Beschluss vom Bundesgerichtshof (5. Zivilsenat) - V ZR 235/16

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 7. September 2016 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als festgestellt worden ist, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Rückgabe und (lastenfreien) Rückübereignung des Grundstücks in Annahmeverzug befindet.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs sowie über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 110.000 €.

Gründe

I.

1

Die Klägerin erwarb von der Beklagten ein Hausgrundstück unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Zur Finanzierung des Kaufpreises ließ sie zugunsten ihrer Bank eine Grundschuld auf dem Grundbesitz eintragen. In der Folgezeit erklärte die Klägerin unter Hinweis auf Feuchtigkeitsschäden des Hauses den Rücktritt von dem Vertrag, hilfsweise dessen Anfechtung, und verlangt die Rückabwicklung und Schadensersatz.

2

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 83.000 € Zug um Zug gegen lastenfreie Rückübertragung des Grundstücks sowie zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 12.123,25 € verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises gegen lastenfreie Rückübertragung des Grundstücks und Schadensersatz verlangen. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte die Klägerin über die Feuchtigkeitsmängel des Hauses arglistig getäuscht habe. Die Beklagte befinde sich zudem in Annahmeverzug. Eventuelle Schwierigkeiten der Klägerin, eine Lastenfreiheit des Grundstücks herzustellen, seien lediglich für das Vollstreckungsverfahren von Bedeutung.

III.

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Feststellung in dem Berufungsurteil wendet, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet. Insoweit ist das Berufungsurteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet.

5

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht unter Verletzung des Verfahrensgrundrechts der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zu dem Ergebnis gelangt ist, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet. Insoweit handelt es sich um eine unzulässige Überraschungsentscheidung.

6

a) In der mündlichen Verhandlung hat das Berufungsgericht, nachdem die Klägerin erklärt hatte, sie sei finanziell wohl nicht in der Lage, die Immobilie lastenfrei zu stellen, darauf hingewiesen, dass Annahmeverzug gemäß § 294 BGB nur dann anzunehmen sei, wenn der Beklagten die lastenfreie Rückübereignung angeboten worden wäre; das sei aber nicht geschehen. Dieser Hinweis ist angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs mit den zuvor erörterten Schwierigkeiten der Klägerin zur Grundschuldablösung dahingehend zu verstehen, dass das Berufungsgericht deswegen die Voraussetzungen des Annahmeverzugs (§§ 293 ff. BGB) als nicht erfüllt ansieht. In dem Berufungsurteil hat das Berufungsgericht unter Abweichung von dem zuvor erteilten Hinweis den Annahmeverzug der Beklagten dagegen bejaht und die Auffassung vertreten, dass ein eventuelles Unvermögen der Klägerin zur lastenfreien Rückgabe des Grundstücks lediglich für das Vollstreckungsverfahren von Relevanz sei. Durch diese Verfahrensweise hat es das Recht der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Erteilt das Gericht einen rechtlichen Hinweis in einer entscheidungserheblichen Frage, so darf es diese Frage im Urteil nicht abweichend von seiner geäußerten Rechtsauffassung entscheiden, ohne die Verfahrensbeteiligten zuvor auf die Änderung der rechtlichen Beurteilung hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben (BGH, Urteil vom 29. April 2014 - VI ZR 530/12, NJW 2014, 2796 Rn. 5 mwN). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung gilt dies unabhängig davon, ob der gerichtliche Hinweis nur eine Nebenforderung (vgl. § 139 Abs. 2 ZPO) betrifft oder die Hauptsache. Das Berufungsgericht hätte vor einer Änderung seiner Rechtsauffassung der Beklagten daher die Möglichkeit geben müssen, sich hierzu zu äußern.

7

b) Das angegriffene Urteil beruht auch auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Das Berufungsgericht geht - anders als in dem zuvor erteilten Hinweis - in dem Berufungsurteil rechtsfehlerhaft davon aus, dass Gläubigerverzug entgegen § 297 BGB nicht die Leistungsfähigkeit des Schuldners zur Zeit des Angebots voraussetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass es diese fehlerhafte Rechtsauffassung überdacht hätte, wenn die Beklagte Gelegenheit gehabt hätte, hierauf - wie in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung geschehen - hinzuweisen, und dass das Berufungsgericht anschließend der Frage, ob die erforderliche Leistungsfähigkeit der Klägerin vorlag, nachgegangen wäre.

8

2. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen. Die Rechtssache wirft insoweit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Von einer Begründung hierzu wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Stresemann     

       

Brückner     

       

Weinland

       

Kazele     

       

Hamdorf     

       

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