Beschluss vom Bundesgerichtshof (1. Zivilsenat) - I ZB 92/17

Tenor

Der Antrag der Antragsgegnerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. September 2017 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus einem Beschluss des Oberlandesgerichts, mit dem ein ausländischer Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden ist und den sie mit der Rechtsbeschwerde angegriffen hat, ohne oder hilfsweise gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen. Der Antrag hat keinen Erfolg.

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1. Wird gegen die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs die Rechtsbeschwerde erhoben, so kann das Rechtsbeschwerdegericht nach § 1065 Abs. 2 Satz 2 ZPO in entsprechender Anwendung von § 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf Antrag anordnen, dass die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt wird oder nur gegen Sicherheitsleistung stattfindet. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung ist nach § 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Bei der Entscheidung über den Einstellungsantrag sind die widerstreitenden Interessen von Schuldner und Gläubiger gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung fällt im vorliegenden Fall zugunsten der Antragstellerin aus, weil die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin beim derzeitigen Stand des Verfahrens keine Aussicht auf Erfolg hat.

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2. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts ist zwar von Gesetzes wegen statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Gegen die in § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO genannte Entscheidung des Oberlandesgerichts über einen Antrag betreffend die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs (§ 1061 ZPO) findet gemäß § 1025 Abs. 4 in Verbindung mit § 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Rechtsbeschwerde statt. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Senatsentscheidung erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

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a) Die Antragsgegnerin macht vergeblich geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, weil das Oberlandesgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt habe.

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aa) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht in Erwägung gezogen worden ist. Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2016 - I ZB 7/15, SchiedsVZ 2016, 339 Rn. 22 mwN).

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bb) Die Antragsgegnerin macht geltend, das Oberlandesgericht habe ihr Vorbringen, der Schiedsspruch beruhe auf der Verletzung von Verfahrensvereinbarungen der Parteien und von Verfahrensrecht der Russischen Föderation, zwar daraufhin untersucht, ob das Schiedsgericht gemäß Art. V Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (im folgenden UNÜ; BGBl. 1961 II S. 121) gegen das Gebot rechtlichen Gehörs verstoßen habe und die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches gemäß Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ dem ordre public widerspreche. Das Oberlandesgericht habe jedoch nicht geprüft, ob die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren gemäß Art. V Abs. 1 Buchst. d UNÜ einer Vereinbarung der Parteien oder dem Recht des Landes widersprochen habe, in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattgefunden habe. Insbesondere habe es weder die erforderlichen Feststellungen zu den Verfahrensvereinbarungen der Parteien getroffen noch das einschlägige Verfahrensrecht der Russischen Föderation hinreichend ermittelt.

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cc) Damit kann die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben.

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(1) Die Antragsgegnerin räumt selbst ein, dass das Oberlandesgericht ihr gesamtes Vorbringen zur Verletzung von Verfahrensvereinbarungen der Parteien und von Verfahrensrecht der Russischen Föderation zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Das Oberlandesgericht hat geprüft, ob dem Schiedsspruch die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen ist, weil infolge der behaupteten Verfahrensverstöße die Antragsgegnerin ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnte und damit ihr rechtliches Gehör verletzt wurde (Art. V Abs. 1 Buchst. b UNÜ) oder die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs dem deutschen oder dem internationalen ordre public widerspricht (Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ). Das Oberlandesgericht hat sich zwar nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs zu versagen ist, weil die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren einer Vereinbarung der Parteien oder dem Recht der Russischen Föderation widersprochen haben (Art. V Abs. 1 Buchst. d UNÜ). Darin liegt jedoch keine Verletzung des Anspruchs der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör. Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht darauf berufen, der Schiedsspruch dürfe nicht für vollstreckbar erklärt werden, weil die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren wegen der von ihr behaupteten Verfahrensverstöße einer Vereinbarung der Parteien oder dem Recht der Russischen Föderation widersprochen habe. Dies macht sie erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend. Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht das rechtliche Gehör der Antragsgegnerin nicht dadurch verletzt, dass es sich nicht mit diesem Versagungsgrund auseinandergesetzt hat.

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(2) Die Antragsgegnerin rügt ohne Erfolg, das Oberlandesgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es weder die erforderlichen Feststellungen zu Verfahrensvereinbarungen getroffen noch die erforderlichen Ermittlungen zum anwendbaren Verfahrensrecht der Russischen Föderation angestellt habe. Es kann offenbleiben, ob das Oberlandesgericht im Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ebenso wie der Tatrichter im Erkenntnisverfahren nach § 293 ZPO verpflichtet ist, das in einem anderen Staat geltende Recht von Amts wegen zu ermitteln (zur Ermittlungspflicht des Tatrichters vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - I ZR 144/09, TranspR 2012, 110 Rn. 11; Urteil vom 14. Januar 2014 - ll ZR 192/13, NJW 2014, 1244 Rn. 15), oder ob die Partei, die sich der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs wegen der behaupteten Verletzung des in dem anderen Staat geltenden Rechts widersetzt, den Inhalt des ausländischen Rechts darlegen und beweisen muss (MünchKomm.ZPO/Adolphsen, 5. Aufl., Art. V UNÜ Rn. 17; vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 9. Oktober 2009 - 19 Sch 19/99, juris Rn. 19). Eine Verletzung der nach § 293 ZPO bestehenden Ermittlungspflicht stellt jedenfalls keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 - V ZR 164/16, juris Rn. 1; Beschluss vom 23. März 2017 - V ZR 164/16, juris Rn. 1). Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist zwar verletzt, wenn das Gericht entscheidungserheblichen Vortrag einer Partei zum ausländischen Recht übergeht. Das hat die Antragsgegnerin aber nicht behauptet.

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b) Die Antragsgegnerin macht ferner ohne Erfolg geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil der Streitfall die Frage aufwerfe, ob in einem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs der Antragsgegner die von ihm vorgebrachten Versagungsgründe zutreffend benennen und entsprechend § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO rügen müsse.

11

aa) Durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und Versagungsgründe im Sinne von Art. V Abs. 1 UNÜ nur zu berücksichtigen sind, wenn die Partei, die sich darauf beruft, sie begründet geltend macht, das heißt sich substantiiert darauf beruft (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2000 - III ZB 55/99, BGHZ 145, 376, 379; Urteil vom 1. Februar 2001 - III ZR 332/99, NJW-RR 2001, 1059 f.; Beschluss vom 6. Juni 2002 - III ZB 44/01, BGHZ 151, 79, 82).

12

Nach diesen Maßstäben musste das Oberlandesgericht den Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 Buchst. d UNÜ nicht berücksichtigen. Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht substantiiert darauf berufen, dass der Schiedsspruch nicht für vollstreckbar zu erklären sei, weil die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren einer Vereinbarung der Parteien oder dem Recht der Russischen Föderation widersprochen habe (Art. V Abs. 1 Buchst. d UNÜ). Wegen der von ihr behaupteten fehlerhaften Besetzung des Schiedsgerichts mit einem angeblich befangenen Schiedsrichter hat sie allein geltend gemacht, die Vollstreckung des Schiedsspruchs verstoße gegen die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland (Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ). Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin gerügt, das Schiedsgericht habe es zu Unrecht abgelehnt, ein zweites Sachverständigengutachten einzuholen, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen und dem Sachverständigen ergänzende Fragen vorzulegen; außerdem habe es Fragen zum und Einwände gegen das Gutachten zurückgewiesen und übergangen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung nicht rechtzeitig übersandt. In diesem Zusammenhang hat sie sich zwar verschiedentlich auf eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs berufen, aber nicht geltend gemacht, dass dem Schiedsspruch wegen Verstoßes gegen von den Parteien vereinbarte oder in der Russischen Föderation geltende Vorschriften für das schiedsrichterliche Verfahren die Anerkennung oder Vollstreckung zu versagen sei. Das Oberlandesgericht durfte sich daher auf die Prüfung beschränken, ob der von der Antragsgegnerin vorgetragene Sachverhalt den Versagungsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. Art. V Abs. 1 Buchst. b UNÜ) begründet.

13

bb) Die weitere von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob der Antragsgegner in einem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs die Norm des Versagungsgrunds ausdrücklich bezeichnen muss, ist nicht entscheidungserheblich. Das Oberlandesgericht musste den Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 Buchst. d UNÜ schon deshalb nicht berücksichtigen, weil die Antragsgegnerin sich nicht substantiiert darauf berufen hat, dass der Schiedsspruch nicht für vollstreckbar zu erklären sei, weil die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren einer Vereinbarung der Parteien oder dem Recht der Russischen Föderation widersprochen habe. Es kommt daher nicht darauf an, dass der Bundesgerichtshof in einem die Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs betreffenden Rechtsbeschwerdeverfahren die Auffassung des Oberlandesgerichts München unbeanstandet gelassen hat, die fehlende ausdrückliche Bezeichnung der Norm (im dort zugrunde liegenden Fall: § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZPO) sei unschädlich (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2014 - I ZB 23/14, SchiedsVZ 2016, 41 Rn. 7; OLG München, Beschluss vom 10. Januar 2014 - 34 Sch 7/13, BeckRS 2015, 08977 unter ll 2 a).

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