Urteil vom Bundesgerichtshof (7. Zivilsenat) - VII ZR 65/14

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 25. Februar 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung eines Vorschusses zur Mängelbeseitigung.

2

Auf der Grundlage des Angebots der Beklagten vom 14. März 2007, dem die VOB/B (2006) beigefügt war, erteilte die Klägerin der Beklagten - in Abänderung eines bereits im Juli 2006 geschlossenen Vertrags - noch im März 2007 den Auftrag zur Errichtung dreier Pultdachhallen in verzinkter Stahlkonstruktion in G. zum Festpreis von 770.000 € zuzüglich Umsatzsteuer. In der Gebäudebeschreibung ist für die Hallen eine Schneelast von 80 kg/m² angegeben. Dies entsprach der DIN 1055-5 (1975) und der im Jahr 2006 erteilten Baugenehmigung. Nach den technischen Vorgaben der geänderten DIN 1055-5 (2005), deren verbindliche bauaufsichtliche Einführung für Bauvorhaben erfolgte, deren Genehmigung nach dem 1. Januar 2007 beantragt wurde, und die vorab im Jahr 2005 im Weißdruck erschienen war, ist in G. eine Schneelast von 139 kg/m² anzusetzen.

3

Die Beklagte errichtete die Hallen in der Zeit bis August 2007. Nachdem das mit der Montage der vorgesehenen Photovoltaikanlage auf dem Dach befasste Unternehmen wegen der Durchbiegung der Dachkonstruktion Bedenken angemeldet hatte, forderte die Klägerin die Beklagte zur Verstärkung der Dachkonstruktion auf. Die Beklagte kam dem nicht nach, stellte unter dem 30. Juni 2008 die Schlussrechnung und zeigte am 1. Juli 2008 Fertigstellung an. Die Klägerin verweigerte eine förmliche Abnahme.

4

Die Klägerin hat auf der Grundlage eines im Rahmen des von ihr eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens eingeholten Sachverständigengutachtens Mängelbeseitigungskosten in Höhe von ca. 856.800 € brutto veranschlagt. Dabei ist sie von einer Verpflichtung der Beklagten ausgegangen, die Dachkonstruktion unter Berücksichtigung der nach der DIN 1055-5 (2005) vorgesehenen Schneelast von 139 kg/m² zu ertüchtigen. Nach Abzug eines Einbehalts von der Werklohnforderung hat sie mit der Klage die Zahlung von 518.849,24 € brutto als Vorschuss gefordert.

5

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Hauptforderung in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und diese unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 382.049,24 € verurteilt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision strebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage an.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils im tenorierten Umfang und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

7

Das Berufungsgericht hat, soweit für die Revision von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

8

Die von der Beklagten errichteten Hallen seien mangelhaft unabhängig davon, ob die Standsicherheit auf der Grundlage einer Schneelast von 80 kg/m² oder 139 kg/m² zu berechnen sei. Denn in allen drei Hallen seien bauliche Mängel vorhanden, die die Standsicherheit der Hallen selbst unter der Annahme einer zu berücksichtigenden Schneelast von 80 kg/m² gefährdeten.

9

Grundlage für den geltend gemachten Vorschussanspruch sei § 4 Nr. 7 i.V.m. § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (2006), da das Werk nicht abgenommen worden sei. Dem Auftraggeber stehe danach die Differenz zwischen den zur Fertigstellung bzw. Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten und der nach dem Vertrag an den Auftragnehmer zu bezahlenden restlichen Vergütung zu. Die Kosten richteten sich danach, welche Maßnahmen zur Ertüchtigung der Hallen unter Berücksichtigung einer Schneelast von 139 kg/m² erforderlich seien.

10

Nach § 13 Nr. 1 VOB/B (2006) habe der Auftragnehmer die Leistung zum Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln zu verschaffen. Die Leistung sei im Zeitpunkt der Abnahme frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit habe und den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Maßgeblich für die Frage, ob das Werk den anerkannten Regeln der Technik entspreche, sei nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern der Zeitpunkt der Abnahme. Da bisher weder eine Abnahme erfolgt noch die vorliegenden Mängel beseitigt worden seien, komme es für die Frage, welche Anforderungen den durchzuführenden Mangelbeseitigungsmaßnahmen zugrunde zu legen seien, auf den Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung an.

11

Spätestens ab dem Jahr 2010 und damit auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht sei die DIN 1055-5 (2005) in der seit 1. Januar 2007 geltenden Fassung als anerkannte Regel der Technik im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Schneelasten anzusehen gewesen.

12

Dem stehe nicht entgegen, dass nach der Parteivereinbarung lediglich eine Schneelast von 80 kg/m² habe maßgeblich sein sollen, was der DIN 1055-5 (1975) in der bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung entspreche. Unstreitig sei im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss zwischen den Parteien nicht ausdrücklich darüber gesprochen worden, dass die Ausführung von den anerkannten Regeln der Technik abweichen solle. Daher sei die ausdrückliche Vereinbarung einer Schneelast von 80 kg/m² zwar dahingehend zu verstehen, dass dadurch die von der Beklagten geschuldete Leistung bestimmt worden sei, aber nicht dahingehend, dass ausdrücklich eine Abweichung von den geltenden Regeln der Technik habe vereinbart werden sollen.

13

Die formalen Voraussetzungen des Vorschussanspruchs seien erfüllt. Zwar seien die von § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (2006) grundsätzlich vorausgesetzte Fristsetzung mit Androhung der Auftragsentziehung und die anschließende Auftragsentziehung nicht erfolgt. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch entbehrlich, wenn der Auftragnehmer die vertragsgemäße Fertigstellung ernsthaft und endgültig verweigert habe. In der E-Mail des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12. April 2011 liege eine solche ernsthafte und endgültige Verweigerung der vertragsgemäßen Fertigstellung, die bereits zu diesem Zeitpunkt die Berücksichtigung einer Schneelast von 139 kg/m² beinhaltet habe.

14

Damit stehe der Klägerin ein Kostenvorschuss für Maßnahmen zu, nach deren Durchführung die Hallen einer Schneelast von 139 kg/m² standhielten, obwohl zwischen den Parteien als maßgebliche Schneelast 80 kg/m² vereinbart gewesen sei. Dieser Vorteil führe jedoch nicht zu einer Kürzung des klägerischen Anspruchs unter dem Gesichtspunkt von Sowieso-Kosten. Sowieso-Kosten, mit denen der Auftragnehmer nicht belastet werden dürfe, seien Kosten für Maßnahmen, die dieser nach dem Vertrag nicht zu erbringen gehabt habe und um die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung von vornherein teurer gewesen wäre. Eine solche Konstellation liege jedoch nicht vor. Denn die bei Berücksichtigung einer Schneelast von 139 kg/m² entstehenden Mehrkosten wären nicht angefallen, wenn die Beklagte ihre Leistung von vornherein mangelfrei erbracht hätte. Bei einer im Übrigen mangelfreien Bauausführung im Jahr 2007 auf der Grundlage einer Schneelast von 80 kg/m² hätte nicht deshalb eine mangelhafte Leistung der Beklagten vorgelegen, weil sich die Anforderungen der DIN 1055 geändert hätten. Die verschärften Anforderungen hätten nämlich noch nicht für Bauvorhaben gegolten, die aufgrund einer vor dem 1. Januar 2007 beantragten Baugenehmigung errichtet worden seien. Erst nachdem die DIN 1055-5 (2005) - spätestens ab dem Jahr 2010 - als anerkannte Regel der Technik anzusehen sei, habe sich dies geändert.

15

Eine Kürzung des klägerischen Anspruchs komme ferner nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs in Betracht. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, in welcher Höhe dem Vermögen der Klägerin durch die Ertüchtigung der Hallen unter Berücksichtigung der erhöhten Schneelast von 139 kg/m² ein Vermögensvorteil zuwachse.

16

Da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt sei, stehe ihr indes nur der Nettobetrag der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 382.049,24 € als Vorschuss zu.

II.

17

Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der Vorschussanspruch nicht in der ausgeurteilten Höhe zuerkannt werden.

18

1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass eine Abnahme des Bauwerks durch die Klägerin bislang nicht erfolgt ist.

19

Es hat weiter festgestellt, dass die Vorgaben der DIN 1055-5 (2005) zu den bei Bauvorhaben anzusetzenden Schneelasten spätestens ab dem Jahr 2010 zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik zählen. Danach entsprach es spätestens ab diesem Zeitpunkt den allgemein anerkannten Regeln der Technik, in G. die Standsicherheit auf der Grundlage einer Schneelast von 139 kg/m² zu berechnen.

20

Die hiergegen erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.

21

2. Die auf diesen Feststellungen beruhende Auslegung des Berufungsgerichts, die Beklagte schulde nach dem Vertrag ungeachtet der Vereinbarung einer Schneelast von 80 kg/m² wegen der spätestens ab dem Jahr 2010 erfolgten Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik die Errichtung der Hallen unter Berücksichtigung einer Schneelast von 139 kg/m², ist indes von Rechtsfehlern beeinflusst.

22

Die Auslegung von Willenserklärungen ist grundsätzlich Angelegenheit des Tatrichters. Eine revisionsrechtliche Überprüfung findet allerdings dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht. Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung (vgl. BGH, Urteile vom 31. August 2017 - VII ZR 5/17, WM 2017, 2169 Rn. 24; vom 22. Oktober 2015 - VII ZR 58/14, NZBau 2016, 213 Rn. 15 f., und vom 5. März 2015 - IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231 Rn. 21, jeweils m.w.N.). Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt.

23

a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Auftragnehmer im Rahmen eines Vertrags, in den die VOB/B (2006) einbezogen ist, gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B (2006) zum Zeitpunkt der Abnahme ein Bauwerk schuldet, das der vereinbarten Beschaffenheit und den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht.

24

Danach ist die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik unabhängig davon geschuldet, ob öffentlich-rechtlich geringere Anforderungen an die Bauausführung gestellt werden. Der Umstand, dass ein Bauwerk öffentlich-rechtlich zulässig ist und genutzt werden darf, ändert nichts daran, dass der Auftragnehmer die sich in den allgemein anerkannten Regeln der Technik widerspiegelnden üblichen (höheren) Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen einzuhalten hat.

25

Maßgebend sind nach § 13 Nr. 1 VOB/B (2006) grundsätzlich die allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme. (vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Weyer, VOB Teile A und B, 5. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 55 f.; Beck'scher VOB/B-Kommentar/Ganten, 3. Aufl., § 13 Abs. 1 Rn. 77; Leinemann/Schliemann, VOB/B, 6. Aufl., § 13 Rn. 35 ff.; Kniffka in Kniffka/ Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 6. Teil Rn. 35; Messerschmidt/ Voit/Drossart, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 633 BGB Rn. 32; vgl. zum gesetzlichen Werkvertragsrecht auch BGH, Urteil vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19 juris Rn. 11).

26

Dies gilt im Regelfall auch bei einer Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme. In einem solchen Fall hat der Auftragnehmer den Auftraggeber über die Änderung und die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken für die Bauausführung zu informieren, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen. Ein nach beiden Seiten hin interessengerechtes Verständnis des Bauvertrags führt unter Berücksichtigung von Treu und Glauben regelmäßig dazu, dass für den Auftraggeber zwei Optionen bestehen.

27

Der Auftraggeber kann zum einen die Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangen mit der Folge, dass ein aufwändigeres Verfahren zur Herstellung des Werks erforderlich werden kann, als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von den Parteien vorgesehen, oder dass ein bereits erstelltes Bauwerk für die Abnahme noch ertüchtigt werden muss. Der Auftragnehmer kann, soweit hierfür nicht von der Vergütungsvereinbarung erfasste Leistungen erforderlich werden, im Regelfall eine Vergütungsanpassung nach § 1 Nr. 3 oder 4, § 2 Nr. 5 oder 6 VOB/B (2006) verlangen.

28

Der Auftraggeber kann zum anderen von einer Einhaltung der neuen allgemein anerkannten Regeln der Technik und damit von einer etwaigen Verteuerung des Bauvorhabens absehen.

29

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können die Parteien allerdings bei Vertragsschluss auch eine Vereinbarung treffen, nach der die Bauausführung hinter den aktuellen oder den künftigen allgemein anerkannten Regeln der Technik, soweit deren Einführung bereits absehbar ist, zurückbleibt. Dies erfordert, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber auf die Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und die mit der Nichteinhaltung verbundenen Konsequenzen und Risiken hinweist, es sei denn, diese sind dem Auftraggeber bekannt oder ergeben sich ohne Weiteres aus den Umständen. Ohne eine entsprechende Kenntnis kommt eine rechtsgeschäftliche Zustimmung des Auftraggebers zu einer hinter den allgemein anerkannten Regeln der Technik zurückbleibenden Ausführung regelmäßig nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 - VII ZR 134/12, BauR 2013, 952 Rn. 15 = NZBau 2013, 295; Urteil vom 4. Juni 2009 - VII ZR 54/07, BGHZ 181, 225 Rn. 14; jeweils m.w.N.; vgl. auch Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 6. Teil Rn. 37). Die Parteien können eine solche Vereinbarung auch nach Vertragsschluss treffen.

30

c) Soweit das Berufungsgericht eine solche Vereinbarung allein deshalb verneint, weil anlässlich des Vertragsschlusses nicht ausdrücklich darüber gesprochen worden sei, dass mit der Vereinbarung einer Schneelast von 80 kg/m² eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführung vereinbart werden sollte, lässt die Auslegung wesentliche, für eine beiderseits interessengerechte Auslegung bedeutsame Umstände unberücksichtigt.

31

Das Berufungsgericht setzt sich bei der Auslegung nicht hinreichend mit dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden, teilweise unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten auseinander. Danach beruhte die Vereinbarung einer Schneelast von 80 kg/m² auf ausdrücklichen Vertragsverhandlungen der Parteien, wobei der fachkundigen Klägerin und deren Architekten und Statiker die Änderung der Vorgaben zur Schneelast in der DIN 1055-5 (2005) bekannt gewesen sei. Es sei der Klägerin im Hinblick auf einen engen Finanzspielraum gerade darauf angekommen, die öffentlich-rechtlich noch zulässige und deutlich preiswertere Herstellungsart, die eine Schneelast von nur 80 kg/m² gemäß der DIN 1055-5 (1975) vorsah, zu verwirklichen. Entsprechend sei auch in den Baubesprechungen über die neue Schneelastnorm gesprochen worden, ohne dass eine Änderung der Bauausführung verlangt worden sei. Bei Zugrundelegung dieses Vortrags kommt in Betracht, dass die Klägerin eines besonderen Hinweises auf die Bedeutung der Schneelastnormen und die mit der Vereinbarung einer geringeren Schneelast gemäß der DIN 1055-5 (1975) verbundenen Konsequenzen und Risiken nicht bedurfte, da diese für sie auf der Hand lagen, und sie in Kenntnis der maßgebenden Umstände aus Preisgründen diese Bauausführung vereinbart hat.

32

3. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht mangels Abnahme den Vorschussanspruch auf § 4 Nr. 7 in Verbindung mit § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (2006) gestützt (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1989 - VII ZR 80/88, BauR 1989, 462, 464, juris Rn. 15). Allerdings ist die Auffassung des Berufungsgerichts, im Rahmen dieses Anspruchs sei eine Kündigungserklärung der Klägerin entbehrlich gewesen, von Rechtsfehlern beeinflusst.

33

Ein Anspruch aus § 4 Nr. 7, § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (2006) setzt gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 und Nr. 5 VOB/B (2006) grundsätzlich eine schriftliche Kündigungserklärung des Auftraggebers voraus. Allerdings hat der Bundesgerichtshof bei ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung des Auftragnehmers eine Kündigungserklärung des Auftraggebers nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB für entbehrlich gehalten. Er hat die Entbehrlichkeit der Kündigungserklärung damit begründet, dass der Auftragnehmer durch seine endgültige Weigerung das Recht zur Vertragserfüllung verloren habe, so dass es zu unklaren Verhältnissen über die weitere Bauabwicklung nicht mehr kommen könne (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 - VII ZR 76/11, BGHZ 192, 190 Rn. 9; Versäumnisurteile vom 9. Oktober 2008 - VII ZR 80/07, BauR 2009, 99 Rn. 16 = NZBau 2009, 173 und vom 5. Juli 2001 - VII ZR 201/99, BauR 2001, 1577, juris Rn. 6 = NZBau 2001, 623; Urteil vom 20. April 2000 - VII ZR 164/99, BauR 2000, 1479, 1481, juris Rn. 21 = NZBau 2000, 421). An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht uneingeschränkt fest. Allein der Verlust des Rechts des Auftragnehmers, den Vertrag zu erfüllen, beschränkt nicht das Recht des Auftraggebers, auf Erfüllung zu bestehen und gegebenenfalls Erfüllungsklage zu erheben. Es ist daher für einen Anspruch aus § 4 Nr. 7, § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (2006) neben der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Auftragnehmers auch ein Verhalten des Auftraggebers erforderlich, das dem mit der Regelung verfolgten Zweck, klare Verhältnisse zu schaffen, gerecht wird. Das ist der Fall, wenn der Auftraggeber, der Vorschuss verlangt, zumindest konkludent zum Ausdruck bringt, dass er den Vertrag mit dem Auftragnehmer beenden will.

III.

34

Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Das Berufungsgericht wird die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

35

Insoweit weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

36

Kommt das Berufungsgericht nach Aufklärung weiterhin zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen eines Vorschussanspruchs vorliegen und die Beklagte die Errichtung der Hallen unter Berücksichtigung einer Schneelast von 139 kg/m² schuldet, wird es zu überprüfen haben, inwieweit der Anspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Sowieso-Kosten zu kürzen ist. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann eine Kürzung nicht verneint werden.

37

1. Haben die Parteien neben dem Werkerfolg eine bestimmte Herstellungsart nach Vorgaben des Auftraggebers ausdrücklich vereinbart, so wird regelmäßig nur diese durch die Vergütungsvereinbarung abgegolten. Schuldet der Auftragnehmer zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs zusätzlichen Herstellungsaufwand, der nicht von der Vergütung erfasst ist, ist das rechtsgeschäftlich festgelegte Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gestört. Im Rahmen eines Vertrags, in den die VOB/B (2006) einbezogen ist, schaffen die Regelungen in § 1 Nr. 3 und 4, § 2 Nr. 5 und 6 VOB/B (2006) hierfür einen Ausgleich. Danach kann der Auftraggeber den zur Erreichung des Werkerfolgs erforderlichen zusätzlichen Herstellungsaufwand anordnen. Dem Auftragnehmer steht hierfür eine Nachtragsvergütung zu, die sich nach § 2 Nr. 5 oder 6 VOB/B (2006) oder bei fehlender Anordnung nach § 2 Nr. 8 VOB/B (2006) bestimmt. Liegen in einem solchen Fall die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vorschuss der im Rahmen einer Ersatzvornahme voraussichtlich anfallenden Mängelbeseitigungskosten vor, sind die Kosten für den zusätzlichen Herstellungsaufwand im Rahmen von Sowieso-Kosten zu berücksichtigen. Es besteht kein Anlass, den Auftraggeber im Rahmen eines Anspruchs gemäß § 4 Nr. 7, § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (2006) oder im Rahmen von Mängelansprüchen besser zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 1999 - VII ZR 468/98, BauR 2000, 571, 573, juris Rn. 18 = NZBau 2000, 131 zum Anspruch gemäß § 4 Nr. 7, § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B (2006); BGH, Urteile vom 27. Juli 2006 - VII ZR 202/04, BGHZ 168, 368 Rn. 25; vom 17. Mai 1984 - VII ZR 169/82, BGHZ 91, 206, 209 ff., juris Rn. 17 ff., und vom 22. März 1984 - VII ZR 50/82, BGHZ 90, 344, 348, juris Rn. 34 zu Mängelansprüchen). Als Sowieso-Kosten sind danach diejenigen Mehrkosten zu berücksichtigen, um die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung von vornherein teurer geworden wäre.

38

2. Gleiches gilt, wenn bei der Bestimmung des geschuldeten Werkerfolgs eine vor Abnahme eingetretene Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu berücksichtigen ist und der zur Erreichung des Werkerfolgs erforderliche zusätzliche Herstellungsaufwand nicht von der vereinbarten Vergütung erfasst ist. Auch in diesem Fall sind die hierfür anfallenden Kosten gemäß § 1 Nr. 3 und 4, § 2 Nr. 5 und 6 VOB/B (2006) oder unter dem Gesichtspunkt der Sowieso-Kosten vom Auftraggeber zu tragen.

39

3. Sollte das Berufungsgericht weiterhin zu dem Ergebnis kommen, dass die vertragliche Vergütungsvereinbarung nur auf eine Schneelast von 80 kg/m² bezogen ist, ist die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Kürzung des Vorschussanspruchs unter dem Gesichtspunkt der Sowieso-Kosten sei abzulehnen, weil im Jahr 2007 die Errichtung der Hallen unter Berücksichtigung einer Schneelast von 80 kg/m² noch ohne zusätzlichen Herstellungsaufwand mangelfrei möglich gewesen wäre, nicht tragfähig. Damit wird verkannt, dass die Klägerin mit der geforderten Mangelbeseitigung unter Berücksichtigung einer Schneelast von 139 kg/m² ein Bauwerk erhält, für das sie wegen des von der Vergütungsvereinbarung nicht erfassten zusätzlichen Herstellungsaufwandes von vornherein mehr hätte zahlen müssen.

Eick   

        

Kartzke   

        

   Graßnack

        

Sacher   

        

Ri'inBGH Borris ist wegen
dienstlicher Abwesenheit an
der Unterschriftsleistung
gehindert.

        
                          

Eick   

        

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