn. 43). Bei der Frage der tatsächlichen Begrenzbarkeit der begehrten Unterlassungsverpflichtung auf deutsches Hoheitsgebiet handelt es sich damit um eine solche nach einer Tatsache, die gleichzeitig zuständigkeitsbegründend nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ II als auch notwendiges Tatbestandsmerkmal des geltend gemachten materiellen Unterlassungsanspruchs ist, weil die Bejahung des materiellen Anspruchs begrifflich diejenige der Zuständigkeit in sich schlösse (doppelrelevante Tatsache). Die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen bedürfen insoweit im Rahmen des Zuständigkeitsstreits keines Beweises, für die Zuständigkeitsfrage ist vielmehr die Richtigkeit des - schlüssigen - Klagvortrags zu unterstellen (BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 2015 - VII ZB 8/15, NJW 2016, 316 Rn. 25; vom 27. Oktober 2009 - VIII ZB 42/08, BGHZ 183, 49 Rn. 14 mwN).

23

Das Landgericht wird jedoch im Rahmen der Sachprüfung - das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen unterstellt - auf den Einwand der Beklagten zu klären haben, ob dieser die Umsetzung einer auf deutsches Hoheitsgebiet beschränkten Unterlassungsverpflichtung tatsächlich möglich ist. Etwaigen tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer allgemeinen Unterlassungsverpflichtung wird unter Umständen mit einer Konkretisierung des Unterlassungsbegehrens Rechnung getragen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037).

24

e) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Senat keine Veranlassung, den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Die im Streitfall maßgebliche unionsrechtliche Frage war wie ausgeführt bereits Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2011 (C-509/09 u.a. - eDate Advertising) und ist damit acte éclairé (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 13 - CILFIT).

Galke                           Wellner                           von Pentz

                 Oehler                              Klein

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